Ebenenbruch
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Kapitel 2 |
Nachdem Srya aus dem fast durchsichtigen Portal herausgetreten war, nahm sie sich die Zeit sich zu orientieren. Sie befand sich in einer hohen und kahlen Halle und überall um sie herum standen Soldaten. An Flucht war also nicht zu denken. Außerdem entdeckte sie einen Teufel, eine hohe, rote Gestalt mit Hörnern und Schwanz, also fast allen Klischees der Menschen entsprechend, in einem Käfig sitzend. Niemand regte sich. Plötzlich ging eine Tür vorne in der Halle, die Srya noch nicht bemerkt hatte, auf und drei Gestalten traten ein. Die eine war ohne Zweifel ein Page, was man gut an seiner gebückten Haltung und der einfachen Kleidung erkennen konnte. Die zweite Gestalt war eine Frau in den mittleren Jahren. Sie trug die Gewänder einer Priesterin und ihr schien die ganze Aufmerksamkeit nicht besonders zu gefallen. Srya kannte keine der beiden Leute, doch den dritten Mann erkannte sie sofort: "Valen!", keuchte sie. "Srya.", sagte er und deutete eine grüßende Verbeugung an. "Srya, wir brauchen deine Hilfe!", fuhr er fort. Trotz dieser Worte war die Schwarzhaarige keineswegs versöhnlich gestimmt: "Ach!", machte sie hämisch, "dir ist wohl entfallen, dass der Teufel hier", sie wies wütend auf das Geschöpf im Käfig, "mich an diese Welt hier bannt und mich zwingt euch zu helfen!" "Nein, das ist mir nicht entfallen!", konterte der Tiefling. Sofort bereute er seine Worte; nein, wie dämlich, tadelte er sich selbst. Warum, warum nur brachte Srya ihn immer so durcheinander? Das musste an ihrer Schönheit liegen, die Schönheit, die jeden Mann so durcheinander brachte, dass er bloß noch Schwachsinn redete und Sryas schlechten Charakter vergaß. Warum konnte nicht eine Frau, die er kannte, sowohl schön sein, als auch einen guten Charakter haben? Mit Außnahme von Thesta natürlich, aber die war Priesterin, also war das irgendwie auch unfair. Valen schreckte aus seinen Überlegungen hoch; Srya war fortgefahren: "Bevor ich noch darauf eingehe, dass das eben ein saudämlicher Kommentar war, sag mir lieber, was meine Aufgabe hier ist. Ich hoffe, es bleibt auch bei einer!" Keinem im ganzen Saal war ihr drohender Unterton entgangen. Nicht wenige der Wachen zogen bei diesem Affront die Waffen, doch Valen stoppte sie mit einer Geste. Er wollte schon fortfahren, doch Thesta unterbrach ihn: "Deine Aufgabe ist ein Meuchelmord. Darin bist du ja wohl am besten." Plötzlich fiel Srya ein, dass sie diese Frau doch kannte. "Du bist doch diese Kenomen, wegen der sich Valen immer in die absurdesten Schwierigkeiten bringt! Du bist sein Schützling, diese Thesta!", rief sie. "Ja", erwiderte Thesta, "schön, dass du dich erinnerst. Könnten wir jetzt mal zur Sache kommen?" Die Kenomen sah ziemlich genervt aus. "Ach, lass mal, Thesta, das mach ich schon", fiel ihr Valen ins Wort. Srya schenkte ihm ein offensichtlich falsches und aufreizendes Lächeln. Kaum merklich vor Wut zitternd fuhr er fort: "Boldwin, bring Srya auf ihr Zimmer. Srya, mach dich fertig, ich hole dich in einer Stunde ab, dann sage ich dir, was du zu tun hast." "Wunderbar, warum hat das so lange gedauert!?" , rief diese. Valen stöhnte und verdrehte die Augen; wie schaffte sie es nur immer, ihn so zur Weißglut zu treiben, ohne sich auch nur im Mindesten anstrengen zu müssen! Srya folgte Boldwin den langen Korridor nach, der zu ihrem Zimmer
führte. Der Page hatte bis jetzt noch keinen Ansatz gemacht, ein Gespräch
zu führen und es sah auch nicht so aus, als würde er das noch
einmal tun. Also begann Srya:
Valen ging schnell durch den dunklen Korridor. Als er zum ersten
Mal die Burg erkundet hatte, hatte er sich beschwert, dass alle Gänge
gleich aussähen. Aber jetzt kümmerte ihn das nicht, er versuchte
vielmehr so schnell zu gehen wie möglich ohne dabei zu rennen. Er
war jetzt schon viel zu spät. Seit dem Gespräch mit Srya waren
75 Minuten vergangen, doch Valen hatte sich bis eben davor gescheut wieder
mit Srya zu sprechen. Er konnte sich nicht erinnern, dass es früher
schon so gewesen war. Sie hatten vor sieben Jahren gemeinsam in seiner
Heimatwelt bei einer großen Schlacht als Söldner gedient, beide
aus unterschiedlichen Gründen, er hatte es jedenfalls wegen Thesta
getan. Obwohl sie beide dem Tod mehr als nur einmal von der Schippe gesprungen
waren, war es für sie beide eine schöne Zeit gewesen. Zumindest
im Vergleich zu diesen Zeiten. Nach zwei Jahren konnte Thesta wieder zurück
in ihre Heimat gehen, sie waren verbannt worden, weil Valen im Zorn einen
arroganten Kenomen erschlagen hatte, und Sryas Söldnerfrist war ebenfalls
abgelaufen. Doch dann war sie verschwunden. Von einem Tag auf den anderen.
Valen hatte vor, sie das zu fragen. Der Tiefling war nun an Sryas Tür
angelangt. Er wollte gerade anklopfen, als sich von hinten zwei schmale
Hände um seine Kehle legten.
© Madeleine
Scherer
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