Pfad zur Macht von Dragonsoul Lianth

Langsam trat er in den Raum ein. Noch immer zogen die kristallinen Wände, Decke und Boden seine Augen in den Bann. Noch nie zuvor hatte er solche Pracht gesehen! Der weiße Kristall funkelte im Schein der wenigen Kerzen, die auf silbernen, mannshohen Leuchtern angebracht waren. Die seltsamsten Farbspiele umfingen seine Augen: blutige Rottöne wechselten mit saphirfarbenem Blau oder weichem Gelb. Sein Blick schweifte an den Mauern entlang nach vorne, während er unbewusst zwischen den Kerzenleuchtern geradeaus wandelte. Dann blieb sein Blick hängen. Direkt vor ihm erhob sich eine silberne Statue, die einen Lindwurm darstellte. In seinem weit aufgerissenen Maul war eine schwarze Kristallkugel zu erkennen, die das Abbild des jungen Mannes in Gold wiederspiegelte. Und vor dem Lindwurm stak ein wunderschöner Stab in einer Art Altar. Er sah aus, wie ein Opferaltar. Der Stab schien zu schweben, wenige handbreit über der Oberfläche, getragen von einer kristallinen Rosenranke, die ihn bis zur Hälfte umschlang. Noch während er dieses wundervolle Bild mit den Augen verschlang, hob sich seine Hand ohne seinen Willen, um sich dem Stab entgegenzustrecken...

"Tardos!"
Erschrocken riss der Junge die Augen auf und starrte den Mann an, der ihn so unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte. Missmutig setzte er sich in seinem Bett auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Es war nur ein Traum gewesen. Aber so real. Tardos brauchte noch einige Zeit, dieses seltsame Bild von dem Altar inmitten des Kristallraumes aus seinen Gedanken zu verdrängen. Dann schwang er die Beine aus dem Bett und reckte seine Muskeln. Der Mann seufzte resigniert und hob beide Hände flehend zur Decke.
"Was ist nur los mit dir, Junge?" stöhnte er dabei. "Das ist jetzt schon das dritte Mal in drei Tagen, dass du verschläfst! Du musst zum Unterricht, hast du das denn schon wieder vergessen?"
Tardos verzog das Gesicht und stand auf. Er hasste diesen Professor, der sich Lehrer nannte. Ein schmieriger kleiner Mann mit Halbglatze und eindeutig zuviel Speck auf den Rippen. Er bildete sich ein, alles zu wissen! Und er duldete niemanden, der ihm nicht absolut hörig war. Wie konnte man so jemanden Lehrer werden lassen?
"Zieh dich an und geh zum Unterricht!" fluchte der Mann plötzlich. "Dein Glück, dass ich schon damit gerechnet habe, dass du wieder verschläfst! Du hast eine halbe Stunde Zeit!" Er drehte sich resigniert um und verließ den Raum, wobei er ständig vor sich hinmurmelte: "Was ist nur los mit dir?"
Tardos starrte ihm einen Augenblick lang nach, bis die Tür sich schloss. Jamal war ganz in Ordnung. Fast wünschte Tardos sich, sein Vater wäre ihm nur annähernd ähnlich. Aber das war er eben nicht. Bitter verzog Tardos den Mund, als er an seinen Vater dachte. Vor zwölf Jahren hatten seine Eltern ihn hier abgegeben, mit den Worten: 'Er ist gefährlich!' Gefährlich! Tardos schüttelte wieder den Kopf. Was erwarteten seine Eltern denn? Immerhin war Tardos magisch äußerst begabt. Schon mit vier Jahren hatte er sie anwenden können, wenn auch nicht wirklich beherrschen. Er hatte damals aus Zorn einen Mann in seiner Heimatstadt verletzt, und deswegen hatten seine Eltern ihn hier, in der Magierschule, abgegeben. Und seither kümmerten sie sich nicht mehr um ihn. Unwirsch schüttelte Tardos die Gedanken ab. Seine Eltern scherten sich nicht um ihn, wieso sollte er sich also um seine Eltern scheren? Langsam trat er an den kleinen Schreibtisch neben der Tür und nahm seine Kleidung herunter. Einen Augenblick noch zögerte er, dann zog er sich die schwarze Hose über und schlüpfte anschließend in sein bordeauxrotes Hemd. Während er den Lederriemen daran festzog und schnürte, trat er zum Bett zurück. Es war wirklich eine dumme Angewohnheit von ihm, dass er die Stiefel immer in der hintersten Ecke unter seinem Bett verstaute, aber so ließ sich manchmal ein bisschen Zeit schinden, bevor er zum Unterricht ging. Und auch dieses Mal musste er ein paar Minuten kämpfen, bis er die Stiefel zu fassen bekam. Natürlich hätte er seine Magie zu Hilfe nehmen können, aber im Gegensatz zu seinen Mitschülern vermied er die Magie, wo er nur konnte. Schnell zog er die Velourslederstiefel an und trat vor den Spiegel. Seine kurzen Haare musste er nur kurz mit den Fingern glätten, dann saßen sie wieder. Schließlich seufzte er wieder und verließ den Raum. Länger konnte er dann doch nicht trödeln, er war sowieso schon in Ungnade gefallen. Deshalb wanderte er, wenn auch gemächlich, durch die langen Korridore. Die Schule war eine ehemalige Königsburg, die der Magierbund jedoch aufgekauft hatte. Deswegen waren die Gänge recht schmal, man konnte maximal zu dritt nebeneinander gehen. Aber die steinernen Wände waren mit schwerem Brokatstoff ausgehangen, was dem Ganzen eine viel wärmere Atmosphäre verlieh. Die Steinplatten des Fußbodens waren jedoch von schwarz-weißen Marmorfließen ersetzt worden. Das Geräusch der Schritte klang hohl, wurde aber von den dicken Stoffen zu einem wohlklingenden Geräusch gedämmt. Tardos erreichte den Unterrichtsraum gleichzeitig mit seinem Lehrer. Einen Augenblick lang standen die beiden dicht voreinander, sahen einander nur mit blitzenden Augen an, dann trat Tardos betont abfällig an ihm vorbei in den Raum. Seine Mitschüler saßen bereits an ihren Plätzen und betrachteten Tardos spöttisch. Doch er kümmerte sich nicht um sie und trat an seinen eigenen Tisch heran, der ziemlich mittig in der vorletzten Reihe stand. Kaum hatte er sich gesetzt, da baute der Professor sich auch vor ihm auf, mit in die Hüften gestemmten Händen.
"Nun, Tardos?" fragte er mit erwartungsvoller Stimme. "Habt Ihr Eure Strafarbeit getan?"
Tardos lächelte abfällig. Es war jeden Tag das gleiche. Wieso gab dieser Professor nicht endlich auf? Seit fast einem Monat nun schon war es jeden Morgen das gleiche Ritual: Der Professor fragte nach einer Strafarbeit, die nun schon über einen Monat zurücklag und deren Inhalt er wahrscheinlich schon gar nicht mehr wusste. Und wie jeden Morgen schüttelte Tardos langsam den Kopf, worauf der Professor erst einmal eine Minute lang zeterte – eben ein altes Ritual. Doch Tardos scherte auch das wenig. Er hatte niemals hierher kommen wollen, hatte niemals die Magie lernen wollen. Er war schon immer der stille Junge gewesen, der sich vehement weigerte, am Unterricht teilzunehmen. Und dennoch beherrschte er nur durch seine halbherzigen Beobachtungen des Unterrichtes die Magie bereits jetzt besser, als seine Lehrer und das mit sechzehn Jahren!  Als der Professor endlich vor die Klasse trat, um mit dem Unterricht zu beginnen, wurde Tardos Lächeln gelangweilt. Bestimmt wiederholte der Professor irgendetwas. Dieser Mann war einfach nur unfähig. Seit Jahren schon immer der gleiche Trott: Die Schüler bekamen vier Stunden lang eingetrichtert, wie sie einen Spruch anwenden mussten, dann versuchten sie sich stundenlang daran und die nächsten vier Tage verbrachte der Mann dann damit, den Schülern immer wieder das gleiche über diesen neuen Spruch zu erzählen. Abwesend stützte Tardos den rechten Ellenbogen auf den Tisch und das Kinn auf den Handballen. Nachdem er einige Minuten einfach nur vor sich hingestarrt hatte, zog er ein Stück Pergament zu sich heran und nahm die Schreibfeder aus dem kleinen Tintenfass. Ohne sich wirklich Gedanken darum zu machen, oder sich dessen bewusst zu werden, fing er an, zu zeichnen. 
"Tardos!"
Keuchend schrak er zusammen und fuhr in seinem Stuhl zurück. Völlig entgeistert starrte er in das zornige Gesicht seines Professors, der sich auf den Tisch gestützt und weit vorgelehnt hatte.
"Wenn Ihr es schon nicht für nötig haltet, Euren Mund aufzumachen, so könnt Ihr wenigstens mit der Aufmerksamkeit am Unterricht teilnehmen! Oder ist das schon zu kompliziert für solch einen Kleingeist?"
Die anderen Schüler lachten schadenfroh. Doch Tardos verzog nur das Gesicht. Fast augenblicklich fasste er sich jedoch wieder und lächelte mitleidig. Wieso sollte er daran teilnehmen? Das war nun wirklich weit unter seinem Niveau.
"Ihr findet das wohl amüsant?" Der Professor packte Tardos am Hemdkragen und zog ihn nah an sein Gesicht heran. "Aber eines ist sicher: Auch Euch werde ich noch auf ein gesundes Maß zusammenstauchen! Euren Hochmut werde ich Euch noch austreiben! Auch wenn Ihr die meisten hereingelegt haben mögt, mit Eurer Schweigenummer, ich weiß, dass Ihr nicht stumm seid! Und Euer erster Satz in dieser Schule wird ein Flehen um Gnade sein!"
Tardos lächelte noch immer, als der Professor ihn losließ. Gelassen rückte er sich den Hemdkragen mit der rechten Hand zurecht, während er den Professor provozierend betrachtete. Dieser knurrte vor sich hin, dann drehte er sich ruckhaft um, um wieder an sein Pult zu gehen. Noch einmal schüttelte Tardos mitleidig den Kopf. Dieser Mann war zwar stur, aber an Tardos würde er sich die Zähne ausbeißen! Während der Professor mit seiner Rede fortfuhr, spielte Tardos abwesend mit der Feder in seiner Linken und starrte aus dem Fenster. Endlich packte ihn dann doch die Neugierde. Es war immer wieder interessant für ihn, herauszufinden, was sein Unterbewusstsein wieder für abstrakte Bilder zu Pergament gebracht hatte, während er nicht aufpasste. Er wusste vorher nie, welche Zeichnung er am Ende erblickte. Also senkte er die Augen auf das Pergament vor sich. Für einen ewigen Moment stutzte er verwirrt. Dann wurden seine Augen weit: Er hatte diese seltsame Kristallkammer aus seinem Traum gezeichnet! Unwillkürlich begann die Feder in seiner Hand zu zittern, während ihm plötzlich dieses Traumbild in aller Deutlichkeit vor Augen kam, die ausgestreckte Hand danach, dieses seltsame Sehnen, das er dabei verspürte... Und plötzlich machte sich Angst in ihm breit. Das konnte doch nicht nur ein Traum sein! Entsetzt ließ er die Feder fallen und erhob sich energisch. Alle Köpfe drehten sich zu ihm um, als sein Stuhl polternd umfiel. Doch Tardos war schon aus der Tür, bevor irgendjemand auch nur einen Ton sagen konnte. Hastig lief er den Gang herunter, in Richtung seines Zimmers. Immer wieder kam dieses Bild sequenzartig vor seine Augen und jedes Mal schob er es mit einem Kopfschütteln weg. Plötzlich keuchte er und griff sich an den Kopf. Es war ein unglaublicher stechender Schmerz, der sich auf einmal darin ausgebreitet hatte. Einen Augenblick lang rang er einfach nur nach Luft, versuchte die Schwärze abzuschütteln, die nach seinen Gliedern griff. Dann war alles genauso plötzlich wieder vorbei. Verwirrt hob Tardos den Blick und sah sich um. Und wieder staunte er: Er hatte eigentlich in sein Zimmer gewollt, da war er sich ganz sicher: er hatte die Schritte in Richtung seines Zimmers gelenkt. Aber was, um alles in der Welt, machte er dann hier, vor dem Hauptausgang!?

Müde hob Tardos den Kopf, als die Tür sich öffnete. Mit einem mitleidigen Lächeln trat Jamal ein, ein Tablett mit Brot und Wurst darauf in der rechten Hand.
"Du siehst wirklich schlimm aus, Junge", seufzte er. "Hast du in der letzten Nacht eigentlich geschlafen?"
Langsam schüttelte Tardos den Kopf. Sieben Tage war es jetzt her, dass er diese seltsamen Kopfschmerzen das erste Mal gehabt hatte. Und seit sieben Tagen nun schon zog es ihn immer wieder unbewusst zum Hauptausgang, egal wohin er wollte, er endete immer dort, mit mächtigen Kopfschmerzen. Und vor drei Tagen hatten seine Lehrer eine Konsequenz aus diesem ungewöhnlichen Verhalten gezogen und ihn in seinem Zimmer eingesperrt. Tardos verstand selbst nicht, was es war. Seit sieben Tagen wurde in ihm ein unerklärliches Drängen immer lauter, ein Drängen nach etwas Unbekanntem. Und seit sie ihn hier eingesperrt hatte, spürte er es überdeutlich. Er fand einfach keine Ruhe mehr, tigerte stundenlang auf und ab, schlief nachts nicht mehr. Inzwischen war er nicht einmal mehr müde, nur noch ausgelaugt, völlig leer. Er wollte nur noch raus, gehen – dem Drängen folgen. 
"Iss etwas, Tardos", forderte Jamal ihn auf und hielt ihm das Tablett entgegen.
Doch Tardos schüttelte den Kopf. Essen? Was war das für ein absurder Gedanke? Selbst wenn ihm dieser Vorschlag nicht so abwegig erschienen wäre, sein Magen rebellierte schon beim kleinsten Gedanken daran, etwas zu essen. 
"Was ist nur los mit dir, Junge?" flüsterte Jamal besorgt. "Du isst nicht, schläfst nicht, stehst kaum eine Minute still... Genügt es denn nicht, dass du dich weigerst, zu sprechen?"
Tardos schürzte die Lippen und begann wieder, unruhig im Raum auf und ab zu gehen. Dabei knetete er rastlos seine Finger und seine Augen glitten ruhelos über die Wände. Er wollte endlich raus hier!
"Ich möchte, dass du ein einziges Mal mit mir sprichst." Jamals Ton war ernst und sein Blick nachdenklich, "Sonst kann ich dir nicht helfen..." Tardos blieb stehen und sah den Mann fragend an. "Ich weiß nicht, was mit dir los ist, bitte sag es mir." Tardos zuckte hilflos die Schultern. "Dieses Bild, das du gezeichnet hast..." 
Sofort kam dieses Traumbild wieder vor Tardos Augen: Der kristalline Raum, mit der Statue direkt gegenüber der Tür und dem Stab am Ende des Kerzenganges... Schmerzhaft verzog Tardos den Mund und griff sich an den Kopf. Es war jedes Mal das gleiche: Dachte er an diesen Raum, so kamen wieder diese unerträglichen Kopfschmerzen, die ihn bald zu zerreißen drohten. Und es wurde von Mal zu Mal schlimmer. Er wollte nicht mehr daran denken! Doch diesmal war es noch schlimmer: Sein linkes Bein gab einfach nach, knickte unter ihm ein. Im letzten Moment schaffte er es durch seine Reflexe, sein Gleichgewicht soweit zu halten, dass er wenigstens noch kniete und nicht ganz zu Boden ging. Und der Schmerz in seinem Kopf brannte weiter. Keuchend sprang Jamal auf und hockte hinter Tardos nieder, um in stützend in den Arm zu nehmen.
"Was ist nur los mit dir?" flüsterte er mit Tränen in den Augen.
Plötzlich wurde sein Blick entschlossen. Während er eine leise Entschuldigung murmelte, griff er Tardos an die Stirn und zog ihn nach hinten, bis sein Kopf an der Brust seines Lehrers ruhte. Noch einmal flüsterte er seine Entschuldigung, dann legte er Tardos die andere Hand über das Herz und schloss selbst die Augen. Langsam ebbte der Schmerz ab und Tardos konnte nun wieder halbwegs klar denken. Und jetzt merkte er auch, was sein Lehrer getan hatte: Er hatte sich in Tardos’ Bewusstsein versetzt, in seine Erinnerung! Unwillkürlich versuchte Tardos, den Geist des Mannes abzuschütteln. Das war ein verbotener Zauber! Er durfte ihn nicht anwenden! Doch Tardos konnte es nicht verhindern. Statt dessen kam wieder dieses elendige Bild auf, von dem Raum. Langsam trat Tardos in den Raum ein. Noch immer zogen die kristallinen Wände, Decke und Boden seine Augen in den Bann. Nirgendwo anders hatte er solche Pracht gesehen! Der weiße Kristall funkelte im Schein der wenigen Kerzen, die auf silbernen, mannshohen Leuchtern angebracht waren. Die seltsamsten Farbspiele umfingen seine Augen: blutige Rottöne wechselten mit saphirfarbenem Blau oder weichem Gelb. Sein Blick schweifte an den Mauern entlang nach vorne, während er unbewusst zwischen den Kerzenleuchtern geradeaus wandelte. Dann blieb sein Blick hängen. Direkt vor ihm erhob sich eine silberne Statue, die einen Lindwurm darstellte. In seinem weit aufgerissenen Maul war eine schwarze Kristallkugel zu erkennen, die das Abbild des jungen Mannes in Gold wiederspiegelte. Und vor dem Lindwurm stak ein wunderschöner Stab in einer Art Altar. Er sah aus, wie ein Opferaltar. Der Stab schien zu schweben, wenige handbreit über der Oberfläche, getragen von einer kristallinen Rosenranke, die ihn bis zur Hälfte umschlang. Noch während er dieses wundervolle Bild mit den Augen verschlang, hob sich seine Hand ohne seinen Willen, um sich dem Stab entgegenzustrecken. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter, die ihn zurückriss. Erschrocken schrie Tardos auf und schlug die Hand ab. Dann fuhr er herum und schleuderte eine blaue Flamme gegen den Mann. Und in dem Augenblick, als der Zauber sein Ziel erreichte, war das Bild verschwunden. Schreiend fuhr Tardos aus den Armen seines Lehrers hoch und wich einige Schritte vor ihm zurück. Was hatte Jamal nur getan!?
"So ist das..." flüsterte Jamal nachdenklich, während er seine Brust rieb. Der Zauber hatte Jamal wirklich verletzt, nicht nur seinen Geist aus Tardos Kopf herausgeschleudert. "Nun verstehe ich es. Deshalb deine Begabung, deshalb dein eigenartiges Verhalten." Langsam stand er auf und öffnete die Tür für Tardos. "Geh jetzt! Wir werden dir und deinem Schicksal nicht im Wege stehen! Verschwinde! Bevor du noch mehr Unheil bringst!"
Erstaunt blickte Tardos den Mann an, zögerte noch einen Augenblick. Was meinte Jamal damit, noch mehr Unheil bringen? Wovon sprach er? Doch so sehr Tardos sich auch nach einer Antwort sehnte, das Drängen zu gehen war stärker. Also hob er den scharlachroten Umhang auf, der auf dem Bett lag und trat an Jamal vorbei. In der Tür blieb er noch einmal stehen und drehte sich um. 
"Lebt wohl", flüsterte er traurig.
Jamal starrte Tardos erstaunt an, brachte vor Schreck keinen Ton über die Lippen. Aber Tardos hatte auch nichts anderes erwartet, hatte Jamal doch niemals damit gerechnet, dass Tardos irgendwann einmal sprach. Noch einmal lächelte er traurig, dann drehte er sich um und ließ den verwirrten Mann stehen. Im Gehen legte er den Umhang um und zog die Kapuze über. Diesmal ging er ganz bewusst zum Haupteingang. Wer ihm entgegen kam, warf ihm erstaunte Blicke zu, sagte aber nichts. Zielstrebig ging Tardos zum Stall und holte dort eines der Pferde hervor. Er sattelte es nicht, legte ihm keine Trense an. Er schwang sich einfach auf den bloßen Rücken des Tieres und suchte Griff in der roten Mähne. Er hatte diesen Fuchshengst noch nie zuvor geritten, doch er war sich absolut sicher, dass er das Tier auch so in die richtige Richtung lenken konnte. Er brauchte kein Zaumzeug, denn er würde den Hengst nicht in irgendeine Richtung zwingen müssen. Er würde ihn an den Bestimmungsort bringen, egal wo dieser auch war. Er gab dem Hengst nur eine leichte Berührung mit der rechten Ferse zu spüren, da drehte er sich auch schon nach rechts, zum Hauptausgang und trabte los. Tardos hielt nicht an, als er durch das übergroße Tor hindurch war, blickte nicht zurück. Er spürte nur noch dieses Drängen, dem er sich nun ganz ergab.

Langsam trat er in den Raum ein. Noch immer zogen die kristallinen Wände, Decke und Boden seine Augen in den Bann. Nirgendwo sonst hatte er solche Pracht gesehen! Der weiße Kristall funkelte im Schein der wenigen Kerzen, die auf silbernen, mannshohen Leuchtern, die ineinander gewundene Schlangen darstellten, angebracht waren. Die seltsamsten Farbspiele umfingen seine Augen: blutige Rottöne wechselten mit saphirfarbenem Blau, weichem Gelb und den ungewöhnlichsten Zwischentönen. Sein Blick schweifte an den lebendig wirkenden Mauern entlang nach vorne, während er unbewusst zwischen den Kerzenleuchtern geradeaus wandelte. Dann blieb sein Blick hängen. Direkt vor ihm erhob sich eine silberne Statue, die einen Lindwurm darstellte. In seinem weit aufgerissenen Maul war eine schwarze Kristallkugel zu erkennen, die das Abbild des jungen Mannes in Gold wiederspiegelte. Die Wand hinter der Statue hatte im Gegensatz zum Rest des Raumes kein Eigenleben, zeigte nur stumpf die Flammen der Kerzen wieder. Und vor dem Lindwurm stak ein wunderschöner Stab in einer Art Altar. Er sah aus, wie ein Opferaltar: Wenn auch klein und niedrig, so schien er dennoch mächtig und unzerstörbar. Der Stab schien zu schweben, wenige handbreit über der Oberfläche, getragen von einer kristallinen Rosenranke, die ihn bis zur Hälfte umschlang. Noch während er dieses wundervolle Bild mit den Augen verschlang, hob sich seine Hand ohne seinen Willen, um sich dem Stab entgegenzustrecken. Wie durch Zauberhand brachte er den letzten Schritt hinter sich, ohne es überhaupt zu realisieren. Seine Augen hingen noch immer wie gebannt auf diesem wundervollen Stab: Er war aus rauchigem Rubin, stellte einen Basilisken in Angriffshaltung dar. Die Augen waren tiefschwarze Obsidiane, die Zähne des aufgerissenen Maules aus feinstem Diamant. Langsam schob sich seine Hand in seinen Blick. Er wollte sie zurückziehen, doch er tat es nicht. Wie von unsichtbarem Faden geführt kamen seine Finger diesem Basiliskenstab immer näher. Er betrachtete sie, wie sie zu zittern begann, lauschte seinem Atem, der immer erregter wurde. Das Drängen in ihm wurde unerträglich, als wollte es ihm die Hand vom Leib abreißen, um so schnell als möglich dieses Wunderwerk eines Stabes zu berühren! Doch in dem Moment, als seine Finger den Stab flüchtig berührten - die flüchtige Berührung eines lauen Lufthauches, der sofort wieder verschwand -, riss ihn irgendetwas brutal an der Schulter zurück. Er keuchte nur überrascht, war gar nicht fähig, sich zu wehren. Plötzlich war er wieder mehrere Schritte von dem Stab entfernt, der ihn noch immer verlockend anfunkelte. Ärgerlich drehte er sich um, starrte die schattenhafte Person an, die ihn zurückgerissen hatte. Doch noch bevor er überhaupt etwas tun oder sagen konnte, spürte er ein unbeschreibliches Brennen in seinem Arm. Langsam senkte er den Blick darauf, begriff nicht was er sah. Schmerzhaft schrie er auf, als er endlich verstand: Sein Arm brannte wie Feuer! Und das war es auch, was die Schmerzen bereitete: Als hätte er seinen Arm in pure Säure gelegt, begann seine Haut, sich knisternd zu verfärben und sich aufzulösen! Schreiend packte er sein Handgelenk, presste den Arm an seinen Leib. Diese Qual war unerträglich! Er brach in die Knie, beugte sich vor Schmerzen vor, presste den Arm noch fester an den Körper und begann eine magische Formel nach der nächsten zu sprechen. Doch nichts half, die Schmerzen wurden nur noch schlimmer! Schon sah er den Ellenknochen an einigen Stellen durchschauen und spürte das Brennen an seiner Schulter! Er hätte den Stab niemals berühren dürfen! Er würde sterben! Er schrie wieder, richtete sich halb auf und starrte mit glanzlosen Augen auf die Statue und den Stab. Höhnend hatten die beiden ihre Mäuler aufgerissen und die Köpfe schadenfroh abgesenkt!

Schreiend fuhr Tardos hoch! Augenblicklich tastete er nach seinem linken Arm, presste ihn an seinen Körper. Er schmerzte! Stöhnend stand Tardos auf, trat aus dem Schatten des Baumes in das fahle Mondlicht. Sein Arm war unverletzt! Langsam klärte sich Tardos’ Blick wieder. Erstaunt sah er sich um. Er hatte nur geträumt! Es war nur ein Traum gewesen! Erleichtert schloss Tardos die Augen und sank in die Knie. Aber wieso war dieser Traum nur so unglaublich real gewesen? Und was hatte er zu bedeuten? Warum träumte er jede Nacht diesen Traum? Und warum hatte der Traum so plötzlich diese Wendung genommen? Es musste doch eine Bedeutung haben! Fahrig wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Dieser Traum war zu real für seinen Geschmack. Und das schlimmste war, dass er ihn schon seit Tagen nicht einmal mehr während des Wachens in Ruhe ließ. Er konnte noch so wach sein, die Bilder überfielen Tardos am helllichten Tage und im Ritt. Wieso nur? Er verstand schon lange nicht mehr. Dieser Traum hatte etwas mit seinem unerklärlichen Drang, irgendwohin zu kommen, zu tun. Suchte er vielleicht sogar diesen Kristallraum? Innerlich überkam Tardos ein unbeschreiblicher Schauer. In diesen Raum? Und dann den Stab berühren, wie im Traum? Diese Vorstellung ließ Tardos zittern. Er wollte nicht dorthin! Wenn der Traum bisher nur beängstigend gewesen war, so hatte Tardos nun Panik. Mühsam erhob er sich wieder und trat zu dem kleinen Bach, der neben seinem Lager floss. Gierig schöpfte Tardos das Wasser daraus und schluckte es wie ein Verdurstender. Dann schöpfte er sich noch mehrere handvoll davon in das Gesicht. Das kalte Wasser spülte den letzten Schweiß und den letzten Gedanken an diesen fürchterlichen Traum weg. Langsam stand Tardos auf und ging wieder zu seinem Pferd. Das Tier war unglaublich ausdauernd. Hatte es doch in den letzten vierzig Tagen, seit sie unterwegs waren, nur wenig Schlaf bekommen. Und dennoch trug es seinen Reiter jeden Tag treu weiter in die Berge. Diesmal stieg Tardos schon bei Nacht auf und lenkte das Tier in die eingeschlagene Richtung. Es war seltsam, doch Tardos wusste nicht, in welche Richtung er eigentlich ritt. Er wusste auch nicht, wie er wieder aus den Bergen herauskommen sollte, in deren Schluchten, Abhängen und Tälern er schon seit zehn Tagen wandelte. Der volle Mond gab dem Tier genug Licht, um den Weg sicher zu finden. Bisher hatte Tardos die Städte weiträumig gemieden, nun gab es schon lange keine Städte mehr, denn die Menschen mieden das Gebirge. Woher er das wusste, war ihm unklar; wusste er doch noch nicht einmal, in welchem Gebirge er sich befand. Langsam sank er wieder in seine abwesende Gleichgültigkeit, die ihn immer ergriff, folgte er seinem Drängen. Er kontrollierte nicht, wohin er das Pferd führte, er merkte nicht, wie Nacht mit Tag wechselte und umgekehrt. Wurde es dunkel und der Hengst stoppte, stieg er ab und setzte sich auf den Boden, abwesend, nicht merkend, dass er nicht mehr ritt. So verging Tag um Tag, zog die Zeit unbemerkt an ihm vorbei. Das Drängen zog ihn wie eine unsichtbare Hand hinter sich her und er folgte ihm willenlos.

Als Tardos’ Blick wieder klar wurde, blinzelte er mehrmals erstaunt. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wo er sein mochte. Vor ihm erhob sich ein mächtiger Tempel, beeindruckender noch als die Magierschule, das Tor mindestens achtmal so hoch, wie ein Mensch. Verwirrt lenkte er sein Pferd durch die weit geöffneten Torflügel. Der Innenhof war mit glänzendem Marmor gepflastert und absolut sauber. Doch es war auch nicht ein einziges Lebewesen zu entdecken, nicht eine Vogelstimme zu hören, nicht das Zirpen auch nur einer Grille. Dieser Tempel war eindeutig schon sehr lange verlassen. Es war ein wirklich seltsamer Ort. Innerhalb der mächtigen Mauer aus Granit befand sich nur ein Gebäude, das einem hohen Turm ähnelte. Vor dessen Eingang hielt der Fuchshengst an und Tardos stieg ab. Kaum hatte Tardos seine Hand vom Rücken des Tieres gezogen, drehte es sich um und trabte wieder durch das Tor hinaus, weg von diesem toten Ort. Hier war also Tardos’ Ziel, der Grund seines Drängens. Doch was wollte er hier? Langsam stieg er die dreißig Stufen zu dem Eingang hinauf, betrachtete dabei die acht Greifenstatuen aus Gold, die die Treppe links und rechts je zu viert säumten. Dann empfing ihn die große Eingangshalle. Sie war komplett aus weißem Marmor, in ihr waren dreißig Statuen von mächtigen Kriegern, die kampfbereit ihre Waffen erhoben, aufgestellt. Abwesend wanderte Tardos durch ihre Reihen, bis zur Tür am anderen Ende. Hinter ihr befand sich eine Treppe, von der alle zwanzig Stufen je eine Tür nach links und nach rechts abzweigte. Doch mit schlafwandlerischer Sicherheit stieg Tardos die Stufen immer höher. Dabei merkte er, dass die Wände mit Malereien versehen waren, die sich nach jedem Stockwerk änderten: Krieger wechselten mit Königen, Magiern, Einhörnern, Engeln, Dämonen, Drachen, Fresken, Runen und schließlich mit Götterbildern. Dann stand er vor einer silbernen Tür, die mit Gold beschlagen war. Auf Augenhöhe war ein ihm völlig unbekanntes Zeichen angebracht, das ihm dennoch Angst einflößte. Trotzdem griff er nach der Türklinke und drückte sie herunter. Vorsichtig schob er sie auf. Kaum hatte er die Tür geöffnet, flackerten zehn Kerzen auf und erhellten den Raum. Unwillkürlich stieß Tardos einen Angstschrei aus. Er wollte zurückweichen, doch er konnte es nicht. Seine Beine weigerten sich, zurückzutreten. Sein Verstand schrie danach, auf dem Absatz kehrt zu machen, aber seine Augen und sein Geist wurden von dem Anblick gefesselt. Dieses Bild ließ ihn seine Angst vergessen, seine Bedenken waren mit einem Mal weg. Hier war sein Bestimmungsort! Und das Drängen in ihm wurde wieder lauter, schrie ihn förmlich an, auch den letzten Schritt noch zu machen. Langsam trat er in den Raum ein. Noch immer zogen die kristallinen Wände, Decke und Boden seine Augen in den Bann. Nirgendwo sonst hatte er solche Pracht gesehen! Der weiße Kristall funkelte im Schein der zehn Kerzen, die auf silbernen, mannshohen Leuchtern, die ineinander gewundene Schlangen darstellten, angebracht waren. Die seltsamsten Farbspiele umfingen seine Augen: blutige Rottöne wechselten mit saphirfarbenem Blau, weichem Gelb und den ungewöhnlichsten Zwischentönen. Und zwischen all diesen Lichtspielen konnte man schwarze Runen an den Wänden erkennen, die scheinbar in dem Kristall eingeschlossen waren. Sein Blick schweifte an den lebendig wirkenden Mauern entlang nach vorne, während er unbewusst zwischen dem Kerzenleuchtergang geradeaus wandelte. Dann blieb sein Blick hängen. Direkt vor ihm erhob sich die silberne Statue, die einen Lindwurm darstellte. In seinem weit aufgerissenen Maul war die schwarze Kristallkugel zu erkennen, die das Abbild des jungen Mannes in Gold wiederspiegelte. Doch die rubinfarbenen Zähne der Statue ließen sich darin nicht wiederfinden, auch den Raum spiegelte sie nicht wieder – nur das Abbild von Tardos. Die Wand hinter der Statue hatte im Gegensatz zum Rest des Raumes kein Eigenleben, zeigte nur stumpf die Flammen der Kerzen wieder. Und vor dem Lindwurm stak der wunderschöne Stab in dem Opferaltar: Wenn dieser auch klein und niedrig war, so schien er dennoch mächtig und unzerstörbar. Er war komplett aus Marmor, und auf seiner völlig glatten Oberfläche erkannte man ein Muster, wie von längst getrocknetem Blut. Der Stab schien wenige handbreit über der Oberfläche zu schweben, getragen von der kristallinen Rosenranke, die ihn bis zur Hälfte umschlang. An mehreren Stellen hatte die Rose noch ungeöffnete Blütenknospen, die in dem Kerzenlicht orange schimmerten. Noch während er dieses wundervolle Bild mit den Augen verschlang, hob sich seine Hand ohne seinen Willen, um sich dem Stab entgegenzustrecken. Wie durch Zauberhand brachte er den letzten Schritt hinter sich, ohne es überhaupt zu realisieren. Seine Augen hingen noch immer wie gebannt auf diesem wundervollen Stab: Er war aus rauchigem Rubin, stellte einen Basilisken in Angriffshaltung dar. Die Augen waren tiefschwarze Obsidiane, die Zähne des aufgerissenen Maules aus feinstem Diamant. Und an den Zahnspitzen schimmerte eine quecksilberne Flüssigkeit, die aber nicht abtroff. Langsam schob sich seine Hand in seinen Blick. Er wollte sie zurückziehen, doch er tat es nicht. Wie von unsichtbarem Faden geführt kamen seine Finger diesem Basiliskenstab immer näher. Er betrachtete sie, wie sie zu zittern begann, lauschte seinem Atem, der immer erregter wurde. Das Drängen in ihm wurde unerträglich, als wollte es ihm die Hand vom Leib abreißen, um so schnell als möglich dieses Wunderwerk eines Stabes zu berühren! Doch in dem Moment, als seine Finger den Stab flüchtig berührten - die flüchtige Berührung eines lauen Lufthauches, der sofort wieder verschwand -, flammte Angst in ihm auf und riss seine Hand zurück. Er durfte den Stab nicht berühren! Doch es war schon zu spät… Voller Panik wich er zurück, während er ein unbeschreibliches Brennen in seinem Arm spürte. Langsam senkte er den Blick darauf, wollte nicht begreifen, was er sah. Schmerzhaft schrie er auf, als es ihm endlich bewusst wurde: Sein Arm brannte wie Feuer! Als hätte er seinen Arm in pure Säure gelegt, begann seine Haut an den Fingern, sich knisternd aufzulösen und das Fleisch abzufallen! Schreiend packte er sein Handgelenk, presste den Arm an seinen Leib. Doch Die Schmerzen zogen sich zu seinem Arm hoch, begannen schon dort, das Fleisch zu verätzen. Diese Qual war unerträglich! Er brach in die Knie, beugte sich vor Schmerzen vor, presste den Arm noch fester an den Körper und begann eine magische Heilformel nach der nächsten zu sprechen. Doch nichts half, die Schmerzen wurden nur noch schlimmer! Schon sah er den Ellenknochen an einigen Stellen durchschauen und spürte das Brennen an seiner Schulter! Er hätte den Stab niemals berühren dürfen! Er würde sterben! Er schrie wieder, richtete sich halb auf und starrte mit glanzlosen Augen auf die Statue und den Stab. Höhnend hatten die beiden ihre Mäuler aufgerissen und die Köpfe schadenfroh abgesenkt! Schreiend sank Tardos nach vorne. Der Schmerz des Aufpralles, als der harte Boden ihm die Stirn aufschlug, war nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die sich von seinem Arm über seine Schulter bis zu seinem Brustkorb ausbreiteten. Er würde sterben! Wieso nur hatte er es getan!? Wieso nur hatte er die Warnung in seinen Träumen nicht beachtet!? Seine Schreie verstummten nach und nach, während das Fleisch ihm weiter von den Knochen ablöste. Es war so unerträglich geworden, dass er nicht einmal mehr die Kraft hatte, zu schreien. Wimmernd lag er auf dem Rücken, presste seinen linken Arm mit Zuhilfenahme seiner noch halbwegs intakten rechten Hand an den Leib. Seine Finger spürten nur noch harten Knochen. Unerbittlich breitete der Schmerz sich an seinem Körper aus. Flehend richtete Tardos den Blick an die Decke. Wieso konnte es nicht endlich vorbei sein!? Wieso konnte er nicht endlich sterben, den Schmerzen entkommen? Mit letzter Kraft schaffte er es, ein leises Gebet an die Götter zu richten, sie möchten ihn doch endlich von diesem unsäglichen Leiden befreien. Noch einmal spürte er diesen Schmerz mit aller Deutlichkeit, diesmal aber zwischen den Rippen. Stöhnend wand er sich zur rechten Seite, rang nach Atem. Mit beängstigender Deutlichkeit hörte er das röchelnde Geräusch bei jedem mühsamen Atemzug. Dann spürte er eine warme Flüssigkeit aus seinen Mundwinkeln laufen, schmeckte deren süßen Geschmack auf seiner Zunge. Als er wieder ausatmete, merkte er, wie ihm dabei das Blut in den Mund lief und zu Boden troff. Jetzt war es wirklich vorbei! Die Schmerzen würden endlich ein Ende haben! Mit ersterbenden Augen starrte er noch ein letztes Mal zu der Statue und ihrem verlockenden Stab. Der Basilisk wirkte nun nicht mehr schadenfroh und der Lindwurm blickte Tardos nur vorwurfsvoll und verständnislos an. Das hatte der Traum sagen wollen! In seinem letzten Gedanken verstand Tardos nun endlich die Bedeutung des Traumes: Er hätte seine Hand nicht zurückziehen dürfen!!!
 

© Dragonsoul Lianth
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