Der Mond der Katzen von Deya

Ich weiss nicht, wie ich’s erklären kann. Es war nur ein Baum, dahinter der Mond und doch schien mir die Welt auf einmal anders, fremd und wunderschön. Wie Papier hoben sich die knorrigen Äste von dem ruhigen Dunkelblau des Himmels ab. Ich konnte mich nicht bewegen, die Augen gebannt von dem Schauspiel. Auf den Ästen eine Katze, ihr Leib so schlank und fein, aus Papier, gleich dem Baum.
Doch was für ein Schrei aus ihrer Kehle, nach Liebe, oder etwas Unbekanntem.
Ich kann es nicht beschreiben, das Gefühl, das mich durchlief und doch war ich mir sicher, etwas geschah, hier vor mir.
Aus der Ferne der gleiche Schrei. Ein Echo, kam es vom Mond?
Dann von allen Seiten. Der Ruf schwang durch die Luft, streifte quälend meine Ohren und schwebte davon ins Blau des Himmels.
Sie kamen, aus allen Richtungen, manche mager, manche zu schwer um den Baum mit einem eleganten Satz zu erklimmen. Ich sah zerfetzte Ohren, fehlende Schwänze und das edle Schimmern eines goldbestickten Halsbandes. Nur ihre Farben, die Farben ihrer zerlöcherten Mäntel oder seidigen Umhängen, ich konnte sie nicht erkennen. Der Mond machte sie alle grau.
Die Schreie waren verstummt, doch noch immer vibrierte die Luft. Ich spürte die Spannung in allen Gliedern, sie liess meine Haare zu Berge stehen.
Ihre Krallen konnte ich hören, wie sie sich in die Rinde des Baumes schlugen. Bald schon ächzte er unter dem Gewicht der Katzen und immer noch kamen mehr. Sie sammelten sich am Boden, bildeten einen Kreis, im Mittelpunkt der Baum.
Mir schien der Mond auf ein Mal grösser, sein Licht brannte meine Augen, doch die Katzen starrten unbeirrt, ohne zu blinzeln.
Ein Mondstrahl berührte die Spitze des Baumes, biss sich daran fest. Eine Brücke, gewoben aus Licht. Ganz nahe schwebend die goldene Kugel.
Der Gesang der Katzen hob wieder an, ganz leise jetzt, ein feiner, klagender, an- und abschwellender Ton. Dann brach der abrupt an.
Auf der leuchtenden Brücke eine Bewegung, ein silbernes Huschen. Das Licht so hell, meine Augen schmerzten.
Wie auf einen Befehl wieder das leise Lied der Katzen. Ich drehte mich weg. Was hier geschah, war nicht für meine Augen bestimmt. So leise ich konnte, verliess ich meinen Platz. Ich hatte schon zuviel gesehen.

Viel zu viel.
 

© Deya
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