Drachenjagd
oder: wie alles begann von Pai

Einst lebte eine Prinzessin in einem alten Schloss im Gebirge. Sie war todunglücklich. Ihr Vater, der König, wollte sie mit einem Prinzen verheiraten, den sie überhaupt nicht ausstehen konnte. Da kam ihr eine Idee. Sie schickte einen Boten zu dem Drachen, der hinter dem zweiten Berg lebte. Sie schilderte in einem Brief ihre Situation und bat ihn ihr zur Flucht zu verhelfen. Der Drache, er war noch recht jung, sanftmütig und unerfahren, erklärte sich bereit ihr zu helfen, allerdings müsste sie ihm einen Gefallen tun. Die Prinzessin, in ihrer Not, war zu allem bereit.
So kam eines Nachts der Drache und befreite sie aus ihrem hohen Turm. Doch ihre Flucht blieb nicht unbemerkt. Eine Wache verfolgte das Geschehen und schlug Alarm. Der Drache und die Prinzessin entkamen trotzdem. Der König war außer sich. Er verfluchte den Drachen, der ihm seine Tochter geraubt hatte, und setzte ein Kopfgeld auf dessen Ergreifung aus. 'Tot oder Lebendig' stand unter den Anschlägen zu lesen.
Ritter aus allen Provinzen kamen zur Burg. Sie lockte das Gold, doch das gab niemand zu. Für eine Heldentat haben sie solch eine beschwerliche Reise auf sich genommen, sagten sie stattdessen. Die Ritter zogen los, jeder wollte der erste sein, der das Untier fand, tötete und die Prinzessin zurückbrachte um die Belohnung zu kassieren.
Ein einzelner Ritter fand den Hort recht schnell. Überrascht sah er, wie die Prinzessin zusammen mit dem Drachen auf einer Wiese lag und schlief. Doch die Gier nach dem Gold war stärker als jede Vernunft. Er gab seinem Pferd die Sporen und stürmte auf die Schlafenden zu, das Schwert blitzend zum Schlag erhoben.
Der Drache bekam überhaupt nicht mit, wie ihm geschah. Nur die Prinzessin wurde wach und sah, wie der Ritter den Todesstreich führte. Sie schrie und wurde ohnmächtig. Der Ritter legte die Prinzessin über den Rücken seines Pferdes und verstaute den abgetrennten Kopf des Drachen in einem Sack.
So kehrte er in die Burg zurück und ließ sich feiern. Beim Tafeln musste er immer wieder erzählen, wie er das Untier in einem furchtbaren Kampf um Leben und Tot besiegte. Mit der letzten Kraft, die ihm geblieben sei, habe er dann mit einem glücklichen Schlag das Untier enthauptet. Der Ritter sackte das Gold ein und empfahl sich. Vorher jedoch nahm er sich noch still und heimlich die Prinzessin, beraubte sie ihrer Unschuld und schüchterte sie so dermaßen ein, dass sie niemals die Wahrheit erzählen würde.
Die anderen Ritter waren neidisch und wollten ebenfalls soviel Ruhm und Gold ernten. So fingen erst einzelne von ihnen an Prinzessinnen zu entführen, sie in Drachenhorten abzuliefern, um sie anschließend unter großem Tamm Tamm wieder zu befreien. Sie ernteten das, was sie wollten. Natürlich fand diese Masche rasch viele Nachahmer, und so entstand die Drachenjagd, wobei die Drachen eigentlich die wahren Opfer waren.

Moral: Die Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben. Wie es wirklich war, ist ihr Geheimnis.
 

© Pai
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