Das neue Bündnis von D. C. Niele

Stöhnend griff sich Merak an die rechte Schläfe. In seinem Kopf hämmerte ein unvorstellbarer Schmerz.
Was war passiert? Er setzte sich vorsichtig auf und versuchte seine Erinnerungen zu ordnen.
Am Morgen hatten er und sein Vater sich auf den Weg gemacht um zu jagen, aber was war dann passiert...? Er wusste es nicht mehr.
Beim Gedanken an seinen Vater fing Merak an seine Umgebung näher zu untersuchen.
Er sah sich um und stellte fest, dass er sich in einem unterirdischen Verlies befinden musste, da die Wände aus einer Mischung fester Erde und Gesteinsbrocken bestanden. Eine große Tür war in der Mitte der Zellenwand eingelassen.
Außer ihm war niemand hier und auch der Gang vor seiner Zelle war verlassen, wie er durch ein kleines Gitterfenster in der Tür sehen konnte.
Er rüttelte an dem Griff, aber nichts passierte.
Panik stieg in ihm auf, er merkte wie seine Finger zitterten und seine Knie nachgaben, so ließ er sich neben der Tür zu Boden sinken und vergrub das Gesicht in den Händen.
Vor etwa drei Zyklen* war er zusammen mit seinen Eltern Tonil und Amila und seiner kleinen Schwester Fina in das Welnoktal gezogen. Eigentlich wohnten dort nur Zwerge, aber die schlechte Arbeitssituation in den großen Menschenstädten ließ Tonil keine Wahl.
Wenn er weiterhin seine Familie versorgen wollte, dann musste er jede Arbeit annehmen, die er bekam. Und so nahm er das Angebot eines Zwerges an in dessen Silbermine zu arbeiten.
Es war eine harte Arbeit in den engen Stollen, aber er arbeitete gut. Die Zwerge waren zufrieden und legten ein wenig ihres Misstrauens ab.
Und dann kam dieser Tag, als Merak und sein Vater zur Jagd aufbrachen.
Sie packten ihre Bögen und Köcher mit Pfeilen in den Wagen und fuhren los. Merak war in diesem Jahr 16 geworden und durfte seinen Vater endlich auf der Jagd begleiten, während Fina, die erst acht Jahre alt war, mit der Mutter daheim alles vorbereitete um die erlegten Tiere zu verarbeiten.
Sie fuhren eine Weile durch den Wald, als sich vor ihnen eine Lichtung öffnete, auf der Tonil anhielt.
Er horchte und blickte sich nervös um. Dann hörte auch Merak etwas, ein Geräusch wie splitternde Äste.
Der Boden erzitterte merklich und noch bevor Tonil den Wagen wenden konnte, zerbarsten die Bäume auf der linken Seite und etwas Riesiges bahnte sich seinen Weg auf die Lichtung.
Er griff nach seinem Bogen und zerrte einen Pfeil aus dem Köcher, doch bevor er diesen abschießen konnte, traf ihn eine große Faust und schleuderte ihn vom Wagen.
Merak saß da wie gelähmt und blickte in das Furchterregende Gesicht eines... Trolls!

Mit einem Schrei sprang Merak auf... er erinnerte sich nun an alles... sein Vater, lebte er noch?
War er hier? Tausend Fragen explodierten in seinem schmerzenden Schädel, während er sich mit den Handflächen die Stirn hielt.
Ein großer hässlicher Waldtroll hatte ihn hierher verschleppt, warum, das war ihm nicht ganz klar, aber wahrscheinlich war der Troll auch auf der Jagd gewesen und er war ihm zur Beute geworden.
Während Merak noch nachdachte, was er nun tun sollte, merkte er nicht, wie sich etwas im anderen dunklen Teil der Zelle bewegte. Etwas schlich sich, dicht an die Wand gepresst, an ihn heran. Nur etwa ein halber Meter trennten die beiden noch voneinander, als plötzlich donnernde Schritte auf dem Gang zu hören waren.
Merak schnellte herum und starrte in das schmutzige Gesicht eines Elfen, der ihn misstrauisch  ansah.
"Schnell", zischte der Elf, "komm mit." Mit diesen Worten rannte er zurück in den dunklen Teil der Zelle und deutete Merak an ihm zu folgen.
Draußen auf dem Gang waren die Schritte nun verstummt und das Klirren von Schlüsseln drang in die Zelle.
Merak schaute zur Tür und wieder zum Elfen.
Dann rannte er los, der Elf fuchtelte erregt mit den Händen, die Tür öffnete sich langsam, Merak hatte den Elfen fast erreicht, nur noch wenige Schritte und dann - stolperte er und fiel der Länge nach hin...
Zwei Trolle betraten den Raum...
Sie unterhielten sich und bemerkten Merak nicht sofort. Das nutzte der Elf aus; er packte ihn am Arm und zog ihn zu sich. Die Trolle hörten das schleifende Geräusch, als Merak über den Boden gezogen wurde und schauten herüber, aber im gleichen Augenblick warf der Elf seinen Mantel über sich und Merak und sie pressten sich an die Wand.
Merak hatte schon von den Fähigkeiten der Elfen gehört, von ihrer Eleganz und ihrer Überlegenheit, aber er war noch nie einem begegnet. Es hieß, die Elfen würden in den Bergwäldern leben und wenn sie es nicht wollten, dann könne sie niemand entdecken. Auch dieser Mantel musste solch eine Funktion haben, denn die Trolle liefen ganz aufgeregt vor ihnen herum und brüllten. Scheinbar konnten die Biester sie nicht sehen, waren sie unsichtbar?
Oder passte der Mantel sich nur an die Umgebung an?
Und doch mussten sie aufpassen, dass die Trolle sie nicht in ihrer Aufregung niedertrampelten. Die Trolle begannen die Wände abzutasten um eventuelle Fluchttunnel zu entdecken.
Sie kamen immer näher, von rechts und von links. Dabei gaben sie in der Mitte einen geeigneten Fluchtweg frei, der direkt zur halbgeöffneten Tür führte.
Aber würden sie schnell genug sein, bevor die Trolle ihren Schreck überwunden hätten, und  würden die Kreaturen sich überhaupt erschrecken?
Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit, die tastenden Pranken kamen immer näher.
Merak sah zu dem Elfen, dieser musterte durch einen Schlitz im Stoff die beiden Trolle. Er bemerkte, wie sich die zarte Hand des Elfen um einen kleinen Stein schloss. Was hatte er vor?
Merak hielt die Luft an, bestimmt wollte er die Trolle in eine andere Richtung locken. Der Elf schob die Hand unter dem Umhang hindurch und mit einer schnellen Bewegung schleuderte er den Stein ... an den Kopf des rechten Trolls. Merak riss die Augen vor Schreck weit auf und sah den Elfen an, der weiterhin die Trolle im Auge behielt.
Der getroffene Troll brüllte und wirbelte mit einer Geschwindigkeit herum, die Merak ihm nie und nimmer zugetraut hätte. Er sah sich um und als er niemanden entdecken konnte, außer seinen Kameraden, verfinsterte sich seine Miene und er hieb dem anderen Troll mit der Faust auf den Hinterkopf. Dieser taumelte nach vorne und prallte gegen die Wand. Erdbrocken fielen von der Decke hinab. Die beiden Trolle begannen miteinander zu ringen und das war die große Chance zu entkommen, die einzige Chance.
Merak und der Elf sprangen auf und flitzten durch die kämpfenden Giganten hindurch, die keinerlei Notiz von ihnen nahmen.
Merak folgte dem Elfen durch die Tür, dann bogen sie in den nächsten Gang rechts ab, scheinbar ohne zu wissen, welcher Weg der richtige war. Aber der Elf lief, als kenne er den Weg.
"Bleib stehen", rief Merak, "wo laufen wir denn hin?"
Der Elf blieb kurz stehen und sah Merak verständnislos an.
"Folge mir, ich finde den Ausgang, ich rieche den Wald...!" Mit diesen Worten sprang er wieder los und Merak versuchte ihm zu folgen, aber der Abstand zwischen den beiden vergrößerte sich zunehmend.
Merak blieb keuchend stehen, er versuchte dem Elf hinterher zu rufen, aber seine Stimme versagte.
Nun war er alleine und es war unheimlich still. Was sollte er tun? Sollte er alleine nach seinem Vater suchen? Was, wenn dieser gar nicht mehr am Leben war? Bei dem Gedanken lief ihm ein Schauer über den Rücken.
Schließlich ging er weiter, den endlosen Gang entlang.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sich durch die breiten Tunnel schlich.
Er trat in den nächsten Gang, in dem sich mehrere Türen befanden.
Er ging näher heran, als er Stimmen hörte. Es waren keine dröhnenden Trollstimmen, sondern hohe kratzige Stimmen, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließen. Eine Tür war nur angelehnt und Merak konnte einen Blick in einen großen Raum erhaschen.
Einige kleine gebückte Gestalten mit schuppiger Haut und scharfen Klauen arbeiteten an breiten Tischen, aber Merak konnte nicht genau erkennen, was sie taten und wer sie waren, da sie alle am Tisch mit dem Rücken zu ihm standen. Solche Kreaturen hatte er noch nie gesehen, dann wurde sein Blick durch eine Bewegung und seltsame Geräusche über ihm abgelenkt.
Er sah hoch und ein Schrei wollte seiner Kehle entweichen, aber stattdessen gab er nur ein gurgelndes Geräusch von sich, während sich seine Augen weit öffneten.
An der Decke hingen unzählige Körper, alle waren in schmutzige Leintücher gewickelt und dann verschnürt. Einige waren scheinbar tot, aber andere bewegten sich noch und gaben seltsame dumpfe Töne von sich.
Nun konnte Merak auch erkennen, was die kleinen Kreaturen an dem Tisch machten.
Sie zerteilten die Körper und trennten das Fleisch von den Knochen.
Merak war hier in ein widerwärtiges Schlachthaus geraten und wollte nur noch weg.
Als er sich gerade umdrehen wollte um weiter nach seinem Vater zu suchen, kam ihm ein schrecklicher Gedanke...!
Was wäre denn, wenn sein Vater ebenfalls dort im Raum unter der Decke hing oder vielleicht sogar schon...!
Er konnte den Gedanken nicht zu Ende denken, so sehr erschrak er bei der Vorstellung, sein Vater sei von Trollen verspeist worden.
Merak hielt sich an der feuchten Wand fest, er atmete schwer und ein leichter Schwindel umgab ihn, aber auch ein anderes Gefühl überkam ihn... unbändiger Hass!
Hass auf diese widerwärtigen Kreaturen, Hass auf ihre kleinen Helfer und Hass auf den Elfen, der ihn hier zurückgelassen hatte.
Sein Blick verfinsterte sich immer mehr, während er sich nach einer Waffe umsah.
Er erblickte in einer Nische, wenige Meter weiter im Gang, einige Tonsplitter, wohl kaputtes Geschirr.
Zwei große Scherben hob Merak auf und umklammerte sie so fest, dass seine Handflächen zu bluten begannen, aber er spürte den Schmerz nicht.
Er schlich sich langsam zu der offenen Tür zurück und blickte hinein. Die Kreaturen begannen gerade damit einen neuen Körper von der Decke zu lassen, indem sie eins von vielen Seilen, die an der Wand befestigt waren, lösten und den zappelnden Leintuchsack nicht unbedingt sanft herunterließen. Sie rissen ein Loch in das Tuch und zerrten einen Mann heraus, der mit vor Angst hervorquellenden Augen um sich schlug.
Jetzt konnte Merak erkennen, dass die Opfer auch alle geknebelt waren und als der Knebel entfernt wurde, wusste er auch warum.
Der Mann schrie und flehte die Kreaturen an ihn zu verschonen, aber diese lachten nur höhnisch und stimmten einen kreischenden Singsang an, während sie ihn auf den Tisch schmissen:

"Egal ob lebend oder tot,
dich gibt’s heut zum Abendbrot!

Dein’ Frau und Kinder werden schmecken,
sie werden gleich morgen nach dir verrecken.

Menschen, Elfen, Zwerge, Feen
werden schon gar balde sehn,
wer die wahren Herrscher sind
und dann weiß es jedes Kind,
dass die Trolle und dergleichen
niemals von der Erde weichen,
sondern wieder herrschen werden
unter und auch über Erden!"

Merak wusste nicht, ob dieses grässliche Gedicht noch mehr Verse hatte, aber am heutigen Tage sollte das auch niemand mehr erfahren, denn der stolze Redner brach mit einer großen Tonscherbe im Rücken in sich zusammen.
Die anderen Kreaturen schrieen auf und funkelten Merak aus ihren kleinen hässlichen Augen böse an.
Merak hielt die zweite Scherbe in die Höhe, während er sich eines der Fleischermesser vom Tisch griff.
Einer war tot, aber ihm gegenüber standen nun noch vier andere dieser hässlichen schuppigen Biester, die sich langsam um ihn verteilten um ihn von mehreren Seiten anzugreifen.
Der erste Angriff kam von rechts, doch Merak konnte diesen schnell beenden, indem er die zweite Scherbe in die Richtung des Angreifers schleuderte. Das Biest wurde von der Wucht des Aufpralls zurückgeschleudert, schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf und rührte sich nicht mehr.
Die restlichen drei waren nun vorsichtiger geworden und scheinbar gar nicht mehr so siegessicher.
Plötzlich machte Merak einen Schritt nach vorne und hieb mit dem langen Fleischermesser zu. Die Biester schrieen erschrocken auf und sprangen zurück, aber der Menschenjunge schien niemanden getroffen zu haben.
Doch dann sackte die Kreatur vor Merak mit aufgerissenen Augen in die Knie und fiel nach vorne.
Der Kopf der Bestie rollte auf seine Artgenossen zu, die nun, da sie nur noch zu zweit waren, den Mut verloren und wild kreischend durcheinander liefen.
Merak nutzte die Aufregung und stürzte sich auf die Kreaturen.
Einige Messerhiebe später lag eins der Biester blutend am Boden, während der zweite versuchte den Tisch mit den Messern zu erreichen.
Doch bevor er dort ankam, durchzog ein Surren den Raum und ein anderes Messer traf ihn und warf ihn zu Boden. Merak sah sich verdutzt um, denn das Messer, das die Kreatur getötet hatte, war anders als die klobigen Fleischermesser, es hatte einen weißen schlanken Griff.

In der Tür stand der Elf.
Er war nicht mehr schmutzig, sondern wunderschön und sauber. Ein grüner Umhang bedeckte seine weiße Kleidung, die ein helles Licht ausstrahlte und diesem tristen Raum eine gewisse Wärme verlieh.
Sie wechselten nicht viele Worte, der Elf half ihm schnell, die übrigen Körper von der Decke zu lösen.
Hastig zerschnitt Merak einige Leintücher und legte Menschen, aber auch Elfen frei - alle lebten!
Scheinbar verzehrten die Trolle ihre Nahrung gerne frisch, daher wuchs die Hoffnung in Merak, dass auch sein Vater noch am Leben sein könnte.
Er zerschnitt weitere Tücher und - fand seinen Vater. Er gab kein Lebenszeichen von sich, aber er atmete schwach.
Meraks Herz machte einen Satz vor Freude, aber gleichzeitig wusste er, dass sie hier erst noch herausfinden mussten.
Er sah zu den Elfen, die sich nun alle um Meraks Zellengenossen versammelt hatten. Sie winkten den Menschen ihnen zu folgen und diesmal eilten sie nicht so schnell davon. Zwei kräftige Elfen hatten eine Trage gefertigt, auf der Sie Meraks Vater trugen.
Sie kamen recht weit, ohne dass ihnen jemand begegnete, doch dann hörten sie von vorne lautes Gebrüll.
Als sie um die nächste Ecke bogen, konnten sie einen schwachen Lichtschein wahrnehmen, das musste der Ausgang sein, aber woher kam dieses Gebrüll?
Doch die Elfen schienen den Grund zu kennen und erhöhten das Tempo.
Sie eilten weiter und erreichten schließlich wirklich den Ausgang, wo sich ihnen ein grausames Bild bot.
Auf einem Felsvorsprung sah Merak etwa zwei Dutzend Elfenkrieger, die eine Pfeilsalve nach der anderen auf die heranstürmenden Trolle niedergehen ließen. Die Kreaturen stürmten auf den Vorsprung zu, aber die Elfen waren mit ihren Bögen klar im Vorteil und so fielen die Trolle einer nach dem anderen. Merak und die anderen konnten gefahrlos entkommen, während die Bogenschützen den letzten Troll niederstreckten.
Sie rannten in den Wald, auf einer Lichtung trafen sie auf die Schützen und gemeinsam eilten sie weiter, bis sie aus dem Wald herauskamen.
Ringsherum waren Felder und Wiesen; Merak atmete zum ersten Mal richtig auf und genoss die wohlriechende Luft.
Dort trennten sich die Menschen von den Elfen und kehrten in ihre Dörfer zurück.
Nur Merak und Tonil durften die Elfen begleiten, wegen der scheinbar schweren Verletzung des Vaters.
Die Elfen legten die Handflächen wie Trichter an die Münder und erzeugten einen hellen Ton, der wie Pfiff und Ruf gleichermaßen klang. Im selben Augenblick kam eine Herde weißer Pferde über einen nahen Hügel galoppiert und hielt auf die Gruppe zu.
Es waren Elfenpferde, für jeden eines und Merak durfte bei seinem Zellengenossen mit reiten, während sein Vater in einen kleinen Wagen gelegt wurde, den eines der Pferde zog.
Es schien, als hätten die Elfen schon gewusst, dass sie heute einen Verletzten transportieren müssten.
Meraks Bewunderung für diese eleganten Geschöpfe stieg und er fragte sich, welche Macht wohl hinter dem Geheimnis der Perfektion der Elfen stand.
Sie ritten eine Weile, bevor sie dann vor einem Wald stoppten. Merak wurden die Augen verbunden, dann ging es weiter.
Die Elfen waren ein starkes und majestätisches Volk, aber ihr Vertrauen gegenüber anderen Völkern war nicht sehr groß, daher fühlte Merak sich geehrt, dass sie die Heimstätte der Elfen sehen durften.
Merak kam es vor wie eine Ewigkeit, als sie endlich anhielten und abstiegen. Sie lösten die Augenbinden und Merak stockte der Atem.
Er befand sich in einer Burg aus purem Gold, jedenfalls kam es ihm im ersten Moment so vor. Hohe Festungsmauern umragten den Innenhof, in dem sie gehalten hatten, und auf den Zinnen und Türmen standen ungewöhnlich viele Bogenschützen.
Ein großer kräftiger Elf kam eine Treppe hinunter und hielt genau auf die Ankömmlinge zu. Er begrüßte jeden der Gefangenen freudig mit einer Umarmung und stand dann vor Merak. Lächelnd beugte er sich hinab und sah den Jungen mit seinen strahlendblauen Augen an. Merak konnte dem Blick nicht standhalten und sah zu Boden, aber der Elf legte einen Finger unter sein Kinn und hob es wieder an.
"Leg Deine Scheu ab, hier seid ihr willkommen", sagte der Elf und richtete sich wieder auf.
"Mein Name ist Ethaniel, ich bin der Heerführer der Elfen des Nordwalds. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich meine Brüder vielleicht nie wieder gesehen."
Er deutete auf die Gruppe von Elfen, die Merak und der andere Elf befreit hatten.
Im Hintergrund konnte Merak sehen, dass sein Vater in die Burg getragen wurde. Ethaniel hatte seinen Blick bemerkt und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
"Es wird sich gut um ihn gekümmert, mache dir keine Sorgen!"
Sie gingen ebenfalls in das Gebäude und dann in einen großen Saal, wo Merak ein festliches Mahl erwartete. Er war so ausgehungert, dass er all seine Scheu ablegte und kräftig zulangte.
Als er sich satt und zufrieden zurücklehnte, kam Ethaniel zurück und setzte sich ihm gegenüber.
Er sah ihn eindringlich an und sagte: "Es macht mich traurig, dass ihr in einer solch dunklen Zeit unsere Hallen betretet. All das Musizieren und die Feste wurden untersagt, bis die Bedrohung zerschlagen ist. Diese Hallen strahlen nicht mehr."
Betrübt ließ er den Blick durch die Halle schweifen.
Merak wollte ihm gerade widersprechen und ihm sagen, wie wunderschön er alles hier empfand, als ein Horn ertönte und im nächsten Augenblick erzitterte die Feste in seinen Grundmauern. Alle sprangen auf und eilten zum Ausgang, während Ethaniel den erschrockenen Merak packte und ihn durch einen anderen Gang führte, der sie genau auf die Zinnen brachte.
Als Merak von dort oben hinabsah, wurde er bleich und verlor kurzzeitig das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, sah er Ethaniel auf den Zinnen stehen und einen Pfeil nach dem anderen in die Tiefe schicken.
Er stand auf und blickte erneut über die Zinnen.
Dort unten stand eine riesige Trollarmee mit Rüstungen und Waffen, außerdem hatten sie noch Katapulte und Rammböcke dabei.
Einer dieser Rammböcke stieß in diesem Moment an das Tor und Merak wurde von der Erschütterung zu Boden gerissen. Die Elfen allerdings standen fest und trotzten den bebenden Steinen.
In diesem Moment wurden die Katapulte abgefeuert und riesige Felsbrocken flogen auf die Zinnen zu. Ethaniel wich dem Brocken geschickt aus, während zwei andere Elfen nicht soviel Glück hatten und von einem Felsen weggeschleudert wurden.
Einer der Brocken traf das Tor und fügte diesem einen breiten Riss zu, allerdings immer noch zu klein für einen Troll.
Da ertönte ein weiteres Horn und plötzlich zogen sich die Trolle zurück.
Sie verschwanden im angrenzenden Wald und bald war von ihnen nichts mehr zu hören.
Die Elfen begannen sofort mit den Reparaturen, keiner schien sich zu wundern über den plötzlichen Rückzug der Trolle. Merak fragte Ethaniel nach dem Grund und dieser antwortete:
"Wir wissen nicht, warum sie sich zurückzogen, aber wir wissen, dass sie wiederkommen werden und wir werden sie erwarten."
Mit diesen Worten eilte er die Treppen hinunter zum Innenhof und erteilte Anweisungen. Plötzlich öffnete sich ein kleineres Tor auf der Rückseite der Burg und einige Reiter kamen hinein. Sie wirkten aufgeregt - das sah man bei Elfen wirklich selten.
Merak eilte auch hinab um nachzusehen, als er Ethaniels finstere Miene sah, wusste er, dass es durchweg schlechte Neuigkeiten waren.
"Was ist passiert?" fragte Merak und sah den Heerführer fragend an.
"Die Trolle überrennen das Land", antwortete dieser, "sie haben schon etliche Menschendörfer im Osten und Westen zerstört und nun sind sie auf dem Weg nach Norden zu uns. Deshalb sind die Trolle abgerückt, um sich der Armee anzuschließen."
"Meine Mutter und meine Schwester sind auch dort draußen im Welnoktal!" Merak fühlte wie ihm schlecht wurde als er diese Worte sprach. Der Gedanke daran seine Mutter und Fina in den Fängen der Trolle zu sehen ließ ihn würgen.
Ethaniel legte ihm eine Hand auf die Schulter und rief dann:
"Sendet Boten aus zu allen Verbündeten und warnt die Menschen in den Dörfern, besonders im Welnoktal! Wir werden uns dieser Armee auf den Helldornfeldern entgegenstellen. Bereitet alles zum Verlassen der Burg vor."
Merak sah erstaunt und erleichtert auf. Alles würde gut werden.

Am nächsten Morgen waren alle Elfen frühzeitig abreisefertig und schon bald machte sich eine große Reiterkette auf den Weg zu den Helldornfeldern.
Sie ritten schon einen halben Tag dahin, als sich zwei weitere Elfensippen dem Heer anschlossen, und als sie schließlich die Felder erreichten, war das Heer auf etwa 5000 Elfen angewachsen.
Vom Feind war noch nichts zu sehen, von weiteren Verbündeten ebenso wenig. Am nächsten Morgen wurde Merak durch mehrere Hornstöße geweckt. Er sprang auf und rannte aus dem Zelt. Von vorne kam eine große Armee auf sie zu. Den Anführer erkannte Merak, es war einer der Männer, den er aus dem Leinensack geschnitten hatte. Er führte die Menschen des Nordens und bot den Elfen seine Hilfe an.
Ethaniel freute dieses Angebot sehr und so wuchs die Armee um 1300 Männer.
Doch diese Armee von 6300 Menschen und Elfen war der Trollarmee immer noch um ein Vielfaches unterlegen. Den Spähern zufolge kamen ungefähr 15000 Trolle auf sie zu und würden in etwa drei Stunden eintreffen.
Schon nach zwei Stunden wurde eine Staubwolke am Horizont sichtbar. Ethaniel rief alle Kämpfer auf das Schlachtfeld und begann:
"Bei Erinor! Lasst uns heute in die Schlacht ziehen! Vielleicht ist dies die letzte Schlacht der Elfen, vielleicht wird das Dunkle das Land überfluten. Aber wir werden alles Erdenkliche tun um unser Land, das wir uns mit den Menschen und all den Anderen teilen, zu schützen! Heute entscheidet sich das Los über die Zukunft dieses Landes, über Tag oder Nacht über Gut oder Böse. Heute werden Helden geboren, lasst uns die Kreaturen in die Dunkelheit zurücktreiben, der sie entstiegen sind!

Kämpft Elfen, Kämpft Menschen. Kämpft!"

Mit diesem Ausruf preschte Ethaniel los, auf die sehr nah gekommene Armee der Trolle zu. Er zog sein Schwert und verschwand in den Reihen der Kreaturen. Mit lautem Gebrüll stürzten die Elfen und Menschen Seite an Seite auf die Übermacht zu, wohl wissend, dass dies wohl ihre letzte Schlacht sein würde.
Die Armeen prallten aufeinander und ein entsetzliches Gemetzel begann. Schwerter blitzen auf und riesige Keulen dezimierten die Reiter.
Ethaniel wich geschickt einer Trollkeule aus und hieb im Gegenzug dem Angreifer mit seinem Schwert die Hand ab, die Keule flog im hohen Bogen davon und traf einen anderen Troll, der sofort zu Boden ging.
Die Bogenschützen ließen wahre Pfeilhagel in die Menge fliegen, aber sie trafen nur den Feind, eine weitere Kunst der Elfen.
Plötzlich mitten im Getümmel ertönten weitere Hörner, von beiden Seiten brandeten kleine Zwergenarmeen in die Schlacht hinein und fällten die Trolle mit ihren Äxten.
"Denkt ihr wirklich, wir lassen euch allen Ruhm?" brüllte einer der Zwerge und grinste Ethaniel breit an, bevor er einem weiteren Troll in die breiten Füße hieb.
Gegen die kleinen Zwerge waren die Trolle machtlos, da sie zu klein und flink waren und schon bald war das Heer des Guten in der Überzahl und die Trolle begannen zu fliehen. Ethaniel und sein Heer setzten ihnen nach und ließen keinen am Leben, das Land war damit von einer großen Plage befreit. Alle Trollhöhlen wurden ausgebrannt und auch die letzten verbliebenen Trolle samt ihren kleinen Gehilfen kamen dabei ums Leben. Das Land blühte auf, alle Völker setzten sich zusammen und schlossen ein Bündnis, das ein Leben lang halten sollte.
Meraks Familie lebte nun Seite an Seite mit den Elfen, Merak und Fina wuchsen heran und lernten von den Elfen. Merak erlernte das Kämpfen, während seine Schwester sich für die Heilkunst begeisterte. Doch keiner der beiden ahnte, wie bald Sie ihre neuen Fähigkeiten 
einsetzen mussten, aber das ist eine andere Geschichte.


* ein Zyklus = 35 Tage
 

© D. C. Niele
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