Die legendären Krieger von Gordolon von Benedikt Julian Behnke
2. Teil: Das Runenschwert / 1. Buch
Die Königin der Elfen 10 - Die Innfeste

Sie sah in das Dunkel, was sie in der eisigen Umarmung der toten Feste umgab, Angst und Verzweiflung mischte sich unter ihre Männer; sie spürten den Tod. War es nur eine Vermutung? Doch es war noch nicht völlig Nacht, noch regierten die hellen Sonnenstrahlen das Land und erwärmten die Felsen und die Düfte des Frühlings. Wind strich ihr durch die Haare und sie spürte ihren Körper, der dürr und knochig war, aufgezehrt von einer Krankheit, die selbst ihre eigene Magie nicht zu heilen vermochte. Sie lebte nur noch, da der Zauber gerade ausreichte, um sie nicht völlig entschlafen zu lassen, er half ihr zu atmen und das Blut durch ihre Adern und Venen zu pumpen. Und sie war ihm dankbar. Die Kraft war nicht ihr unterstellt, sie hatte ihren eigenen Willen, der jedoch durch sie verkörpert wurde. Sie war mit ihr verschmolzen, jedoch vermochte sie nicht zu verfügen über den Teil der Hexerei, sondern nur über ihren eigenen Körper. Wenn ihre Magie erlosch, erlosch auch die Flamme ihres Herzens, und dann würde sie sterben, niedersinken und von allen guten Geistern verlassen sein, die Krallen des Eises würden sich weit nach ihr ausstrecken, um sie an sich zu nehmen. Dann jedoch würde sie sich nicht wehren können, das Pochen ihres Herzschlages wäre schwer und es würde in ihren Ohren dröhnen, während sie, die Königin der Elfen, langsam zu Grunde ging. Die Arme würden ihr erschlaffen, Kraft würde versiegen und danach würde sie sterben, fallen in das unendliche, klaffende Loch des Todes, dessen Ränder scharf und steil aufragten, verschmiert und besudelt mit dem Blut der Märtyrer.
Plötzlich stand Arkanon Vivren neben ihr, zerkratzt und schelmisch lächelnd, während sich der Stoßtrupp der Elfen und Menschen tiefer in die Gänge der Burg wagten. Sie versuchte zurück zu lächeln, doch die Kraft war auf einmal ganz aus ihrem Körper gewichen, kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn und in ihren Gedärmen rumorte es. Schlapp ließ sie sich in die seidigschwarze Mähne ihres Hengstes fallen und roch das Pferd, auf dem sie ritt, den unverkennlichen Stallgeruch und die Anstrengung des Rittes und der Schlacht. Auch das Tier war ohne Energie, tänzelte mehr und war äußerst wacklig auf den Beinen, hatte gar nichts mehr von dem stolzen Schlachtross, das es einst war.
Schattenwesen!
Das Wort, nein, ein Bild des Betreffenden entstand in ihrem Kopf, groß, dunkel und sehnig, Augen, rotglühende Punkte im Schatten, gierig und bösartig, geschaffen um zu vernichten, und sie erschauderte, Lippen formten die einzelnen Silben des Wortes.
Laurus-Vivor*!
Doch noch mehr erschreckte sie die Sprache, in der sie es ausgesprochen hatte. Es war die alte Sprache gewesen, die Sprache der alten Elfenkönige, die Sprache des alten Volkes, obwohl sie sich geschworen hatte diese nur in den Tagen des Besonderen zu sprechen. War heute einer dieser Besonderen? Sicher gab es einige Elfenjäger, die zu lange Abseits des Volkes gelebt hatten und so die Veränderung der Sprache nicht mitbekommen hatten, aber sie war doch da gewesen. Sie hatte doch dieses Gebot verkündet. Was erdreistete sie sich dann ihre eigenen Regeln zu brechen? Ihr wurde schwindelig und sie wäre auch sofort zusammengesunken und vom Pferd gestürzt, wenn die starke Hand des Generals nicht herangekommen und sie gestützt hätte.
"Nein, Herrin!", sagte er eindringlich und rückte sie wieder gerade in den Sattel. "Ihr dürft jetzt nicht aufgeben! Ich weiß, dass Ihr bestürzt seid wegen meines selbstlosen Aktes letzte Nacht, doch lege ich Euch nahe das nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen! Bitte verzeiht mir!" Seine Augen wurden trüb, das durchdringende Funkeln in den dunkelbraunen Pupillen war wie von einem glasigdünnen Wasserfall überspült, sodass die feinen Äderchen verschwammen. "Ohne Euch wird unser Volk zu Grunde gehen!" Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie heftig, doch sie starrte weiterhin anspannungslos in die Leere und drohte zu entschwinden.
Nein, ich werde zu Grunde gehen!, dachte sie gefühllos und ihre Augen waren auf den Vorhof von Burg Krakenstein gerichtet, während Elfenjäger Posten auf den Zinnen nahmen und mit gespannten Bögen dem unvermeidlichen entgegenblickten. Keine dreißig Schritte vor ihr erhob sich das Herrenhaus von Krakenstein, groß, klotzig, gemacht aus glatten, riesigen sandfarbenen Steinquadern, zerschlissene Fahnen hingen an Stangen über der Eingangstür, zu der eine breite Treppe hinaufführte. Hier musste Kajetan vor einigen Wochen gestanden haben und in das wutverzerrte Gesicht Valbrechts gesehen haben. In einer der langen Nächte in Lesrinith hatte er im Schlaf gesprochen, versunken in einem Fiebertrauma und sie war gekommen, um nach ihm zu sehen. Sein Leib hatte geglänzt, überzogen mit Schweiß und gleißende Perlen, in denen sich das Licht der Laternen spiegelte, waren über seine Wangen gelaufen. Sie wusste noch genau, was sie damals gedacht hatte, als sie ihn ausgezogen hatte, um seine Wunden zu verbinden. Den Drachenpanzer hatte sie zuerst abgelegt und dieser Schutz hatte dem Feldherr vermutlich das Leben gerettet, denn die Klauen der Dunklen waren nicht durch die rostroten Schuppen gekommen. Dann hatte sie seinen nackten Körper gesehen, die bereits ergrauten Haare auf seiner Brust, den von alten Kriegsnarben verunstalteten Körper, der zäh, starkknochig und bestimmt einmal sehr muskulös gewesen sein musste. Jetzt hingen die Kraftpakete nur noch da, einige stärker, einige schwächer, überdeckten den geschundenen Körper und dessen Innerein. Kajetan war wahrscheinlich einmal ein starker Mann gewesen, doch die Blüte seiner Jahre war bereits überschritten. Und in dem Moment, als sie das mit rosigen Furchen gespickte, alte Fleisch gesehen hatte, war es ihr kalt den Rücken hinuntergelaufen, denn ihr war eine Idee gekommen...
"Ich glaube, um etwas zu finden, müssen wir erst da rein gehen!", mutmaßte Vivren und zerrte die Königin so aus ihren Gedanken hoch. Sie blinzelte, um ihre Augen zu befeuchten, da sie diese die ganze Zeit unmerklich offen gelassen hatten. Arkanon hatte mit dem Finger auf das Tor des Herrenhauses gedeutet und als er ihre Regung bemerkte, schielte er zu ihr hoch. "Weilt Ihr jetzt wieder unter den Lebenden, Majestät?"
Sie achtete nicht auf diese flapsige Bemerkung und begann sich langsam wieder zu fassen, während sie ihre Hände feste um die Zügel legte. "Was schlagt Ihr vor, General?", sagte sie dann hart und ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
"Nun", machte er und holte zu einer längeren mündlichen Überlegung aus, "wie mir scheint, muss jemand die Burg verraten haben, das Tor nachts geöffnet, um..."
"Ich will eine Antwort, Vivren!" fuhr sie ihn mit gehobener Stimme an und trieb ihn zu besserem Gehorsam an. "Wir sind nicht hergekommen, um zu plaudern. Erklärt mir in einigen kurzen Sätzen, wie wir hier reinspazieren und dann wieder raus!" Er wollte gerade seine Stimme und den Finger heben, um das mit dem Spatziergang noch einmal zu überdenken, doch sie wies ihn ab. "Ich weiß durchaus, General, dass das hier kein Spaziergang wird!" Und nach einiger Zeit: "Wie gehen wir also vor?"
"Die Gefangenen", begann Arkanon zu erklären. "Der Bote aus dem Norden hat mir in den Tagen des Volkes der Elfen von einer Gefangenenkolonie in den Verließen geredet. Er meinte, dass einer der Wandler, Ramhad, einen Gefangenentrakt hält. Unter den Eingesperrten soll auch ein gewisser Hexenmeister sein, der vorher hier auf der Burg seiner Arbeit nachgegangen ist. Wenn wir ihn finden, bevor es Nacht wird, wird uns seine Ortskenntnis bestimmt helfen."
Morrogian, der plötzlich ebenfalls neben ihr stand, machte eine abfällige Geste. "Das is’ doch alles Schwachsinn!", brummelte er abweisend. "Bis es dunkel wird habe’ mir noch höchstens zwei Stunde Zeit. Und d’ Burg is’ riesig!" Er zog die Brauen in die Höhe und breitete die Arme wie Schwingen aus. Zusammen mit seinem dunklen Haar und dem pechschwarzen Schnauzbart glich er einem Raben, der seine Flügel ausbreitet, um den anderen Angst einzujagen. "Wie solle’ mir da de Gefangene find’?!" Er starrte für einen Moment in die Gesichter der fünfzig Elfen und Menschen, die ihm abwartend lauschten, schließlich waren sie alle so erpicht auf eine Lösung wie er. "I’ hab’ ne Idee!", fuhr er dann plötzlich mit erhobenem Finger fort und seine Augen verengten sich zu beinahe bedrohlichen Schlitzen, während das Licht der blakenden Fackeln sich auf seiner schweren Rüstung spiegelte. "Mir gen nenn und mache’ diese’ komische Dämonen da einem nach de andere’ fertig! Könne’ ja nicht mehr viel’ sein, oder?" Und ein weiteres Mal hatte nur die Hälfte der Krieger etwas von dem verstanden, was der alte Graf da so in seinen Bart nuschelte.
"Uns bleibt ja sowieso nichts anderes übrig.", seufzte Vivren und machte sich kampfbereit. "Wir haben zwar mindestens zweihundertfünfzig Männer verloren, aber die Zahl der getöteten Gegner ist noch höher." Er lächelte jungenhaft. "Immerhin sind es nicht weniger als runde tausend gewesen, die uns da draußen gegenüber gestanden waren. Und wie mir scheint, sind davon ja nicht mehr viele übrig." Er warf einen verspielt abschätzenden Blick in die Runde und verschränkte darauf die Arme. "Also was spricht dann dagegen, wenn wir einfach da hineinspazieren und uns ein paar dieser Wandler vorknöpfen. Irgendeiner wird ja vermutlich wissen, wie wir zu den Zellen gelangen können. Oder wir metzeln uns einfach durch die ganze Feste und hoffen irgendwann auf die Kerker zu stoßen. Also, wer ist dafür?" Seine Frage wurde von einstimmigen Nicken beantwortet. "Also werden wir da jetzt reingehen und ein bisschen Jagd auf Tieflanddämonen machen!", sagte er selbstbewusst und strich sich über das Kinn. "Es ist entschieden. Wir werden gehen und diesen Viechern mal ordentlich die Hölle heißmachen!" Jubel erhob sich aus der Menge, Klingen und Bögen wurden in die Höhe gehalten, dann legte sich der Schatten der Nacht bedrohlich und geheimnisvoll über sie, viel früher, als sie erwartet hatten...

Ihre Schritte hallten dumpf und unheimlich in den Höhlengängen und Schächten von Krakenstein und der junge Elf Wye hatte alle Hände voll zu tun sich unter Kontrolle zu halten, um nicht vor Entsetzen loszuschreien. Die Innenfeste war kein Teil der Burg mehr; sie war ein Grab, Leichen und abgerissene Körperteile in Blutlachen lagen genau so zahlreich herum wie Skelette und Knochen. Totenschädel waren nur noch teilweise mit dünnen Hautschichten überzogen, der Rest der bleichen Knochen war blank und die Verschiedenen starrten sie aus dunklen Höhlen an. Vor etwa einer halben Stunde hatten sie sich getrennt, jeder war einen anderen Weg gegangen, nachdem sie in das Labyrinth der Geheimgänge der Feste eingedrungen waren, zu deutlich war die Geheimtür hinter dem Vorhang zu erkennen und auch die große Grotte, in deren wohnlicheren Gebieten Timotheus einst gelebt haben musste, war nicht sonderlich versteckt gewesen. Im Großen und Ganzen strahlte die Burg tiefste Leere und Bedrohlichkeit aus, war umgeben von Angst und Verderben wie von dem Netz einer riesigen Spinne. Was würde sie hier erwarten? Was würde noch in den dunklen Gängen auf sie lauern? Wye vermochte nicht sich noch mehr vorzustellen, als bereits passiert war. Überall lagen zerbrochene Waffen und verrostete Schwerter herum, Schilde lagen lose herum, Äxte steckten in abgenagten Schädeln.
"Welches Grauen hat hier gewütet?", schaltete Arkanon sich plötzlich ein, einer derer, die mit Wye gekommen waren. Insgesamt waren sie fünf, der General, Sephoría, Darrliong, er, Wye, und Shilt. Graf Morrogian war mit zehn Mann die Treppe zu den höheren Gängen verschwunden, während zwei weitere Stoßtrupps der Elfen in das weitläufige Kellergewölbe hinabgestiegen waren. Der Rest der noch verbleibenden Soldaten lagerte auf dem Burghof oder hatte sich auf den Zinnen postiert, um, sollten die Schwarzen von Außerhalb angreifen, Warnrufe ausstoßen zu können. Die meisten hatten ihre Rüstungen abgelegt, da diese beim Kampf in den engen Gängen sperrig und nur wenig von Nutzen gewesen wären. Und so waren ihnen nur noch ein halbes Duzend Mäntel aus Ragón geblieben, in die sie sich einhüllten, um nicht zu schnell gesehen zu werden. Dennoch war ihnen in den letzten Minuten noch kein Dämon über den Weg gelaufen, nur Ratten kreuzten häufig ihren Gang und tief unter sich hörten sie das Rumoren und Toben einer Quelle, die sich ihren Weg durch den Stein bohrte. All diese Geräusche lockerten die Stille und die damit verbundene Anspannung kaum und so war es nicht weiter verwunderlich, wenn es der Elfenjäger mit der Angst zu tun bekam.
"Wie weit ist es noch?", fragte er zaghaft und legte die Hände um seinen Körper. "Es ist verdammt kalt!" Er fröstelte, denn aus irgend einem undefinierbaren Grund zogen eisige Winde an ihnen vorbei und brachten das lodernde Licht der Fackel zum flackern.
"Die Frage ist eher, woher dieser Wind kommt?! Wenn wir es wüssten hätten wir auch die Antwort, wo wir garantiert nicht hingehen." Vivren sog die Luft scharf durch die Zähne ein. "Ich will nicht wissen, was uns dann dort erwartet." Er warf einen eher flüchtigen Blick zu Eszentir. "Ihr hättet nicht mit uns mitkommen dürfen, Mylady. Es ist viel zu gefährlich für Euch hier unten."
"Was für mich zu gefährlich ist, entscheide ich!", sagte sie streng und kauerte sich eng an die Wand, um so nah wie möglich im Windschatten des Generals zu stehen, der auch die Fackel trug. "Haltet lieber nach eurem Dämon Ausschau!"
Er nickte bekennend und ging nicht auf ihren überdeutlichen Spott ein. Der Krieg wurde nicht gegen seine Herrin gefochten, sondern gegen den Feind, ihn musste er attackieren, nicht die Königin, auch wenn es nur Worte waren, die er ihr entgegenschleuderte, konnten diese ebenfalls sehr verletzend sein, fast so wie Klingenwaffen. "Das werde ich", sagte er dann stur und sah einige Zeit stumm in die Dunkelheit der nächsten Halle hinaus, bevor er weiterging. Doch die Elfe hielt ihn zurück, ihre Hand schloss sich fest um seinen Oberarm.
"Geh nicht!", flüsterte sie, so leise, dass ihre Stimme nur ein heimliches Zischen war.
Tonlos hielt er Inne und als sie nach seiner Fackel verlangte, gab er sie ihr.
Etwas war nicht in Ordnung. Sie spürte es deutlich, ein Gefühl, das in ihr brannte und gegen etwas eisiges kämpfte. Und dieses Eis schien sich wie ein Schleier aus Schnee um sie zu legen, weiß und leicht, ein Vorhang wie aus Seide. Doch das Feuer in ihr schlug es zurück, immer und immer wieder, jedes Mal, wenn sie sich einen Schritt weiter nach vorne in die Dunkelheit wagte. Es roch faulig und war kalt, der Gestank von verwesendem Fleisch hing beißend wie Brandgeruch überall, nur viel Kälter. Und da war noch etwas, etwas säureähnliches, wie Schweiß, nur noch unerträglicher und brennender in der Kehle. Sie spähte in die Nacht. Nichts. Der Schein des Feuers streifte nur den Raum und erhellte nur die schmierigen, blutverkrusteten Steine des Ganges. Alle hielten den Atem an, das Wogen von Gefühlen blähte sich wie ein Segel im Wind, als würden Wind und Feuer einen Kampf inmitten ihrer Gestalten austragen. Allen stand der Schweiß auf der Stirn, kalt und zu Eis erstarrt, Frost schob sich langsam über alles und der Schutz der Ragón-Mäntel schien nachzulassen. Was spürte sie? Die Frage brannte wie giftiges Eis in ihr, denn sie war süchtig nach der Antwort, sie wollte sie wissen, jetzt, sofort, hier! Sie wusste, dass die Lösung des Problems irgendwo in ihrem Gehirn war, dort irgendwo festsaß, unfähig sich zu befreien, eingeschlossen von Mauern aus kaltem Stein. Doch so verbittert sie auch danach suchte, fand sie nichts und biss die Zähne aufeinander, Schmerz zuckte in ihrem Kieferknochen, doch sie ignorierte ihn. Was lauerte dort in den Schatten? Was hielt sich dort auf? Nur eine Horde weiterer Dämonen, durch die sie sich kämpfen mussten? Das Lachen blieb ihr im Halse stecken und ihr Gesicht wurde zu einer erbarmungslosen Fratze. "Da ist etwas...", versuchte sie den anderen klar zu machen. "Etwas ist dort in den Schatten! Ich spüre es!"
Plötzlich, da, eine Bewegung.
Die Königin der Elfen zuckte zusammen. Was hatte sich gerade dort im Dunkeln bewegt? Es war, als würde sich vor der Schwärze etwas bewegen, was noch eine Myriade schwärzer war als das, was es umgab. Es lief ihr kalt den Rücken hinunter und sie erschauerte. Sie hatte es gespürt, mehrere Male, als es Mitternacht gewesen war und sie verschwitzt aus einem Alptraum erwacht war, jedes Mal, war es da gewesen und hatte gelauert, in der tiefsten Düsternis ihres Zimmers. Und jetzt war es auch da, nur noch gefährlicher, noch größer, noch bedrohlicher. Es wollte sie, jetzt, heute, sie besitzen und damit seinen Hunger stillen. Aus reiner Bosheit bestand dieses Wesen, das wanderte und nach Blut durstete, nach Fleisch, angezogen vom Schweiße der Angst. In dem Moment in dem sie es wiederkannte, wusste sie, dass es zu spät war. Diesmal würde es Besitz von ihr ergreifen. Oft hatte sie es locken gehört.
Komm!
Die Stimme drang eisig und betörend in ihr Ohr, jedoch wusste sie, dass es falsch war auf sie zu hören. Und sie tat es auch dieses Mal nicht, obwohl die Versuchung groß war.
Komm!
Sie zuckte zusammen, als erneut der Ruf des Bösen erklang und sie spürte Bewegung, dort, wo alles von Düsternis umhüllt war, vernahm das feine Kratzen von etwas Bedrohlichem auf Stein. Schon lange hatte sie gewusst, dass es so kommen würde, die Träume waren eindeutig gewesen, aber früher hatte sie ihren Sinn nicht erkannt. Jetzt spürte sie, wie sich die Fäden eines Spinnennetzes über sie legte, leicht und weich, dennoch klebten sie fest auf ihrer Haut. Es war Magie, feingesponnene, mentale Energie, die sie für sich zu gewinnen versuchte und die Verzweiflung wuchs, als sie erkannte, wer das Spinnrad besaß.
Komm!
Sie musste handeln, schnell, bevor es zu spät war. Sie wollte sich umdrehen, doch die Fäden verlangsamten ihre hektische Bewegung, die Sekunden liefen wie in Zeitlupe vor ihr ab, das Netz aus Magie hinderte sie daran sich zu bewegen. Es klebte auf ihrer Haut, verbunden mit dem Schweiße ihrer Angst und sie gab zu, dass sie gefangen war. Sie hatte noch nicht einmal Zeit gehabt ihren Dolch zu ziehen und sich dem Wesen gegenüber zu stellen, was dort war, hatte es noch nicht einmal gesehen, schon war sie in die Falle geraten. Sie versuchte zu schreien, doch ihr Ruf verfing sich in dem feinen Gewebe, statt dessen drang etwas durch ihren Mund in sie ein und sie schluckte es hinab, spürte es ihre Kehle hinabgleiten, schwer und tödlich, schwarz und garstig. Böse.
Magie...
Ja, Magie, das war es, was sie jetzt benötigte um sich zu befreien, was sie brauchte, um die Netze der Gefangenschaft zu zerreißen und endlich frei zu sein! Schwaden von Nebel umhüllten sie, als sie die Augen schloss, um sich zu retten, Stimmen von Geistern und ihres Inneren wurden laut, hoben und senkten sich wie Wind über der Meeresküste. Gesichter erschienen vor ihr, von Freunden und Leuten, die sie kannte, Erlebnisse zusammen mit Erinnerungen spielten in ihren Gedanken und rangen, um die Oberhand in ihrem inneren Gesicht zu bekommen. Instinktiv spürte sie, dass sie auf dem richtigen Weg war, etwas löste sich von ihrem Körper, verschwand im Nebel ihres Geistes und etwas wurde deutlicher, das sich wie ein Keil in ihren Körper trieb, schwarz und schleimig, eine Schnecke, die in ihrem inneren wühlte und zerstörte, was noch an Hoffnung da war, etwas, das ihre Kraft fraß, sodass ihre Krankheit an Größe gewann. Innerlich kämpfte sie, das Wesen, das in sie eingedrungen war, konnte aber auch nur Luft sein, die ihr die Kehle zuschnürte und sie hatte lediglich die Vorstellung von einem Tier, das einem Blutegel glich. Doch sie scheute sich nicht etwas anderes zu glauben, zu oft hatte man sie hinters Licht geführt, betrogen und belogen! Jetzt, als sie die Augen öffnete, war sie bereit.
Ihre Hand holte aus, voll Kraft und ohne die lähmenden Fäden aus Magie, und warf die Fackel.
Ein Vogel aus Feuer, geschaffen aus den Flammen des Lichtspenders und ihrem Zauber entstand in der Luft, ein Phönix aus der Asche des Holzes, der ganz Funken und Helligkeit war, schwirrte durch den Raum, auf das Dunkel zu und explodierte, als er gegen die Hexerei eines unbeschreiblich bösartigen Wesens krachte, Flammen- und Feuerzungen schlugen in die Umgebung ab, setzten Lumpen und Gebeine in Brand und der Saal wurde erhellt von Lichtern, die spielerisch durch die Schatten turnten.
Der Schemen in der Mitte des Raumes begann sich zu materialisieren, deutlicher zu werden, als würde sich die vertriebene Dunkelheit an einem Punkt im Saal sammeln.
Dunkel...
Tod...
Verderben...
Hass...
Und da saß es.
Mitten in einem grotesken Haufen von Knochen und Gebeinen, Unmengen von triefender Algen an den Wänden, getränkt mit dem Lebenssaft der Ermordeten.
Grinste sie an.
Aus kalten Augen, voll Bosheit und Wut, Garstigkeit und Gefühllosigkeit, Sucht und voller Mordlust...

Ist es nötig wegen Liebe zu sterben, selbst wenn es dem Geliebten nichts nützt und dieser auch seine Liebe nicht erwidert? Kann es sein, dass Menschen Dinge tun, deren Bedeutung sie nicht kennen? Und muss das Gute immer gut und die Wahrheit wahr sein? Ein Schwert zu führen, gegen den Feind zu kämpfen, ist edel, doch was ist, wenn man dadurch selbst zum Feind wird?
Vielleicht ist dies aber alles nur ein Spiel; ein Spiel, das vom Wind bewegt wird...

Still zog Arkanon Vivren, General der Armeen der Elfen, sein Schwert, in seiner Miene regte sich nichts, stand nur Entschlossenheit und Erkennen. Nun wusste er so viel mehr, so viel mehr als zuvor. Was mochte vergangen sein, als er das Böse das letzte Mal so nahe und deutlich gesehen hatte? Und jetzt wusste er auch, wem seine Liebe galt, und was er tun musste. Er spürte die vor Angst eisigkalte Hand Sephorías, die ihn gepackt hatte und zurückhielt, doch er wollte nicht. Es war notwendig, dass er ging. Noch hörte er ihre Stimme, die ihm zurief, dass es nicht sein Kampf war sondern ihrer, doch er scherte sich nicht darum, stieß sie barsch zurück und stellte sich dann dem Ende gegenüber...
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* Laurus-Vivor: Dunkel/Schattenwesen (die Sprache der Elfen)
 

© Benedikt Julian Behnke
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