Die Krieger des Ostens von Dragonsoul Lianth |
9: Ein neuer Weg |
Die Straße war in flackerndes Rot getaucht und die wenigen Gestalten, die sich noch aufrecht hielten, hoben sich als schwarze Schatten gegen das Inferno ab, das sich langsam in der Stadt ausbreitete. Auf der Straße selbst lag nicht ein einziger toter Leib, nur die zwölf Wolforks waren gegen das Licht auszumachen. Angespannt beobachtete Xerxes die Wesen. Sein Schwert hatte er in den Händen bereit, die Klinge drohend nach vorne gerichtet. Doch war es ein aussichtsloser Kampf, zumal der Gegner absolut überlegen war und die beiden Frauen hinter ihm keine Waffen besaßen – und wahrscheinlich auch gar nicht wussten, wie man damit umgehen konnte. Und zu allem Überfluss hatte der Krieger seine Rüstung, die er jetzt wohl nötiger denn je brauchen konnte, zurück gelassen, um schneller hierher eilen zu können. Noch bewegten die Kreaturen sich nicht, starrten die drei Personen vor sich nur mit schwarzen Augen an. Doch aus dem Gasthof kamen nun auch die Biester gestürzt, die Xerxes gerade eben noch hatte überlisten können. Einen Augenblick sah es so aus, als würden sie einfach weiterstürmen, ohne die drei zu bemerken, aber dann blieben sie plötzlich stehen und drehten sich zu ihnen herum. Die mächtigen Kiefer mahlten gefährlich und die Krallenhände öffneten und schlossen sich immer wieder, während sie ihre Gegner betrachteten. "Das sieht nicht gut aus..." lächelte Xerxes mit einem Male ironisch. "Jetzt kann uns eigentlich nur noch ein Wunder helfen." Innerlich jedoch fluchte er darüber, dass er nie seine magische Begabung ausgebildet hatte - denn Magie wäre ihm in dieser Situation nützlicher. Aber er hatte nun mal den Weg eines Kriegers beschritten. Also packte er entschlossen sein Schwert fester und nahm sicheren Stand. Zumindest wollte er versuchen, einige der Biester noch in die Hölle zu schicken. Diesmal schienen die Kreaturen nicht so vorsichtig wie kurz zuvor noch: Xerxes Flucht aus dem Gasthof hatte sie anscheinend mutiger gemacht. Eines der Wesen stieß auf einmal einen kreischenden Schrei aus und stürmte auf den jungen Krieger vor sich zu. Xerxes’ erster Impuls war es, auszuweichen. Doch dann kam ihm schmerzhaft in den Sinn, dass da zwei Frauen wehrlos hinter ihm waren. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als den Ansturm der Kreatur abzuwarten. Nur schwer konnte er sich beherrschen, nicht zur Seite zu weichen, und das Wesen schien ewige Zeit für die paar Schritte zu brauchen. Aber endlich sah Xerxes’ seine Chance: Mit einem leichten Ausfallschritt nach links entzog er sich der Krallen, die aber so nah an seinem Kopf vorbei zischten, dass sie ihm die Spitzen des Haares kürzten. Im nächsten Augenblick hatte er aber schon das Schwert gerade nach vorne gestoßen. Fast mühelos durchdrang der Stahl den massiven Körper der Kreatur, von deren kraftvollen Ansturm tief in das Fleisch getrieben. Doch kam das Wesen nicht ins Stocken. Zwar spuckte es fast augenblicklich keuchend Blut und seine Züge verzerrten sich vor Schmerz, aber es wurde nicht langsamer. Und Xerxes’ konnte nicht ausweichen, wollte er seine Klinge nicht verlieren. Die beiden Frauen hinter ihm konnten sich gerade noch rechtzeitig aus der Linie bringen, als Xerxes von der Masse der Kreatur mitgerissen und gegen die Wand geschoben wurde. Schmerzhaft bohrte sich der Schwertknauf in Xerxes’ Brust und ließ ihn für einen Augenblick nach Atem ringen. Die Stahlklinge hatte sich inzwischen bis zur Parierstange in den Leib des Ungetüms gebohrt und gab nicht mehr weiter nach. Für einen unendlichen Moment glaubte Xerxes seine Rippen unter dem Druck des Gewichtes knacken zu hören, das ihn zwischen sich und der Wand einklemmte. Doch plötzlich ließ der Druck nach und das Untier sank mit leerem Blick zu Boden. Das Gewicht des Wesens lastete so schwer auf dem Schwert, dass es Xerxes’ den Griff aus den Fingern riss. Unwillkürlich griff der junge Krieger nach, doch fiel die Kreatur derart ungeschickt zur Seite, dass der Griff des Schwertes unter um begraben wurde. Einen Moment noch überlegte Xerxes, die Kreatur herum wuchten zu wollen, dann sprang er auch schon mit einem leisen Schrei zur Seite und presste sich fest an die Wand. Nur einen Zentimeter an seinem Hals vorbei zerschnitten mächtige Pranken die Luft und die Kreatur blitzte den jungen Krieger boshaft an. Hastig blickte der sich um, nur um zu bemerken, dass sie nun endgültig eingekreist waren. Die beiden Frauen kamen langsam näher - in den Blicken sowohl Furcht als auch Resignation und Entschlossenheit. Nachdenklich senkte Xerxes kurz den Blick zu Boden, dann sah er die Frauen aus den Augenwinkeln an: "Lauft!" Und schon ging er etwas mehr in die Knie und rannte voran, um der Kreatur, die gerade noch nach ihm geschlagen hatte, die Faust in den Magen zu rammen. Mit Entsetzen spürte er, wie die Klauenhand sich um sein Handgelenk schloss und die andere Pranke seinen Hals umschloss. Erschrocken keuchte Xerxes auf und trat nach dem Knie des Untiers. Doch das knurrte darüber nur und der Griff um seinen Hals wurde noch fester, schnürte ihm jegliche Luft ab. Xerxes wollte los fluchen, doch er brachte nicht einen einzigen Laut heraus, verspürte nur ein immer intensiveres Verlangen, endlich wieder Luft zu holen! Und auch seine weiteren Tritte gegen den Leib der Kreatur scherte die nicht gerade. Plötzlich jedoch konnte er ein Zittern durch den massigen Leib gehen spüren, gefolgt von einem Zusammenzucken. Der Griff um Xerxes' Hals löste sich und der junge Krieger sprang erschrocken zurück, schnappte gierig nach Luft. Und im gleichen Moment hörte er ein leises Sirren, gefolgt von dem Kreischen der Kreaturen, die überrumpelt zur Seite sprangen. Durch die entstandene Presche ritten Relow, Hagen und Akira in vollem Galopp. Einen Moment noch starrte Xerxes verblüfft, dann hatte Akira ihn schon an der Hand gepackt und hinter sich auf das Pferd gerissen. Instinktiv krallte der Junge sich an ihm fest und hustete erst einmal, sog die Luft gierig ein. Hagen und Relow taten das gleiche bei den beiden Frauen, zogen sie hinter sich auf die Pferde. Das alles geschah, ohne dass die Pferde in ihrem mörderischen Galopp langsamer wurden und die Angreifer wichen überrumpelt und etwas verwirrt aus, starrten den Fliehenden mit großen Augen hinterher, ehe sich ein wahres Wutgeheul erhob und sie den drei Pferden mit einer unerwarteten Geschwindigkeit nachsetzten. Doch auch die wenigen Kreaturen, die aus den brennenden Häusern kamen, konnten die Pferde in ihrer Panik vor dem Feuer und den Angreifern anhalten. Von den Reitern noch zusätzlich angespornt, preschten sie durch die Straßen, setzten über Leichen und brennende Holzteile der Häuser hinweg. Plötzlich hatten sie das Stadttor hinter sich gelassen und das Trappeln der Verfolger blieb hinter ihnen zurück. Als Xerxes es wagte, über die Schulter zu blicken, stutzte er: Das Bild war grausig: Vor dem orangenen Feuer in der Stadt hoben sich die Schemen der Wolforks ab. Aber sie waren im Stadttor stehen geblieben und starrten den Fliehenden nur düster nach. Nachdenklich ging Akira auf und ab, warf ab und an einen Blick zum
Horizont, wo die aufgehende Sonne den Himmel langsam orange färbte.
Die anderen saßen schweigend auf dem moosbewachsenen Waldboden und
hingen schweigend ihren Gedanken nach. Nur Xerxes blickte die ganze Zeit
über zu den Rauchschwaden der zerstörten Stadt zurück.
Sie hatten die Stadt etwa seit zweit Stunden hinter sich gelassen,
als sie einigen Menschen begegneten, die mit Harken und Sicheln bewaffnet
die Straße entlang kamen. Die Kämpfer blieben halten und zügelten
auch die Pferde, die sie an der Trense hinter sich her führten. Die
beiden Frauen saßen wieder hoch zu Sattel.
Der Rest des Weges zur kaiserlichen Stadt Kanjak verlief seltsam:
Zwar gab es keine Angriffe mehr und auch ansonsten wirkte alles friedlich,
aber aus einem unerfindlichen Grund fühlten alle Reisenden sich sehr
unbehaglich und verfolgt. Nachts verstärkten sie ihre Wachen zusätzlich
und tagsüber waren alle wachsam.
Etwa eine Stunde später stand die Gruppe vor dem Thron des Kaisers.
Das war nicht mehr als ein einfacher Holzthron, aber der Mann darauf wirkte
um so beeindruckender. Der Kaiser war um die 35Jahre alt, das braune Haar
zum größten Teil schon ergraut und der Vollbart ebenfalls. Aber
die stechenden grünen Augen schienen direkt in die Seele zu sehen.
Die Krieger hatten am Hofe zwei Kammern zur Verfügung gestellt
bekommen, in denen sie die Nächte bis zu ihrer Weiterreise verbringen
konnten. Ailin hatte sich nur widerwillig dem Schutz des Kaisers unterstellt,
sie schien aber nicht sonderlich glücklich damit zu sein und Akira
war sich sicher, dass sie sich in den letzten Tagen und Wochen ein wenig
zu sehr an diese Gruppe gewöhnt hatte.
© Dragonsoul
Lianth
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