Auf verlorenem Posten von Mnaeel Ibn H´aan Naldarir

Tag 247 der Belagerung des Sturmbergs hatte neben anhaltenden Schnee- und Regenfällen keinen weiteren Angriff des Schwarzen Eises gebracht. Wenn man von dem üblichen Austausch einiger Pfeile absah, war es fast zu ruhig gewesen heute.
Mendrias Weithimmel, Sturmreiter der Naldar und kommandierender Feldherr der Schlacht am Sturmberg, hatte diese Nacht das erste Mal seit langem wieder halbwegs durchgeschlafen. Die Lage war ernst und sie würde es bleiben, der erste Ring der Feste war gefallen, doch der zweite, der weit über dem ersten in den blanken Fels geschlagen worden war, hielt bisher allen Angriffen stand.
Es war schon beeindruckend, dass die Naldar einst eine solche Festung in den Berg getrieben hatten, der sich nun allen Anstrengungen der Feinde erwehrte, weitere Treppen, Stiege oder gar Tunnel zu erschaffen. Auch die Versorgung der Truppen, die sonst ein großer Aufwand gewesen wäre, stellte durch das Portal und die Güter, die so transportiert werden konnten, kein Problem dar. Lange hatte die Portalhalle offen gestanden, erst als die Naldar erkennen mussten, dass die Verfehmten auch ihren heiligen Sturmberg bedrohten, hatten sie ein Tor vor der Halle angebracht, das nur ein wahrer Held der Naldar würde öffnen können, sobald es verschlossen war. Noch spie das Portal einen unablässigen Strom aus Nachschub, Waffen, Kriegern und natürlich Priesterinnen aus, auch in diesen düsteren Stunden im kalten Regen.
Ein Pfeil, der nur wenige Meter neben ihm an der Felswand abprallte, riss ihn aus seinen Gedanken in die Gegenwart des Kampfes zurück. Er hatte hier andere Aufgaben, er hatte die Feste zu halten.
"Agiras, zu mir!"
Seine Schildwache hatte sich in einen Vorsprung zwischen die Felsen zurückgezogen um nicht im kalten Wind stehen zu müssen, nun kam er hervor. Mendrias überragte ihn um fast zwei Köpfe, doch hatte er schon in einigen Situationen erfahren können, wie schnell und geschickt sein Begleiter war, und um bei der Wahrheit zu bleiben er hatte ihn manches mal um diese schmale, kleinere Statur beneidet, besonders wenn sie gemeinsam auf ihren Greifen flogen.
"Sieh zu, dass du mir alle zur Lagebesprechung zusammenholst, ruhiger wird´s wohl nicht mehr!"
Während Agiras aufbrach, schweifte Mendrias Blick über die besetzte Stadt am Sturmberg Tin Naldar unter ihm. Der Schmerz, den ihm als Sturmreiter aus militärischer Sicht der Anblick der großenteils zerstörten Stadt in seinem Herzen auslöste, wurde nur von der Erinnerung an sein eigenes Haus und seine Kindheit dort unten übertroffen. Teile der einst stolzen Stadt brannten und die meisten der feingliedrig gebauten Türme, die einst der Stadt ihren Charakter verliehen hatten, waren eingestürzt. Das Schwarze Eis hatte nicht nur die großen Plätze mit ihren Belagerungsmaschinen besetzt, sondern auch ganze Wohnviertel zu diesem Zweck gebrandschatzt und niedergerissen. Diesen Anblick würde sein Herz nie vergessen.
Quinn Sambuca war der erste, der zur Lagebesprechung den kleinen Kommandoraum betrat, Mendrias kannte ihn bisher nur von einer Meldung, die ihm vor ein paar Tagen zugetragen worden war. Quinn schien demnach nicht der Mutigste zu sein, er melde sich nicht freiwillig, Mendrias gab nicht viel auf solche Gerüchte, aber die Meldung seines Offiziers war eindeutig gewesen. Er war also als Stellvertreter seines Offiziers hier erschienen und würde Mendrias` Entscheidungen zur Torwache der Portalhalle übertragen.
Nach und nach kamen die Offiziere der verschiedenen Gefechtsabschnitte hinzu und schließlich berat auch Agiras wieder den Raum.
Die Besprechung war der Ruhe entsprechend kurz, der zweite Ring hielt an allen Abschnitten und die Zahl der Feinde war überwältigend, das Heer aber zur Handlungsunfähigkeit verdammt solange der Berg sich, mit Aeris Hilfe, gegen jeden Versuch der Erstürmung wehrte. Die Stimmung im kleinen Raum war dennoch angespannt, seit der erste Ring nach der Erstürmung durch die Verfehmten gefallen war, hatten seine Offiziere einen guten Teil ihrer Loyalität gegen wachsames Misstrauen getauscht. Mendrias konnte es ihnen nicht verdenken, sie hatten alle Verwandte und Freunde in Tin Naldar verloren. Er hatte der Hohen Nyame Mari´n de vo Canar persönlich seinen Posten angeboten, doch sie hatte fast brüsk abgelehnt und ihn zurück auf die Feste geschickt.
"Sie haben einen Auftrag, sie werden uns Tin Naldar und den Sturmberg halten, das Portal hat höchste Priorität, es darf nie in die Hände der Verfehmten fallen! Die Übermacht, die Tin Naldar überschwemmt hat, wird am Fuß ihrer Feste zerschellen! Vivat Aeris!"

Tag 365, die Schlacht hatte am Morgen dieses Tages vor genau einem Jahr begonnen. Boten hatten von einem Heer berichtet, doch was vor den Toren Tin Naldars auftauchte, war nicht als geordnetes Heer zu erkennen, dafür waren diese Massen an Raks und Gerät, die in das schmale Tal vor der Stadt strömten, einfach zu groß gewesen. Dieser Morgen sollte ähnlich schreckliche Bilder für sie alle bringen. Geweckt wurden sie von ohrenbetäubendem Lärm, der aus der Stadt unter ihnen schallte.
Mit einem Ruck stand Mendrias Weithimmel von seinem Lager auf und eilte an die Schießscharte, die sich an der gegenüberliegenden Wand befand. Zuerst konnte er die Quelle des Lärms nicht erkennen, da er nahe der steilen Felswand nach einem neuen Versuch Ausschau gehalten hatte diese zu erklimmen oder zu beschädigen. Doch dann sah er nahe der Mauer des ersten Rings die aufsteigenden Staubwolken. Es dauerte eine Weile, bis er verstand, was dort unten vor sich ging.
Die Raks und wohl auch einige ihrer Anführer waren dabei, mit allen zu Verfügung stehenden Mitteln jedes einzelne Gebäude der Stadt unter ihm in einen Haufen Schutt zu verwandeln. Sie ließen keinen Stein auf dem anderen und langsam, ganz langsam bewegte sich die Linie von Staub und Zerstörung von der Stadtmauer weg auf die Festung zu.
Wutschreie seiner Soldaten wurden laut, doch ein paar abgeschossene Pfeile reichten kaum ein Viertel der Distanz bis zu ihren Reihen. Ohnmächtig mussten sie alle, Stunde um Stunde, dem grausigen Schauspiel beiwohnen, in dem selbst die Tempel Aeris nicht verschont blieben.

Tag 402 der Belagerung, unten im Tal außerhalb der Trümmer konnte man an einigen Bäumen das erste Grün des Frühlings erspähen, doch dieser Frühling würde ihnen keine Hoffnung bringen. An allen Fronten dieses unbarmherzigen Krieges schienen die Verfehmten Elemente unheilige Erfolge zu feiern, keiner würde den Naldar hier am Sturmberg zur Hilfe kommen. Noch stand die Verbindung über die Portale, doch auch auf den jeweils anderen Seiten sah die Lage nicht viel besser aus als bei ihm hier auf dem Berg.
Mendrias hatte gebetet, wie er es häufig getan hatte in diesem letzten Jahr, nein schon weit über ein Jahr nun. Gerade als er aufstehen wollte, stürmte Quinn Sambuca herein und machte Meldung:
"Sturmreiter, ich sehe es als meine Pflicht an ihnen eine schlechte Nachricht zu überbringen", setzte er an. "Ich komme mit dieser Information direkt zu ihnen, bisher weiß sonst niemand davon. Während meiner Wachen habe ich viel Zeit gehabt, die beeindruckende Mechanik dieser riesigen Tore zu bestaunen. Heute nun ist mir eine kleine aber wichtige Veränderung aufgefallen. Eine der Angeln, die das Tor halten, scheint manipuliert worden zu sein. Ein Bauteil wurde entnommen und falsch herum eingesetzt, so dass das Tor, wenn es jetzt geschlossen würde, mit seiner eigenen Kraft gleichzeitig auf und zu drücken würde. Die Folge wäre wohl, dass die Mechanik zerstört und das Tor nicht mehr zu schließen wäre!"
"Ich kann nur hoffen, Soldat, dass diese Anschuldigung kein Hirngespinst ist, denn das bedeutet, wir müssen einen Verräter in unseren Reihen haben!" brüllte Mendrias.
"Oder es ist dem Feind gelungen, was wir immer befürchtet haben...", sagte Quinn, der langsam wieder zu Atem kam.
"Davor möge uns Aeris beschützen! Geht nun und schweigt, wie ihr es bisher getan habt, zu anderen darüber, ich werde mich sofort in den Tempel begeben und mit den Dienerinnen sprechen. Diese Lage ist nicht nur eine militärische!" schnaubte Medrias. "Und wenn ihr Recht habt, was Aeris verhüten möge, so wird euch ein Platz in der Geschichte sicher sein". Mendrias schnappte sich seinen Mantel und rannte dann an Quinn vorbei Richtung Tempelanlage.
Dort angekommen stellte sich ihm eine junge Novizin in den Weg: "Ihr wünscht?"
Mendrias hielt inne und musste sich beherrschen sie nicht anzufahren, doch auch ihr gebührte der Respekt. "Ich bin Mendrias, Sturmreiter der Festung, lasst mich zu eurer Herrin, ich muss Glaina Wolkenspiel sprechen!"
"Das geht nicht, Mari´n de vo Canar ist bei ihr!"
"Um so besser", sagte er, als er sich dann schließlich doch fast unhöflich an ihr vorbei schob, "es geht sie genau so an und ist von höchster Wichtigkeit! Wo finde ich die beiden?"
Die Novizin las in seinem Gesichtsausdruck, dann verdunkelte sich ihre Miene. "Eilt euch, sie sind im inneren Gebetsraum des großen Tempels, ich sehe die Besorgnis in euren Augen!"
In der Kammer neben der Hohen Nyame und Galina standen noch drei weitere Vestalinnen, alle schienen schockiert und die Stimmung war zum zerreißen angespannt. Mendrias betrat den Raum und verneigte sich, doch zunächst nahm keine der Frauen Notiz von ihm, sie sprachen einfach weiter.
"...das Portal, muss bewacht werden...", "...die Leere greift nach..." war, was er aufschnappen konnte.
Dann blickte ihn Mari´n de vo Canar an, auch sie zeigte nach kurzem Erstaunen den skeptischen Gesichtsausdruck der Novizin. "Ihr bringt wieder schlechte Neuigkeiten? Doch lasst mich zunächst die unseren erläutern." Die anderen Stimmen verstummten und die Aufmerksamkeit galt plötzlich nur noch den beiden. "Es scheint, dass es der Leere gelungen ist Zugang zu den Portalen zu erlangen, einige Wege des Netzwerks führen die Geister der Reisenden an einen Ort ohne Wiederkehr, ihre Seelen, möge Aeris ihnen trotzdem gnädig sein, sind für immer verloren! Das Portal im Sturmberg muss überwacht werden, bisher scheint es noch nicht betroffen, doch wenn weitere Portale fallen, ist auch dieses bedroht!" erklärte sie. "Der Zustand der Tore lässt sich an den Kristallen ablesen, soviel scheint bisher bekannt, verfärben sie sich, so führt der Weg in die Irre! Das unsere zeigt noch keine Veränderung, aber wir müssen uns darauf gefasst machen, unsere Verbindung zu den übrigen unseres Volkes zu verlieren."
Mendrias` erschrockener Blick ließ sie innehalten. "Der Nachschub wird uns abgeschnitten! Die Feste wird keine Woche überstehen ohne ihn! Und wenn der Feind Truppen über das Portalnetzwerk schickt, ist sie nicht zu halten", sagte er entsetzt. "Doch es kommt noch schlimmer! Ich habe Hinweise, dass es den Verfehmten gelungen sein könnte, das Tor des Portalraums zu sabotieren! Hier kann ich für niemands Sicherheit mehr garantieren! Ein Einfall durch das Portal käme ohne jede Vorwarnung!"
"Ich werde mit meinen Dienerinnen diese Feste verlassen, und zwar mit unseren verbliebenen Greifen, hier können Wir nichts weiter ausrichten, in der Schlacht um die anderen Städte der Naldar aber wird unsere Hilfe gebraucht. Haltet die Feste solange es möglich ist, versucht das sabotierte Tor in Stand zu setzten und verschließt es endgültig, wenn es sein muss! Erweist euch eurer Hüterschaft würdig und kämpft bis zum letzten Mann."
Ein lauter Greifenruf zerfetzte die Stille, die sich nach diesen Worten über alle gelegt hatte. Sie griffen an! Raks stürmten durch das Portal, während die Dienerinnen zu den Greifenunterständen rannten. Die ersten Soldaten fielen schon unter den Schwertern der Angreifer.
Mendrias sprintete aus dem Tempel zurück zum Durchgang zu den vorderen Zinnen der Feste, hier an diesem Engpass war die beste, nein die einzige Chance diesem Feind etwas entgegenzusetzen. Befehle schreiend rannte er weiter, bis er an seinem Kommandoposten angekommen war, dort nahm er seine Waffe und seinen Rundschild auf und hastete zu der Engstelle zurück, an der sich bereits fast alle seiner Soldaten versammelt hatten. 700 Kämpferinnen und Kämpfer, bewaffnet, gerüstet und erfahren, standen ihm zur Verfügung, keine schlechte Truppe, dachte er, doch gegen diesen Feind?
Die Raks hatten den Portalraum genommen, doch noch hatten sie ihn nicht verlassen und Mendrias konnte am Himmel die Geifen davonjagen sehen, die ihre Priesterinnen davontrugen. Aeris möge sie beschützen. Dann wurde ihm klar, was das Fehlen der Greifen bedeutete, sie waren um eine ihrer mächtigsten Waffen gebracht, auch wenn diese hier oben in der Feste vielleicht nicht ihre volle Wirkung hätte entfalten können, sie hätte die Raks zu mehr Vorsicht gezwungen! Die Kinder Aeris am Boden gefesselt, er musste sich etwas einfallen lassen!
Zwischen ihnen und dem Portal lag nur der Tempel und der würde ihnen ohne die Dienerinnen dort auch nicht viel bringen, er würde ihn den Verfehmten überlassen müssen, dafür den Vorteil einer schmalen Front gewinnen, die sogar mit Bogenschützen von den oberen Wehrgängen zu schützen war. Ein Kampf ohne Wiederkehr im Tempel des Sturmbergs, jeder gefallene Naldar würde in einem Tempel weit entfernt von diesem Ort durch Eliars Gabe zu den Lebenden zurückfinden und ihm hier bitter fehlen!
Er weihte seine Offiziere in den Plan ein und sah an ihren finsteren Mienen, dass sie wohl verstanden hatten, dass dies die einzige Chance auf Rettung war. Den Durchgang halten und die Raks in die Portalhalle zurücktreiben, um das Tor zu schließen, so konnten sie vielleicht von Greifen aus ihrer Festung, die dann ihr Gefängnis wäre, gerettet werden.
So brach die Nacht herein, die zunächst keine Änderung der Fronten brachte, da die Raks vorerst keinen Ausfall zum Tempel wagten.

Tag 403, der Angriff erfolgte kurz nach Mitternacht, ein Schwarm der SchwarzBlauen stürmte vor und erreichte unter dem Feuer der Bogenschützen den Tempel. Heulende Vivat Aeris-Rufe erschollen und wurden von anderen Naldar aufgegriffen, sie sollten nicht mehr enden bis zu Sieg oder Niederlage. Ein zweiter Schwarm stürmte vor, doch dieser wurde von den bereitstehenden Bogenschützen fast vollständig niedergestreckt, soweit schien die Taktik also aufzugehen. Die anderen Raks blieben außer Reichweite der Pfeile in der Öffnung des großen Tores.
Einige Stunden später in der Nacht stürmten wieder zwei der geordneten Schwärme in Richtung des Tempels, auch unter ihnen gab es Verluste, doch ihre Zahl würde mit dem ersten Schwarm im Tempel zusammen schon einen ersten Angriff auf den Engpass erlauben, schätzte Mendrias.
Auch damit sollte er in dieser Schlacht recht behalten. Der Ansturm war hart, doch der Vorteil, den die Preisgabe des Tempels gebracht hatte, zahlte sich aus, nicht nur, dass die Reihen der Naldar hielten, sie hatten auch kaum Verluste. Im "Schatten" des Angriffs aber hatten die Verfehmten mehr Einheiten in den Tempel vorschieben können. Früher oder später würden sie einfach durch ihre schiere Überzahl den Platz zwischen Tempel und Tor einnehmen und den Durchgang überrennen.
Er wandte sich an seine Offiziere und befahl für den nächsten Angriff den Bogenschützen auf die nachrückenden Schwärme statt auf die Angreifenden zu feuern. So würden die Schwertkämpfer es zwar schwerer haben, aber ein weiteres Nachrücken konnte er für seinen Plan nicht zulassen.
Wie schon vorher erfolgte das Nachrücken zeitgleich mit dem Angriff. Da diesmal die Bogenschützen aber die Schwerkämpfer nicht unterstützten, wurden sie in den Engpass zurückgedrängt, konnten ihn aber wieder erobern und die Raks starben in großer Zahl unter ihren Klingen. Ein Teil der Angreifer wich in den Tempel zurück, so dass dort nun eine kleinere Anzahl Verfehmter Deckung gefunden hatte.
Genau auf diesen Augenblick hatte Mendrias gewartet und befahl den Ausfall, während er selbst die kleine Wendeltreppe von seinem Aussichtsposten hinunterrannte, um sich ihnen anzuschließen.
Die etwa 600 verbliebenen Naldar stürmten den Vorplatz des Tempels und in Richtung des Tores, aus dem ihnen nun eine Armee der Verfehmten entgegen kam. Auf etwa zwei Dritteln der Strecke zum Tor krachten die Reihen ineinander und ein wütendes Gemetzel begann. Auch die Verfehmten, die sich zum Tempel zurückgezogen hatten, eröffneten schnell eine zweite Front, doch damit hatte Mendrias gerechnet.
Sie hatten nur diese eine Chance und die wollte er sich nicht nehmen lassen, dachte er grimmig, während er nach vorne sprintete. Da stellte sich ihm ein versprengter Sharun in den Weg, dessen Raks wohl an der Tempelflanke hängen geblieben waren. Drohend das Schwert erhoben wartete er ab, bis Mendrias nah genug herangekommen war, um ihn zu stellen und schlug in einer geraden Bewegung abwärts zu. Mendrias sprang vorwärts an ihm vorbei, rollte ab und konnte den zweiten Schlag mit seinem Schild parieren. Als der Sharun ein weiteres Mal ausholte, konnte er seine Klinge mit ihm in die Höhe reißen und als seine heruntersauste ihr einen kurzen Schlag mit der flachen Seite seines Schwertes verpassen, so dass sie an ihm vorbei ins Leere schlug. Er selbst nutze die Bewegung, um die Spitze des Schwertes genau unter dem Helmriemen in den Hals des Gegners zu stoßen.
Es war ein Röcheln zu hören, als er sein Schwert zurückzog, doch er achtete nicht weiter auf ihn und setzte seinen Weg zum Tor hin fort. Mit kurzen Befehlen konnte er gerade noch verhindern, dass sie sofort umfasst wurden, auch die Reihe der Raks war noch nicht fest geschlossen. Sie mussten zum Tor, es war ihre einzige Möglichkeit und so trieb er sie an. "VIVAT..."
AERIS schallte es zurück.
"VIVAT..."
AERIS.
"VIVAT..."
AERIS.
Sie standen schon fast in der Öffnung des Tores, als eine neuerliche Welle Raks sie zurückdrängte. Er sah die Mannen um ihn fallen und wusste, es blieb nicht mehr viel Zeit, da tauchte das blutverschmierte Gesicht Quinns vor ihm auf und zeigte schreiend auf eine der Torangeln, doch sein Schrei ging im Schlachtenlärm unter.
Mendrias bedeutete ihm sich hinter ihn zu stellen. Dann übergab er dem nächsten Windreiter das Kommando und suchte schnell eine kleine schlagkräftige Truppe zusammen. Auch Agiras, seine Schildwache, stieß noch hinzu, als er gerade Befehl geben wollte. Ein kurzes Lächeln glitt über ihre Gesichter, so hatten sie schon die Schlacht um den ersten Ring lebend überstanden.
"Wir müssen es schaffen, dass Quinn hier die Angel des Tores erreichen kann, sie wurde sabotiert und er kann sie wieder herstellen, nur so können wir das Tor schließen und die Schlacht beenden. Denn es wird den Raks nicht gelingen es wieder zu öffnen, sie haben weder Are Da-Sien noch fähige Sturmreiter sie zu fliegen, und ohne diese beiden zusammen wird das Tor verschlossen bleiben!" Er suchte kurz Quinns Blick, denn er wusste, dass er mit dessen Fähigkeiten wohl übertrieben hatte, doch der sah ihn gerade heraus an und nickte nur stumm.
Mendrias und seine Schlidwache voran und Quinn knapp dahinter bildeten sie einen Keil und rannten dann mit aller Macht in die Reihen der Raks, die sie noch von dem Flügel des Tores trennten. Die kaum 30 Mann entfalteten eine solche Wucht, dass sie bis zur Schwelle durchkamen und zu beiden Seiten des Keils sich fallende Raks in ihre Essens auflösten. Am Tor angekommen hoben sie Quinn auf Agrias` Schild und hieften ihn so bis unter die obere Angel des Tores.
"Für meinen ungeborenen Sohn", rief er und zog sich an dem Arm des Mechanismus hoch. Er hing nun mit den Beinen die Konstruktion des Mechanismus umschlossen kopfüber an der Angel. Pfeile schlugen rings um ihn ein, doch er ließ sich nicht beirren und löste die Bolzen, die den verdrehten Teil des Mechanismus hielten, als er ihn gelöst hatte, traf ihn ein Pfeil in die Wade und er wäre beinahe abgerutscht. Mit schmerzverzerrtem Gesicht drückte er sich mit dem Rücken gegen das Tor, um sich beim Einsetzen besseren Halt zu verschaffen.
Unter ihm wurde die Zahl der Verteidiger seiner Position immer kleiner, wütend stürmten die Raks auf das Häuflein ein.
Auch die Hauptmacht der Naldar hatte keinen guten Stand und war inzwischen vollständig umschlossen, trotzdem war es ihr gelungen den Weg zum geheimen Hauptschalter des Mechanismus nahe des anderen Flügels des Tores zu erreichen.
Quinn hakte den ersten Bolzen wieder ein und als er den Arm des Mechanismus auf der zweiten Seite wieder eingesetzt hatte, traf ihn ein weiterer Pfeil unterhalb der Rippen in die Brust. Er hustete und krampfte sich mit den Beinen an der Angel fest, doch der Sicherungbolzen fiel ihm aus der Hand und schon bald konnte auch er selbst sich nicht mehr halten und fiel tot zwischen die Kämpfer unter ihm, die seine Position gehalten hatten.
Mendrias und Agiras gaben das vereinbarte Zeichen und die Naldar am anderen Flügel betätigten den Schalter. Langsam und mit enormer Kraft drängten die Flügel des Tores zusammen, wer im Weg stand, wurde einfach mit fortgewischt. Der Arm über ihnen knirschte unter dem enormen Druck, doch die Verbindung schien zu halten.
Mendrias und Agiras drängten zur Mitte, um noch durch das Tor zu gelangen, doch auch ihnen war Quinns Schicksal bestimmt, unter der Übermacht hunderter Raks wurden sie niedergemacht. Die verbleibenden Naldar konnten die Raks daran hindern den Flügeln des Tores etwas in den Weg zu stellen.
Das geteilte Heer der BlauSchwarzen außerhalb des Portalraums war ihnen weder über- noch unterlegen und die Kämpfe setzten sich noch über Stunden fort. Greifenreiter wurden ausgeschickt nach Überlebenden zu suchen, doch sie fanden weder Raks noch Naldar. Die Sturmberg war gesichert, der Portalraum verschlossen, auch wenn die Verfehmten Zugang hatten, es würde ihnen nichts nutzen.

Tag 404. Ich bin wohl der einzige Überlebende, ich war in der Gruppe um Mendrias und Quinn, doch konnte ich mich an der Wand entlang bis zum Portal hindurchmogeln. Ich bin nicht stolz darauf, doch bin ich stolz von meinen ruhmreichen Brüdern erzählen zu können. Denn ich bin der einzige, der entkam, keiner der Krieger ist in einem Tempel durch Eliars Gabe wiedererstanden.
Denn die Seelen haben nur wenig Zeit auf ihrer Reise und alle Tempel in weitem Umkreis des Sturmbergs waren von den Verfehmten geschändet und die Priesterinnen vertrieben worden. Ich hatte die grausame Ehre, Mari´n de vo Canar Bericht zu erstatten, doch die hat mich nicht gestraft, sie hat uns, die für sie den Sturmberg retteten, ihre Kinder genannt: Hadschin Marien!

Auch Mari´n de vo Canar starb kurze Zeit später in der Schlacht, mit ihr endete das große Zeitalter der Naldar und nur der Weltenbrand verhinderte den Sieg der Verfehmten!
 

© Mnaeel Ibn H´aan Naldarir
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