Diese Geschichte ist ab 2006 am Drachentaler Wettbewerb leider nicht mehr teilnahmeberechtigt,
da sie in den vorherigen Jahren zu wenig Punkte erhalten hat.
 
Augenblicke des Heldentums von Azmodan

Die Hand schirmt meine Augen ab, versucht, die hellen Strahlen von meinen empfindlichen Augen abzulenken. Viel zu oft schon mussten sie den pfeifenden Wind ertragen, so kalt und beißend. Meine Haut - an den ungeschützten Stellen des Gesichtes - ist während langer Ritte durch Kälte und die unbarmherzige Stärke der Sonne vernarbt und trocken. Die Kämpfe taten ein übriges, mein Antlitz zu verändern.
Doch was bedeutet ein wohlgestaltetes Antlitz - kann ich doch dafür unzählige Orden und Ehrentitel vorweisen, reite ich doch immer an der Spitze unserer Streitmacht und nennt man mich doch den Dominar - Führer der Streitmächte.
So viele Streifzüge unter meinem Kommando, so viele Unschuldige durch unser Brandschatzen, Rauben, Morden, Plündern getötet.
Wie viele Städte erlagen unseren Waffen, unserer Wut.
In den stillen Nächten wälze ich mich oft unruhig  umher, sehe schreckgeweitete Kinderaugen, höre flehende Mütter, das ängstliche Geschrei der Männer, die mit ihren bäuerlichen Waffen uns abzuwehren trachten. Wie sinnlos.
Ich scheine gar das Blut und den Schweiß zu riechen, kurz bevor ich schreiend erwache und meinen Männern, die mir zu Ehren vor meinem Zelt postiert sind, von einer weiteren Vision vorschwindeln muss, um nicht ins Gerede zu kommen.
Vielleicht bin ich zu alt geworden, habe zu viele Schrecken gesehen, die meine Seele bedrücken.

Ein unruhiges Zucken meines geliebten Reittieres reißt mich aus schweren Gedanken. Die muskulösen Flanken zucken unheilvoll, in Vorfreude auf den kommenden Kampf. Unruhig blickt er mich an. Flammenmähne, der Gute. So lange schon dient er mir treu, hat mich in vielen Schlachten begleitet.
Und wieder stupst er mich zärtlich mit den Nüstern aus meinen Träumen.
Er ahnt um meine Seelenpein. Auch er ist alt geworden und sehnt sich nach Ruhe.
Meine Hand gleitet zu seinem Rist, berührt zärtlich die sternenförmige Verfärbung dort.

Erneut betrachte ich den fernen Horizont. Einige Rauchfahnen weisen mir unser heutiges Ziel.
Gut befestigt, berichten die Späher, viele Kämpfer.

Ja, mein Freund, heute soll es geschehen. Heute werden wir Geschichte schreiben. Sie sollen sich unser erinnern in den dunklen und kalten Nächten am Lagerfeuer, wenn grölende Stimmen mit warmem Met versorgt und alte Geschichten erzählt werden.

Ich spüre die unruhigen Blicke meiner Männer im Rücken wie geschliffene Dolche.
Sie fragen sich, was mit ihrem Anführer los ist, ob er eine unsichere Stelle im Angriffsplan entdeckt hat, oder ob er...
Mit fahrigen Bewegungen ergreife ich die lange Zügelleine, halte die Peitsche in der Hand, die Mithril-Lanze in der anderen. Zitternd umfasse ich ihren Schaft. Die Schulterverletzung schmerzt noch immer, ist noch immer nicht verheilt. Doch ich darf keine Schwäche zeigen. Nicht heute. Ein letztes Mal sollen sie an meine unbeugsame Stärke glauben. 
Ein letztes Mal will ich sie führen.

Die Pfeife zwischen den Lippen lasse ich den schrillen Schrei erklingen.
Gewaltige Muskeln stemmen die schuppigen Körper empor. Mächtige Schwingen breiten sich aus und die ledrigen Flügel knarren wie ein altes Schiffsdeck, als die Kampfdrachen sich in die Höhe schrauben. Immer schneller jagen wir der Festung entgegen, schon kann ich die Rotzen erkennen, Drachenschleudern, wie sie genannt werden. Speziell konzipiert, unsere Reittiere abzuwehren. Zwei, drei der endlos scheinenden Geschosse jagen auf uns zu. Nur Flammenmähne widersteht dem Drang auszuweichen. Er weiß, dies wird unser letzter Ritt.

Stunde um Stunde verheeren wir die Festung, der Bergfried stürzte bereits ein unter der Hitze des Drachenodems.
Flammenmähne hat bereits viele Wunden erlitten, seine Schwingen sind zerfetzt und halten ihn kaum noch in der Luft. In einem Augenblick der Ruhe wendet er mir seinen schlanken Hals zu. Ganz ruhig begegnen sich unsere Blicke. Nur ein leichtes Nicken meinerseits, ein dumpfes Grollen aus seiner Kehle, dann schießt er wieder hinab, direkt auf eine der Rotzen zu. Die Zeit scheint sich zu dehnen, als der Speer die Vorrichtung verlässt, durch die Luft rast auf seinem Weg. 
Sich aufbäumend bietet Flammenmähne seine Brust entgegen, empfängt fast freudig den kalten Stahl. Ein Brüllen erschüttert die Luft, als die Spitze auf der Rückseite wieder austritt. Kein Geräusch dringt mehr zu mir, als wir trudelnd dem Innenhof entgegenrasen.

Wie durch einen Hohn der Götter habe ich den Sturz überlebt. Lächelnd stehe ich an seinem geschundenen Leib, streiche liebevoll ein letztes Mal über seine Nüstern, dann stirbt mein ältester Freund.
Die übrigen Drachen stimmen ein infernalisches Gebrüll an, als sie ihren Leitdrachen tot am Boden sehen.

Als ich mich umwende, erblicke ich das Gesicht eines Jungen, kaum dem Kindesalter entwachsen. Nicht einmal der erste Flaum sprießt an seinen Wangen, doch hält er mit verzweifeltem Blick ein Langschwert in den dünnen, kraftlosen Fingern. Ängstlich blickt er zu mir auf, verwirrt durch mein Lächeln.
Als ich mit der Linken die Verschnürung des Lederharnisches löse, zeigt sich angstvolle Regung auf seinen Lippen. Wie mein treues Tier biete ich ihm die ungeschützte Stelle, hinter der mein Herz nur langsam pocht, doch er wagt keine Bewegung.
Seufzend denke ich an meine Jugend zurück, als solches Verhalten unweigerlich zum Tode führte.

Und so brülle ich ihm einen Fluch entgegen, täusche eine Finte auf seine Brust an, reiße im letzten Augenblick mein Bastardschwert herum und presse meine Brust freudig erregt dem Stahl seiner zur Parade erhobenen Klinge entgegen.
Kalt lächelnd blicke ich in die vor Entsetzen geweiteten Augen, wissend, wie Flammenmähne dem Schicksal eins ausgewischt zu haben.

Denke immer an diesen Augenblick, junger Krieger, verrate nichts von deiner Angst, von deinem Unvermögen. Nimm die Ehre an, die ich dir mit meinem letzten Hauch Leben anbiete.
Denn so werden Helden geboren.
So sterben Helden.
So schließt sich der Kreis.

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Azmodan, im ersten Monat des Jahres 2003
Gewidmet der Freundschaft
 

© Azmodan
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