Hinweis:
Ab diesem Teil von 'Die legendären Krieger von Rohan' wurden einige wenige Namen geändert.
Das Land 'Rohan' wurde in 'Gordolon' geändert.
(Natürlich auch im Titel; auf den News- und Übersichtsseiten wird aber aus praktischen Gründen der ehemalige Titel beibehalten.)
Außerdem wurde der Name 'Rone' (nicht 'Rune'!) zu 'Rocan' geändert.
 
Die legendären Krieger von Gordolon von Benedikt Julian Behnke
2. Teil: Das Runenschwert / 1. Buch
Die Königin der Elfen 1 - Das Gesetz der Magie

Endlich. Nach langer Jagd bleibt das Mädchen stehen, sie ist schön und so perfekt, wie man nur sein kann. Sie blinzelt und ein Schwall von Eis überkommt Rune, dennoch ist ihm nicht kalt. Der Frost scheint ihn zu wärmen, ihm seine verlorene Kraft wiederzugeben und er streckt die Hand aus, begierig auf das, was kommen wird. Er bewegt sich steif; seine Muskeln sind steif und sein Körper von Schweiß bedeckt. Von Fern hallen Schreie, die Nacht ist schwarz, jedoch sternenklar und die Monde senden ihr silbernes Licht auf die Beiden.
"Du... bist mir gefolgt?", fragt das Mädchen zaghaft.
Rune nickt und eine Flamme der Begierde brennt in ihm und etwas in ihm hat sich schlafen gelegt, etwas dunkles, unheimliches, das zuvor noch getobt und rumort hat. Er sieht sie lange an, betrachtet ihre vollkommene Gestalt, die eingehüllt von Laken und weißen Leinen ist. Ihr Haar ist Gold, dunkler jedoch als zuvor und die feuchten Strähnen kleben auf ihrer weichen Haut. "Verzeih mir, Yara...", bringt er heraus, doch sie macht einen erschreckend schnellen Schritt auf ihn zu, den Kopf leicht nach vorne gesenkt, sodass sie seine Brust sehen kann. Sie streckt die Hand aus und berührt seine Lippen. Ihre Finger sind kalt, das Blut in seinen Lippen pulsiert und wird zu Eis.
"Rede nicht...", sagt sie sanft und nimmt den Finger vorsichtig zurück. 
Die Berührung war schmerzhaft gewesen, hatte gebrannt und gestochen, wie als ob man auf Nägel tritt. Rune wendet sich leicht ab, noch immer durchflutet ihn der Schmerz dieser kurzen Berührung, und er weiß, was sie von ihm verlangt. Er setzt sich auf den Felsen, noch immer ihren stechenden, lüsternen Blick haltend, spürt den harten, groben Fels unter sich und das Gras, was sich an ihn schmiegt. Vor ihm erhebt sich die Drachenzunge wie eine Schlange von den eigentlichen Bergen ab; sie trägt den Namen nicht umsonst, Drachenzunge. Der Tau glänzt auf den Felsen, in Spinnweben und zwischen Gräsern, ein Gebirgssee schimmert hinter ihm, spiegelt die Gestirne in einem Glanz wieder, dass es ihn erschaudern lässt. Es ist kühl hier, sanfter Wind schmiegt sich um die Hügelkämme und rollt über die Weiden, auf denen vereinzelt Bäume stehen. 
"Lausche meinen Worten, Meridian..." Sie lässt sich auf sein Knie nieder, sie ist kalt wie das Wasser des Eisflusses, doch ihr Körper ist weich und er möchte einfach nur die Arme um sie legen, und sie festhalten, doch er zögert. Als sie ihren Kopf gegen seinen Oberkörper lehnt, die Hände auf seinen Schultern platziert und genießend die Augen schließt, kann er nicht mehr an sich halten. Seine Finger gleiten langsam und vorsichtig zu ihr, berühren erst ganz sacht ihr Haar, und gleiten dann hindurch, wie durch einen Schleier, fühlen die frostige Nässe, die ihnen innewohnt. Yara hat sich beinahe ganz entkleidet; sie ist nur noch bekleidet mit einem feinen Hauch von Nichts, der sich um die linke Hälfte ihres Oberkörpers schmiegt, das feuchte, weiße Kleid, das sie trägt. Den größten Teil hat sie abgestreift und er spürt ihre weibliche Gestalt ganz nah bei sich. "Ich werde dich lieben, so, wie ich deinen Vater geliebt habe... Es wird nichts geben, was uns wird trennen können." Sie stöhnt leise und verbirgt ihr Gesicht in den Falten seines Hemdes, Tropfen von Wasser, kleine Rinnsale benässen seine Haut. Als von seinem Vater die Rede war, fühlt er nichts, keine Scheu, kein Erschrecken, kein Wiedererkennen. Er weiß nur, dass Yara bei ihm ist, und dass sie mehr ist, als er sich jemals erhofft hatte. Er glaubt, die Richtige gefunden zu haben und schließt jetzt seine Arme fest um sie, als wäre sie ein Teil von ihm. Erst ist es, als umarme er einen Eisblock, doch schon nach kurzer Zeit gewöhnt er sich an das Gefühl, das Eis schmilzt dahin, erwärmt von seiner eigenen Hitze und es bleibt eine Erinnerung an allen Schmerz und Leid.
"Ramhad..." Das Wort, der erstickte, leise Ausruf, gilt nicht ihm, sondern etwas, das plötzlich hinter ihm stehen muss, sich ihm lautlos näherte. Aus dem Augenwinkel sieht er nun den flackernden Schein einer wärmenden Lichtquelle, aber er reagiert nicht darauf, will sie nur noch fester an sich pressen und schließt die Augen. Jedoch wird er mit sanfter Gewalt weggestoßen und sie entgleitet ihm. Er rührt sich nicht, während alle Wärme aus ihm fließt und sich in den kühlen Strömen der Luft verliert, wieder kehrt diese unglaubliche Leere ein und das Dunkle in ihm erwacht, taumelt noch etwas schläfrig und als er die Lider öffnen will, sieht er Schwarz, und zwei rotglühende, verrückte Augen, wo er zuvor nach Yaras Gegenwart gespürt hat...

Josias erwachte, blinzelte, da sich seine Augen erst an das blendende Licht gewöhnen mussten, und erblickte das schmale Gesicht eines jungen Mannes, das mit haselnussbraunen, langen Haaren umrahmt war. Es war der Elf, Irmin Bar Óus. Seine Augen leuchteten vertraut, doch die Umgebung war ihm fremd. Das Zimmer, in dem er sich auf einem Bett liegend befand, war groß, lichte und aus kunstvoll geschnitzten Hölzern gemacht. Ein kühler, frischer Wind wehte durch die seidenen Vorhänge, die man vor einen großen Balkon gespannt hatte, um die Kälte auszuschließen, dennoch waren sie nicht festgezogen und so bauschten sich die feinen Stoffe wie die Gestalten von Geistern. Er sah, dass es dort draußen zu einer Terrasse überging, deren Boden mit silbergesprenkelten Steinen verziert war, die ein Mosaik mit den bunten Blättern bildeten, welche von den Bäumen heranwehten, in den Farben: Rot, Gold, Gelb und Blassgrün. Das Geländer bestand aus geschnitzten Bäumen, die sich in anmutigen Kurven gen Himmel hoben und dort ein Dach aus ebensolchen stützte, durch das sich Efeu und Weinstöcke rankten. Die Helligkeit ging von Laternen und Lampen aus, die auf der Dachterrasse platziert waren und die das Brausen und Toben eines kleinen Wasserfalls beschienen, der in einiger Entfernung von den Hängen des Kessels des Aróhcktals herabstürzten und sich im tiefen Flussbett des Warmakin schäumend sammelten, um von dort aus weiter nach Süden in den Rindsee zu fließen. Draußen herrschte Dämmerlicht und es war, als wäre der Tag bereits erloschen, dennoch war es hier im Zimmer hell genug, um zu denken, die Sonne würde noch an Stelle des Mondes weilen. "Wo...?"
"Du bist in den Schlafräumen der Eszentirs." Die Stimme des anderen war warm und freundlich, dennoch hallte eine leichte Strenge mit, die aber mit Sorge verschmolzen war. Kajetans Blick irrte umher, unfähig etwas genaues ins Auge zu fassen, denn erst jetzt spürte er den Schmerz, der überall und vor allem in seinem Arm wohnte, brüllend und schneidend und er glaubte nicht, dass er sich würde bewegen können. Dennoch tat er es, erhob sich aus den Schatten seines Denkens und betrat eine für ihn völlig neue und fremde Welt, und das Licht umfing ihn schützend...
"Bar...", stöhnte er und wollte den Elfen an den Schultern packen, um sicherzugehen, dass er nicht im Fieber fantasierte. Er spürte die Hitze und den Schweiß auf seiner Stirn, die Nässe, die sich in all seine Kleider gesogen hatte.
Doch Irmin stieß ihn mit sanften Fingern wieder zurück auf das Laken, wobei er den entgeisterten Ausdruck des Truppführers einen Moment lang belächelte. "Schlaf. Denn du musst ausgeruht sein, wenn sie kommt." Er wandte sich ab und wollte gehen, als Josias seine zittrige Hand ausstreckte und für einen Augenblick sah man keinen Soldaten mittleren Alters, sondern einen dürren, schlaffen, alten Mann, der das ganze Leben lang nichts anderes als Schmerzen erlitten hatte und von ihnen gezeichnet worden war, bis seine Haut verwittert und eingefallen war.
"Wartet...!" Er sog die Luft scharf durch die Zähne ein, der Schmerz schoss wuchtig und stark durch seine Glieder, wühlte sein schwarzes Inneres auf und ließ es wie Nebel bei Sonne zerfallen. "Wo... genau...?"
"In meiner Heimatstadt, Lesrinith.", antwortete er monoton, doch sein Gesichtsausdruck wurde nachdenklich und ungläubig, als ihn die Erinnerung wie ein Eimer kaltes Wasser überschüttete. "Genau drei Tage nach dem Überfall der Dämonwölfe und den Schattenwesen." Er drehte den Kopf zu dem Feldherrn hin, der, eingewickelt in mehrere Verbände und mit heilenden Salben eingeschmiert, unter einer leichten, warmen blütenweißen Decke lag, auf der das Wappen der Eszentirs gezeichnet war, ein Hammer vor einem runden, grünen Stein auf grauem Grund, der von goldgelben Weinranken umrahmt war. Eine Krone prangte über allem, das Zeichen einer königlichen Familie. "Ihr wart schwer verletzt, hattet mutig gekämpft und seid mit dem Schwarzen entkommen, habt mich schließlich in Richtung Süden gebracht. Dort ward Ihr zusammengebrochen, der hohe Blutverlust hat Euch schwach gemacht." Seine Augen ruhten einen Moment auf dem Arm Kajetans, der beinahe in zwei Teile zerrissen worden wäre, und der jetzt geschient war, das saubere Laken darum war schon an einigen Stellen durchgeblutet. "Es wird sehr lange dauern, bis Euer Arm verheilt ist. Schließlich hat man uns keine Meile von Warmakin gefunden und hier hergebracht. Schattenwesen hatten uns verfolgt, doch die Tore von Lesrinith werden von mehr als nur Schwertern beschützt." Er lächelte flüchtig.
"Ihr seid der König, nicht wahr?", fragte der Verwundete plötzlich und erleichterte Ruhe war in ihm eingekehrt.
"Wie hinter allem verbirgt sich auch hinter meiner Fassade etwas, doch nicht das Königtum. Wie wir Euch geholfen haben, das Gift und den Tod in Euch zu beseitigen, so hat meine Schwester mir geholfen, das Königtum abzulegen. Ich war das ewige Regieren leid..." Er blinzelte kurz, doch hinter diesem einzelnen Wimpernschlag verbargen sich Tausende von Erinnerungen und Gedanken. "Und nachdem unsere Mutter gestorben ist, lebe ich lieber allein..."
"Wie ist sie gestorben?" Er hatte Mühe, die Frage ohne auch nur ein leises Ächzen herauszubringen und so klang er rau und unbeholfen.
"Ihr werdet es erfahren." Er winkte ab, und drehte den Kopf beiseite. "Das Gift der Dämonen muss erst ganz aus eurem Körper verschwunden sein, dann können wir über die Magie der Elfen reden. Es gibt Gesetze, die man einhalten sollte..." Nun ging er, ohne ein weiteres Wort, und sein Umhang schwang hin und her, als er die schwere Eichenholztür erst nach einem leichten Klopfzeichen auf- und dann wieder zuschob.
Nun war Josias allein. Allein mit seinen Gedanken und allein mit den grausamen Erinnerung an die Schlacht am Rande des Talkessels, als sie von der Ebene her das Heulen und Knurren der zottigen Biester vernommen hatten, die sich später zu Schattenwesen, Dienern des Todes, erschaffen von Sowem Dun, entpuppt hatten. Er lauschte in sich hinein, ob da noch diese seltsame Regung war, die ihn anfangs gehindert hatte, sein Schwert gegen die Dunklen zu erheben. Bar hatte etwas von Gift erzählt, von etwas, das in ihm nach seiner ersten Begegnung mit den Dämonen befallen hatte und seit dem in ihm lauerte. Er spürte nichts in sich, nur einen Schatten, der vor seinen Erinnerungen lag und sich wie Nebel ausgebreitet hatte, begonnen hatte zu zerfallen und sich aufzulösen, dennoch war er immer noch anwesend. Und das Gefühl wurde deutlicher, wandelte sich von Nichts in ein riesenhaftes Ding, das die Form und Gestalt eines Menschen hatte, jedoch etwas völlig anderes war, etwas, das wie eine Fusion aus Mensch und Schattenwesen war und die Stärken beider Völker verdeutlichte.
Er sinnierte noch lange, das gedämpfte licht der Laternen und Lampen blieb jedoch gleich und wich bis zum nächsten Morgen nicht, während das Rauschen des Wassers wie Musik in seinen Ohren klang und beruhigend wirkte. Viel Zeit verging, ab und zu betrat ein Diener den Raum, erkundigte sich, wie es dem Herrn gehe, und verschwand wieder, nachdem er dem Truppführer Essen und etwas Flüssigkeit überreicht hatte. Mal sah er, wie große Vögel auf den unzähligen Terrassen und Plattformen vor seinem Zimmer landeten, ihre Schreie waren gurrend und auf eine gewisse Weise schrill in seinen Ohren, das Schlagen ihrer Flügel laut und synchron. Es waren hellbraune Tiere mit roten Federn als Kopfschmuck, scharfgebogenen Schnäbeln und riesigen Krallen, deren schwarze Spitzen glommen, wie ihre obsidianschwarzen Augen. Es waren Rocks, die Riesenvögel, die an den Küsten in Höhlen hausten und von einigen Elfen gezähmt wurden. Die Zeit verging, die Nacht wurde zum Tag und dann wich die grelle Sonne erneut dem silbernen Glanz des Mondes und Kajetan war gerade wach und beobachtete die Ruhe der Natur vor seinem Fenster, als sich die Eichenholztür mit einem schwungvollen Knarren öffnete und eine Frau dastand, gewandet in kunstvolle, lange Gewänder in den Farben des Himmels bei Sonnenuntergang, ein geblichenes Lila. Sie war schön, die Züge eines Elfen erstrahlten in einer unverkennlichen Eben- und Reinheit, die selbst dem Licht des Tages überlegen war. Sie hatte kohlschwarzes Haar, das ihr lang und seidig wie der durchsichtige Schirm eines Wasserfalls vor einer Höhle über die Schultern floss und erst an ihrer Taille endete. Auf ihre rosigen, vollen Lippen lag ein ermunterndes Lächeln, als sie den Mann in ihrem Bett vorfand. "Wie geht es Euch?", fragte sie gelassen und mit gehobener Stimme, während sie die Tür hinter sich schloss und auf ihn zutrat, sich auf einen Stuhl neben seinem Lager setzte und die Hände ineinander legte.
"Schon besser.", sagte er etwas verlegen beim Anblick dieser schönen Frau. "Das Gift scheint meinen Körper inzwischen ganz verlassen zu haben."
"Und das ist gut so.", warf sie schnell ein, um sich nicht mit langen Vorreden aufhalten lassen zu müssen. "Mein Bruder, Óus Eszentir, hat mir von Euch berichtet und ich bin sicher, dass Ihr in der Lage sein werdet, mit meinem Volk ein Gespräch zu führen. Denn ich bin die Königin, Sephoría Eszentir."
Kajetan hatte gewusst, dass die Königin irgendwann auftauchen würde, doch er hatte nicht mit solcher Baldigkeit gerechnet. Es hätte ihn fast umgeworfen, als er ihren Namen gehört hatte, der so schlagkräftig aus ihrem Mund gekommen war, ganz anders, als er sich es bei einer Königin gedacht hatte. Außerdem war sie viel zu jung, um eine Königin zu sein, sie war vielleicht erst etwas älter als zwanzig Jahre. "An welche Art Gespräch dachtet Ihr, Mylady?", rang er sich endlich zu einer Frage durch, die ihm halbwegs angemessen erschien.
Sephoría lächelte leicht spöttisch, offenbar belustigt über das Wenige, was der Feldherr wusste, oder auszusprechen wagte. Aber offenbar war sie es gewöhnt mit Leuten umzugehen, die in ihrer Gegenwart rot wurden, wenn sie etwas fragen sollten, denn sie beantwortete die Frage mit ihrer süßen, kräftigen Stimme, die einfach alle in ihren Bann schlagen konnte: "Als Bote aus Krakenstein, wie mir mein Bruder erläutert hat, dürftet Ihr wohl auch eine Nachricht für mich überbringen."
Natürlich! Kajetan fühlte sich vor den Kopf gestoßen und errötete noch weiter, während er sein Gesicht beschämt von ihren Augen abwand, doch sie schien dies als Drohung aufzunehmen und missbilligte es, dass ein Gast in ihrem Hause die Dreistigkeit besaß, sich beim Anblick der Königin abzuwenden. Doch sie verlor nicht die Fassung, sondern wartete, bis Josias die plötzlich Stille verstand und seinen Kopf rasch wieder herumdrehte, um sie anzusehen. Die Strenge, die noch soeben zusammen mit Empörung in ihren Zügen lag, legte sich schnell und ein sanftes Lächeln trat zum Vorschein. "Natürlich...", sagte er entschuldigend, und wollte sich aufrichten, um ihr zu erörtern, um was es hierbei ging, doch sie schüttelte entscheiden den Kopf.
"Nein, Truppführer!", rief sie streng, "Zwar hat mich mein Bruder über Eure Tatkräftigkeit informiert, dennoch bin ich nicht gewillt Euch einfach gewähren zu lassen! Legt Euch wieder hin und schließt die Augen!" Erst entschied er sich dagegen, wollte protestieren, doch das bestimmende Funkeln in ihren Augen ließ ihn an der Richtigkeit seiner Sache zweifeln und so lehnte er sich schnell wieder zurück und tat dies, was ihm die Elfe befohlen hatte. Er ruhte, sammelte innere Kraft, während er den Geräuschen der hereinbrechenden Nacht lauschte.
Sanft glitt sie mit ihren Fingern über seine Haut, wie ein warmer Windhauch strich sie darüber und das Feuer pulsierte in ihren Fingerspitzen, denn die Magie, die sie beherrschte, war Angeborene. Sie setzte sie ein, um zu heilen, um den Körper des Kranken völlig von den Spuren des Bösen zu heilen und wenn sie atmete, durchströmte Josias eine Woge der glücklichsten Empfindungen, die er je gehabt hatte. Er verspürte Liebe, die Bestätigung, dass er alles richtig tat, und das Gefühl geliebt zu werden, aber er wusste, dass es nur Illusionen waren, die von dem Dunklen in ihm versprochen wurden, wenn er die Frau davon abbrachte. Eine Sekunde lang tastete seine Hand unwillig nach dem Schwert an seiner Seite, wollte es herausreißen, jedoch wurde er sich im selben Moment bewusst, dass seine Waffen an der  gegenüberliegenden Wand an einem Haken hingen.
Leid...
Das Wesen in ihm stöhnte und schrie auf, als das helle Leuchten der Magie es wuchtig traf und gegen die Wand seines Inneren Geistes warf und ihn wie eine Klaue dagegen presste, und im gleichen Moment war es für Kajetan, als wäre er dabei, als würde er die Macht lenken, um den Dunklen davonzujagen.
Der Schrei gellte durch die Leere, getrieben von dem Drang der Schmerzen, die den Schwarzen peinigten. Alles war dunkel und unendlich weit, wie das Weltall, nur ohne die Lichtpunkte der Sterne...
Kajetan wollte, dass es endlich verschwand, er wollte nicht zu einem dunklen Wesen werden, er wollte überleben und für die Freiheit Gordolons kämpfen und er würde erst nachgeben, wenn auch der letzte Böse zerstört war!
Endlich ließ sie von ihm ab, das Feuer pulsierte und brannte unter seiner Haut, leckte und blakte an seinen Muskeln und hatte eine aufbauende Wirkung auf sie. Das Schattenwesen schmolz dahin, nur ein Haufen Asche und ein dünner Schleier Rauch blieb, der langsam gen Himmel waberte. Und zum ersten Mal seit dem Kampf in den Wäldern bei Krakenstein fühlte er sich frei, denn man hatte das Wesen noch rechtzeitig besiegt, bevor es ganz die Überhand über seinen Körper hatte nehmen können. Noch immer sah er die Schwärze, erst, als er die Augen aufschlug, konnte er wie aus einem Sumpf von Schuld und Blei heraussteigen und ins Licht treten. Das brackige Wasser fiel von ihm ab, als er den ersten Fuß an Land setzte und er konnte es nicht erwarten auch gleich den anderen herauszuziehen. Und so stolperte er, schreckte hoch wie aus einem bösen Traum und die Fluten der Wirklichkeit umspülten seine Glieder in einer längst vergessenen Leichtigkeit. Alle seine Wunden waren plötzlich verheilt, der Schmerz flammte nur noch einmal in ihm auf, dann versank er in den Tiefen des Nichts. Vorsichtig und noch ungläubig streifte er die Bettdecke zurück, erhob sich aus den verschwitzten Laken und stand, spannte prüfend die Muskeln an und betrachtete seinen Körper eingehend. Die Kraft in seinem Arm war nicht wie erst geglaubt versiegt, sondern mit neuer Stärke zurückgekommen und er fühlte sich kampfbereit wie vor zwanzig Jahren.
Sie lächelte wieder und räusperte sich dann merklich lauter. "Wollt Ihr die ganze Zeit in diesen Sachen rumlaufen?"
Zuerst schenkte er ihr nur einen verwirrten, verständnislosen Blick, bemerkte dann jedoch, dass er nichts weiter als einen kleinen Teil seiner Unterwäsche trug... Beschämt wandte er sich ab und ging zu der Wand, wo seine Sachen hingen, begann sie sich überzustreifen. Und er merkte erst jetzt, als die Hitze des Feuers unter seiner Haut langsam wieder verflog, dass noch immer der eisige Wind von der Dachterrasse herwehte. Er begann zu frösteln und beeilte sich beim Anziehen. Derweil richtete sie ihr Haupt ebenfalls in eine andere Richtung, vermied es ihn anzusehen und nach kurzem Knisterte die Spannung zwischen ihnen und Beide waren erleichtert, als sich der große Truppführer fertig angekleidet hatte und seine Rüstung in den Farben der Freitruppe des Tieflandes glänzte.
"Lasst uns nun gehen, Truppführer!", sagte sie mit brüchiger Stimme, da sie sich nicht sicher war, wie sie sich jetzt verhalten sollte. Sie ging hinüber und trat mit schnellen, abgehackten Schritten durch die Tür, während ihr Gewand hinter ihr herflatterte und der Geruch von Früchten und Bäumen durchflog den Raum in einer leichten Böe. "Schließlich werden wir erwartet."
Der Feldherr schnallte sich noch schnell den ledernen Gurt mit dem Breitschwert auf den Rücken, den man ihm gebracht hatte, und stolzierte mit ebenfalls gesäuberten Kleidern und den reparierter Rüstungsteilen hinter ihr her. Alles hier war feinste Maßarbeit, begriff er schnell, nicht nur die Kleider der Elfen waren mit Silber bestickt, auch ihre Hallen waren großartig mit Prunk verziert. Das Holz der Stützbalken war leicht und bildete Figuren und ebene Formen, wie als wäre es so auf Kommando gewachsen und die Luft war frisch und süß. Sie führte ihn einen langen Gang entlang, dessen Wände noch aus weißgestrichenem Stein und Holztäfelung bestand, und von dem viele Türen in andere Zimmer führten. Das Labyrinth von Lesrinith war einzigartig und riesig, Räume und Durchgänge glichen wie ein Ei dem anderen, waren verziert und ausgeschmückt und erstrahlten in herrlicher Pracht. Der Boden war weißer und schwarzer Marmor, genau wie die meisten Wände in den größeren Sälen, die Zimmer waren meist lichte und hatten viele Fenster, deren Rahmen aus dem dehnbaren Holz der gleichen Bäume bestanden, wie fast alles hier, Holz, das lebte und sich im Wachsen an den Stein anschmiegte und mit ihm verschmolz, hell und glatt. Die Blätter waren klein und silbern, während es draußen herbstliche Farben von den Ästen regnete.
"Wir sind da!", sagte sie schließlich und hielt nach einer halben Stunde vor einer großen Tür aus dunklem Holz, in das Bäume und Elfen eingeritzt waren und zeugten, genau wie die zahlreichen Wandgemälde, von der großen Schlacht vor über hundert Jahren. "Hinter diesen Toren liegt der große Ratssaal der Elfen, Truppführer. Wenn wir hineingehen, werden wir meinem Volk gegenüberstehen, also blamiert mich nicht!" Es war keine Bitte, sondern ein Befehl, der dennoch in dem weichen, sanften Ton ihrer Stimme gesagt worden war und ihn verstehen ließ. Es waren die Türen in eine Welt, die von keinem König regiert wurde, dahinter waren Volk und Herrscherin gleichgestellt, denn alles, was dort besprochen wurde, ging alle an und das Ergebnis der Entscheidung würde schnell und einstimmig sein müssen. Plötzlich war sich Kajetan nicht mehr sicher, was er eigentlich sagen sollte. Alles, woran er sich erinnern konnte, war, dass er von Krakenstein aufgebrochen war, um Gordolon zur Hilfe zu eilen, der seltsame Mann mit der Laterne hatte ihn verfolgt und ihm geraten, die Elfen um Hilfe zu bitten und in den Westen zurückzurufen. Jedoch war aus dem weisen, geheimnisvollen Mann ein dunkler Reiter geworden, der ihm hinterhergejagt war, um ihn zu töten, der aber von der magischen Barriere des Wachturms gebremst worden war.
Und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er in eine Falle gelockt worden war, dass Ramhad ihn im Kreis geführt hatte und ihn dazu gebracht hatte, so weit wie möglich weg vom Norden zu kommen. Er wollte nicht, dass Kajetan das Hochland erreichte und hatte ihn mit seinen Worten wie eine Schlange in die Irre geführt und betrogen. Jetzt traf ihn die Ironie des Schicksals und er bezweifelte alles, was er bisher getan hatte. Was machte er hier? Er schickte ein Volk in einen Kampf, der nicht ihm galt, sondern den Hoch- und den Tiefländern. Er, ein einfacher, blutiger Truppführer, herausgegriffen aus Tausenden und ohne deutlich aufstrebende Zukunft sollte es sein?
Sofort war ihm bewusst, dass er nicht gewinnen konnte, nicht so!
Gordolon würde verenden, eingehüllt werden in einen Schneesturm und er würde versagen...
Dann ging er durch die sich öffnenden Tore...
 

© Benedikt Julian Behnke
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Und schon geht's weiter zum 22. Kapitel (2. Kapitel des 3. Buches): "Auf der Jagd"

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