Er hasste Nachtwachen. Immer nur rum zu stehen
und durch die finstere Nacht zu starren. Na ja, aber wenigstens war er
jetzt Unterkommandant der Königlichen Armee. Und darauf konnte er
schon ein wenig stolz sein. Aber seltsamerweise trauten sie ihm anscheinend
noch nicht so viel zu. Sie hatten ihn hier her nach Kleinvardel geschickt,
in die Stadt, in der früher der "Zirkel"
seinen Sitz hatte, bis sich herausstellte, dass der Zirkel aus lauter Werwölfen
bestand. Also wurde die königliche Armee ausgeschickt, um für
ein bisschen Ruhe zu sorgen und die Werwölfe aus dem Turm und aus
der Stadt zu vertreiben. Und das war vor zwei Nächten gewesen. Und
jetzt sollte er nur aufpassen, dass die Werwölfe nicht zurückkamen.
Warum sollten sie zurückkommen? Ein großer Teil der königlichen
Armee wartete hier auf sie. Trotzdem hatte die Kommandantin ihm noch einen
richtigen Kommandanten zur Seite gestellt. Ferl war sein Name. Lard schüttelte
den Kopf. Warum vertrauten sie ihm nicht? Glaubten sie etwa, dass er so
ein kleines Dorf nicht alleine verteidigen konnte? Na ja, es war nicht
zu ändern und jetzt musste er also die Wachen für die Nacht aufstellen.
"Seine erste Prüfung" hatte Ferl das genannt und Lard hätte am
liebsten auf seine Schuhe gespuckt. Der Spott in seiner Stimme war kaum
zu überhören gewesen. Lard machte den Wachen deutlich, dass sie
sich auf der Ostseite des Dorfes stellen sollten, da sie da bessere Sicht
über das Land haben. Denn auf der Westseite war nur ein riesiger Wald.
Es wurde immer dunkler und bald konnte Lard
kaum noch die Hand vor Augen sehen. Seufzend machte er sich auf in Richtung
Tor. Nachdem er über einen Ziegelstein stolperte, der lose im Weg
herumlag, nahm er sich eine der Fackeln von der Mauer und machte sich weiter
auf den Weg. Am Tor angekommen lehnte er sich gegen den Torbogen und starrte
hinaus in die Nacht. Ferl hatte er das letzte Mal gesehen, als dieser ihm
den Auftrag zur Nachtwache erteilt hatte. Doch nun glaubte er, die Silhouette
von Ferl auf der Mauer zu sehen. Er starrte wieder in die Nacht und sah
aus der Ferne die Lichter von Rondrana blitzen und blinken. Und dieser
Anblick machte ihn ziemlich dösig...
Lard schreckte hoch, als er einen Schrei vernahm.
Ein paar Sekunden später fiel neben ihm ein Soldat von der Mauer zu
Boden. Ein riesiger Speer
ragte aus seiner Brust. Und plötzlich hörte er auch Ferl rufen:
"Verdammt, sie kommen vom Wald her!"
Lard schreckte auf. Wald? Aber da hatte er
keine Wachen postiert. Wie konnte er nur so blöd sein! Schnell sprang
er auf und hastete auf die Westmauer. Tatsächlich, da kamen sie, aber
es waren nicht nur Werwölfe.
"Was sind das für Menschen?" fragte Ferl
neben ihm. Ja, es waren tatsächlich Menschen, die mit Fackeln, Speeren,
Schwertern und Bögen auf sie zugerannt kamen, gleich neben den Werwölfen.
"Scheint so, als hätten sich die Werwölfe Freunde gesucht..."
sagte Ferl mit einem Unterton, der nichts Gutes verhieß. "Das wird
ein harter Kampf. Wo waren die Wachen, die hier sein sollten?" fragte Ferl,
blickte aber weiter den Feinden entgegen.
Lard wurde rot und sein Gewissen machte ihn
verrückt. "Sie... sind anscheinend nicht auf ihren Posten. Ich werde
sie sofort holen!", und die Lüge versetzte seinem Gewissen noch einen
Stich. Schnell rannte er nach Osten und rief: "Alle Wachen auf die Westmauer!
Wir werden angegriffen!"
Schnell wurde es laut in Kleinvardel. Von
überall hörte Lard Soldaten, die schnellen Schrittes kamen und
er hörte Schwerter, die blank gezogen wurden. Da fiel ihm plötzlich
etwas ein. Dieser Soldat, der von einem Speer getroffen wurde... Der Werfer
musste schon in der Nähe der Stadt sein. Schnell rannte Lard zurück
und reif Ferl zu: "Einer von denen muss schon in der Nähe sein, sei
vorsichtig!"
Ferl winkte nur verächtlich mit der Hand
ab und deutete auf die Leiche eines Mannes, die in dem Dorf neben der Mauer
lag. Lard ging etwas näher ran und erkannte, dass der Mann hauptsächlich
schwarze Kleidung trug und sich ein schwarzes Halstuch um den Hals geschnürt
hatte. Auf diesem war ein Vogel zu sehen, der sich nur schwer von dem Tuch
abhob, da auch er hauptsächlich schwarz war. Nur die Augen leuchteten
rot.
Lange hatte er nicht Zeit dieses Tuch zu bewundern,
da schon bald ein Ruf von Ferl von der Mauer ertönte: "Verdammt, wir
haben vergessen das Tor zu schließen!"
Schnell rannte Lard zu dem Tor hin, in der
Hoffnung vielleicht doch noch seinen Fehler mit den Wachen gut zu machen.
Zwei Soldaten folgten ihm und mit ihrer Hilfe warf er das Tor zu und hob
einen Balken
in die Vorrichtungen vor das Tor. Und das Tor schloss sich in allerletzter
Sekunde. Nur wenige Augenblicke später, krachte etwas mit voller Wucht
gegen das dicke Holztor.
"Die Werwölfe springen
gegen das Tor!" rief Ferl ihnen von der Mauer zu und schon flogen die ersten
Pfeile der Soldaten auf die Werwölfe nieder. "Ducken!" rief Ferl,
und grade noch rechtzeitig, denn ein Pfeilhagel flog über die Mauer
und blieb in den Häusern und im Boden stecken.
Und noch einmal sandten die Soldaten einen
Pfeilhagel hinunter. Lard rannte zur Mauer hinauf und duckte sich gleich
wieder, als ein weiterer Pfeilhagel über sie hinweg flog.
"Sag mal, was ist eigentlich mit der Ostseite?"
fragte Ferl, kurz bevor ein Pfeil aus dem dichte Gedränge von Häusern
hervor geschossen kam und seine Brust durchbohrte.
Lard war wie gelähmt, als er sah wie Ferls
lebloser Körper zusammensank und von der Mauer fiel. Plötzlich
kamen viele Pfeile von den Häusern geflogen und viele Soldaten wurden
von hinten durchbohrt. Und Lard hatte Angst. Er hatte riesige Angst. Schnell
rannte er die Treppe herunter und versteckte sich zwischen den Häusern.
Und dann rannte er weiter. Er wollte hier weg. Bald kam er an der Ostmauer
an. Vier Leitern waren an die Mauer angelehnt und schnell stieg Lard die
Leiter herunter. Und er machte sich schnellen Schrittes auf den Weg nach
Rondrana, um der Kommandantin Dalis Bericht über dieses grausige Ereignis
zu erstatten.
Lard rannte. Er musste sich beeilen.
Die Kommandantin musste es erfahren. Er rannte die Gassen der Stadt entlang,
bog um eine Ecke und wäre fast mit einer Frau zusammengeprallt. "Verzeiht,
im Dienste des Königs!", sagte er nur schnell zu der erschrockenen
Frau und rannte bereits weiter. Da! Endlich kam die Kaserne in Sicht. Er
legte einen kleinen Endspurt hin und blieb kurz vor der Tür stehen.
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und öffnete die Tür.
Es war bereits helllichter Tag gewesen als er endlich in Rondrana angekommen
war. Langsam ging er den großen Platz entlang und steuerte direkt
das Haus von Kommandantin Dalis an.
Überall auf dem Platz sah man Soldaten
trainieren. Bogenschützen schossen auf Zielscheiben und der ein und
andere Schuss flog auch mal gegen die Mauer. Lard hatte die Tür der
Kommandantin erreicht.
Er klopfte zweimal und aus dem Raum sprach
eine Stimme: "Wer da?"
"Hier ist Unterkommandant Lard, Kommandantin!"
Kurz herrschte Stille hinter der Tür,
dann rief die Stimme: "Ah ja, kommt nur herein!"
Lard öffnete die Tür und ging in
das Büro von der Kommandantin. Er setzte sich ihr gegenüber.
"Nun Lard, was habt ihr zu berichten, solltet
ihr nicht eigentlich die Stellung halten in dem Dorf nahe dem Waldrand?"
Die Kommandantin schaute ihn fragend an.
"Ja, ihr habt völlig Recht, eigentlich
sollte ich Stellung halten in Kleinvardel. Nach der Sache mit dem Zirkel
und den Werwölfen kam es zu ziemlichen Turbulenzen in der Stadt. Allerdings
haben wir es geschafft, den "Zirkel" aus der Stadt zu treiben!" Kurz erinnerte
er sich noch mal an den großen Kampf gegen die Werwölfe...
"Ja, aber das weiß ich doch schon! Wieso
habt ihr eure Stellung verlassen?"
Lard wurde nervös. Es war ihm schon immer
peinlich gewesen eine Niederlage einzugestehen. Um ein bisschen Zeit aufzuschieben,
tat er so als müsste er sich noch mal sammeln.
"Nun?", fragte die Kommandantin mit einem
Unterton, der Lard die Zunge löste.
"Wir haben Kleinvardel verloren. Die Werwölfe
kamen zurück! Normalerweise hätten wir sie zwar schlagen können,
doch sie hatten... nun... Verstärkung!"
Die Kommandantin sah ihn streng an. "Ihr habt
das Dorf verloren? Ihr habt es nicht geschafft, dieses Dorf gegen ein paar
Tiere zu verteidigen?"
Lard wich dem Blick der Kommandantin aus und
schaute auf seine Füße.
"Wo ist Ferl?" fragte die Kommandantin nun.
Lard schämte sich dafür, dass Ferl
gestorben war und er überlebt hatte. Und das nur, weil er einen Auftrag
nicht richtig ausgeführt hatte. "Ferl ist in der Schlacht gefallen!
Er wurde von einem Pfeil aus dem Hinterhalt niedergestreckt."
"Wie kommt es, dass einer meiner besten Kommandanten
in der Schlacht fällt und ihr überlebt habt? Am besten, ihr erzählt
mir die Geschichte von Anfang an. Ihr erwähntet Verstärkung für
die Werwölfe. Aber fasst euch kurz. Wenn Kleinvardel nun wieder in
der Hand der Werwölfe ist, werden sie sicher durch ihre Magie bald
den König unter Kontrolle haben. Also, Unterkommandant, redet!"
Und Lard begann zu schildern, was in eben
jener Nacht passiert war...
Nachdem er geendet hatte, schwiegen er und
die Kommandantin lange. Schließlich sprach sie. "Der Verlust von
Ferl ist ein schwerer Schlag gegen uns. Nun haben wir eine große
Lücke in unseren Reihen. Und bald wird auch der König wieder
in der Gewalt der Werwölfe stehen.
Und genau das müssen wir verhindern!
Wir müssen Kleinvardel zurückerobern und endlich diesen vermaledeiten
Turm zerstören! Aber vorher müssen wir mehr über diese "Verbündeten"
der Werwölfe herausfinden. Konntet ihr einen von ihnen aus der Nähe
betrachten?"
Lard schilderte ihr das Aussehen dieser einen
Person, die er von nahem betrachten konnte.
"Hmm schwarze Kleidung... und dieses Halstuch...
Das erinnert mich an etwas. Und es scheinen gerissene, hinterhältige
Schurken zu sein. Wenn sie es sogar schaffen Ferl zu töten...
Lard blickte wieder zu Boden.
"Du wirst zu einem Mann hier in der Stadt
gehen!", sagte Kommandantin Dalis langsam und nachdenklich. "Sag ihm, er
soll dir alles über die Schattenkrähen sagen! Er heißt
Derel Schorlan. Und nun geh!" befahl sie Lard und beugte sich wieder über
eine Karte des Landes.
Lard blieb noch ein paar wenige Sekunden sitzen,
dann erhob er sich und ging wieder hinaus in das sonnige Wetter. Er überquerte
den Trainingsplatz und ging in Richtung Stadtverwaltung. Auf dem Weg dorthin
dachte er über seine jetzige Aufgabe nach. Schattenkrähen? Was
sollte das sein? War das der Name dieser Bande, die sich dort mit den Werwölfen
verbündet hatte? Und warum hatte sie dies getan?
All diese Fragen stellte er sich auf dem Weg
und als er angekommen war, wusste er noch keine Antwort auf sie. Er fragte
nach der Adresse dieses Derel Schorlan. Ihm wurde gesagt, dass er gleich
neben der Kirche wohne, in der Gerberstraße. Lard stöhnte. Die
Gerberstraße war den ganzen Tag durchzogen von den ekligsten Gerüchen,
da die Gerber nichts anderes machten, als gerben und das den lieben, langen
Tag. Aber er wollte nicht noch mehr Ärger bekommen und daher machte
er sich auf den Weg und als er angekommen war, hielt er einfach so lange
er konnte die Luft an oder hielt sich die Nase zu.
Als er das Haus gefunden hatte, ein schäbiges,
kleines Haus mit Strohdach, klopfte er an und rief: "Hier ist Unterkommandant
Lard! Öffnet! Im Namen der Königlichen Armee!"
Er hörte Schritte hinter der Tür
und sie wurde geöffnet. Ein Mann stand dort, zwar älter als Lard
aber trotzdem noch recht jung, um die dreißig vielleicht. "Ja bitte?
Was soll ich angestellt haben in dieser vermaledeiten Stadt?", fragt er
griesgrämig und blickte Lard mit einem verächtlichen Blick an.
"Neu in der Armee, was?", fragte er, bevor Lard überhaupt sein Anliegen
vorbringen konnte.
"Nun, ja...", sagte er ein wenig leiser, doch
schließlich fasste er Selbstvertrauen und sagte mit Kräftiger
Stimme: "Ich komme im Auftrag von Kommandantin Dalis! Ich habe den Befehl,
von ihnen alles über die "Schattenkrähen" herauszufinden!"
In Derels Gesicht regte sich kurz etwas und
sein Blick wurde finster. "Hab ich es doch gewusst, dass mich meine Vergangenheit
irgendwann einholen wird. Nun gut, kommt rein. Ich hab keine Lust, das
zu besprechen, während die Gerbergerüche mir den Sinn vergiften."
Er öffnete die Tür weit und Lard trat in das sehr spärlich
eingerichtete Haus. Es war nicht viel in dieser Hütte, außer
ein paar sehr stark duftende Blumen. "Die sind gegen den Gestank!", erklärte
Derel, als er Lards Blick folgte. "Also, warum wollt ihr etwas über
die Schattenkrähen wissen?"
"Sie arbeiten mit Werwölfen zusammen,
außerdem haben sie einen der besten Kommandanten der Königlichen
Armee getötet!" Lard setzte sich auf einen Stuhl und Derel tat es
ihm gleich.
"Ja... das sieht ihnen ähnlich... Lass
mich raten: sie haben aus dem Hinterhalt angegriffen und trugen schwarze
Tücher um den Hals, hab ich recht?"
"Ja, völlig richtig!"
Plötzlich sagte Derel etwas, das Lard
nicht erwartet hatte: "Kennst du eigentlich deine Eltern?"
Lard schaute verdutzt in das Gesicht dieses
Mannes. Seine Eltern?
"Nun, nein, ich habe sie nie kennen gelernt,
sie sollen beide bei einem Angriff auf ein Dorf gestorben sein, als ich
noch sehr klein war. Was hat das damit zu tun?" fragte er und setzte hinzu:
"Eigentlich geht euch dies gar nichts an!" Ein wenig ärgerlich schaute
er Derel an, der völlig gelassen, ja sogar ein wenig gelangweilt aussah.
"Es geht mich sehr wohl was an!", sagte er.
"Denn ich kenne die Wahrheit!"
Lard sprang auf. "Was meint ihr damit? Das
IST die Wahrheit!"
Vergnügt lächelte Derel ein bisschen,
wahrscheinlich amüsierte ihn der zornige Ausbruch des Soldaten. "Nun...
ist es nicht... Aber da du wahrscheinlich gar nicht daran interessiert
bist, zu erfahren, was wirklich geschah, werde ich dir einfach nur alles
über die Schattenkrähen sagen, was ich weiß!"
Lard beruhigte sich wieder. Die Wahrheit?
Hieß das, dass man ihn jahrelang angelogen hatte? Das konnte nicht
sein! "Doch, erzählt mir das, was ihr für die Wahrheit haltet!"
Er setzte sich wieder hin, schaute sein Gegenüber auffordernd an.
Der lehnte sich in seinem Stuhl zurück,
fasste in eine leere Blumenvase auf dem Tisch und zog eine Pfeife aus ihr
hervor. Dieser Mann ist wunderlicher als ich dachte, überlegte sich
Lard. Dann zog Derel aus seiner Tasche ein bisschen Tabak hervor, stopfte
es in die Pfeife und nahm einen tiefen Zug. Dann pustete er ein paar Rauchkringel
in die Luft. Lard wurde langsam ungeduldig, als Derel immer noch keine
Anstalten machte, irgendetwas zu erzählen.
"Nun erzählt schon!" sagte er nun ungeduldig
zu Derel.
"Hmm, ist das Interesse jetzt schon richtig
stark geworden, hmm? Nun gut, dann werde ich dir mal erzählen, was
ich weiß. Erstmal das eine vorneweg: Deine Eltern sind nicht gestorben
weil ihr Dorf angegriffen wurde. Eigentlich eher das Gegenteil. Was meinst
du, warum wurdest du so schnell befördert? Wie lange warst du in der
Armee? Ein, zwei Monate würde ich sagen, oder?"
Lard wurde ein bisschen nervös. "Nun
ja, das stimmt, aber die Kommandanten waren einfach von meinen Fähigkeiten
überrascht!"
Derel lachte schallend auf. "Ja natürlich,
sicher... Das glaubst du doch wohl selber nicht, oder? Soll ich dir den
wahren Grund verraten? Damit du nicht auf die... nun ja... "schiefe Bahn"
gerätst wie sie es nennen. Nicht so wie deine Eltern!"
Stille breitete sich in dem Raum aus und nur
der Lärm von der Straße drang durch die morschen Holzwände
des Hauses.
Lard schaute Derel verwirrt an. "Auf die schiefe
Bahn? Was meint ihr damit? Mein Vater war ein stolzer Soldat der königlichen
Armee und meine Mutter war eine Heilerin des Dorfes!"
Derel massierte seine Schläfen. "Oh,
mein Gott, man wird mir wahrscheinlich den Kopf abschlagen, dafür,
dass ich dir das hier erzähle! Aber ich finde, du hast ein Recht darauf,
zu erfahren, wer deine Eltern wirklich waren!" Derel machte eine kurze
Pause, als ob er sich erstmal darauf vorbereiten musste, was er gleich
sagen wollte. "Deine Eltern waren Schattenkrähen!"
Als es heraus war blieb lange ein erdrückendes
Schwiegen über den beiden Männern in dem kleinen Raum.
Doch schließlich sprang Lard auf, zog
sein Schwert und hielt es Derel vor die Kehle, der nicht schell genug reagieren
konnte. "Du verdammter kleiner Lügner! Wie kannst du es wagen, so
von meinen Eltern zu reden? Das wirst du noch bereuen!" Er nahm das Schwert
zurück und schritt mit schweren Schritten auf die Tür zu und
riss sie mit einen harten Ruck auf und der Geruch von den Gerbern strömte
ihm entgegen.
Hinter ihm erhob sich Derel. "Du bist schon
jetzt ein Spielball der Königlichen Armee. Du siehst nur zwei Meter
weit, dich und deinen Ruhm, aber was dahinter ist, willst und kannst du
einfach nicht sehen! Die Absichten des Königs und seiner Armee sind
nicht ganz so ehrenhaft wie du denkst..."
Lard hielt inne. Was sagte er da? Beschuldigte
dieser Mann den König? Ungeheuerlich! Doch irgendwo sagte eine Stimme
in Lards Kopf: Glaubst du etwa, er würde all dies ohne Grund sagen?
Und mal ganz ehrlich... SO gut war er im Kampf auch nicht gewesen, dass
man ihn sofort befördern würde... Er drehte sich um. "Wenn ich
euch zuhören würde, würdet ihr nun endlich alles erzählen
und nicht gleich mit dem unglaubwürdigsten anfangen..."
Derel schüttelte nur den Kopf. "Wenn
ihr das schon für unglaubwürdig haltet, dann geht zu euren Herrschern
und klagt mich sofort an. Denn das, was ich euch danach erzählen würde,
wäre für euch wahrscheinlich noch unglaubwürdiger als alles,
was ihr je gehört habt und doch ist es wahr...."
Lard rang ein wenig mit sich selbst, doch
schließlich siegte seine Neugier. Er schloss die Tür und drehte
sich wieder zu Derel um. "Nun gut, ich werde euch anhören. Doch ich
kann euch nicht versprechen, dass ich euch glauben werde!"
Er ging zurück zu dem Tisch und setzte
sich wieder auf den Stuhl. Derel setzte sich wieder ihm gegenüber
und nahm wieder die Pfeife in die Hand, die er vorher auf den Tisch gelegt
hatte, doch er nahm sie nicht in den Mund. Er machte sie aus und legte
sie wieder behutsam in die Vase. Dann fing er wieder an zu erzählen:
"Gut, dass du mich anhörst! Ich bin sehr
froh, dass für dich noch Hoffnung besteht, nicht gleich dem König
zu verfallen und ihn anzuhimmeln! Nun, wie du vielleicht weißt, betreibt
der König angeblich Tabakhandel mit den umliegenden Ländern.
Doch das ist falsch. In Wahrheit betreibt er Sklavenhandel, die er dann
für sich verwendet. Ganz genau, aus den Steuern, die sein Volk ihm
jährlich zahlt, kauft er sich Sklaven! Nun gab es Einige in der königlichen
Armee, die das nicht als gut empfunden. Der König erzählte dies
sicherlich nur den höherrangigen Offizieren, die meisten Kommandanten,
so auch deine Kommandantin Dalis, wissen wahrscheinlich nichts davon. Aber
nun waren dein Vater und viele seiner Freunde auch höherrangig. Ja,
dein Vater war lange Zeit wirklich Soldat bei der Armee. Doch ihm missfiel
die Art, wie der König die Steuern nutzte. Schließlich hatte
er sogar vor, es allen Bürgern des Reiches zu erzählen. Um dies
zu verhindern, warf der König ihn aus der Armee und machte ihn und
deine Familie zu Vogelfreien. Du warst damals sicherlich erst ein oder
zwei Jahre. Doch es gab viele, die so dachten, wie dein Vater. Mit diesen
traf er sich heimlich draußen vor der Stadt, da er sich in der Stadt
nicht mehr blicken lassen konnte. Und so gründeten sie die Bande der
Schattenkrähen. Von nun an suchten sie immer weiter Mitglieder, heimlich,
und versuchten, es dem König so richtig schwer zu machen. Es gab viele
Angriffe auf Dörfer, und dabei verschwanden immer wieder Leute. Lange
Zeit waren der König und seine Armee ratlos, bis einmal ein Angriff
schief ging und mehrere Schattenkrähen gefasst wurden. Diese wurden
auf die schlimmste Weise gefoltert, doch sie verrieten nichts über
den Standort des Hauptquartiers oder über ihre Mitglieder. Schließlich
wurden sie gehängt und im ganze Land wurde die Nachricht verbreitet,
dass die Schattenkrähen schlimme Banditen seien und Leute entführten.
Dabei schlugen sich die Leute, die verschwanden, auf ihre Seite.
Nun wurden lange Zeit keine Angriffe mehr
ausgeübt, um keine weiteren Mitglieder zu gefährden. Sie wollten
ein wenig warten. Doch es gab einen Verräter. Der Kopf der Bande verriet
seine Schattenkrähen für viel Gold an den König. Manche
Schattenkrähen konnten entkommen, als ihr Lager ausgehoben wurde,
doch deine Eltern und du, der du erst zwei Jahre oder so warst, ihr wurdet
gefasst. Deine Eltern wurden getötet, doch in dich legte man große
Hoffnungen, dass gerade du der Armee beitreten würdest, und ihr helfen
würdest, die Schattenkrähen für immer zu vernichten. Doch
die Angriffe blieben weiterhin aus und so kümmerte sich der König
nicht mehr um die Schattenkrähen. Sie gerieten schnell in Vergessenheit,
darum hast du wahrscheinlich nichts von ihnen gehört. Doch es gibt
sie immer noch. Doch schwer dezimiert, durch den Verrat des Kopfes der
Bande. Wegen diesem Verräter wurden deine Eltern getötet!" Derel
machte eine Pause, damit Lard erstmal all diese Neuigkeiten verarbeiten
konnte.
Schließlich hob Lard den Kopf. "Woher
weißt du das denn alles?"
Derel grinste und kratzte sich am Kinn. "Da
ich hoffe dir vertrauen zu können: Ich bin ein Spion der Schattenkrähen.
Ich arbeite angeblich für den König als Informant über die
Banden dieses Landes... Aber er hat keine Ahnung..." Derel grinste, doch
schnell verflüchtigte sein Grinsen sich wieder. "Seit dem Verrat konnten
wir wieder viele Mitglieder auf unsere Seite ziehen. Doch wir wurden durch
den Verrat des Anführers sehr geschwächt."
Lard senkte den Kopf. Er glaubte Derel. Er
glaubte all das, was er erzählte.
Doch dann sprach Derel wieder: "Sagt
dir vielleicht der Name 'Faft' etwas?"
Lard schüttelte nachdenklich den Kopf,
ohne zu seinem Gegenüber aufzusehen.
"Er war mal der Kopf der Bande."
"War?" Lards Interesse wurde damit schlagartig
wieder geweckt.
"Ja, man sagt, er sei vor einigen Jahren ums
Leben gekommen."
"Wie ist das passiert?"
"Frag lieber: ist das wirklich passiert!"
Lard wunderte sich über diese seltsame
Antwort, also frage er: "Was meint ihr damit?"
"Nun, offiziell sagt der König, er sei
bei einem Unfall ums Leben gekommen. Ein Baum soll auf ihn gestürzt
sein. Völlig lächerlich, aber egal. Wir Schattenkrähen wissen,
dass er noch lebt und versucht möglichst viel über uns herauszufinden.
Daher nehmen wir nicht mehr jeden in unseren Bund auf. Doch dich wird man
sicherlich einlassen! Wenn du willst..."
Nun schwieg Derel nur noch. Um Lard entscheiden
zu lassen. Dieser überlegte lange, ob er es wagen könne, ob es
richtig sei und doch dachte er, seine Eltern konnten nicht so unrecht gehabt
haben.
Schließlich hob er den Kopf und sagte
zu Derel: "Ja, ich denke, ich will euch beitreten! Aber hauptsächlich,
um diesen Faft zu finden und ihm persönlich die Kehle durchzuschneiden."
Glücklich
stand Derel auf und sagte feierlich zu Lard: "Damit willkommen bei den
Schattenkrähen!" Er verneigte sich und sagte zu ihm: "Geh zu deiner
Kommandantin und sag ihr, dass ich gesagt hätte, dass die Bande der
Schattenkrähen nicht mehr existiert und dass du dich getäuscht
haben musst. Danach triff mich draußen vor der Stadt. Ich will dich
den anderen vorstellen" Er zwinkerte ihm zu und öffnete die Tür
für ihn.
Lard trat hinaus auf die Gerberstraße
und als die Tür zufiel, wusste er, dass nun ein völlig neuer
Abschnitt seines Lebens beginnen würde. Nun würde er endlich
mehr über seine Familie herausfinden. Und er konnte sie rächen.
Endlich.
© Andreas
Widenka
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bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
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