Eylons Abenteuer von Rawbot
Eine Geschichte irgendwo auf Íja Macár...
Ein neuer Anfang fällt immer schwer...

Er schaute in seinen Wasserbecher, hypnotisierte ihn regelrecht. Hier saß er nun, bekleidet wie ein Wächter, aussehend wie einer von jenen, vor denen er sich immer in Acht nehmen musste. Und nun... Hauptsache es hatte ihm geholfen. Ja, sicherlich musste er ein Opfer bringen. Wenn die Priester wirklich recht hatten, so würde die Tatsache, dass er seine Familie im Stich gelassen und für seine sehr waghalsige Flucht wahrscheinlich auch einen Menschen getötet hatte, ihm vor Der Letzten Verhandlung einige Schwierigkeiten bereiten. Aber er wollte dies gutmachen, hatte er sich vorgenommen. Er wollte zumindest seine Familie aus den Klauen ihrer Peiniger befreien, das stand für ihn schon immer fest.
Trakkin stapfte in sein Sichtfeld und schaute ihn an. 
"Hey Eylon, Mensch, hast du nix besseres zu tun, als dein Wasser anzustarren? Wie war das? 'Ich werde alle Arbeiter befreien!' Und: 'Ich werde durch meine Abenteuer genug Gold zusammen bekommen, um meine Eltern zu frei zu kaufen!' Wenn ich mich nich‘ täusche, sind das deine Worte!?"
Eylon lächelte. Er mochte Trakkin, seine unbeschwerliche Art, seinen Humor.
Seit er ihn vor vielen Sommern gefunden hatte, konnten sie nicht von einander lassen. Eine eingeschworene Freundschaft, sozusagen. Aber das führte leider dazu, dass er nie Kontakt zu anderen Jungen in seinem Alter gefunden hatte. So war sein einziger Freund immer nur Trakkin, der kleine Taschendrache gewesen.
"Ja, ja das habe ich gesagt. Aber, weißt du, mittlerweile bereue ich diese Worte. Nachdem wir gestern den Chrùms begegnet sind... Ich... ich hätte doch lieber Zuhause bleiben sollen."
Trakkins Miene ging von aufmunternd zu entsetzt. "Das meinst du doch nicht ernst!? Wenn wir jetzt zurückgehen, werden wir geköpft, erhängt, gevierteilt und was weiss ich, was die mit uns anstellen!"
Abermals lächelte Eylon. "Du weißt doch, dass ich jetzt nicht mehr zurückgehen kann. Nein, ich bin aus den Mienen raus und das soll auch so bleiben! Es hilft nichts, hier zu sitzen." Dabei stand Eylon auf. "Wir werden..."
Die Tür der Gaststätte schwang mit einem Knallen auf. Die Silhouette eines Mannes in einer Kettenrüstung und Mantel zeichnete sich vor der Tür ab. Der Krieger schloss die Tür und begab sich langsam in den Vorraum. Mittlerweile kehrten die Köpfe der übrigen Gäste wieder über ihre Krüge zurück. Jeden einzelnen von oben bis unten  musternd, schritt der Krieger durch die Gaststätte.
Schließlich war er bei Eylon angelangt.
"Heda, junger Mann" mit diesen Worten setzte sich der Mann an den Tisch und fixierte Eylon. "Ihr seht mir recht kräftig aus. Und anscheinend seid ihr im Kampf geübt, ansonsten würdet ihr kaum in dieser Rüstung rumlaufen, eh?" dabei kniff der Mann ein Auge zu. Was der Krieger als eine Rüstung bezeichnete, war ein Waffenrock, auf dessen Torsobereich eine Reihe von Ringen aufgenäht war. Es sollte eher nach einer Rüstung aussehen, denn eine sein.
"Naja... ich habe bis jetzt nur mit dem Schwert geübt und mich gegen einige Chrúms zu Wehr gesetzt, aber in einem Krieg war ich bis jetzt nicht, falls ihr das meint..."
"Oh nein", der Krieger lacht kurz und rauh auf. "das hätte ich auch nicht erwartet. Aber lassen wir dieses drumherum Gerede sein. Um auf den Punkt zu kommen, ich bin in fürstlichem Auftrag hier. Mein Herr hat vermehrte Berichte über Angriffe von diesen verbiesterten Laufechsen erhalten. Nach dem die Übergriffe immer schlimmer wurden, hat er mir aufgetragen, diese Gefahr zu beseitigen. Er gab mir ein kleine Schar an Kämpfern mit, aber ich habe unterwegs noch ein paar Söldner angeworben, nur um sicher zu gehen. Tja, jetzt bin ich hier im Ort und such e noch ein, zwei Ortskundige."
"Und was wollt ihr dann bei mir? Sehe ich so aus, als ob ich von hier bin?"
Der Mann lächelte. "Nein, da habt ihr recht. Eher wie ein Wächter aus den nahegelegenen Minen, der sich aus dem Staub gemacht hat." Eylon setzte an, etwas zu sagen, aber dem Mann hob seine Hand und winkte ab. "Deine Vergangenheit interessiert mich nicht. Ich will nur wissen, ob du bereit bist, mir uns diese Echsen zu jagen. Einen Führer durch das Unterholz werde ich schon finden."
Eylon war überrascht, gebot sich aber selbst, jetzt nicht den Dummen zu mimen. "Ich werde mein Leben nicht aufs Spiel setzten, ohne Aussicht auf Lohn..."
Wieder lachte der Mann, diesmal etwas länger und lauter. "Ihr seid wahrlich nicht dumm! Aber glaubt mir, ich werde euch noch genug Geld zahlen, wenn wir diese Gefahr beseitigt haben. Also, kommt  ihr mit uns?"
"Ich weiss nicht recht. Lasst mir bitte noch etwas Zeit, ich muss mir das Ganze noch mal durch meinen Kopf gehen lassen. Ich komme dann zu Euch."
Der Mann nickte. "Gut, ich habe aber nicht ewig Zeit!" Er stand auf.
Eylon schaute ihm noch kurz nach und wandte sich dann wieder seinem Wasser zu. "Was meinst du, soll ich machen?" fragte er leise in sein Hemd hinein. Trakkin, der aus alter Gewohnheit sofort in Eylons Hemd gesprungen war, als der Krieger in die Gaststätte kam, kroch aus dem Kragen von Eylons Hemd hinaus und stapfte in Eylons Gesichtsfeld. "Naja, ich weiss es ja auch nich‘, aber du musst wissen, ob du kämpfen willst oder nicht. Klar is‘ bloß, daß wir keine einzige Münze mehr haben und hier in diesem Dorf feststecken. Und wer weiß, vielleicht nimmt dich dieser Typ da mit, wenn du den Kampf..." - Trakkins Miene verdunkelte sich etwas - "...überlebst." Eylon lachte gepresst. "Ja, wenn ich überlebe..." Trakkin legte seinen Kopf schief, wie er es jedesmal tat, wenn es galt, seinen Freund aufzumuntern. "Äh, ich mag zwar wenig Ahnung vom Kämpfen haben, aber so, wie du die Chrúms in Stücke gehauen hast... Ich glaube nicht, dass das einer der Wächter besser  gekonnt hätte."
Eylon begann wieder, sein Wasser zu hypnotisieren. "Aber...ich meine Chrúms und Laufechsen sind etwas anderes."
Trakkin blies Rauch aus seiner Nase. "Könntest damit Recht haben, aber trotzdem...du kannst dich immer noch in die Büsche schmeissen, wenn es gefährlich wird!"
"Aber, ist das nicht unehrenhaft? Einfach so aus dem Kampf zu fliehen?"
Trakkin zog verächtlich die Schnauzenwinkel hoch. "Hör mal, was nutzt dir deine Ehre, wenn du tot bist? Dann doch lieber lebend als Flüchtiger aus einem sowieso verlorenen Kampf zurückkehren. Glaub mir, flüchte lieber, als dass du dich abschlachten lässt. Für nix und wieder nix." Er kniff ein Auge zu.
Eylon holte tief Luft. "Nun gut, wenn du meinst. Auf in den Kampf!"
Der kleine Taschendrache schlüpfte in Eylons Hemd zurück. Eylon stand auf, wandte sich gen Ausgang und legt im vorübergehen die zwei Kupferhände auf den Tisch. "Heda!" rief der Wirt ihm nach. "Das macht aber drei Hände!"
Der junge Mann mit dem breiten, von täglicher Minenarbeit gestählten Kreuz, erstarrte. Langsam drehte Eylon sich um, schaute den Wirt an und lächelte schüchtern. "Eh...ich...ich habe aber leider keine dritte Hand...?" Die Augenbrauen des Wirtes senkten sich bedrohlich bis fast auf die Nase. "Tja, dann sehe ich mich leider gezwungen..." - "Ist schon gut, Mann, hier habt ihr euer Kupfer!" Der Krieger war wieder hereingekommen und warf nun dem Wirt die Münze zu. Dieser fing sie auf und steckte sie schnell in seine Schürze. "Da habt Ihr ja noch einmal Glück gehabt!" brummelte er.
Die Hand des Kriegers senkte sich auf Eylons Schulter. "Na? Habt Ihr euch entschieden?" fragte er mit einem Lächeln.
"Ja, das habe ich." Antwortete Eylon. "Ich werde mit euch Kämpfen, solange ihr mich nur bezahlt."
Der Krieger grinste nun beinahe. "Na, wenn das nicht der Anfang einer Söldnerkarriere ist?"
 
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Und hier geht's weiter zum 2. Kapitel: Blut im Wald
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Denkt bitte daran: auch diese Geschichte nimmt am Drachentaler-Wettbewerb teil.
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