Die Sonne brach sich in den silbernen Schuppen des prächtigen
jungen Drachen, der seinen Leib, immer noch ein wenig steif von der vergangenen
Nacht, aus seiner gemütlichen Höhle im Dachsteingebirge ins Freie
schob. Er streckte und lockerte seine Flügel, gähnte herzhaft
und kratze sich seine Brust. "Wieder ein Tag. Mal sehen, was heute auf
dem Speiseplan steht", dachte er sich und hielt seine Schnauze prüfend
in den Wind. Er zog die noch kalte, kristallklare Morgenluft dieses wunderbaren
Frühsommertages ein und schmeckte die frische Briese. Da war doch...
da gab es... Der appetitliche Duft seines Frühstücks in Spe lag
in der Luft. "Also heute frischer Gamsbraten", dachte sich Arakharhontius
und stieß sich kraftvoll ab, sich voller Vorfreude die Lippen leckend.
Übermütig glitt er durch die Luft, bald die Wolkendecke
durchbrechend und geschickt einem Flugzeug ausweichend, das im Landeanflug
auf den nicht allzu weit entfernten Flughafen war.
Arakharhontius bereitete es ein stilles Vergnügen, diese metallenen
Vögel zu betrachten und sich mit ihnen im fröhlichen Wettkampf
zu messen. Menschen. Sie mochten nun zwar in der Lage sein zu fliegen,
aber niemals würden diese schwerfälligen Flugapparate sich mit
ihm in Punkto Geschwindigkeit und Aerodynamik messen können. Freilich
machte er sich für die Menschen unsichtbar, denn das hatte Arakharhontius
bald lernen müssen in all den Jahrzehnten, die er hier in den Alpen
verbracht hatte: Nicht alle Menschen waren glücklich darüber,
einen Drachen zu sehen, viele wollten Drachen gar töten, die meisten
jedoch fürchteten sie einfach.
Arakharhontius folgte nun dem Flugzeug und ließ sich von dem
durch die Triebwerke verursachten Sog durch die Lüfte ziehen, hie
und da ein wenig zur Kurskorrektur mit den Flügeln schlagend, bald
nahe an der Stelle wo er sein Frühstück einzunehmen gedachte.
Der silberne Drache tauchte in einem eleganten Bogen unter dem Flugzeug
hinweg, wurde wieder sichtbar und ging in seinen Jagdflug über, der
der Gams auf dem Felsvorsprung keine Chance lassen sollte. Arakharhontius'
Frühstück war gesichert.
.
"Herr Brandstetter! Schaun’s a moi do her!" Der junge Fluglotse war
kreidebleich als er seinen älteren Kollegen zu seinem Monitor zerrte
und auf den sich bewegenden Punkt zeigte, der auf dem Radarschirm der Salzburger
Flugsicherung zu sehen war.
"Ja, und, was soll damit sein, Herr Obermeier? Das ist ganz normal
der Flug LH748 von Wien kommend." "Ja, scho’, aber do ist doch der zweite
Punkt gleich hinter dem Flugzeug. Des schaut so aus, als ob irgendwas hinter
dem Flugzeug herfliegt. Der Pilot hat’s auch auf seinem Schirm, war aber
nicht beunruhigt, i hob grad mit eam g’sproch’n über Funk."
"Wenn der Pilot nicht beunruhigt ist, sollten Sie es auch nicht
sein, Herr Obermeier", meinte Herr Brandstetter grinsend. Und zum grenzenlosen
Erstaunen Obermeiers fingen all seine Kollegen an zu lachen. "Ich verstehe
beim besten Willen nicht, was daran so komisch ist. Da ist was hinter dem
Flugzeug, es könnte zu einer Kollision kommen..." "Das wird es mit
Sicherheit nicht, Herr Obermeier", unterbrach ihn Herr Brandstetter. "Schaun’s,
der Punkt fällt eh schon zurück - und da isser a scho’ weg."
Obermeier starrte ungläubig auf den Radarschirm. Er glaubte
es einfach nicht. Das zweite Signal war in der Tat verschwunden. Er konnte
es sich doch nicht eingebildet haben? Andererseits, wohl doch, so wie seine
Kollegen reagiert hatten. War da wirklich keine Gefahrensituation gewesen?
"Mach Dir nichts draus, Werner", sagte ein jüngerer Kollege.
"Trink erst mal einen Kaffee auf den Schreck und dann erzählen wir
Dir eine kleine Geschichte."
.
Arakharhontius leckte sich genüsslich seine Lippen sauber. Das
war ein schmackhaftes Frühstück gewesen. Was für ein Drachenleben!
Fressen, Schlafen, in der Luft herumtollen – nur eines fehlte. Er seufzte.
Schon lange hatte kein anderer Drache mehr seine Pfade gekreuzt. Zwar gab
es Gerüchte, dass in den Salzburger Alpen noch ein anderer Drache,
ein sogenannter Tatzelwurm, leben würde, aber begegnet war er ihm
noch nie. Er war alleine.
.
Das Geräusch der Triebwerke einer weiteren sich im Landeanflug
befindlichen Maschine riss ihn aus seinen Gedanken. Offensichtlich musste
es für die Menschen wieder etwas Besonderes in dieser Gegend geben,
denn es gab Zeiten, da flogen am Tag nur ganz vereinzelt diese metallenen
Vögel über die Berge zu diesem Flughafen, und dann gab es wieder
Tage, an denen sie buchstäblich Schnauze an Schwanz landeten. Anscheinend
war es heute wieder so weit.
Erneut erhob sich Arakharhontius, diesmal ein wenig schwerfälliger
- kein Wunder nach dieser opulenten Mahlzeit -, in die Lüfte und näherte
sich dem Flugzeug. Dabei machte er wie immer von seiner Magie Gebrauch,
um für Menschenaugen unsichtbar zu sein.
.
"Hallo Jungs", meldeten sich die Piloten des deutschen Urlauberjets,
die diese Strecke regelmäßig flogen, bei der Salzburger Flugsicherung.
"Unser treuer Freund gibt uns mal wieder Geleit."
"Treuer Freund? Geleit? I versteh des net", hob Obermeier an und
hätte beinahe seinen Becher mit heißem Kaffee fallen gelassen
als er auf seinem Monitor nicht nur den blinkenden Punkt des Fliegers sondern
erneut den zweiten Punkt ganz dicht an dem ersten aufblinken sah. "W-Was
ist das...", stammelte der junge Fluglotse.
"Ah, eine neue Stimme", meldete sich der Pilot wieder. "Ihr habt
ihn noch nicht eingeweiht, Jungs, oder?"
"Nein, wir wollten es ihm gerade erzählen", meldete sich nun
Brandstetter zu Wort. Aus dem Lautsprecher konnte Obermeier nun ein herzhaftes
Lachen vernehmen. "Bringt es aber dem Jungen schonend bei, dass uns ein
Drache am Leitwerk hängt und euch in eurer Arbeit unterstützt".
"Drache? Verarscht’s mi jetzt oder was?", wollte Obermeier wissen.
"Nein, wirklich nicht. Schaun’s Herr Obermeier, wir erklären
es Ihnen", fing Brandstetter an.
"Es ist wirklich kein Schmäh, und keiner von uns hier hätte
das geglaubt. Aber wir haben diesen Drachen schon gesehen, vor vielen,
vielen Jahren. Damals waren wir noch direkt am Flughafen angesiedelt. Die
Flugsicherung ist ja erst seit 2002 hier draußen.
Jedenfalls, auch mein Vater, der schon in den frühern 50er
Jahren am Salzburger Flughafen gearbeitet hat, kannte diesen Drachen. Keiner
wusste woher er kam und warum er da war. Aber er war da und hat, keine
Ahnung wie und warum, den Piloten geholfen, ihre Maschinen sicher zu landen.
Sie wissen doch, dass der Salzburger Flughafen vor allem während der
Fönstürme und der Berge ringsum ein wenig schwieriger zum Anfliegen
ist. Und damals war ja die Technik noch lange nicht so weit, als dass das
Landen da eine ganz sichere Angelegenheit gewesen wäre. Wie auch immer,
ab und an hat sich der Drache den Piloten und auch den Fluglotsen
gezeigt. Ich sag Ihnen, diesen Anblick kann man einfach nicht vergessen."
Brandstetter geriet ins Schwärmen. "Seine silbernen Schuppen
glitzerten wie Kristalle im Sonnenlicht, als er über dem Flughafen
seine Kreise zog. Ich war damals noch ein kleiner Bub und mein Papa hat
mich mitgenommen zum Flugzeuge Anschauen. Ich kann mich noch erinnern,
damals sollte eine Super-Constiallation landen. Das war damals das Passagierflugzeug.
Atlantikfähig. Und da tauchte der Drache auf, von dem mir mein Papa
immer schon erzählt hatte, ich hab ihm das damals nie geglaubt..."
.
Arakharhontius lächelte; mit seinen telepathischen Fähigkeiten
hatte er die Funksprüche zwischen dem Piloten dieses Jets und dem
Fluglotsen, der am Mikrofon der Flugsicherung saß, belauschen können.
Ja, er hatte sogar die Geschichte des älteren Mannes vernommen, der
offensichtlich Brandstetter genannt wurde.
Natürlich wusste Arakharhontius nicht, wer dieser Mann genau
war, aber er konnte sich noch erinnern an jenen heißen Sommertag,
an dem er auf dem damals kaum belebten Rollfeld zwei Menschen erspähte,
offensichtlich Vater und Sohn. Er hatte auf jegliche Tarnung verzichtet
und war dann sogar prahlerisch gelandet; er würde die erstaunten,
aber doch auch unsäglich glücklichen Kinderaugen dieses Knaben
niemals vergessen. Er hatte sich von diesem Kind später sogar seine
empfindliche Schnauze tätscheln lassen. Und dieses damalige
Kind war wohl dieser ältere Mann, den er im Hintergrund sprechen gehört
hatte.
Der silberne Drache änderte seine Richtung und machte eine elegante
Wende, die thermischen Winde nutzend, um zu seiner Höhle zurückzukehren.
Eines konnte dieser Mensch namens Brandstetter nicht wissen: Vielleicht
hatte Arakharhontius vor langer Zeit den Piloten bei ihrer Landung ja tatsächlich
geholfen - zumindest hatte es wohl so auf sie gewirkt.
Warum er das jemals getan hatte wusste er jedoch selber nicht; vielleicht
war es einfach jugendliche Neugierde und purer Leichtsinn gewesen. Oder
aber Ausfluss seiner Einsamkeit. Aber das alles war jetzt für ihn
passé.
Er seufzte und ging in einen Sturzflug über, als er ein Reh
erblickte, das unvorsichtigerweise nicht früh genug die Deckung des
Waldes suchte. Man musste schließlich Beute schlagen wenn sich schon
die Gelegenheit bot. Und es sah einfach zu appetitlich aus.
Jedenfalls waren ihm mittlerweile die Menschen gleichgültig
geworden. Er wusste, dass viele seiner Artgenossen sie regelrecht hassten,
er verurteilte die anderen Drachen dafür mit Sicherheit nicht. Ihm
selbst hingegen waren Menschen nur egal. Solange sie ihn in Ruhe ließen
würde er sich nicht in ihre Belange einmischen. Sollten sie doch weitermachen
wie bisher in ihrer Ignoranz, sinnlose Kriege führen, Tiere zum Sport
töten oder in Tropenwäldern und in geschützten Gebieten
Alaskas nach Öl bohren, er würde sich schon zu wehren wissen,
sollte man ihn angreifen. Aber eigentlich wollte Arakharhontius einfach
nur seine Ruhe.
Mit Sicherheit begleitete er diese Fuggeräte nicht um der Menschen
willen, auch wenn sich das manche der Zweibeiner einbildeten, so wie dieser
Brandstetter oder der Pilot. Es machte ihm einfach Spaß, in den Abwinden
zu gleiten und sich von dem Sog der Triebwerke mitziehen zu lassen, aber
die Flugzeuginsassen interessierten ihn nicht weiter. Sollten sie doch
machen, was sie wollten...
Ein lauter Knall störte Arakharhontius in seiner Mahlzeit. Er
blickte auf und sah am Horizont einen jener kleineren Flugapparate, die
ihn besonders faszinierten: Sie waren schnittiger und ein wenig schneller,
waren also auf diese Weise im sportlichen Wettkampf eher ein adäquater
Partner für einen Drachen.
Nur, irgendwas war bei diesem Metallvogel anders. Abgesehen davon,
dass nach diesem Knall nun gar kein Geräusch mehr zu hören war,
dieser schwarze, klebrige Rauch, der dem Metallvogel wie ein Kometenschweif
folgte, war kein Anblick, der Arakharhontius in irgendeiner Weise vertraut
gewesen wäre. Lag da nicht auch noch ein eigenartiger Geruch in der
Luft? Die Flugbahn dieses Vogels war ebenfalls etwas ungewöhnlich,
sehr steil nach unten...
Neugierig erhob sich Arakharhontius mit kräftigen Flügelschlägen
und beäugte den Flugapparat genauer. Definitiv war hier etwas anders
als sonst und als er noch ein wenig näher kam drangen Geräusche
an sein empfindliches Gehör. Er brauchte einige Momente, um diese
Geräusche einzuordnen, es waren Schreie, Schreie von Menschen in Panik
und Todesangst.
.
"Ausfall beider Hecktriebwerke! Wir versuchen Notlandung auf Salzburg-Airport,
Ende!" Der Funkspruch hallte wie ein Donnerschlag durch den dunklen Raum
der Flugsicherung. Ein Krisenstab war eiligst zusammengerufen worden,
Berechnungen wurden angestellt, Ambulanzen und Feuerwehren wurden auf die
Rollbahn geschickt. Die Maschine war noch circa fünfzig Kilometer
entfernt vom Flughafen, noch über den Bergen. Eine Notlandung wäre
dort unmöglich.
Brandstetter wischte sich über die Stirn. Das war der erste
Notfall seit gut fünfzehn Jahren. Aber er musste voller Bewunderung
zugeben, der jüngste im Team, der frisch ausgebildete Obermeier, legte
- im Gegensatz zu der Geschichte mit dem Drachen - eine gerade zu stoische
Gelassenheit und Professionalität an den Tag. Geschäftig delegierte
er Aufgaben und gab dem Piloten Anweisungen. Offensichtlich waren beide
Triebwerke gleichzeitig ausgefallen. Ob es eine Explosion gegeben hatte,
konnte man nicht feststellen, nur, beide Düsen ließen sich auch
nicht mehr zuschalten. Später würde man den Flugschreiber auswerten
müssen, wenn ...ja, wenn die Maschine sicher gelandet war. Brandstetter
ertappte sich dabei, dass er fast schon verzweifelt auf das Radargerät
starrte. Der blinkende Punkt des Jets näherte sich quälend langsam
dem Ziel. Rapide hingegen nahm die Höhe ab.
Langsam sickerte es in Brandstetters Bewusstsein, dass er etwas
ganz bestimmtes auf dem grünen Radarschirm zu erblicken hoffte, nämlich
das Aufblitzen eines zweiten Punktes, nahe an dem ersten...
.
Inzwischen war Arakharhontius in die unmittelbare Nähe des Flugzeugs
gekommen und wurde wieder unsichtbar. Er sah die Maschine in einem sehr
steilen Winkel auf die verschneiten Gletschergipfel zusteuern. Sein scharfer
Drachenblick glitt in das Innere des Flugzeugs. Da saßen Männer
und Frauen und Kinder, manche schrieen in Angst, andere beteten. Manche
saßen bloß apathisch da. Die Gedanken dieser Menschen droschen
auf Arakharhontius Bewusstsein ein: Die letzten Gedanken an geliebte Angehörige,
an nie gelebte Leben, an unerfüllte Träume, an Sorgen, die im
Angesicht des Todes auf einmal so nichtig waren.
Weshalb Arakharhontius' Blick auf das kleine Mädchen fiel,
das inmitten des ganzen Chaos hingebungsvoll ein Bild auf ihren Knien betrachtete,
konnte er später nicht mehr sagen. Aber dieser Anblick rührte
ihn zutiefst und jetzt erst bemerkte er, was das Kind da in den Händen
hielt: Ein offensichtlich von ihr gezeichnetes Bild von einem Drachen,
der ein Kind auf seinem Rücken trug. Mensch und Drache waren darauf
friedlich vereint, diese Zeichnung spiegelte tiefe Freundschaft und Vertrauen
wider.
Arakharhontius wusste nun endlich, was zu tun war.
.
Der Schädel des Piloten drohte zu platzen als in seinem Kopf
eine Stimme dröhnte: "Mensch, Du tust nun genau das, was ich sage,
wenn ihr nicht sterben wollt!"
Der Pilot saß wie elektrisiert in seinem Sitz und sah seinen
Copiloten an. Dieser war noch ein wenig blasser geworden. "Ich... ich habe
es auch gehört."
"Wir haben es auch gehört!" erschall eine Stimme aus dem Lautsprecher.
In der Flugsicherung hatte nun Brandstetter übernommen, seine Stimme
klang trotz der nahezu auswegslosen Situation erleichtert. "Wir haben
keine Zeit für Erklärungen, folgen Sie einfach den Instruktionen,
die Sie nun erhalten werden."
Die Stimme des Piloten zitterte: "Wir haben jetzt etwas im Radar
direkt vor uns, ein Flugobjekt keine fünfzig Meter vom Flugzeug entfernt,
aber ich kann nichts sehen. Wir werden gleich kolli..."
"Nun hör mir gut zu, Mensch!" donnerte die Stimme. "Habe Vertrauen
und mache nun nichts. Ich werde die Kontrolle über diesen Metallvogel
übernehmen. Und noch was. Sorge dafür, dass das Geschrei der
anderen Menschen bei dir ein Ende nimmt. Mein Gehör ist sehr empfindlich!"
"Wer...was...", stammelte der Pilot.
"Keine Fragen, gehorche einfach, Mensch, wenn Du leben willst!"
grollte der Drache, der um das Flugzeug kreiste, und tauchte nun elegant
unter dem sich immer noch im Sinkflug befindlichen Rumpf hinweg zu dem
Heck der Maschine.
Der ölige Rauch biss in Arakharhontius' Augen und Nasenlöchern.
Offensichtlich kam er aus diesen beiden Ausbuchtungen am Heck dieses Vogels,
die anscheinend für dessen Antrieb vorgesehen waren.
Ein Ruck ging durch die Maschine und Taschen purzelten aus den Handgepäcksablagen
als der Sturzflug abrupt gestoppt wurde.
Genau in diesem Augenblick ertönte die immer noch bebende Stimme
des Piloten: "Bitte bleiben Sie angeschnallt und in der Notlandehaltung
auf Ihren Sitzen. Es ist ein..." - hier versagte die Stimme des Piloten
kurz - "...ein Helfer geschickt worden, der uns bei der Notlandung auf
dem Salzburger Flughafen helfen wird. Ich versichere Ihnen, es besteht
kein Grund zur Beunruhigung. Wir werden in wenigen Minuten landen. Nach
der Landung begeben Sie sich bitte zu den gekennzeichneten Notausgängen
und verlassen das Flugzeug über die Rutschen. Auf keinen Fall darf
Gepäck mitgenommen werden beim Ausstieg und die Schuhe sind zuvor
auszuziehen."
.
Arakharhontius stöhnte auf als er seinen Körper unter das
Flugzeug stemmte und es damit stabilisierte. Auf diese Weise konnte er
es sozusagen huckepack zu dem Flughafen bringen. Er musste Kontakt mit
diesen Menschen aufnehmen, mit denen der Pilot in Kontakt stand, um ihnen
seinen Plan mitzuteilen.
"Sofort einen Schaumteppich auf Runway 5!" bellte Obermeier in das
Mikrofon und nach wenigen Augenblicken waren die Feuerwehrfahrzeuge auf
dem Rollfeld unterwegs, es aus großen Kanonen mit einem dicken Teppich
aus Schaum eindeckend.
Obermeier lehnte sich zurück und wischte sich den Schweiß
von der Stirn. Der Pilot war bereits informiert, dass er unter keinen Umständen
das Fahrwerk ausfahren dürfe.
Brandstetter stand neben ihm, seine Augen geschlossen und sein Gesicht
in tiefster Konzentration zu einer Fratze verzerrt, als er mit dem Drachen
telepathisch kommunizierte und seinen Plan entgegennahm.
Arakharhontius wollte das Flugzeug mit seinem Köper soweit
abbremsen, damit es dann bäuchlings auf dem Schaumteppich aufsetzen
konnte. Der kritische Moment würde der sein, an dem der Drache unter
dem Flugzeug hinwegtauchen musste, um nicht zerquetscht zu werden.
.
Die Landebahn kam in Sichtweite und die Maschine glitt sanft darauf
zu. Gebannt blickte der Pilot auf den Höhenmesser, der kritische Augenblick
musste bald kommen: Noch hundert Meter, noch siebzig Meter, noch fünfzig
Meter... Er hatte die Anweisung, auf dem Schaumteppich eine Bauchlandung
vorzunehmen und erst auf ein ausdrückliches Kommando hin die Maschine
mit dem Steuerruder zu stabilisieren.
"Viel Glück, Mensch! Es ist soweit. Jetzt!", dröhnte die
Glockenstimme im Kopf des Piloten. Ein Schlingern ging durch das Flugzeug
und der Höhenmesser zeigte nur noch wenige Meter an. Der Pilot packte
das Steuer und stabilisierte sofort den trudelnden Jet, ihn nun sachte
auf dem dicken Schaumteppich aufsetzend. Im Passagierraum war es totenstill,
jeder hielt den Atem an.
"Wir sind unten", ertönte die matte Stimme des Piloten aus dem
Lautsprecher und bei den Leuten der Flugsicherung brach lauter Jubel aus.
"Das war eine Meisterleistung an Koordination, Herr Obermeier",
lobte Brandstetter. Dieser wurde verlegen. "Für diese Fälle wurden
wir in Wien geschult. Nicht aber darauf, dass Drachen uns als Fluglotsen
assistieren. Ohne ihn ...ich mag gar nicht daran denken, was passieren
hätte können."
"Hätten sie eine Chance gehabt?" fragte ein anderer Kollege.
"Nein", entgegnete Obermeier. "Beide Triebwerke sind ausgefallen. Die Fokker
ist kein guter Gleiter. Vor einigen Monaten gab es so einen ähnlichen
Vorfall, am Münchner Flughafen. Auch beide Triebwerke ausgefallen.
Nur da waren freie Felder wo die Maschine notlanden konnte. Aber in den
Bergen hätten die nirgends landen können."
.
Arakharhontius kreiste über dem Flughafen, unsichtbar für
die Menschen, die nun eiligst aber diszipliniert über die Notrutschen
das Flugzeug verließen. Einige leicht verletze Passagiere wurden
zu den bereitgestellten Krankenfahrzeugen gebracht.
Sein scharfer Drachenblick erfasste das kleine Mädchen als
sie gerade die Rutsche hinunter glitt, das Drachenbild an ihre Brust gepresst
wie ein kostbarer Schatz.
Als sie mit ihren Eltern über das Rollfeld ging wandte sie
sich mit einem Mal um und blickte in Richtung des Drachens. Arakharhontius
war im ersten Augenblick verunsichert, ob er überhaupt den Unsichtbarkeitszauber
angewandt hatte, aber er war in der Tat unsichtbar für Menschenaugen.
Und dennoch, das Mädchen winkte ihm eindeutig zu und sein feines Gehör
vernahm eine Kinderstimme: "Danke, dass du uns gerettet hast, lieber Drache.
Ich wusste, dass du uns helfen wirst. Ich habe immer an dich geglaubt.
Vielleicht kommst du mich ja mal besuchen, ich würde dich sooo gerne
einmal streicheln. Tschü-üß."
© Peter
Lässig
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse
bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
|