Dunkelheit hüllte den Ort bei Einbruch
der Nacht ein. Es war ein Ort, an dem Magie herrschte, eine Zeit umging,
mit deren Umgang man sich besser nicht konfrontieren sollte. Bäume,
groß und dunkel, ragten dort auf, schlossen einen kleinen See ein,
über dessen Oberfläche heimliche Nebel wallten. An diesem Ort
gab es keinen Laut zu vernehmen, Stille lag dort überall, Ruhe und
Frieden, abgeschnitten von der Zivilisation und weit entfernt von jedem
lebenden Wesen. Eine wunderschöne Hölle auf Erden. Dennoch hingen
dort Spannungen in der Luft, knisterten förmlich unter dem Druck des
Nichts, schienen zu scheppern, zu funken... und sogar zu bluten.
Die großen, ledernen Blätter der
Bäume und der sumpfige Boden, der nur klamm mit Sumpfgras bewachsen
war, sollten einst mehr gewusst haben. Ein sternenklarer, tiefblauer Himmel
umschloss die Stätte und die wattigen, schattenblauen Wolken am Horizont
verbargen das ferne Licht der Welt.
Als ein eisiger Wind aufzog, bebte die silbrige
Wasseroberfläche leicht und kleine Wellen kräuselten sich auf
ihr. Der See war tief, so tief, dass man seine Unendlichkeit kaum erahnen
konnte, ein felsiges Höhlenloch, welches sich im Laufe der Jahrtausende
mit glasklarem Regenwasser gefüllt hatte. Von einer fremden Magie
beschworen, nahm es die Farbe von geschmolzenem Quecksilber an, schwer,
bleiern und geheimnisvoll. Zerklüftete Felsen umringten das Gewässer,
spiegelten sich nur als schattenhafte Schemen auf dem nassen Grund.
Es schienen Stimmen zu verklingen, zu hallen
in den Felsen, Schreie des Todes, Schreie der Angst und Schreie des Sieges.
Das Bild im Wasser wurde deutlicher, zeigte endlich lebende Bewegung...:
Ein Mann entstieg dem Wald, sein Gesicht war
von der Düsternis verhüllt, allein seine Robe war sichtbar, ein
schwarzer Mantel, ein graues Wollhemd und ein Hose aus dunklem Leder, welche
mit eisernen Schutzteilen versehen war. Ebenso war die Brust mit einer
Platte aus leichtem Metall versehen, welches mit Lederriemen um den Körper
gebunden war.
Jetzt tauchte ein weiterer Mann auf. An der
anderen Seite des Sees stand er, ebenfalls das Gesicht im Schatten, nur
das glühende Ende einer Zigarette strahlte aus der Dunkelheit. Ihn
bekleidete ein heller, sandfarbener Kapuzenmantel mit vielen Taschen, die
untere Kleidung aus mit Eisen beschlagenem Leder und einem karierten Kilt,
unter dem sich muskulöse Beine befanden, die mit Tierfell umwickelt
waren und welches dort festgeschnallt war.
"Talor...", brachte der erste hervor und seine
Hand glitt unter seinen Mantel, wo sich ein besonderer Gegenstand befinden
musste, welchen er nun fest umklammerte, "wie hast du es geschafft, hier
her zu kommen?"
Talor entfernte den Glimmstängel aus
seinem Mund, ließ ihn zu Boden fallen und trat ihn aus, ohne die
Frage des anderen zu beantworten.
"Endlich ist es soweit!" sagte er in erwartungsvollem,
herablassendem Ton und griff ebenfalls unter seinen Mantel, umklammerte
etwas. "Endlich wird sich die Prophezeiung erfüllen", er zog ein im
Mondlicht glänzendes Zweihandschwert hervor, dessen Klinge wohl scharf
genug war, um einen Felsen mit einem Schlag zu zerteilen, "Palakin!"
Palakin zog eine prachtvolle Schwertscheide
hervor und entblößte im gleißenden Licht des vollen Mondes
ein perfekt gearbeitetes Samuraischwert.
"Die Schlacht wird sich nun entscheiden",
sagte er, trat einen Schritt vor ins Licht. Seine Züge waren scharf
geschnitten, eher schlecht rasiert, die Augen geheimnisvoll verbergend
und die kurzen Haare schwarz.
Auch Talor stieg aus dem Schatten, betrat
den steinigen Rand des Sees und zeigte sein Gesicht. Es war ungewaschen,
die Augen hatten einen machtgierigen Glanz und die wirren, leicht lockigen
Haare trug er lang und als er grinste, sah man eine Zahnlücke.
Beide Körper waren mit Narben und verheilten
Schnittwunden versehrt, zeugten von harten Kämpfen in der Vergangenheit.
"Der Unsterbliche wird aus den Reihen der
Sterblichen hervortreten..."
Beide gingen sie nun in Kampfstellung, Talor
in die abwehrende und Palakin in die offene. Einen kurzen Moment bewegte
sich keiner, beide starrten sich an, versuchten den ersten Schritt des
Gegners vorauszuahnen, tauchten in ihren Gegenüber ein, wobei sie
kurz die Augen schlossen und die kühle Luft scharf einsogen.
Plötzlich sprangen sie beide zur gleichen
Zeit in die Luft, katapultierten sich mit einer enormen Kraft in die Höhe
und ließen ihre Klingen dann genau auf halbem Weg funkensprühend
gegeneinander krachen. Es war ein Moment der Nähe, der Moment und
dann landeten sie beide auf dem Platz, von welchem der jeweilige Gegner
gesprungen war.
"Du bist gut geworden. Du hast meinen ersten
Schritt perfekt vorausgeahnt", sagte Talor schon deutlich schwerer atmend
als zuvor.
"Ich habe es nicht vorausgeahnt, ich habe
es gewusst!" gab Palakin spielerisch von sich und lächelte. Talor
gab einen knurrenden Ton von sich und griff wieder an, sprang über
den kleinen See, der zwar nur fünf Meter maß, aber trotzdem
als See galt, schnell und geschickt, sodass Palakin nur abwehrend die Klinge
in die Höhe reißen konnte, um den Streich abzuwehren. Der Schlag
war hart und er ging beim Aufprall ein paar federnde Schritte zurück,
erwartete den nächsten Angriff, parierte ihn und drückte das
Schwert seines Gegners verbissen nach oben, während sie sich direkt
in die Augen starrten. Der siegesgewisse Blick Talor’s ließ Palakin
zurück schrecken und so versetzte der Zweite ihm mit dem Knauf seines
Schwertes einen Schlag ins Gesicht. Der Getroffene taumelte abgelenkt zurück
und hielt sich die Nase, aus der ein schmaler Blutstrom floss, das Samuraischwert
schleifte schlaff am Boden, doch er umklammerte es noch mit einer Hand.
Den Moment nutzte Talor, um mit dem Zweihandschwert
auszuholen und es mit einem bösartigen, verrückten Grinsen auf
Palakin sausen zu lassen. Dieser rebellierte, haute fest, aber ungeschützt
von der Seite auf die feindliche Klinge ein und ließ so den Schlag
ins Leere gleiten. Der Stahl tauchte durch das Laub, welches den Boden
bedeckte und dann ein paar Zentimeter in die Erde, durchtrennte dabei alle
Wurzeln ohne Widerstand. Talor zog es wieder heraus und ging abermals in
Kampfstellung. Palakin hatte sich nun wieder gefasst und hielt das Schwert
nun wieder mit beiden Händen.
Ein weiteres Mal war Talor es, der angriff,
die Waffe hoch über dem Kopf erhoben und dann zuschlug. Palakin stoppte
den Hieb, indem er seine Waffe horizontal hielt, kurze Zeit dagegen drückte,
wobei er vorgab immer mehr Kraft zu verlieren, sodass Talor nicht mehr
ganz so gut auf seine Deckung achtete und sich nur noch auf den Hieb konzentrierte.
Der Erste ließ blitzschnell locker und wich dabei aus, sodass Talor
wieder daneben traf und er mit einer seitlichen Bewegung den Rumpf des
Gegners aufschlitzte. Ein großer Riss zog sich durch dessen ledernes
Hemd und auch die bleiche Haut darunter wurde etwas verletzt. Talor stöhnte,
fuhr mit der einen Hand zu seiner Wunde, stoppte so notdürftig die
Blutung.
"Ich habe dich unterschätzt, Palakin
Taruhan!" sagte er mit leicht zitternder Stimme, wobei immer etwas Blut
aus seinem Mundwinkel lief. "Ein zweites Mal wird mir das nicht passieren!"
Er entfernte die krampfhaft zitternde Hand
von seiner Brust und Palakin merkte, dass die Verletzung deutlich kleiner
geworden war und nur noch etwas von dem Lebenssaft herauslief, kurze Zeit
später war sie ganz verheilt und nicht mehr als eine gut verheilte
Narbe blieb.
"Deine Heilkräfte haben sich seit unserem
letzten Kräften enorm verbessert", gab Taruhan zu und stieß
einen leisen Pfiff dabei aus. Ein Zucken ging durch Talor’s Schwertarm.
"Du dagegen hast deine Deckung wieder einmal
vernachlässigt!"
Palakin stockte und sank leicht zusammen.
Die Klinge Talor’s steckte bis zum Heft in seinem Oberschenkel, sie war
durch das schützende Metall gedrungen und kam blutverschmiert auf
der anderen Seite wieder zum Vorschein.
"Ein glatter Durchstoß!" lachte Talor
und drehte die Waffe leicht in der Wunde, sodass der krampfhafte Schmerz
wieder und wieder durch Palakin’s Körper gejagt wurde. Dieser zitterte
und rang nach Atem, während Talor seinen Spaß mit ihm hatte.
"So lange das Schwert in der Wunde steckt,
kann sie nicht verheilen!"
Palakin ließ entkrampft den mit Elfenbein
verzierten Griff seines Samuraischwertes los und hielt statt dessen das
Bein, versuchte so zu verhindern, dass weiteres Blut in es gelangen konnte,
herauslaufen würde und er an zu hohem Blutverlust sterben würde.
Talor trat das Schwert seines Gegners beiseite
und fragte mit grausamer Stimme, die in Taruhan’s Gehirn vor Bosheit dröhnen
schien:
"Na? Wie gefällt dir dass?" Er ruckte
mit dem Schwert, sodass der am Boden Gekrümmte wieder laut aufstöhnte.
"Soll ich dir deinen Abschied vereinfachen? Ein Wort von dir genügt..."
Er stutzte. Palakin hatte die Schneide seines
Zweihandschwertes fest gepackt, sodass die Klinge Blut aus seinen Handflächen
triefen ließ und versuchte es so gegen Talor’s Kraft herauszuschieben.
"Was...?" stieß er hervor und war überrascht
über die Stärke des erst Unterlegenen. So fest er auch versuchte,
die Waffe wieder tiefer hineinzustoßen, er schaffte es nicht und
Taruhan schob und drückte immer stärker mit einer ungeahnten
Macht und jeden Zentimeter, den er von dem Stahl befreite begann wieder
zu heilen, sich zusammenzufügen.
Auf einmal war das Schwert ganz aus seinem
Oberschenkel verschwunden und mit einem geradezu vor Stärke trotzenden
Ruck brach Palakin Taruhan die Schneide des Zweihandschwertes mitten entzwei.
"Nein, was...?"
Talor konnte es immer noch nicht glauben,
stolperte entsetzt zurück, flehte, bettelte auf den Knien, betete
ihn fast an...
Da erhob Palakin sein Samuraischwert, schwank
es weit ausholend und gerade, als Talor mit angstverzerrter Fratze flüchten
wollte, dabei aber immer wieder stolperte und schließlich von großer
Angst gepackt zitternd und heulend am Boden mit abwehrend erhobenen Händen
liegen blieb, vollendete Taruhan seinen Streich und aus des Feindes Augen
losch das Lebensfeuer.
Der Sieger hob das Schwert gen Himmel, fixierte
dort einen unbestimmten Punkt an und sagte mit fester, vollendeter Stimme:
"Es kann nur einen geben!"
Ein hell gleißender Blitz entfloh dem
Himmel, hüllte Palakin ganz in sich ein und dieser spürte, dass
nun Talor’s Kraft in ihn überging...
Freude erfüllte ihn, doch auch die Trauer
war nicht weit. Hatte er das Richtige getan? Die Kraft und das Wissen durchströmte
ihn, dann auf einmal ließ das helle Licht nach und nur noch die Erinnerung
daran weilte in seinem Kopf...
Das Bild im Wasser verschwamm wieder, hatte
so eben von dem letzten Kampf der Unsterblichen gezeugt. Doch jetzt schien
wieder alles wie vorher, leer. Leichte Fußspuren im Boden und aufgewühlte
Blätter könnten Aufschluss über diese Sache geben, doch
hat sich in den langen Jahren nie jemand nah hier verirrt, nach hier, dem
Gewässer des Unsterblichen...
© Benedikt
Julian Behnke
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