Diese Geschichte ist ab 2005 am Drachentaler Wettbewerb leider nicht mehr teilnahmeberechtigt,
da sie in den vorherigen Jahren zu wenig Punkte erhalten hat.
 
Der Weltenmeister von Nirin

Der Morgen schien ihm zu schön, die Sonne schien ihm zu hell und das Gras duftete ihm zu gesund. Der heutige Tag war einer, der das Schicksal dieser Welt herausforderte und die Welt bemerkte dies nicht einmal. Die Natur nahm seinen gewohnten Lauf, vielleicht provozierte sie ihre Gegner geradezu. Das Meer spiegelte die Sonnenstrahlen so schimmernd, wie schon lange nicht mehr und heute Nacht hatte der Mond unnatürlich hell geleuchtet. "Bist du bereit, Ive?", fragte sein Meister ihn. Er nickte. Was sollte er sonst auch anderes tun? Sein Schicksal war schon jetzt besiegelt, er war nicht dazu in der Lage, es zu ändern! 'Dein Tag wird kommen. Und er wird dein letzter auf Erden sein!' Das hatte ihm schon die weise Frau an vor langer, langer Zeit gesagt und seine Eltern hatten es ihm oft wiederholt. Meist hatte er sie daraufhin gefragt, ob sie das so wortwörtlich gesagt hatte, aber immer hatten sie dies bejaht. Schade! Nun ja, jeder hatte in dieser Welt seine Aufgabe, sein Schicksal, seine Vorherbestimmung. Weshalb sollte es bei ihm anders sein? Was machte es schon, dass sein Schicksal der Tod war? Viele waren vor ihm für weniger heldenhaftere Dinge gestorben und hatten sie sich beschwert? Nein! Aber da er auch wusste, dass er sterben würde, hatte er sich auch niemals eine Frau gesucht, hatte niemals Kinder gezeugt und war auch niemals richtig glücklich gewesen. Dafür fehlte ihm einfach der Mut. Er war zu feige, sein Leben aufzugeben, wenn es so schön wäre. Und deshalb hatte er sein Leben in der Gesellschaft von Gelehrten verbracht. Hier hatte er viel gelernt und vielleicht konnte er das in seinem Kampf anwenden. Er wusste, er würde es nicht bestehen, aber vielleicht konnte er so viele Vorteile wie möglich für diese Welt herausschlagen. "Dein Weg liegt in dieser Richtung", wies ihn einer seiner Meister zurecht und zeigte nach Westen. Ja, dort lauerte sein Tod. Fast meinte er schon, ihn zu spüren. "Lebt Wohl, mein Meister", sagte er und ging!

Der Platz, an dem er sein Schicksal erwartete, lag verlassen in einer Bucht des gewaltigen Meeres. Er wusste, hier würde er auf seinen Gegner treffen. Hier würde er warten, bis er auftauchte. Aber er tat es nicht. Der Tag ging vorüber und noch immer erschien die Bucht verlassen. Er fing schon an, an der Weissagung der Frau zu zweifeln, verfluchte diese für sein verdammtes Leben und überschüttete sie mit Vorwürfen. Dann aber, als die Sonne schon fast den Horizont erreicht hatte, fing der Himmel an zu leuchten und plötzlich verstummte jedes andere Geräusch. Nur sein Atem war noch zu hören – und das, seines Gegners. Eine wunderschöne Frau stand vor ihm, eingehüllt in das durchsichtigste Kleid, das er sich vorstellen konnte. 
"Du bist also Tec’am?" fragte sie ihn wohlklingend. 
"Der bin ich!" antwortete er, ohne überhaupt zu wissen, was er da von sich gab. "Ihr habt mich nun endlich gerufen? Es wurde auch Zeit!" sprach er weiter. Ive fühlte sich schwach. Sein Geist fühlte sich an, als sei er in zwei Teile aufgeteilt. Der eine war er: Ive, der andere war dieser, ihm unbekannte Tec’am – und dieser verstand auch, was er sagte. Er jedoch hörte nur die Worte, der Sinn blieb ihm verschlossen. 
"Ich habe lange auf dich gewartet, mein Geliebter!" sagte sie leise. 
"Ich verstehe und das tut mir Leid, aber meine Ausbildung war noch nicht vollendet", sagte sein Tec’am-Teil wieder. Die Frau nickte. Ihr goldenes Haar wehte dabei leicht schimmernd. Es war einfach bezaubernd. Plötzlich verspürte er das unbändige Gefühl, zu verstehen, wer seine Gegnerin war. Angestrengt versuchte er einige Wörter hervorzubringen. "Wer...bist....du?" fragte er, die Zähne fest aufeinandergepresst. Dieser Tec’am verschloss ihm hart seine Gedanken. Nur noch in einem entfernten Teil seines Denkens, spürte er die Präsenz seines Ichs. 
"Wer ich bin, fragst du?" meldete sich die Dame verwundert. "Aber Tec’am, weißt du das etwa nicht? Ich bin Yarea." Sie schien nicht zu verstehen, dass sie mit zwei Wesen sprach, aber Ive war dies erstaunlich deutlich bewusst. 
"Er weiß nicht, was er da redet. Er ist noch zu unbedeutend. Er versteht es noch nicht", sagte er selbst. 
"Dann solltest du es ihm lehren, Liebster! Ihr seid Eins, vergiss das nicht. Auch wenn deine Seele anders ist, als die seine, er ist doch derjenige, der dich führen muss." 
"Ich verstehe und ich werde mich bemühen, dass dies so wird, wie ich es vor langer Zeit gelernt habe." Dann schaute er flehend zu Yarea. "Gehen wir jetzt nach Hause?"
"Ja!" antwortete sie ihm mit einem milden Lächeln. "Wir gehen zu unserem Volk, zu den Weltenmeistern, zu dem Volk, dass kein Volk ist! Und dort wirst du lernen zu verstehen!"
 

© Nirin
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