Tag 247 der Belagerung des Sturmbergs hatte
neben anhaltenden Schnee- und Regenfällen keinen weiteren Angriff
des Schwarzen Eises gebracht. Wenn man von dem üblichen Austausch
einiger Pfeile absah, war es fast zu ruhig gewesen heute.
Mendrias Weithimmel, Sturmreiter der Naldar
und kommandierender Feldherr der Schlacht am Sturmberg, hatte diese Nacht
das erste Mal seit langem wieder halbwegs durchgeschlafen. Die Lage war
ernst und sie würde es bleiben, der erste Ring der Feste war gefallen,
doch der zweite, der weit über dem ersten in den blanken Fels geschlagen
worden war, hielt bisher allen Angriffen stand.
Es war schon beeindruckend, dass die Naldar
einst eine solche Festung in den Berg getrieben hatten, der sich nun allen
Anstrengungen der Feinde erwehrte, weitere Treppen, Stiege oder gar Tunnel
zu erschaffen. Auch die Versorgung der Truppen, die sonst ein großer
Aufwand gewesen wäre, stellte durch das Portal und die Güter,
die so transportiert werden konnten, kein Problem dar. Lange hatte die
Portalhalle offen gestanden, erst als die Naldar erkennen mussten, dass
die Verfehmten auch ihren heiligen Sturmberg bedrohten, hatten sie ein
Tor vor der Halle angebracht, das nur ein wahrer Held der Naldar würde
öffnen können, sobald es verschlossen war. Noch spie das Portal
einen unablässigen Strom aus Nachschub, Waffen, Kriegern und natürlich
Priesterinnen aus, auch in diesen düsteren Stunden im kalten Regen.
Ein Pfeil, der nur wenige Meter neben ihm
an der Felswand abprallte, riss ihn aus seinen Gedanken in die Gegenwart
des Kampfes zurück. Er hatte hier andere Aufgaben, er hatte die Feste
zu halten.
"Agiras, zu mir!"
Seine Schildwache hatte sich in einen Vorsprung
zwischen die Felsen zurückgezogen um nicht im kalten Wind stehen zu
müssen, nun kam er hervor. Mendrias überragte ihn um fast zwei
Köpfe, doch hatte er schon in einigen Situationen erfahren können,
wie schnell und geschickt sein Begleiter war, und um bei der Wahrheit zu
bleiben er hatte ihn manches mal um diese schmale, kleinere Statur beneidet,
besonders wenn sie gemeinsam auf ihren Greifen flogen.
"Sieh zu, dass du mir alle zur Lagebesprechung
zusammenholst, ruhiger wird´s wohl nicht mehr!"
Während Agiras aufbrach, schweifte Mendrias
Blick über die besetzte Stadt am Sturmberg Tin Naldar unter ihm. Der
Schmerz, den ihm als Sturmreiter aus militärischer Sicht der Anblick
der großenteils zerstörten Stadt in seinem Herzen auslöste,
wurde nur von der Erinnerung an sein eigenes Haus und seine Kindheit dort
unten übertroffen. Teile der einst stolzen Stadt brannten und die
meisten der feingliedrig gebauten Türme, die einst der Stadt ihren
Charakter verliehen hatten, waren eingestürzt. Das Schwarze Eis hatte
nicht nur die großen Plätze mit ihren Belagerungsmaschinen besetzt,
sondern auch ganze Wohnviertel zu diesem Zweck gebrandschatzt und niedergerissen.
Diesen Anblick würde sein Herz nie vergessen.
Quinn Sambuca war der erste, der zur Lagebesprechung
den kleinen Kommandoraum betrat, Mendrias kannte ihn bisher nur von einer
Meldung, die ihm vor ein paar Tagen zugetragen worden war. Quinn schien
demnach nicht der Mutigste zu sein, er melde sich nicht freiwillig, Mendrias
gab nicht viel auf solche Gerüchte, aber die Meldung seines Offiziers
war eindeutig gewesen. Er war also als Stellvertreter seines Offiziers
hier erschienen und würde Mendrias` Entscheidungen zur Torwache der
Portalhalle übertragen.
Nach und nach kamen die Offiziere der verschiedenen
Gefechtsabschnitte hinzu und schließlich berat auch Agiras wieder
den Raum.
Die Besprechung war der Ruhe entsprechend
kurz, der zweite Ring hielt an allen Abschnitten und die Zahl der Feinde
war überwältigend, das Heer aber zur Handlungsunfähigkeit
verdammt solange der Berg sich, mit Aeris Hilfe, gegen jeden Versuch der
Erstürmung wehrte. Die Stimmung im kleinen Raum war dennoch angespannt,
seit der erste Ring nach der Erstürmung durch die Verfehmten gefallen
war, hatten seine Offiziere einen guten Teil ihrer Loyalität gegen
wachsames Misstrauen getauscht. Mendrias konnte es ihnen nicht verdenken,
sie hatten alle Verwandte und Freunde in Tin Naldar verloren. Er hatte
der Hohen Nyame Mari´n de vo Canar persönlich seinen Posten
angeboten, doch sie hatte fast brüsk abgelehnt und ihn zurück
auf die Feste geschickt.
"Sie haben einen Auftrag, sie werden uns Tin
Naldar und den Sturmberg halten, das Portal hat höchste Priorität,
es darf nie in die Hände der Verfehmten fallen! Die Übermacht,
die Tin Naldar überschwemmt hat, wird am Fuß ihrer Feste zerschellen!
Vivat Aeris!"
Tag 365, die Schlacht hatte am Morgen dieses
Tages vor genau einem Jahr begonnen. Boten hatten von einem Heer berichtet,
doch was vor den Toren Tin Naldars auftauchte, war nicht als geordnetes
Heer zu erkennen, dafür waren diese Massen an Raks und Gerät,
die in das schmale Tal vor der Stadt strömten, einfach zu groß
gewesen. Dieser Morgen sollte ähnlich schreckliche Bilder für
sie alle bringen. Geweckt wurden sie von ohrenbetäubendem Lärm,
der aus der Stadt unter ihnen schallte.
Mit einem Ruck stand Mendrias Weithimmel von
seinem Lager auf und eilte an die Schießscharte, die sich an der
gegenüberliegenden Wand befand. Zuerst konnte er die Quelle des Lärms
nicht erkennen, da er nahe der steilen Felswand nach einem neuen Versuch
Ausschau gehalten hatte diese zu erklimmen oder zu beschädigen. Doch
dann sah er nahe der Mauer des ersten Rings die aufsteigenden Staubwolken.
Es dauerte eine Weile, bis er verstand, was dort unten vor sich ging.
Die Raks und wohl auch einige ihrer Anführer
waren dabei, mit allen zu Verfügung stehenden Mitteln jedes einzelne
Gebäude der Stadt unter ihm in einen Haufen Schutt zu verwandeln.
Sie ließen keinen Stein auf dem anderen und langsam, ganz langsam
bewegte sich die Linie von Staub und Zerstörung von der Stadtmauer
weg auf die Festung zu.
Wutschreie seiner Soldaten wurden laut, doch
ein paar abgeschossene Pfeile reichten kaum ein Viertel der Distanz bis
zu ihren Reihen. Ohnmächtig mussten sie alle, Stunde um Stunde, dem
grausigen Schauspiel beiwohnen, in dem selbst die Tempel Aeris nicht verschont
blieben.
Tag 402 der Belagerung, unten im Tal außerhalb
der Trümmer konnte man an einigen Bäumen das erste Grün
des Frühlings erspähen, doch dieser Frühling würde
ihnen keine Hoffnung bringen. An allen Fronten dieses unbarmherzigen Krieges
schienen die Verfehmten Elemente unheilige Erfolge zu feiern, keiner würde
den Naldar hier am Sturmberg zur Hilfe kommen. Noch stand die Verbindung
über die Portale, doch auch auf den jeweils anderen Seiten sah die
Lage nicht viel besser aus als bei ihm hier auf dem Berg.
Mendrias hatte gebetet, wie er es häufig
getan hatte in diesem letzten Jahr, nein schon weit über ein Jahr
nun. Gerade als er aufstehen wollte, stürmte Quinn Sambuca herein
und machte Meldung:
"Sturmreiter, ich sehe es als meine Pflicht
an ihnen eine schlechte Nachricht zu überbringen", setzte er an. "Ich
komme mit dieser Information direkt zu ihnen, bisher weiß sonst niemand
davon. Während meiner Wachen habe ich viel Zeit gehabt, die beeindruckende
Mechanik dieser riesigen Tore zu bestaunen. Heute nun ist mir eine kleine
aber wichtige Veränderung aufgefallen. Eine der Angeln, die das Tor
halten, scheint manipuliert worden zu sein. Ein Bauteil wurde entnommen
und falsch herum eingesetzt, so dass das Tor, wenn es jetzt geschlossen
würde, mit seiner eigenen Kraft gleichzeitig auf und zu drücken
würde. Die Folge wäre wohl, dass die Mechanik zerstört und
das Tor nicht mehr zu schließen wäre!"
"Ich kann nur hoffen, Soldat, dass diese Anschuldigung
kein Hirngespinst ist, denn das bedeutet, wir müssen einen Verräter
in unseren Reihen haben!" brüllte Mendrias.
"Oder es ist dem Feind gelungen, was wir immer
befürchtet haben...", sagte Quinn, der langsam wieder zu Atem kam.
"Davor möge uns Aeris beschützen!
Geht nun und schweigt, wie ihr es bisher getan habt, zu anderen darüber,
ich werde mich sofort in den Tempel begeben und mit den Dienerinnen sprechen.
Diese Lage ist nicht nur eine militärische!" schnaubte Medrias. "Und
wenn ihr Recht habt, was Aeris verhüten möge, so wird euch ein
Platz in der Geschichte sicher sein". Mendrias schnappte sich seinen Mantel
und rannte dann an Quinn vorbei Richtung Tempelanlage.
Dort angekommen stellte sich ihm eine junge
Novizin in den Weg: "Ihr wünscht?"
Mendrias hielt inne und musste sich beherrschen
sie nicht anzufahren, doch auch ihr gebührte der Respekt. "Ich bin
Mendrias, Sturmreiter der Festung, lasst mich zu eurer Herrin, ich muss
Glaina Wolkenspiel sprechen!"
"Das geht nicht, Mari´n de vo Canar
ist bei ihr!"
"Um so besser", sagte er, als er sich dann
schließlich doch fast unhöflich an ihr vorbei schob, "es geht
sie genau so an und ist von höchster Wichtigkeit! Wo finde ich die
beiden?"
Die Novizin las in seinem Gesichtsausdruck,
dann verdunkelte sich ihre Miene. "Eilt euch, sie sind im inneren Gebetsraum
des großen Tempels, ich sehe die Besorgnis in euren Augen!"
In der Kammer neben der Hohen Nyame und Galina
standen noch drei weitere Vestalinnen, alle schienen schockiert und die
Stimmung war zum zerreißen angespannt. Mendrias betrat den Raum und
verneigte sich, doch zunächst nahm keine der Frauen Notiz von ihm,
sie sprachen einfach weiter.
"...das Portal, muss bewacht werden...", "...die
Leere greift nach..." war, was er aufschnappen konnte.
Dann blickte ihn Mari´n de vo Canar
an, auch sie zeigte nach kurzem Erstaunen den skeptischen Gesichtsausdruck
der Novizin. "Ihr bringt wieder schlechte Neuigkeiten? Doch lasst mich
zunächst die unseren erläutern." Die anderen Stimmen verstummten
und die Aufmerksamkeit galt plötzlich nur noch den beiden. "Es scheint,
dass es der Leere gelungen ist Zugang zu den Portalen zu erlangen, einige
Wege des Netzwerks führen die Geister der Reisenden an einen Ort ohne
Wiederkehr, ihre Seelen, möge Aeris ihnen trotzdem gnädig sein,
sind für immer verloren! Das Portal im Sturmberg muss überwacht
werden, bisher scheint es noch nicht betroffen, doch wenn weitere Portale
fallen, ist auch dieses bedroht!" erklärte sie. "Der Zustand der Tore
lässt sich an den Kristallen ablesen, soviel scheint bisher bekannt,
verfärben sie sich, so führt der Weg in die Irre! Das unsere
zeigt noch keine Veränderung, aber wir müssen uns darauf gefasst
machen, unsere Verbindung zu den übrigen unseres Volkes zu verlieren."
Mendrias` erschrockener Blick ließ sie
innehalten. "Der Nachschub wird uns abgeschnitten! Die Feste wird keine
Woche überstehen ohne ihn! Und wenn der Feind Truppen über das
Portalnetzwerk schickt, ist sie nicht zu halten", sagte er entsetzt. "Doch
es kommt noch schlimmer! Ich habe Hinweise, dass es den Verfehmten gelungen
sein könnte, das Tor des Portalraums zu sabotieren! Hier kann ich
für niemands Sicherheit mehr garantieren! Ein Einfall durch das Portal
käme ohne jede Vorwarnung!"
"Ich werde mit meinen Dienerinnen diese Feste
verlassen, und zwar mit unseren verbliebenen Greifen, hier können
Wir nichts weiter ausrichten, in der Schlacht um die anderen Städte
der Naldar aber wird unsere Hilfe gebraucht. Haltet die Feste solange es
möglich ist, versucht das sabotierte Tor in Stand zu setzten und verschließt
es endgültig, wenn es sein muss! Erweist euch eurer Hüterschaft
würdig und kämpft bis zum letzten Mann."
Ein lauter Greifenruf zerfetzte die Stille,
die sich nach diesen Worten über alle gelegt hatte. Sie griffen an!
Raks stürmten durch das Portal, während die Dienerinnen zu den
Greifenunterständen rannten. Die ersten Soldaten fielen schon unter
den Schwertern der Angreifer.
Mendrias sprintete aus dem Tempel zurück
zum Durchgang zu den vorderen Zinnen der Feste, hier an diesem Engpass
war die beste, nein die einzige Chance diesem Feind etwas entgegenzusetzen.
Befehle schreiend rannte er weiter, bis er an seinem Kommandoposten angekommen
war, dort nahm er seine Waffe und seinen Rundschild auf und hastete zu
der Engstelle zurück, an der sich bereits fast alle seiner Soldaten
versammelt hatten. 700 Kämpferinnen und Kämpfer, bewaffnet, gerüstet
und erfahren, standen ihm zur Verfügung, keine schlechte Truppe, dachte
er, doch gegen diesen Feind?
Die Raks hatten den Portalraum genommen, doch
noch hatten sie ihn nicht verlassen und Mendrias konnte am Himmel die Geifen
davonjagen sehen, die ihre Priesterinnen davontrugen. Aeris möge sie
beschützen. Dann wurde ihm klar, was das Fehlen der Greifen bedeutete,
sie waren um eine ihrer mächtigsten Waffen gebracht, auch wenn diese
hier oben in der Feste vielleicht nicht ihre volle Wirkung hätte entfalten
können, sie hätte die Raks zu mehr Vorsicht gezwungen! Die Kinder
Aeris am Boden gefesselt, er musste sich etwas einfallen lassen!
Zwischen ihnen und dem Portal lag nur der
Tempel und der würde ihnen ohne die Dienerinnen dort auch nicht viel
bringen, er würde ihn den Verfehmten überlassen müssen,
dafür den Vorteil einer schmalen Front gewinnen, die sogar mit Bogenschützen
von den oberen Wehrgängen zu schützen war. Ein Kampf ohne Wiederkehr
im Tempel des Sturmbergs, jeder gefallene Naldar würde in einem Tempel
weit entfernt von diesem Ort durch Eliars Gabe zu den Lebenden zurückfinden
und ihm hier bitter fehlen!
Er weihte seine Offiziere in den Plan ein
und sah an ihren finsteren Mienen, dass sie wohl verstanden hatten, dass
dies die einzige Chance auf Rettung war. Den Durchgang halten und die Raks
in die Portalhalle zurücktreiben, um das Tor zu schließen, so
konnten sie vielleicht von Greifen aus ihrer Festung, die dann ihr Gefängnis
wäre, gerettet werden.
So brach die Nacht herein, die zunächst
keine Änderung der Fronten brachte, da die Raks vorerst keinen Ausfall
zum Tempel wagten.
Tag 403, der Angriff erfolgte kurz nach Mitternacht,
ein Schwarm der SchwarzBlauen stürmte vor und erreichte unter dem
Feuer der Bogenschützen den Tempel. Heulende Vivat Aeris-Rufe erschollen
und wurden von anderen Naldar aufgegriffen, sie sollten nicht mehr enden
bis zu Sieg oder Niederlage. Ein zweiter Schwarm stürmte vor, doch
dieser wurde von den bereitstehenden Bogenschützen fast vollständig
niedergestreckt, soweit schien die Taktik also aufzugehen. Die anderen
Raks blieben außer Reichweite der Pfeile in der Öffnung des
großen Tores.
Einige Stunden später in der Nacht stürmten
wieder zwei der geordneten Schwärme in Richtung des Tempels, auch
unter ihnen gab es Verluste, doch ihre Zahl würde mit dem ersten Schwarm
im Tempel zusammen schon einen ersten Angriff auf den Engpass erlauben,
schätzte Mendrias.
Auch damit sollte er in dieser Schlacht recht
behalten. Der Ansturm war hart, doch der Vorteil, den die Preisgabe des
Tempels gebracht hatte, zahlte sich aus, nicht nur, dass die Reihen der
Naldar hielten, sie hatten auch kaum Verluste. Im "Schatten" des Angriffs
aber hatten die Verfehmten mehr Einheiten in den Tempel vorschieben können.
Früher oder später würden sie einfach durch ihre schiere
Überzahl den Platz zwischen Tempel und Tor einnehmen und den Durchgang
überrennen.
Er wandte sich an seine Offiziere und befahl
für den nächsten Angriff den Bogenschützen auf die nachrückenden
Schwärme statt auf die Angreifenden zu feuern. So würden die
Schwertkämpfer es zwar schwerer haben, aber ein weiteres Nachrücken
konnte er für seinen Plan nicht zulassen.
Wie schon vorher erfolgte das Nachrücken
zeitgleich mit dem Angriff. Da diesmal die Bogenschützen aber die
Schwerkämpfer nicht unterstützten, wurden sie in den Engpass
zurückgedrängt, konnten ihn aber wieder erobern und die Raks
starben in großer Zahl unter ihren Klingen. Ein Teil der Angreifer
wich in den Tempel zurück, so dass dort nun eine kleinere Anzahl Verfehmter
Deckung gefunden hatte.
Genau auf diesen Augenblick hatte Mendrias
gewartet und befahl den Ausfall, während er selbst die kleine Wendeltreppe
von seinem Aussichtsposten hinunterrannte, um sich ihnen anzuschließen.
Die etwa 600 verbliebenen Naldar stürmten
den Vorplatz des Tempels und in Richtung des Tores, aus dem ihnen nun eine
Armee der Verfehmten entgegen kam. Auf etwa zwei Dritteln der Strecke zum
Tor krachten die Reihen ineinander und ein wütendes Gemetzel begann.
Auch die Verfehmten, die sich zum Tempel zurückgezogen hatten, eröffneten
schnell eine zweite Front, doch damit hatte Mendrias gerechnet.
Sie hatten nur diese eine Chance und die wollte
er sich nicht nehmen lassen, dachte er grimmig, während er nach vorne
sprintete. Da stellte sich ihm ein versprengter Sharun in den Weg, dessen
Raks wohl an der Tempelflanke hängen geblieben waren. Drohend das
Schwert erhoben wartete er ab, bis Mendrias nah genug herangekommen war,
um ihn zu stellen und schlug in einer geraden Bewegung abwärts zu.
Mendrias sprang vorwärts an ihm vorbei, rollte ab und konnte den zweiten
Schlag mit seinem Schild parieren. Als der Sharun ein weiteres Mal ausholte,
konnte er seine Klinge mit ihm in die Höhe reißen und als seine
heruntersauste ihr einen kurzen Schlag mit der flachen Seite seines Schwertes
verpassen, so dass sie an ihm vorbei ins Leere schlug. Er selbst nutze
die Bewegung, um die Spitze des Schwertes genau unter dem Helmriemen in
den Hals des Gegners zu stoßen.
Es war ein Röcheln zu hören, als
er sein Schwert zurückzog, doch er achtete nicht weiter auf ihn und
setzte seinen Weg zum Tor hin fort. Mit kurzen Befehlen konnte er gerade
noch verhindern, dass sie sofort umfasst wurden, auch die Reihe der Raks
war noch nicht fest geschlossen. Sie mussten zum Tor, es war ihre einzige
Möglichkeit und so trieb er sie an. "VIVAT..."
AERIS schallte es zurück.
"VIVAT..."
AERIS.
"VIVAT..."
AERIS.
Sie standen schon fast in der Öffnung
des Tores, als eine neuerliche Welle Raks sie zurückdrängte.
Er sah die Mannen um ihn fallen und wusste, es blieb nicht mehr viel Zeit,
da tauchte das blutverschmierte Gesicht Quinns vor ihm auf und zeigte schreiend
auf eine der Torangeln, doch sein Schrei ging im Schlachtenlärm unter.
Mendrias bedeutete ihm sich hinter ihn zu
stellen. Dann übergab er dem nächsten Windreiter das Kommando
und suchte schnell eine kleine schlagkräftige Truppe zusammen. Auch
Agiras, seine Schildwache, stieß noch hinzu, als er gerade Befehl
geben wollte. Ein kurzes Lächeln glitt über ihre Gesichter, so
hatten sie schon die Schlacht um den ersten Ring lebend überstanden.
"Wir müssen es schaffen, dass Quinn hier
die Angel des Tores erreichen kann, sie wurde sabotiert und er kann sie
wieder herstellen, nur so können wir das Tor schließen und die
Schlacht beenden. Denn es wird den Raks nicht gelingen es wieder zu öffnen,
sie haben weder Are Da-Sien noch fähige Sturmreiter sie zu fliegen,
und ohne diese beiden zusammen wird das Tor verschlossen bleiben!" Er suchte
kurz Quinns Blick, denn er wusste, dass er mit dessen Fähigkeiten
wohl übertrieben hatte, doch der sah ihn gerade heraus an und nickte
nur stumm.
Mendrias und seine Schlidwache voran und Quinn
knapp dahinter bildeten sie einen Keil und rannten dann mit aller Macht
in die Reihen der Raks, die sie noch von dem Flügel des Tores trennten.
Die kaum 30 Mann entfalteten eine solche Wucht, dass sie bis zur Schwelle
durchkamen und zu beiden Seiten des Keils sich fallende Raks in ihre Essens
auflösten. Am Tor angekommen hoben sie Quinn auf Agrias` Schild und
hieften ihn so bis unter die obere Angel des Tores.
"Für meinen ungeborenen Sohn", rief er
und zog sich an dem Arm des Mechanismus hoch. Er hing nun mit den Beinen
die Konstruktion des Mechanismus umschlossen kopfüber an der Angel.
Pfeile schlugen rings um ihn ein, doch er ließ sich nicht beirren
und löste die Bolzen, die den verdrehten Teil des Mechanismus hielten,
als er ihn gelöst hatte, traf ihn ein Pfeil in die Wade und er wäre
beinahe abgerutscht. Mit schmerzverzerrtem Gesicht drückte er sich
mit dem Rücken gegen das Tor, um sich beim Einsetzen besseren Halt
zu verschaffen.
Unter ihm wurde die Zahl der Verteidiger seiner
Position immer kleiner, wütend stürmten die Raks auf das Häuflein
ein.
Auch die Hauptmacht der Naldar hatte keinen
guten Stand und war inzwischen vollständig umschlossen, trotzdem war
es ihr gelungen den Weg zum geheimen Hauptschalter des Mechanismus nahe
des anderen Flügels des Tores zu erreichen.
Quinn hakte den ersten Bolzen wieder ein und
als er den Arm des Mechanismus auf der zweiten Seite wieder eingesetzt
hatte, traf ihn ein weiterer Pfeil unterhalb der Rippen in die Brust. Er
hustete und krampfte sich mit den Beinen an der Angel fest, doch der Sicherungbolzen
fiel ihm aus der Hand und schon bald konnte auch er selbst sich nicht mehr
halten und fiel tot zwischen die Kämpfer unter ihm, die seine Position
gehalten hatten.
Mendrias und Agiras gaben das vereinbarte
Zeichen und die Naldar am anderen Flügel betätigten den Schalter.
Langsam und mit enormer Kraft drängten die Flügel des Tores zusammen,
wer im Weg stand, wurde einfach mit fortgewischt. Der Arm über ihnen
knirschte unter dem enormen Druck, doch die Verbindung schien zu halten.
Mendrias und Agiras drängten zur Mitte,
um noch durch das Tor zu gelangen, doch auch ihnen war Quinns Schicksal
bestimmt, unter der Übermacht hunderter Raks wurden sie niedergemacht.
Die verbleibenden Naldar konnten die Raks daran hindern den Flügeln
des Tores etwas in den Weg zu stellen.
Das geteilte Heer der BlauSchwarzen außerhalb
des Portalraums war ihnen weder über- noch unterlegen und die Kämpfe
setzten sich noch über Stunden fort. Greifenreiter wurden ausgeschickt
nach Überlebenden zu suchen, doch sie fanden weder Raks noch Naldar.
Die Sturmberg war gesichert, der Portalraum verschlossen, auch wenn die
Verfehmten Zugang hatten, es würde ihnen nichts nutzen.
Tag 404. Ich bin wohl der einzige Überlebende,
ich war in der Gruppe um Mendrias und Quinn, doch konnte ich mich an der
Wand entlang bis zum Portal hindurchmogeln. Ich bin nicht stolz darauf,
doch bin ich stolz von meinen ruhmreichen Brüdern erzählen zu
können. Denn ich bin der einzige, der entkam, keiner der Krieger ist
in einem Tempel durch Eliars Gabe wiedererstanden.
Denn die Seelen haben nur wenig Zeit auf ihrer
Reise und alle Tempel in weitem Umkreis des Sturmbergs waren von den Verfehmten
geschändet und die Priesterinnen vertrieben worden. Ich hatte die
grausame Ehre, Mari´n de vo Canar Bericht zu erstatten, doch die
hat mich nicht gestraft, sie hat uns, die für sie den Sturmberg retteten,
ihre Kinder genannt: Hadschin Marien!
Auch Mari´n de vo Canar starb kurze Zeit
später in der Schlacht, mit ihr endete das große Zeitalter der
Naldar und nur der Weltenbrand verhinderte den Sieg der Verfehmten!
© Mnaeel
Ibn H´aan Naldarir
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