Diese Story ist nicht für Kinder geeignet!!

 
Alinijas Geschichte von Scerijne

Geboren bin ich im hohen Norden, wo der Winter die Tränen in den Augen friert und sogar das unruhige Meer zu Eis erstarrt. 

Dort lebte mein Volk in Zelten aus Fellen oder Höhlen aus Eis. Zusammen mit Rentieren und Iglons folgen wir den Nemphria, sie zu schützen vor den maßlosen, blinden Schlächtern der Städte. Sie zu erhalten wie sie uns erhalten im Geben wie im Nehmen. Von ihnen zu lernen wieder das zu werden was wir einst waren. 

Das war die Sehnsucht meines Clans. Vielleicht kennt ihr die Geschichte wie die Cherubine die Elben betrogen. Sie verschmolzen mit den Menschen, um Einfluß auf sie zu gewinnen. 
Die Cherubine waren eifersüchtig auf die Elben und ihre Verbundenheit, Kraft und Unabhängigkeit. Denn unsere Vorfahren dienten nur dem sanften Gott, wie er sich in der Herrlichkeit der Natur offenbart. 

Die Cherubine jedoch waren in ihre eigenen Machtspiele verwickelt und hatten den eigentlichen Grund ihres Daseins vergessen. Der sanfte Gott hat alle seine Geschöpfe geschaffen, sich an seiner Schöpfung zu freuen, in ihr zu wachsen und sich zu mehren. 
Vielleicht hat es etwas damit zu tun, daß die Cherubine zwar unsterblich sind, das Leben, dieses größte Geschenk ihres Schöpfers, jedoch nicht weitergeben können. Und so trachten sie nicht nach Liebe, sondern nach Macht. 
Und sie bekämpfen sich. In ihrer Verblendung können sie das Unheilvolle ihres Tuns nicht erkennen - statt dessen verbreiten sie es, indem sie die anderen Völker von Tamaris darin verwickeln. 

Damals, als mein Volk entstanden ist, hatten sie es geschafft, daß fast alle Völker sich untereinander um die Belange der Cherubine bekriegten. Eine Schlacht stand bevor, der sie nicht ausweichen wollten, obwohl sie wußten, daß kaum ein Volk diese Schlacht überleben konnte. So groß war ihr Hochmut und ihre Blindheit, daß sie die Geschöpfe dieser Welt zugrunde richten wollten. In ihrer Arroganz machten sie sogar Absprachen darüber, wer überleben sollte und wer nicht. Nur die Elben, die von dem sanften Gott mit besonderen Kräften gesegnet waren, ließen sich nicht auf die Machtkämpfe ein. 

Da sannen die Cherubine auf eine List. 

Die Elben waren hochmütig geworden - sie verfielen den Verlockungen des Halphas, der ihnen Macht verhieß, ihnen schmeichelte und sie dazu verführte sich gegen die Grundsätze des sanften Gottes zu stellen. Er machte ihnen weis, daß sie das auserwählte, das einzige Volk sein sollten, welches überleben würde, wenn die anderen Völker zugrunde gingen. Daß einzig sie fähig seien, die Schöpfung des sanften Gottes zu würdigen, daß es aber für ihr Überleben notwendig sei, eine magische Verschmelzung zu vollziehen. Und so stürmten die Elben die Menschensiedlungen ... 

Doch kein Wesen ist besser oder würdiger zu leben als ein anderes - ein jeder hat seine Größe und seinen Platz. Die Elben mußten teuer für ihre Arroganz bezahlen - und damit auch wir. Wir sind nun Elfen, nicht mehr rein, sondern vermischt und dem Einfluß der Cherubine ausgesetzt ... mehr oder weniger. 

Im Gegensatz zu den anderen Elfen hat sich mein Clan diesem Verlust nie gebeugt. Im Norden leben die Nemphria. Dort, wo der Einfluß der Cherubine weniger stark ist.  Manche Geschichtenerzähler sagen, sie wären diejenigen der Elben, die Halphas nicht auf den Leim gingen, und sich der Verschmelzung entzogen - so habe er sie verwandelt ... aber ob das nun stimmt oder nicht, die Nemphria wissen und leben viel von dem, was die Elben einmal waren. 

Wir zogen dorthin, von ihnen zu lernen. Wir weigern uns den Cherubinen zu dienen. Wir wissen, daß sie viel Macht auf dieser Welt haben, aber wir sind nicht ihre Geschöpfe, nicht dazu bestimmt, ihnen unterworfen zu sein. Der sanfte Gott hat sie und auch alle anderen Wesenheiten dieser Welt und aller Welten geschaffen - und so wie ein Eisbär größer und mächtiger ist als eine Schneeschwalbe, so sind die Cherubine größer und mächtiger als wir. Und doch herrscht der Eisbär nicht über die Schwalbe! 
 

Aus verständlichen Gründen waren die Cherubine nicht begeistert von unseren Auffassungen. Priester kamen gen Norden, die uns bekehren wollten, unsere Seher wurden von bedrohlichen Visionen geplagt und von Zeit zu Zeit schickten sie ihre Gefolgsleute, um sowohl uns als auch unsere Lehrmeister zu vernichten. Doch der Nebel des sanften Gottes schützt uns - meistens ... 
 

Immer wieder zogen einzelne Töchter und auch Söhne meines Clans aus, oft den Visionen der Traumreise folgend, um die Elben zu suchen.  Manche von uns kehrten nie zurück - andere schon. Die wenigsten redeten über das, was ihnen wiederfahren war doch alle waren verwandelt - manche sogar gesegnet. 
So auch meine Mutter. Sie verließ ihre Familie gleich nach ihrer Sonnenweihe, zog gen Süden und war auf Jahre verschwunden. Drei Monde vor meiner Geburt kam sie wieder, sprach kein Wort und lebte zurückgezogen im Zelt der alten Trollinka, bei der sie Aufnahme gefunden hatte. Der Wunsch nach Rückzug wird bei uns respektiert. Niemand käme auf den Gedanken jemanden, der schweigen will, mit Fragen zu bedrängen. 

Daher weiß ich nicht wo sie war, noch was sie erlebte - denn sie starb wenige Stunden nach meinem ersten Atemzug, wie auch schon ihre Mutter vor ihr. 
Mein Großvater nahm mich in sein Zelt auf und sorgte liebevoll für mich. Er war ein alter Jäger, ein Bogenmacher, dessen Ruhm weit reichte. Schon als kleines Kind nahm er mich mit zur Jagd. 
Ich lernte bald still zu sein - nicht nur ruhig um das Wild nicht zu vertreiben, sondern auch in die innere Stille einzutauchen, in der man die Natur wahrnehmen kann und wer aus dem Leben gehen soll und wer nicht. 

Als ich stark genug war den Bogen zu spannen, wies er mich ein in die Kunst seines Handwerks - denn nur wer einen Bogen anfertigen kann kann auch sein Wesen kennen - und nur wer sein Wesen kennt, kann ihn auch angemessen nutzen.  Meinen ersten Bogen fertigte ich selbst, unter seiner aufmerksamen Anleitung, von den Rippen eines Iglons - da es im Norden keine Bäume gibt, und auch kein Holz den Beanspruchungen des Klimas gewachsen ist, sind wir auf Knochen angewiesen um unsere Bögen zu bauen.
 

Vor vierunddreißig Jahren hatte ich  meine Mondenweihe. Das ist bei meinem Volk die erste große Initiation, die ein jeder auf dem Weg zum Krieger, Jäger, Seher oder Shamanen durchlaufen muß. In der großen Traumreise zeigt sich oft der Weg, den man einschlagen wird. 

Wie es verlangt wird, verbrachte ich insgesammt sieben Fastentage in einer der heiligen Höhlen. Ich war in Meditation versunken, trank nur von der Quelle, die aus einer Spalte am Ende der Höhle entspringt. Nach drei Tagen, zum Neumond kam unser Shamane Wolfsauge zu mir, denn vor der großen Traumreise muß man sich in einer Schwitzhütte reinigen. Und nur der Shamane kennt das entsprechende Ritual. Er gab mir einen Tee zu trinken und lehrte mich die Chants, um meine Schutzgeister zu rufen. Dann ging er wieder. 

Die Zeit verlor an Bedeutung, irgendwann rief mich Honura zu sich, eine Nemphria. Sie wartete vor der Höhle - sprach zu mir - ich kann heute nicht mehr sagen was noch wie, denn die Nemphria sprechen nicht in unseren Worten und ihre Botschaften wirken in der Tiefe der Seele. 

Was dann geschah war wie ein Traum - und doch muß es geschehen sein, denn diesen meinen Bogen habe ich aus ihren Knochen gefertigt, und auch meine Jacke war einmal ihr Fell. So sind die Nemphria, manchmal kommen sie um uns ihr Leben und ihren Leib zu schenken, keiner kann genau sagen wann und warum. 
Das war vor vierunddreißig Jahren - Honuras Opfer wurde als ein gutes Zeichen gewertet und das Leben schien für mich einen glücklichen Lauf zu nehmen. Takira Eiswind, ein Krieger aus dem Clan der Lamoas warb um mich und ich war ihm nicht abgeneigt ... nach meiner Sonnenweihe wollten wir ein gemeinsames Zelt gründen. 

Doch die Seranao, die die Lebensfäden spinnen, hatten anderes im Sinn. 
Fast vierzehn Jahre später, genau 23 Tage vor meiner Sonnenweihe, wurden wir überfallen, von Skarack, Sklavenjägern. Ihr Anführer war Harrinad Sukas, genannt "Dirty Harry", er kam mit dreißig Skarack und zwei feigen Magiern, unser Lager zu vernichten. 

Wir hatten keine Chance. Sie kamen in der Abenddämmerung zum Vollmond des Sturmwindes. Die Magier hatten die Iglons verhext, so daß sie uns nicht warnten. Wir waren völlig überrascht. Der Kampf war kurz und heftig. Alle Männer die ihn überlebten, wurden abgeschlachtet wie auch die Frauen, die den Menschen zu alt waren und die kleineren Kinder. Wir wurden gebunden und die Menschenmänner machten sich über uns her. 

Diese Nacht wird für immer in mein Gedächtnis gebrannt sein. Schmerzen - Schreie - Blut - Feuer - Haß. 
Siebenunddreißig Nebelelfen starben im Kampf oder im anschließenden Gemetzel. Fünf Frauen flüchteten sich zum sanften Gott, weil sie die Schändung nicht ertragen wollten. Am nächsten Morgen waren nur noch zweiundzwanzig von uns am Leben, alles Frauen und Mädchen, die sieben jüngsten waren von den Torturen der Nacht verschont worden - die Zauberer hatten sie in Gewahrsam genommen. 
Als einzige entkommen war die alte Trollinka, unsere Seherin, die sich zu Vollmond immer in eine Höhle zurückzog. Sie war es auch, die mir und drei anderen Frauen in der folgenden Nacht die Fesseln zerschnitt, und uns so das Entkommen ermöglichte. Sie war untröstlich, daß sie den Überfall nicht vorhergesehen hatte. 

Trollinka und ich wollten noch mehr Gefangene befreien, aber die Cherubine hatten sich gegen uns vereint! Sie wurde von einem der Zauberer bemerkt und verbrannte in seinem Flammenstrahl. Mir gelang es, einen der Menschenmänner zu töten, bevor sie mich entdeckten. Dann bin ich geflüchtet. 

Aber ich folgte ihnen, sechs Monde lang; der Haß trieb mich voran - immer wieder stieß ich auf die Leichen meiner Schwestern, die aus dem Leiden in den Tod geflüchtet waren. Sie lagen im Schnee als wären sie zerbrochen. 

Kurz bevor der Treck Tellur erreichte, waren nur noch die sieben Mädchen am Leben. Scheinbar hatten die Magier irgendetwas mit ihnen vor, denn keiner hatte sich an ihnen vergriffen. Was genau habe ich nie herausgefunden. Es gelang mir, einen der Zauberer mit meinem Bogen zu erledigen - Harrinad und seine restlichen Gefährten flüchteten mit den Kindern in die Stadt - dort hat sich jede Spur verloren. 

Die Stadt verwirrte mich und machte mir Angst. Doch ich wollte und konnte diese Menschen nicht davonkommen lassen! Sie hatten meinen Körper missbraucht, meinen Clan vernichtet und uns damit aneinander gebunden. Sie mußten ihr Leben lassen, durch meine Hand; so würde die Bindung gelöst - ich wäre frei. 

Doch wie sollte ich sie aufspüren, wie weiterkommen? Das Leben der Menschen war mir damals noch mehr als fremd, ihre Art zu wohnen undenkbar. Behausungen die immer an einer Stelle standen. ... Ich kannte weder Sprache, noch Gebräuche und hatte alleine  keine Chance, die Mörder je wiederzufinden. 

Da schickte mir der sanfte Gott Führung. Ich traf auf einen Mann. Einen Menschen und doch einen guten Mann. Er hatte die Zeichen unseres Clans. Er war ein Wanderer. Samuel Tranikaij. 

Ich erzählte ihm was geschehen war und er nahm sich meiner an. Er ging mit mir in die Städte und zeigte mir die Wege der Menschen. Er lehrte mich alles was ich wissen mußte. Ich lernte schnell. Bald konnte mich kaum ein Mensch von seinesgleichen unterscheiden. 
Samuel war an allen möglichen Fertigkeiten interessiert, und legte Wert darauf, daß auch ich vielfältige Kenntnisse erwarb.
"Man kann nur Schaden nehmen, wenn man sich zu tief in einer Kunst vergräbt. Besser flexibel bleiben, zehn Fertigkeiten kennenlernen, als eine zehnfach studieren und neun gar nicht." Das war seine Lebenseinstellung. 

Wenige Tage nachdem ich ihm begegnet war, traf mich eine Erkenntnis wie ein Schlag - in meinem Leib wuchs die Frucht der Schändung! Ich hatte im Wahn der Verfolgung die Zeichen nicht bemerkt. Nun, da es nicht mehr zu verdrängen war, brach ich zusammen. 

Samuel fing mich auf. Er hielt mich in meinem Schmerz, im dem Wahnsinn, der von mir Besitz ergriff und ließ nicht zu, daß ich mir oder dem Wesen das in mir wuchs etwas zu Leide tat. 

Ein Jahr nach der Nacht, die Zerstörung über meinen Stamm und meine Ehre gebracht hatte, kamen wir zu Lucia, eine der Frauen Samuels. Dort gebar ich ein Mädchen. Ich gab ihr ihren Namen - Sabitha - das bedeutet "Tochter des Wahns" - doch mehr konnte ich ihr nicht geben. Die Geburt brachte mich beinahe um, doch dank Lucias heilenden Hände und ihrer erfahrenen Pflege überlebte ich. 

Lucia nahm sich auch meiner Tochter an. Ich bin froh, daß sie in ihr eine Mutter gefunden hat, bei der sie liebevoll aufgenommen ist, die sie unvoreingenommen, ohne Haß großziehen kann. 

Knapp zwei Wochen nach der Geburt bestand ich darauf, Lucia zu verlassen, und weiterzuziehen. Ich rechtfertigte mich damit, daß unsere Spur erkalten würde, und wir sie ganz verlieren könnten. Aber der wahre Grund war, daß ich die Anwesenheit meiner Tochter nicht ertragen konnte. 
Ich wollte nichts mit ihr zu tun haben, erinnerte sie mich doch permanent an die Qualen und Schande der Schreckensnacht. Es war eine unglaubliche Entwürdigung - er hatte mich nicht nur verletzt, benutzt und gedemütigt, sondern sich auch noch in mir eingenistet. 

Samuel war gegen den Aufbruch - später erzählte er mir er habe gehofft, das Baby könne mich erweichen, mein Herz doch noch zu öffnen - doch er kapitulierte vor meiner Starrköpfigkeit und wir machten uns auf den Weg. 

Die folgende Zeit verbrachte ich damit, den Haß zu schüren und mich von Samuel in der Kunst der Menschenjagd ausbilden zu lassen. Wir suchten nicht nur die, denen ich auf den Fersen war. Oft übernahmen wir Aufträge, die uns sowohl Geld als auch Reisemittel verschafften. Solange sie uns nicht zuweit vom Weg abbrachten, nahmen wir sie an - wir jagten nicht nur um zu töten oder für Kopfgeld. Manchmal war es eine besorgte Mutter, die ihren Sohn wiederfinden wollte, dann wieder ein Gatte, der wissen wollte, was seine Frau wärend seiner Abwesenheit tat. 

Und immer weiter ging unsere Suche. Wir fanden die Mörder - ein jeder der überwältigt wurde brachte uns auf die Spur des nächsten - nicht immer freiwillig, doch nach einer Weile immer willig. 
Einen nach dem anderen schickte meine Klinge in Uhlum's Reich. Der letzte der Magier fiel Samuel's Pfeilen zum Opfer. Harrinad jedoch entwich immer wieder. 

Bis wir ihn vor acht Jahren zusammen mit dem letzten seiner Gefährten aufspürten. Doch auch da schaffte er es davonzukommen, bevor wir ihn zu Gesicht bekamen. 
Sein Gefährte war geschickt. Er verletzte Samuel schwer, bevor ich ihm mit meinem Stab den Schädel zertrümmerte. Samuel blieb bei einer Heilerin in Noland zurück. Ich mußte weiter, bevor die Spur kalt wurde. Zum Abschied gab Samuel mir seinen Chakrambeutel - als Zeichen, daß ich die Wanderschaft an seiner Statt fortsetzen solle. Wir werden uns bei Lucia wiedersehen, wenn mich meine Wege wieder dorthin führen werden. 

Ich brach auf, den Letzten zu finden, den Vater meiner Tochter - Harrinad Sukas. 
 

       © Scerijne
Wen's interessiert: Alinijas Geschichte stammt aus Rollenspielen nach dem System "Ruf des Warlock".
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