Eine Frau, bekleidet mit der dunkelgrünen Robe der Druiden,
wie auch Xuji sie trug, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, trat aus einer
verlassenen Gasse.
"Oh, verzeiht, mir ist gar nicht aufgefallen, dass ich so viel geplappert
habe", entschuldigte sich Norban lächelnd, "die Marotte eines alten
Mannes, außerdem nützt mir das reine Wissen fast nichts, schließlich
kann ich es nicht anwenden!"
"Nun, gut", erwiderte die Druidin langsam und wandte sich dann Xuji
zu, "hast du noch etwas vom Gift übrig?" Dieser nickte und warf ihr
das Fläschchen zu, das sie geschickt auffing. Nachdem sie einen Schluck
probiert hatte, lächelte sie kalt und rief: "Es ist wieder das gleiche!"
"Wollt ihr damit sagen...?", begann Norban, wurde jedoch gleich
wieder von ihr unterbrochen: "Ja, dies ist nicht das erste Mal, diese Taktik
wurde bereits in acht anderen Städten im Süden versucht, allerdings
gab es außer den Druiden, die es entdeckten, sonst keine überlebenden
Magier..."
"Was wollt ihr damit andeuten?", fragte Fernan herausfordernd.
Doch bevor die Druidin antworten konnte, rief der alte Zauberer:
"Gehe ich recht in der Annahme, dass die anderen Magier, nachdem sie vom
Gift betäubt wurden, auf traditionellere Art und Weise umgebracht
worden sind?!"
"Ja, den meisten haben sie die Köpfe abgeschlagen", erklärte
die Frau ruhig.
Langsam nickte Norban und erklärte dann: "Das haben die Bewohner
dieses Städtchen nicht gewagt, selbst Hand an Magier zu legen, meine
ich. Ich frage mich, wie sie überhaupt zu dieser Tat gezwungen wurden."
"Ihr meint damit, dass die Geschichte, dass Magier diese Stadt seit
ihrer Gründung immer wieder beschützt und gerettet haben, wahr
ist?", fragte Xuji überrascht.
"Das ist sie, ich war vor einigen Jahrzehnten schon einmal hier,
und schon damals wurden Feste zu Ehren von Magiern gegeben", erzählte
der Zauberer traurig lächelnd, "und damals war es kein Trick, um sie
zu vergiften."
"Wenn das der Wahrheit entspricht, was ist dann der Grund für
ihr neues Verhalten?", fragte die Druidin nachdenklich.
"Kinder", rief Xuji plötzlich.
"Was?", riefen die anderen verwirrt im Chor.
"Es gibt keine Kinder in der Stadt", erklärte der Jugendliche
langsam.
Norban rieb sich den Bart und meinte dann: "Das wäre eine Möglichkeit,
die Zukunft einer Stadt zu entführen ist ein ideales Mittel, um sie
zur Zusammenarbeit zu zwingen!"
"Hey, wenn nicht sofort jemand hierher kommt und uns das alles erklärt,
brenne ich eure verdammte Stadt nieder", droht Fernan wütend den schattigen
Gassen zu. Und schnell zeigte sich der Bürgermeister, ängstlich
sah er die Magier an.
"Nun?", fragte die Druidin fordernd.
"Ja, eure Vermutungen sind richtig", antwortete Retak traurig, "die
Elfen haben unsere Söhne und Töchter entführt!"
Über dieses Geständnis dachten die fünf kurz nach,
bis der Feuermagier schließlich meinte: "Gut, dann hauen wir ab,
diese Idioten haben ihre gerechte Strafe erhalten!"
"Das ist wohl nicht dein Ernst?! Wir können die Kinder doch
nicht für die Dummheit der Erwachsenen bestrafen", schrie Kora erbost,
"wir werden sie retten, nicht wahr Xuji?!"
Bittend sah die Diebin den jungen Druiden mit großen Augen
an und dieser antwortete überrumpelt: "Äh, na klar, sicher."
"Aber natürlich können wir sie nicht in dieser Lage lassen",
stimmte Norban ihnen zu, "habt ihr eine Ahnung, wo sich die Elfen aufhalten?"
Vorsichtig nickte der Bürgermeister langsam und meinte: "In
einer Schlucht westlich von hier. Ich werde es euch zeigen."
Und so führte er die Magier und Kora aus der Stadt.
"Wie lange werden wir etwa brauchen?", fragte der alte Zauberer
Retak.
"Zu Fuß etwa eine Stunde", antwortete dieser ergeben.
"So lange?! Könnt ihr das nicht irgendwie beschleunigen?",
wollte die Jugendliche von den Magiern wissen, woraufhin Xuji ihr antwortete:
"Ich glaube Rella, hat dafür schon eine Lösung."
"Wer ist Re... Oh, und was wirst du machen?", fragte Kora die alte
Druidin, nachdem sie erkannt hatte, dass der Jugendliche sie gemeint hatte.
Doch statt ihr zu antworten zog die alte Frau ihre Kapuze zurück
und stieß einen hohen und schrillen Pfiff aus.
Es dauerte nur wenige Sekunden bevor die Stille von einem Wiehern
zerrissen wurde und mehrere Pferde hinter einer Biegung auftauchten und
auf die Gruppe zukamen. Sanft streichelte Rella dem Leithengst die Nüstern
zur Begrüßung.
"Ähm, ich weiß nicht, ob es euch aufgefallen ist, Gnädigste,
aber wir haben weder Sättel noch Zaumzeuge", wandte Norban vorsichtig
ein.
"Natürlich nicht", erklärte die alte Frau fest, "schließlich
sind das Wildpferde, sie würden so etwas nie dulden!"
Xuji berührte eine hellbraune Stute an der Seite, woraufhin
sich diese niederkniete und bot dann Kora den Platz an. Diese zögerte
weniger als eine halbe Sekunde und schwang sich dann auf den Rücken
des Pferdes, die Jugendliche ließ sich jedoch nicht im Damensitz
nieder, da sie fürchtete herunterzufallen sobald sich die Stute bewegte.
Fernan näherte sich unterdessen dem Leittier der kleinen Herde, arrogant
versuchte er auf den großen Hengst zu steigen. Grob wollte er sich
an der Mähne hochziehen, doch das Pferd bäumte sich auf und warf
den Feuermagier ab. Dieser landete rücklings auf dem harten Boden.
Sich ein Grinsen verkneifend ging Xuji an Fernan vorbei und bestieg den
großen Hengst, ohne dass dieser sich wehrte.
"Bereit zum Aufbruch?", fragte Rella hart. Während der Zauberer
ungeschickt auf einer kleinen Stute saß und nicht sehr glücklich
aussah, saßen der Feuermagier und der Bürgermeister inzwischen
auch auf Pferden.
Die ungewöhnliche Gruppe brauchte nicht lange um die Schlucht
zu erreichen, in der die Elfen ihr Lager aufgeschlagen hatten. Ein Frettchen
sprang plötzlich aus einem Busch und erschreckte Norban so sehr, dass
dieser vom Pferd fiel, bevor es sich auf Rellas Schulter niederließ
und begann der älteren Frau aufgeregt ins Ohr zu plappern.
"Die Schlucht ist etwa ein Dutzend hundert Meter lang", übersetzte
Xuji den ersten Teil.
"Allerdings nur, wenn du ein Nagetier bist, für Leute unserer
Größe geht es nach der ersten Hälfte nicht mehr weiter",
korrigierte die Druidin den Jugendlichen, "neben den entführten Kindern
befinden sich etwa zwei Dutzend Elfen dort."
"Damit werde ich ja sogar schon allein fertig", prahlte Fernan arrogant.
"Wir wollen die Kinder retten, nicht verbrennen", rief Kora laut,
"oder hat deine Magie schon deinen Verstand verkohlt?!" Die Miene des Feuermagiers
verfinsterte sich, während die anderen zu Grinsen begannen.
"Wir sollten uns zuerst ein genaueres Bild von der Lage machen",
schlug Norban ruhig vor, "auch wenn ich eurem Schoßtierchen vertraue,
sollten wir die Informationen überprüfen!"
"Im Schutze der Bäume sollten wir unbemerkt näher an den
Eingang der Schlucht gelangen", meinte Xuji und ließ seinen Worten
auch sofort Taten folgen. Rella wartete nicht lange und ging hinter ihm
her, dicht gefolgt von Kora und Fernan, der Zauberer und der Bürgermeister
bildeten das Schlusslicht.
Ein Dutzend Meter vor der Schlucht stoppten die Druiden und Rella
flüsterte Xuji eine Frage zu.
"Ja, die Augen beherrsche ich, aber mehr noch nicht", antwortete
der Jugendliche bedrückt, da er fürchtete, die alte Frau wäre
von seinen Fähigkeiten enttäuscht.
Diese lachte wie er es erwartet hatte, allerdings aus einem anderen
Grund: "Nun hör sich mal einer diesen jungen Mann an; ich wäre
froh gewesen wenn ich in deinem Alter schon so weit gewesen wäre!"
"Entschuldigung, aber worüber redet ihr?", fragte Kora leicht
ungehalten, da sie sich von den beiden ein wenig ausgeschlossen fühlte.
Xuji antwortete nicht, sondern dreht sich um und sah ihr tief in die Augen.
Das war der Diebin ein wenig unangenehm, aber sie dachte nicht daran wegzusehen.
Doch auf einmal schienen die Augen des Druiden zu verschwimmen, ihre grüne
Farbe verschwand, nur um gleich darauf von einem nichtmenschlichen Gelb
ersetzt zu werden, das sich auch über das Weiße ausdehnte.
"Hübsche Federn", bemerkte Rella lächelnd, "ich nehme
an, die waren nicht beabsichtigt?!" Und tatsächlich links und rechts
von Xujis Augen waren einige Federn gewachsen.
"Nein", erwiderte der junge Druide überrascht, als er sein
Gesicht betastete.
"Was ist das?", fragte Kora erschreckt und wich vor ihm zurück.
"Adleraugen, meine Liebe, das sieht man doch", klärte Norban
sie lachend auf, "es ist doch wohlbekannt, dass Druiden die Macht zur Verwandlung
besitzen. Auch wenn ich zugeben muss, dass es ziemlich erschreckend ist,
wenn nur einzelne Körperteile verwandelt werden."
"Und wozu nun diese Tricksereien?", fragte der Feuermagier, wobei
er versuchte seine Angst, die ihm die Augen der beiden Druiden einjagten,
mit Ärger zu kaschieren.
"Natürlich um die Elfen aus der Ferne beobachten zu können",
erklärte Rella unwirsch, ohne sich zu ihm umzudrehen, was Fernans
Wut noch mehr steigerte.
"Was seht ihr?", wollte der Zauberer wissen.
"Die Elfen liegen alle auf Liegen", erzählte Xuji ruhig von
seiner Beobachtung, doch dann mischte sich ein zorniger Unterton in seine
Stimme, "die Kinder haben überall Schnittwunden und sie müssen
die Elfen auch noch bedienen!"
"Das reicht, schnappen wir uns diese Mistkerle", rief Kora wütend
und wollte schon aufspringen, doch Rella drückte sie wieder ins Gebüsch.
"Was soll das?", fragte die Jugendliche und versuchte sich zu wehren,
doch gegen den eisenharten Griff der alten Frau kam sie nicht an.
"Zuerst müssen wir das sehen, was sich dort drüben wirklich
abspielt", meinte die Druidin und sah Xuji bedeutungsvoll an, "nicht das,
was wir mit unseren Augen wahrnehmen!"
Der Jugendliche verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und versetzte
sich in Trance. Schnell fühlte er die Auren seiner Magiergefährten,
Norbans Aura war kühl, tiefblau und von silbernen Fäden durchzogen,
die von Fernan heiß und rot wie ein wildes Feuer und Rellas von einem
überraschend kraftvollen, hellen Grün. Nachdem der junge Druide
sich konzentrierte, nahm er auch die Auren von Kora und dem Bürgermeister
wahr, die wesentlich schwächer waren. Er schränkte seine Wahrnehmung
auf den Bereich vor ihm ein, so dass er die knappen hundert Meter bis zu
den Elfen und ihren Gefangen überbrücken konnte. Die schwarzvioletten,
kalten Auren der Elfen lösten ein Gefühl des Hasses in Xuji aus,
das sich noch verstärkte, als er die Auren der Kinder spürte.
Schnell zog er sich zurück in seinen Körper.
"Und, können wir die Kinder jetzt endlich befreien?", wollte
Kora wissen nachdem er die Augen wieder aufgeschlagen hatte. Aber der Jugendliche
konnte ihr nicht sagen, was er herausgefunden hatte.
Rella sprang hilfsbereit ein und erklärte: "Ja, Mädchen
wir befreien sie, aber nicht so, wie du dir das vorstellst... Wir schenken
ihren missbrauchten Seelen Frieden!"
"Ihr wollt doch nicht sagen...", begann Norban, der sich langsam
alles zusammenreimte.
"Doch, die Kinder wurden in nekromantischen Ritualen geschändet
und dann umgebracht", schrie Xuji wütend.
© Bastian
Bernig
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