Der
König der Drachen |
- 20 -
Auf Leben und Tod |
Tarohns Gleiter war in Sicht, war aber weit voraus. Er verlor an Höhe und schließlich flog er nur extrem niedrig über dem Boden. Marlin sah nach vorn und erkannte am Horizont eine Stadt. Wollte Tarohn dort hin? Es schien so. Nein. Schnell drehte er ab und hielt auf ein Gebirge im Westen zu. Nur wenige Meter über dem Boden glitt er über einen Fluss hinweg. Das Wasser peitschte auf und Wellen schlugen an den Seiten weg. Cecil war schon nahe an ihn rangekommen. Den Drachen allerdings hatte die Wendung etwas zurückgeworfen, doch auch er war schnell wieder da. Tarohn musste die Geschwindigkeit drosseln. Die Schluchten, durch die er flog, waren eng. Die Gefahr, an eine Wand zu kommen, war zu groß. Auch Cecil sah das ein, doch versuchte er so schnell wie möglich die Geschwindigkeit wieder zu heben. Für den Drachen war das alles kein Problem. Er musste wegen seiner enormen Spannweite nur auf die Wände achten. Ansonsten glitt er einfach auf dem Luftstrom, der durch die Schluchten fuhr. So war Marlin schnell an Tarohn heran und flog schließlich über ihm. Das Gebirge hatte sein Ende und die Gleiter schossen wieder auf freies Feld. Tarohn wollte wieder Gas geben, doch in diesem Moment wackelte sein Gleiter kurz und wäre fast außer Kontrolle geraten. Er blickte nach hinten und sah Marlin, der auf das Heck des Gleiters aufgesprungen war. Ein kurzer Blick nach vorne und dann stellte er die Hebel fest und schob den Geschwindigkeitsregler bis zum Anschlag nach oben. Jetzt wandte er sich Marlin zu. Der Gleiter wurde schneller und schneller. Tarohn wollte zuschlagen, doch Marlin wich aus. Er versetzte Tarohn einen Schlag auf den Rücken. Dieser fiel kopfüber vom Gleiter. Marlin sprang hinterher. Beide landeten auf den Füßen und als Tarohn sich umdrehte, war Marlin schon hinter ihm. Er holte zum Schlag aus, doch Tarohn war schneller. Er verpasste ihm einen Tritt und Marlin fiel rückwärts ins Gras. Sofort richtete er sich wieder auf. Er blickte zu Tarohn und bekam sofort den nächsten Schlag verpasst. Noch bevor er wieder fiel drehte sich Tarohn und formte in seinen Händen eine kleine Kugel aus Energie. Er holte aus und schleuderte sie gegen Marlins Brust. Die Druckwelle stieß Marlins Körper weg und er flog meterweit durch die Luft, bis ein etwa mannshoher Felsen ihn stoppte. Tarohn rannte weiter auf ihn zu, holte zum nächsten Schlag aus. Marlins Leben war nun nicht mehr von Bedeutung für ihn. Plötzlich stoppte Tarohn; er blickte überrascht auf und sah den Drachen. Gartala landete hinter dem Felsen an dem Marlin lehnte und breitete drohend seine Schwingen aus. Tarohn ging langsam ein paar Schritte zurück. Dann lächelte er selbstsicher und wandte sich an den Drachen. "Du wirst mich auch nicht aufhalten, Gartala." Ein schneller Schlag. Tarohn fiel zu Boden rollte sich ab und war wieder auf den Beinen. Wütend blickte er hinter sich. Cecil hatte sich hinter seinem Rücken angeschlichen, und stand nun kampfbereit vor ihm. "Vielleicht er nicht. Aber wir drei zusammen." Tarohn lachte. Es klang spöttisch wie
sonst nichts auf der Welt. Dann grinste er Cecil an.
|
- 21 -
Erste Opfer |
Das Schiff glitt durch die Luft. Die riesigen Höhensegel schnitten wie Messer die Wolkendecke. Dann tauchte es in den Wolken unter. "Sir, wir haben die Hauptstadt fast erreicht." Nirgar hatte das Kommando über ein neues Schiff bekommen. Die Allianz gegen Tarohn und die Dunkelelfen hatte begonnen. Menschen und Elfen hatten bereits eingewilligt. Die Murahn zogen ihr Volk zusammen. Wenn sie alle nach Garath geholt hätten, wären sie stark genug, auch die Allianz zu unterstützen. Es sah gut aus. Die Zwerge waren die letzten, die nun noch einwilligen mussten. "Was meinst du? Werden sie sich anschließen?" Seth stand zusammen mit Nirgar auf der Brücke des Schiffs. Die Wolken vernebelten noch immer die Sicht. "Ich denke schon. Der König ist friedfertig und um sein Volk besorgt. Sie sind hier sehr nah an der Quelle des Übels und damit sehr gefährdet. Die Allianz kann ihm Schutz bieten." Gartala, Marlin, Cecil und Tala waren auf dem
Landungsdeck. Sie saßen zusammen.
|
- 22 -
Die Allianz ist vollendet |
Ein kleiner Gleiter kam auf das Schiff zu. Er stoppte und schwebte vor dem Elfischen Koloss. Ein Elf flog raus. Er ging nahe an den anderen heran und stoppte neben ihm. In dem fremden Gleiter saß ein Zwerg. Er gab dem Elfen eine Botschaft und dieser brachte sie zu Nirgar. Die Botschaft kam vom König persönlich. Er hatte den Angriff überlebt und versteckte sich in einer Festung in den Bergen. Er wusste, dass Nirgar mit seinem Schiff kommen würde. Also hatte er einen seiner Männer platziert, der eine Botschaft überbringen sollte, die den Beitritt in die Allianz besiegelte. Der Gleiter führte die Elfen zu einem großen Kriegsschiff, das zwischen den Bergen hinter der Stadt versteckt war. Nirgar und Marlin gingen mit einer Hand voll Wachen rüber. Sie wurden freundlich dort begrüßt. Ein Vertreter der Zwerge war auf dem Schiff. Er unterzeichnete den Vertrag. Und somit waren alle starken Völker für einen Krieg vereint. Der Abend war gekommen. Marlin, Nirgar und die Soldaten der Elfen, die mit auf das Zwergenschiff gekommen waren, waren auf dem Schiff geblieben. Das Elfenschiff flog zurück nach Garath, um die Nachricht des Eintritts der Zwerge in die Allianz zu übermitteln. Marlin lag in seiner Kabine auf dem Boden. Er wollte eigentlich etwas schlafen, aber die Betten der Zwerge waren zu klein für einen Menschen. Draußen war es schon dunkel. Marlin starrte aus dem Fenster auf die Spitze des Berges. Konnten normale Drachen so etwas anrichten? Konnten sie nicht. Der Zwerg hatte nur von einem Überfall der Drachen gesprochen. Es ließ Marlin keine Ruhe. Er richtete sich auf und ging raus. Vielleicht würde er ja jemanden finden, der ihm alles sagen könnte. Das Schiff war ruhig. Marlin schlich durch
die vielleicht gerade mal 1,7 Meter hohen Gänge. Er kam an ein paar
Wachen vorbei, zwei Zwerge. Bei ihnen saßen drei der Männer
vom Elfenschiff. Sie spielten Karten. Einer der Elfen grüßte
Marlin mit einem freundlichen Nicken. Dann wandte er sich wieder den Karten
zu. Marlin nickte zurück. Ts, dachte er. Schöne Wächter.
Niemand sonst war hier unten zu finden. Marlin ging aufs obere Deck. Die
Gegend um das Schiff herum war leise. Der Himmel war inzwischen schon tief
schwarz. Der Mond stand hoch, und erhellte die Umgebung etwas mit seinem
schwachen Licht. Die Wachen auf dem Oberdeck schliefen alle. Marlin ging
zum hinteren Ende des Decks. Dort führten ein paar Treppen zu einer
Aussichtsplattform hinauf. Er ging rauf und sah sich um. Zwischen zwei
Bergen konnte er weit im Westen die Lichter einer Stadt ausmachen.
Die Nacht war wunderschön. Das Mondlicht
fiel zwischen den mächtigen Säulen in den Raum. Lester ging über
die Terrasse des riesigen Gebäudes. Was hatte er gehört über
die Schlacht gegen die Zwerge? Sein Vater hatte stolz und ehrenvoll gekämpft?
Sie hatten die Stadt aus dem Hinterhalt heraus angegriffen. Mit Drachen
aus der Luft und mit Soldaten vom Boden aus. Die Zwerge hatten doch nicht
den Hauch einer Chance. Was soll daran ehrenvoll sein. Lester stand am
Geländer und blickte runter. Er sah durch das Loch direkt auf die
Stadt. Der untere Palast war hell erleuchtet. Leise, wie aus weiter Ferne
hörte man die Freudenschreie tausender Bürger. "Wetanir."
Der Drache glitt herab. Er tauchte durch die
Öffnung zwischen den Felsen und trat in das Dunkel der riesigen Höhle
ein, in deren Mitte der untere Palast lag. Er stand auf einem riesigen
Felsen, der von drei mächtigen Säulen aus Felsgestein getragen
wurde. Um den Palast auf dem Felsen und auf den Erhebungen und Vorsprüngen
an der Seite der Höhle waren die Häuser der Stadt Neharalva errichtet.
Die äußeren Viertel der Hauptstadt waren leer. Alle Bürger
waren in der Innenstadt versammelt. Sie drängten sich auf den großen
Plätzen um den Palast herum. Lester flog auf Wetanirs Rücken
über die Masse hinweg und ließ den Drachen auf dem Dach eines
großen Gebäudes in der Nähe des Palastes landen. Von hier
aus lauschte er der Rede des neuen Königs.
Die Leute feierten Tarohn, der nun an König
Fenerins Stelle trat. Was wollte er damit bezwecken? Er hatte doch die
Dunkelelfen eh schon in der Hand. Sie verehrten ihn wie einen Gott. Auch
Lester hatte das getan. Nun sah er alles mit anderen Augen. Sein Vater
schien noch immer fest an Tarohns Weg zu glauben. Auch jetzt noch. Fenerin
war nicht nur Netanors Meister in der Ausbildung zum Paladin gewesen. Er
war auch ein Freund. Und er war sein König. Der König, der die
Dunkelelfen so viele Jahre gut geführt hat. Doch nun Hatte Lesters
Vater sich auf Tarohns Seite gestellt. Gegen seinen König. Gegen seinen
Meister. Und gegen seinen Sohn. Lester wollte nicht mehr auf der Seite
der Dunkelelfen stehen. Auch wenn er selbst einer war. Er stieg wieder
auf Wetanirs Rücken auf und ließ sich hoch tragen, raus aus
dem Berg, weg von der Stadt. Wetanir trug ihn bis auf den nächsten
Berg. Dort sprang Lester ab. Er sah sich um. Ein paar Lichter waren zu
sehen. Einzelne Häuser und kleinere Dörfer. Er drehte sich um
und wandte sich Wetanir zu. Der Drache schien verwirrt.
Das Schiff schob sich zwischen den Felswänden
hindurch und näherte sich dem Schiff der Zwerge. Marlin war beunruhigt,
doch wäre das Schiff ein Feind, hätte es schon längst angegriffen.
Einer der Zwerge, die Wache schieben sollten, wachte auf. Er gähnte
und als er Marlin sah, ging er zu ihm rüber.
|
- 23 -
Ein Krieg bricht aus |
Die Schiffe flogen in Richtung Grenze. Es war ein furchteinflößender Anblick. Die mächtigen Kolosse warfen ihre Schatten auf den Boden, dass man denken könnte, es wäre noch immer Nacht, wenn man dort unten stünde. Kriegsschiffe aller Rassen der Allianz waren dabei. Die meisten waren von Elfen. Und auch viele Menschenschiffe waren da. Schiffe der Zwerge sah man auch, wenn auch nur wenige. Zwerge flogen nicht gerne, hatten deswegen auch nur eine sehr kleine Flotte. Viele Zwerge flogen auf Schiffen der Menschen mit. Die Soldaten dieses Volkes waren klein aber stark. Ihre Armeen waren riesig und so reichten ihre Schiffe nicht aus, alle zu tragen. Marlin stand mit Nirgar auf der Brücke der Basilisk. Die Basilisk war das Basisschiff. Es war das größte und mächtigste von allen in der Flotte. Der ganze Stolz der Elfen. Wenn man sie ansah wusste man: Ob die Armeen siegen oder nicht, dieses Schiff wird überleben. Obwohl es so groß war, bewegte sich das Schiff mit sehr hoher Geschwindigkeit voran. Die mächtigen Triebsegel machten es schneller als jedes andere Schiff dieser Größenordnung. Marlin sah durch die Glaskuppel der Brücke nach unten. Die Grenze zum Reich der Dunkelelfen war erreicht. Die Schiffe gingen in Position. Nirgar drehte sich um. "Komm schon, Marlin. Es geht los." Marlin nickte und die beiden machten sich auf den Weg. Die Schiffe der Zwerge flogen vor. Sie waren stark gepanzert. Landungsschiffe glitten zu Boden. Die erste Welle auf einen noch unsichtbaren Feind. Die Felsen der Gebirge im Nordwesten lagen nur kurz hinter der Grenze. Die Allianz wusste, dass Tarohn dort seine Streitkräfte konzentrieren würde. Tausende von Soldaten waren nun schon unten. Sie stiegen aus den Landungsschiffen und liefen sofort los. Die zweite Welle waren die Bogenschützen Elfen. Sie liefen hinter den Kämpfern der Zwerge und ließen das Gebirge nie aus den Augen. Die dritten Gleiter brachten die Soldaten der Menschen. Tausende Schwertkämpfer und Reiter. Die Basilisk blieb stehen. Die kleineren anderen Schiffe positionierten sich um sie herum. Immer mehr Landungstrupps wurden geschickt. Als die erste Welle schon fast das Gebirge
erreicht hatte, schossen die ersten Pfeile der Elfen los. Feindkontakt.
Aus Öffnungen und Höhlen kamen Krieger der Dunkelelfen hervorgestürmt,
wild entschlossen zu kämpfen. Die Zwerge rannten so schnell es ihre
Beine zuließen auf sie zu. Die Dunkelelfen erreichten die Kämpfer
der ersten Welle. Die Zwerge schlugen wutentbrannt mit ihren Äxten
auf den Feind ein. Das erste Blut floss. Dunkelelfen gingen von Pfeilen
durchbohrt oder von Äxten erschlagen zu Boden. Auch Zwerge fanden
ihren Tod. Auch wenn sie schnell und klein waren, die Dunkelelfen hatten
ausgeprägte Sinne und wehrten blitzschnell ab. Die Elfen der zweiten
Welle waren nun nah am Geschehen. Manche blieben stehen und schossen weiter
ihre Pfeile auf den Feind. Andere warfen ihre Bögen weg, zogen die
Schwerter und gingen in den Nahkampf über. Reiter der Dunkelelfen
kamen aus dem Gebirge. Die Reiter der Mensche ritten vor und gingen auf
die Dunkelelfen los. Viele Kämpfer fielen schnell von ihren Rössern.
Der Rest kämpfte oben weiter. Die Landungsschiffe der Basilisk setzten
nah am Schlachtfeld auf. Marlins Trupp war noch in der Luft, als ein anderes
Landungsschiff zertrümmert an den Fenstern vorbei kam und zu Boden
fiel. Marlin und Nirgar blickten auf. Drachenreiter. Sie griffen die Schiffe
an. Einer kam auf sie zu, doch ein Elf aus Nirgars Truppe öffnete
eine Luke und schoss einen Pfeil nach draußen. Er erwischte den Kopf
des Tiers und es riss den Reiter mit in den Tod, als es fiel. Das Schiff
landete sicher. Die anderen Landungsschiffe der Basilisk landeten in der
Nähe. Aus ihnen stieg die Elite Der Allianz. Die Besten der Besten.
Denn die Allianz wusste, dass sie starke Leute brauchte, um den Paladin
zu stoppen. Auch er würde wieder hier sein. Und das war er. Marlin
spürte fast seine Anwesenheit. Nun konnte er den Kampf gegen Netanor
endlich zu Ende bringen.
Marlin wurde plötzlich langsamer. Ihm
war komisch zu mute. Er wusste nicht, was mit ihm los war und plötzlich
durchzog ein stechender Schmerz seinen Kopf, der so stark war, dass Marlin
zu Boden ging. Erst wurde ihm schwarz vor Augen, dann sah er ganz deutlich
einen in Finsternis gehüllten See. Eine Vision! Das Wasser des Sees
war rot. Von tief unten schien ein Licht zu kommen. Die Oberfläche
fing an zu pulsieren. Erst einmal. Dann zitterte sie mehrmals und immer
öfter. Bis es ein so starkes Pulsieren war, dass das Wasser Wellen
schlug, die sich auftürmten wie Mauern. Ein schriller Schrei, unerträglich
laut und scheußlich. Dann wieder schwarz. Marlin blickte auf. Es
hatte nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert, doch es kam ihm vor wie
eine Stunde.
© V.Geist
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen! |
.
www.drachental.de