Der König der Drachen von V.Geist
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Auf Leben und Tod

Tarohns Gleiter war in Sicht, war aber weit voraus. Er verlor an Höhe und schließlich flog er nur extrem niedrig über dem Boden. Marlin sah  nach vorn und erkannte am Horizont eine Stadt. Wollte Tarohn dort hin? Es schien so. Nein. Schnell drehte er ab und hielt auf ein Gebirge im Westen zu. Nur wenige Meter über dem Boden glitt er über einen Fluss hinweg. Das Wasser peitschte auf und  Wellen schlugen an den Seiten weg. Cecil war schon nahe an ihn rangekommen. Den Drachen allerdings hatte die Wendung etwas zurückgeworfen, doch auch er war schnell wieder da. Tarohn musste die Geschwindigkeit drosseln. Die Schluchten, durch die er flog, waren eng. Die Gefahr, an eine Wand zu kommen, war zu groß. Auch Cecil sah das ein, doch versuchte er so schnell wie möglich die Geschwindigkeit wieder zu heben. Für den Drachen war das alles kein Problem. Er musste wegen seiner enormen Spannweite nur auf die Wände achten. Ansonsten glitt er einfach auf dem Luftstrom, der durch die Schluchten fuhr. So war Marlin schnell an Tarohn heran und flog schließlich über ihm. Das Gebirge hatte sein Ende und die Gleiter schossen wieder auf freies Feld. Tarohn wollte wieder Gas geben, doch in diesem Moment wackelte sein Gleiter kurz und wäre fast außer Kontrolle geraten. Er blickte nach hinten und sah Marlin, der auf das Heck des Gleiters aufgesprungen war. Ein kurzer Blick nach vorne und dann stellte er die Hebel fest und schob den Geschwindigkeitsregler bis zum Anschlag nach oben. Jetzt wandte er sich Marlin zu. Der Gleiter wurde schneller und schneller. Tarohn wollte zuschlagen, doch Marlin wich aus. Er versetzte Tarohn einen Schlag auf den Rücken. Dieser fiel kopfüber vom Gleiter. Marlin sprang hinterher. Beide landeten auf den Füßen und als Tarohn sich umdrehte, war Marlin schon hinter ihm. Er holte zum Schlag aus, doch Tarohn war schneller. Er verpasste ihm einen Tritt und Marlin fiel rückwärts ins Gras. Sofort richtete er sich wieder auf. Er blickte zu Tarohn und bekam sofort den nächsten Schlag verpasst. Noch bevor er wieder fiel drehte sich Tarohn und formte in seinen Händen eine kleine Kugel aus Energie. Er holte aus und schleuderte sie gegen Marlins Brust. Die Druckwelle stieß Marlins Körper weg und er flog meterweit durch die Luft, bis ein etwa mannshoher Felsen ihn stoppte.
Tarohn rannte weiter auf ihn zu, holte zum nächsten Schlag aus. Marlins Leben war nun nicht mehr von Bedeutung für ihn. Plötzlich stoppte Tarohn; er blickte überrascht auf und sah den Drachen. Gartala landete hinter dem Felsen an dem Marlin lehnte und breitete drohend seine Schwingen aus. Tarohn ging langsam ein paar Schritte zurück. Dann lächelte er selbstsicher und wandte sich an den Drachen.
"Du wirst mich auch nicht aufhalten, Gartala."
Ein schneller Schlag. Tarohn fiel zu Boden rollte sich ab und war wieder auf den Beinen. Wütend blickte er hinter sich. Cecil hatte sich hinter seinem Rücken angeschlichen, und stand nun kampfbereit vor ihm.
"Vielleicht er nicht. Aber wir drei zusammen."

Tarohn lachte. Es klang spöttisch wie sonst nichts auf der Welt. Dann grinste er Cecil an.
"Ha. Ihr werdet mich nie besiegen. Macht euch nicht selbst etwas vor."
"Wir wissen, was du vorhast."
Tarohn drehte sich um. Unbeeindruckt sah er zu Marlin rüber, der sich gerade wieder aufgerichtet hatte.
"Das hab ich mir schon gedacht. Deshalb habt ihr euch auch mit diesen Spinnern zusammen getan. Ich wette, du hast das alles von Isaldor."
Marlin sah den Dunkelelf an.
"Woher kennst du ihn eigentlich?"
"Das geht dich nichts an. Aber wenn du es unbedingt wissen musst, frag doch deinen Freund Gartala."
Marlin blickte zu dem Drachen hinter sich, der seinen Blick nicht von Tarohn abwenden konnte. Dann sah er wieder zu Tarohn rüber.
"Scheiß drauf. Du findest deinen Tod so oder so. Hier und Heute."
Der Elf machte eine düstere Mine. Er lächelte wieder unbeeindruckt.
"Nicht hier, und nicht heute. Marlin, von nun an bist du Wild und ich bin der Jäger."
Ein leises Lachen ertönte. Dann ein dumpfer Knall. Eine Wolke aus Rauch zog sich zusammen. Tarohn verschwant darin. Die Wolke legte sich wieder und die Drei waren alleine.
 

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Erste Opfer

Das Schiff glitt durch die Luft. Die riesigen Höhensegel schnitten wie Messer die Wolkendecke. Dann tauchte es in den Wolken unter.
"Sir, wir haben die Hauptstadt fast erreicht."
Nirgar hatte das Kommando über ein neues Schiff bekommen. Die Allianz gegen Tarohn und die Dunkelelfen hatte begonnen. Menschen und Elfen hatten bereits eingewilligt. Die Murahn zogen ihr Volk zusammen. Wenn sie alle nach Garath geholt hätten, wären sie stark genug, auch die Allianz zu unterstützen. Es sah gut aus. Die Zwerge waren die letzten, die nun noch einwilligen mussten.
"Was meinst du? Werden sie sich anschließen?"
Seth stand zusammen mit Nirgar auf der Brücke des Schiffs. Die Wolken vernebelten noch immer die Sicht. 
"Ich denke schon. Der König ist friedfertig und um sein Volk besorgt. Sie sind hier sehr nah an der Quelle des Übels und damit sehr gefährdet. Die Allianz kann ihm Schutz bieten."

Gartala, Marlin, Cecil und Tala waren auf dem Landungsdeck. Sie saßen zusammen.
"Gartala."
"Ja."
Der Drache hob seinen mächtigen Kopf und sah Marlin an.
"Tarohn kannte deinen Namen und auch den von Isaldor. Woher?"
"Er kennt alle Namen aus unserem Stamm. Einst waren er und wir Verbündete, doch als wir hinter seinen wahren Plan kamen, kündigten wir ihm die Zusammenarbeit."
Die anderen guckte Gartala verwundert an. Doch keiner schien ihm in irgendeiner Weise Vorwürfe zu machen.
Der Drache fuhr fort.
"Tarohn wusste alles über uns. Er kannte auch den Standort unseres alten Nestes. Er hat es überfallen und plündern lassen. Die Hälfte von uns ist damals gestorben. Nur ein Drache blieb auf Tarohns Seite. Mein Bruder Wetanir, der stärkste unserer Generation und der einzige Drache, der ein pur schwarzes Schuppenkleid hat."
Cecil sah auf.
"Der Drache auf dem Netanor aus der Schlacht geflohen ist?"
"Das ist gut möglich."
Die Wolken schoben sich langsam zur Seite. Die Sicht wurde klar. Marlin stand auf und ging auf das Tor der Halle zu. Tala folgte ihm, dann kamen alle und blickten aus der riesigen Öffnung hinab in die Täler.
"Was zur..."
Nirgar und Seth kamen durch die Halle auf ihre Freunde zu gelaufen. 
"Habt ihr es auch gesehen?"
Die Gruppe starrte entsetzt ins Tal.
Narvado. Die Hauptstadt der Zwerge. Sie war zerstört. Abgebrannt bis auf die Grundmauern. Wo vorher die einst so stolze und prächtige Stadt stand, reihte sich nun eine Ruine an die andere. Leichen lagen über die Straßen und Plätze verstreut. Ihr Blut tauchte die Pflastersteine der Wege in ein Rot, das man sogar von oben noch erkennen konnte. Der obere Teil der Stadt war zum größten Teil von Trümmern übersäht und unter den Überresten des Palastes begraben. Der riesige Bau krönte einst die Spitze des Berges, in dessen Hang die Stadt gebaut war. Er war komplett herunter gerutscht. Die Spitze des Berges existierte nicht mehr. Ein großer, qualmender Krater klaffte dort an dessen Stelle.
Plötzlich erhob sich ein Schatten aus der Asche der Ruinen. Ein Drache. Er flog davon. Aber hier waren mehrere am Werk gewesen. Wenigstens wussten sie jetzt, wer Schuld war.
"Marlin."
Nirgar sprach zu Marlin, wandte aber den Blick nicht von den Ruinen ab. Auch Marlin konnte nicht aufsehen.
"Wir müssen diesen Wahnsinnigen endlich stoppen!"
"Ja."
Marlin schloss die Augen.
"Das müssen wir."
 

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Die Allianz ist vollendet

Ein kleiner Gleiter kam auf das Schiff zu. Er stoppte und schwebte vor dem Elfischen Koloss. Ein Elf flog raus. Er ging nahe an den anderen heran und stoppte neben ihm. In dem fremden Gleiter saß ein Zwerg. Er gab dem Elfen eine Botschaft und dieser brachte sie zu Nirgar. Die Botschaft kam vom König persönlich. Er hatte den Angriff überlebt und versteckte sich in einer Festung in den Bergen. Er wusste, dass Nirgar mit seinem Schiff kommen würde. Also hatte er einen seiner Männer platziert, der eine Botschaft überbringen sollte, die den Beitritt in die Allianz besiegelte. Der Gleiter führte die Elfen zu einem großen Kriegsschiff, das zwischen den Bergen hinter der Stadt versteckt war. Nirgar und Marlin gingen mit einer Hand voll Wachen rüber. Sie wurden freundlich dort begrüßt. Ein Vertreter der Zwerge war auf dem Schiff. Er unterzeichnete den Vertrag. Und somit waren alle starken Völker für einen Krieg vereint.
Der Abend war gekommen. Marlin, Nirgar und die Soldaten der Elfen, die mit auf das Zwergenschiff gekommen waren, waren auf dem Schiff geblieben. Das Elfenschiff flog zurück nach Garath, um die Nachricht des Eintritts der Zwerge in die Allianz zu übermitteln. Marlin lag in seiner Kabine auf dem Boden. Er wollte eigentlich etwas schlafen, aber die Betten der Zwerge waren zu klein für einen Menschen. Draußen war es schon dunkel. Marlin starrte aus dem Fenster auf die Spitze des Berges. Konnten normale Drachen so etwas anrichten? Konnten sie nicht. Der Zwerg hatte nur von einem Überfall der Drachen gesprochen. Es ließ Marlin keine Ruhe. Er richtete sich auf und ging raus. Vielleicht würde er ja jemanden finden, der ihm alles sagen könnte.

Das Schiff war ruhig. Marlin schlich durch die vielleicht gerade mal 1,7 Meter hohen Gänge. Er kam an ein paar Wachen vorbei, zwei Zwerge. Bei ihnen saßen drei der Männer vom Elfenschiff. Sie spielten Karten. Einer der Elfen grüßte Marlin mit einem freundlichen Nicken. Dann wandte er sich wieder den Karten zu. Marlin nickte zurück. Ts, dachte er. Schöne Wächter. Niemand sonst war hier unten zu finden. Marlin ging aufs obere Deck. Die Gegend um das Schiff herum war leise. Der Himmel war inzwischen schon tief schwarz. Der Mond stand hoch, und erhellte die Umgebung etwas mit seinem schwachen Licht. Die Wachen auf dem Oberdeck schliefen alle. Marlin ging zum hinteren Ende des Decks. Dort führten ein paar Treppen zu einer Aussichtsplattform hinauf. Er ging rauf und sah sich um. Zwischen zwei Bergen konnte er weit im Westen die Lichter einer Stadt ausmachen. 
Südöstlich war auch eine. Zwischen den Ruinen der Hauptstadt erkannte man ebenfalls kleine Lichter. Vielleicht suchten sie nach Überlebenden. Marlin starrte in die Ferne. Da war doch was. Weit hinten konnte Marlin etwas Großes erkennen, mit dem Licht kleiner Fackeln erleuchtet. Es schien erst still zu stehen, kam aber anscheinend näher.

Die Nacht war wunderschön. Das Mondlicht fiel zwischen den mächtigen Säulen in den Raum. Lester ging über die Terrasse des riesigen Gebäudes. Was hatte er gehört über die Schlacht gegen die Zwerge? Sein Vater hatte stolz und ehrenvoll gekämpft? Sie hatten die Stadt aus dem Hinterhalt heraus angegriffen. Mit Drachen aus der Luft und mit Soldaten vom Boden aus. Die Zwerge hatten doch nicht den Hauch einer Chance. Was soll daran ehrenvoll sein. Lester stand am Geländer und blickte runter. Er sah durch das Loch direkt auf die Stadt. Der untere Palast war hell erleuchtet. Leise, wie aus weiter Ferne hörte man die Freudenschreie tausender Bürger. "Wetanir."
Der Drache hatte sich an Lester herangeschlichen.
"Ja."
"Flieg mich dort runter! Ich will die Rede des Königs hören."

Der Drache glitt herab. Er tauchte durch die Öffnung zwischen den Felsen und trat in das Dunkel der riesigen Höhle ein, in deren Mitte der untere Palast lag. Er stand auf einem riesigen Felsen, der von drei mächtigen Säulen aus Felsgestein getragen wurde. Um den Palast auf dem Felsen und auf den Erhebungen und Vorsprüngen an der Seite der Höhle waren die Häuser der Stadt Neharalva errichtet. Die äußeren Viertel der Hauptstadt waren leer. Alle Bürger waren in der Innenstadt versammelt. Sie drängten sich auf den großen Plätzen um den Palast herum. Lester flog auf Wetanirs Rücken über die Masse hinweg und ließ den Drachen auf dem Dach eines großen Gebäudes in der Nähe des Palastes landen. Von hier aus lauschte er der Rede des neuen Königs.
Tarohn stand hoch erhoben auf der Kuppel des Palastes. Am Rande der Kuppel lag ein toter Körper. Er war von der Spitze runtergerutscht und hatte eine Spur aus Blut auf der halbrunden Glasoberfläche hinterlassen. Tarohn hielt den Kopf des Toten in die Höhe. Das Volk jubelte ihm zu. Im Schein der Fackeln erkannte Lester auch seinen Vater. Er stand schräg hinter Tarohn.
"Dieser König", fing Tarohn an, "war ein Feigling."
Der Kopf seiner Majestät schaukelte an den Haaren hin und her.
"Dieses Volk braucht einen Führer, der nicht zurückschreckt. Ein Führer, der sein Volk schätzt, wie es ihn schätzt und der die Interessen seines Volkes in dieser Welt durchsetzen kann."
Mit diesen Worten schleuderte er den Kopf in die jubelnde Menge.
"Dieser Führer bin ICH!"
Tarohn breitete die Arme aus und empfing den tosenden Jubel und die Freudenschreie.
Lester jubelte nicht. Er sah stillschweigend zu der Kuppel rüber. Irgendwie fand er an der Sache nichts Gutes.

Die Leute feierten Tarohn, der nun an König Fenerins Stelle trat. Was wollte er damit bezwecken? Er hatte doch die Dunkelelfen eh schon in der Hand. Sie verehrten ihn wie einen Gott. Auch Lester hatte das getan. Nun sah er alles mit anderen Augen. Sein Vater schien noch immer fest an Tarohns Weg zu glauben. Auch jetzt noch. Fenerin war nicht nur Netanors Meister in der Ausbildung zum Paladin gewesen. Er war auch ein Freund. Und er war sein König. Der König, der die Dunkelelfen so viele Jahre gut geführt hat. Doch nun Hatte Lesters Vater sich auf Tarohns Seite gestellt. Gegen seinen König. Gegen seinen Meister. Und gegen seinen Sohn. Lester wollte nicht mehr auf der Seite der Dunkelelfen stehen. Auch wenn er selbst einer war. Er stieg wieder auf Wetanirs Rücken auf und ließ sich hoch tragen, raus aus dem Berg, weg von der Stadt. Wetanir trug ihn bis auf den nächsten Berg. Dort sprang Lester ab. Er sah sich um. Ein paar Lichter waren zu sehen. Einzelne Häuser und kleinere Dörfer. Er drehte sich um und wandte sich Wetanir zu. Der Drache schien verwirrt.
"Wetanir, hör zu."
Lester blickte erst noch einmal rüber zum Berg der Stadt. Dann sah er Wetanir an und sprach weiter.
"Ich gehe. Ich kann nicht weiter auf dieser Seite kämpfen."
Der junge Drache sah ihm in die Augen.
"Heißt das, du verlässt uns?"
"Ja. Vielleicht bin ich der Einzige, der Tarohn und meinen Vater stoppen kann. Das alles geht viel zu weit, verstehst du?"
Der Drache zögerte. Dann nickte er vorsichtig.
"Flieg zurück in den Palast. Sag Netanor nicht, dass du etwas davon wusstest. Er würde dich töten."

Das Schiff schob sich zwischen den Felswänden hindurch und näherte sich dem Schiff der Zwerge. Marlin war beunruhigt, doch wäre das Schiff ein Feind, hätte es schon längst angegriffen. Einer der Zwerge, die Wache schieben sollten, wachte auf. Er gähnte und als er Marlin sah, ging er zu ihm rüber.
"Was gibt’s denn da zu sehen?" 
Er blickte raus in die Nacht, und sah das fremde Schiff. Erst guckte er etwas ungläubig, dann schrie er heiser und leise auf und wollte los rennen.
"Ein Angriff. Alarm."
Marlin hielt ihn mit einer Hand fest.
"Geh und weck den Kapitän. Alarm wird nicht nötig sein."
Das andere Luftschiff kam näher. Schließlich schwebte es neben ihnen. Es war eines der Elfen. Ein Mann war an Bord gekommen. Er brachte eine Botschaft. Marlin wartete vor der Tür des Kapitäns. Schon nach wenigen Minuten kam der Elf wieder raus. Als er Marlin sah, blieb er stehen.
"Du bist doch Marlin, richtig?"
"Ja."
"Dann ist Nirgar auch hier?"
"Er schläft. Warum?"
"Nur so."
Marlin erkannte den Elf. Er war ein junger Soldat. Fast noch ein Kind. Er war einer der wenigen, die die Reise nach Garath und die Schlacht gegen die Dunkelelfen überlebt hatten. 
"Sag, worum geht es in dieser Botschaft?"
Der Elf blickte erst zum Himmel hoch, dann sah er Marlin wieder an.
"Gut. Dir kann ich es sagen. Bald wissen es ja eh alle. Dieses Schiff hier wird zu einer Flotte stoßen, die die Grenzen zum Reich der Dunkelelfen durchstoßen soll. Sie hat jetzt schon eine Truppenstärke von gut hundert Schiffen. Wenn alle Schiffe, die vorgesehen sind, in die Flotte eintreten, werden wir über zehntausend Soldaten haben, die in die Schlacht gegen die Dunkelelfen ziehen werden. Jetzt zahlen wir es ihnen heim."
Der junge Soldat grinste und ging weg. Marlin sah ihm nach. So jung. Und schon so versessen darauf zu töten. Marlin sah zum Himmel. Der Junge hatte recht gehabt. Die Flotte war mobil. Da oben sah man hunderte Lichter, die keine Sterne waren.
 

- 23 -
Ein Krieg bricht aus

Die Schiffe flogen in Richtung Grenze. Es war ein furchteinflößender Anblick. Die mächtigen Kolosse warfen ihre Schatten auf den Boden, dass man denken könnte, es wäre noch immer Nacht, wenn man dort unten stünde.
Kriegsschiffe aller Rassen der Allianz waren dabei. Die meisten waren von Elfen. Und auch viele Menschenschiffe waren da. Schiffe der Zwerge sah man auch, wenn auch nur wenige. Zwerge flogen nicht gerne, hatten deswegen auch nur eine sehr kleine Flotte. Viele Zwerge flogen auf Schiffen der Menschen mit. Die Soldaten dieses Volkes waren klein aber stark. Ihre Armeen waren riesig und so reichten ihre Schiffe nicht aus, alle zu tragen. Marlin stand mit Nirgar auf der Brücke der Basilisk. Die Basilisk war das Basisschiff. Es war das größte und mächtigste von allen in der Flotte. Der ganze Stolz der Elfen. Wenn man sie ansah wusste man: Ob die Armeen siegen oder nicht, dieses Schiff wird überleben. Obwohl es so groß war, bewegte sich das Schiff mit sehr hoher Geschwindigkeit voran. Die mächtigen Triebsegel machten es schneller als jedes andere Schiff dieser Größenordnung. Marlin sah durch die Glaskuppel der Brücke nach unten. Die Grenze zum Reich der Dunkelelfen war erreicht. Die Schiffe gingen in Position. Nirgar drehte sich um.
"Komm schon, Marlin. Es geht los."
Marlin nickte und die beiden machten sich auf den Weg.

Die Schiffe der Zwerge flogen vor. Sie waren stark gepanzert. Landungsschiffe glitten zu Boden. Die erste Welle auf einen noch unsichtbaren Feind. Die Felsen der Gebirge im Nordwesten lagen nur kurz hinter der Grenze. Die Allianz wusste, dass Tarohn dort seine Streitkräfte konzentrieren würde. Tausende von Soldaten waren nun schon unten. Sie stiegen aus den Landungsschiffen und liefen  sofort los. Die zweite Welle waren die Bogenschützen Elfen. Sie liefen hinter den Kämpfern der Zwerge und ließen das Gebirge nie aus den Augen. Die dritten Gleiter brachten die Soldaten der Menschen. Tausende Schwertkämpfer und Reiter. Die Basilisk blieb stehen. Die kleineren anderen Schiffe positionierten sich um sie herum. Immer mehr Landungstrupps wurden geschickt. 

Als die erste Welle schon fast das Gebirge erreicht hatte, schossen die ersten Pfeile der Elfen los. Feindkontakt. Aus Öffnungen und Höhlen kamen Krieger der Dunkelelfen hervorgestürmt, wild entschlossen zu kämpfen. Die Zwerge rannten so schnell es ihre Beine zuließen auf sie zu. Die Dunkelelfen erreichten die Kämpfer der ersten Welle. Die Zwerge schlugen wutentbrannt mit ihren Äxten auf den Feind ein. Das erste Blut floss. Dunkelelfen gingen von Pfeilen durchbohrt oder von Äxten erschlagen zu Boden. Auch Zwerge fanden ihren Tod. Auch wenn sie schnell und klein waren, die Dunkelelfen hatten ausgeprägte Sinne und wehrten blitzschnell ab. Die Elfen der zweiten Welle waren nun nah am Geschehen. Manche blieben stehen und schossen weiter ihre Pfeile auf den Feind. Andere warfen ihre Bögen weg, zogen die Schwerter und gingen in den Nahkampf über. Reiter der Dunkelelfen kamen aus dem Gebirge. Die Reiter der Mensche ritten vor und gingen auf die Dunkelelfen los. Viele Kämpfer fielen schnell von ihren Rössern. Der Rest kämpfte oben weiter. Die Landungsschiffe der Basilisk setzten nah am Schlachtfeld auf. Marlins Trupp war noch in der Luft, als ein anderes Landungsschiff zertrümmert an den Fenstern vorbei kam und zu Boden fiel. Marlin und Nirgar blickten auf. Drachenreiter. Sie griffen die Schiffe an. Einer kam auf sie zu, doch ein Elf aus Nirgars Truppe öffnete eine Luke und schoss einen Pfeil nach draußen. Er erwischte den Kopf des Tiers und es riss den Reiter mit in den Tod, als es fiel. Das Schiff landete sicher. Die anderen Landungsschiffe der Basilisk landeten in der Nähe. Aus ihnen stieg die Elite Der Allianz. Die Besten der Besten. Denn die Allianz wusste, dass sie starke Leute brauchte, um den Paladin zu stoppen. Auch er würde wieder hier sein. Und das war er. Marlin spürte fast seine Anwesenheit. Nun konnte er den Kampf gegen Netanor endlich zu Ende bringen.
Die Männer stürzten los. Soldaten des Feindes kamen auf sie zu. Sie hatten keine Chance. Marlin führte Dilahns Klinge. Das beste Schwert, das je von Murahn geschmiedet worden war. Innerhalb von Sekunden hatte er die Feinde Aufgeschlitzt und zur Strecke gebracht. Die nächsten waren schon da. Nirgar schmetterte zwei von ihnen nieder und sprang vor. Einem hieb er im Sprung noch den Kopf ab, dann landete er, ließ sich die Anhöhe runter rollen und mischte sich in die eigentliche Schlacht ein.

Marlin wurde plötzlich langsamer. Ihm war komisch zu mute. Er wusste nicht, was mit ihm los war und plötzlich durchzog ein stechender Schmerz seinen Kopf, der so stark war, dass Marlin zu Boden ging. Erst wurde ihm schwarz vor Augen, dann sah er ganz deutlich einen in Finsternis gehüllten See. Eine Vision! Das Wasser des Sees war rot. Von tief unten schien ein Licht zu kommen. Die Oberfläche fing an zu pulsieren. Erst einmal. Dann zitterte sie mehrmals und immer öfter. Bis es ein so starkes Pulsieren war, dass das Wasser Wellen schlug, die sich auftürmten wie Mauern. Ein schriller Schrei, unerträglich laut und scheußlich. Dann wieder schwarz. Marlin blickte auf. Es hatte nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert, doch es kam ihm vor wie eine Stunde.
Die Schlacht um ihn herum tobte. Er stand langsam wieder auf. Tränen in den Augen, die vom Schmerz getrieben wurden. Doch der Schmerz war schon vergangen. Was hatte Marlin gesehen? Seine Gedanken drehten sich nur noch um die Vision. Ein Dunkelelf kam brüllend von hinten angestürmt. Marlin hob in letzter Sekunde das Schwert und der Soldat lief ihm direkt in die Klinge. Marlin nahm kaum Kenntnis davon. Er wusste nun, was es war. Er hatte den Tod gesehen und es würde der Tod aller sein, wenn seine Befürchtungen stimmten.
 

© V.Geist
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Und schon geht's weiter zum 24. bis 26. Kapitel

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