Vor dem Sturm von Peter Gura

Bald. Bald schon ist es soweit. Nur noch ein paar Wochen ... wahrscheinlich nicht einmal mehr zwei Monate, wenn meine Berechnungen stimmen. Dann bricht der Sturm los. Und keiner ahnt etwas. Niemand. Aber ich will - nein, ich darf mein Geheimnis nicht länger für mich behalten. Ich habe ohnehin schon viel zu lange geschwiegen. Denn ich allein bin der einzige, der einzige Mensch auf dieser Welt, der die Wahrheit kennt. Die ganze, die bittere Wahrheit. Und dennoch schwanke ich immer noch, ob ich Ihnen überhaupt etwas erzählen soll. Alles erzählen. Ich meine, wirklich alles. Wahrscheinlich wäre es sogar besser, wenn Sie nichts davon erfahren. Das macht das Ganze für Sie einfacher. Sie schlafen ganz sicher ruhiger, wenn Sie nicht ahnen, was auf Sie zukommt. Wenn Sie nicht wissen, was Sie erwartet.
Aber was soll’s? Sie werden mir ohnehin nicht glauben. Niemand wird das.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich selbst jeden als ausgemachten Spinner bezeichnen und zum Teufel jagen, der mit so einer Geschichte zu mir kommt. Oder in die Wüste. A propos Wüste - aber nein, das ist noch zu früh. Ich komme später darauf zurück. Versprochen. Erinnern Sie mich, falls ich es doch vergessen sollte. Glauben Sie eigentlich an Drachen?
Ja, Sie haben ganz richtig gehört: Glauben Sie an Drachen?
Nein, nein, ich meine damit jetzt nicht die zweite Ex-Frau meines Vaters. Wenn ich nur an sie denke, läuft’s mir schon eiskalt den Rücken hinunter. Was für ein Prachtexemplar von einem Hausdrachen! Nein, ich dachte auch nicht an die Zeichentrickdrachen aus Film und Fernsehen wie das Schmunzelmonster Elliott oder die süße, kleine, Feuer speiende Libelle, die dem schlaksigen Vogel ständig die Federn verkohlt. Ich spreche nicht über die Dinosaurier aus Dinotopia oder aus Jurassic Park. (Gibt’s eigentlich schon einen vierten Teil? Falls nicht, wird’s auch keinen mehr geben, das versichere ich Ihnen!) Oder über den jüngsten Godzilla. Obwohl der ja schon um Vieles besser war als die alten japanischen Schinken, bei denen kleine Schauspieler in enge Kostüme gesteckt wurden (ja, ich weiß: "klein" ist für Japaner ein relativer Begriff). Ich halte ja nach wie vor an der Ansicht fest, dass die japanischen Regisseure mit den Aufnahmen immer so lange gewartet haben, bis den armen Teufeln in dem luftdichten Anzug der Sauerstoff ausging und sie wie wild mit den Armen zu fuchteln begannen - zwecks Steigerung des realistischen Eindrucks oder so.
Und nein, ich meine auch nicht irgendwelche Überbleibsel aus der Urzeit wie Krokodile, Kragenechsen, Warane oder die Rolling Stones.
Ich spreche von Drachen, von wirklichen, ausgewachsenen, lebendigen, Luft atmenden und Feuer spuckenden Biestern, die aus einem Ei schlüpfen. (Nun, wenn ich’s recht bedenke, sind ja eigentlich auch die Rolling Stones aus einer Eizelle entstanden...) Ich meine aber echte Drachen, Flatterviecher mit großen, ledernen Schwingen. Und einem langen Schwanz, an dessen Ende meist ein oder mehrere Dornen sitzen, mit denen arme Möchtegerndrachentöter durch einen kleinen Wischer entweder gleich in zwei oder mehrere Teile zerschnipselt oder nur mal kurz aufgespießt wurden, um dann genüsslich auf kleiner Flamme zu Grillwurst gebraten und mit ein paar kräftigen Bissen zu Hackfleisch verarbeitet zu werden.
Wussten Sie - wussten Sie eigentlich, dass Drachen fast am gesamten Körper mit Schuppen bedeckt sind? ... Ja, natürlich wussten Sie das. Und dass diese Schuppen hart wie Panzerplatten und diese Viecher dadurch so gut wie unverwundbar sind? ... Na klar, auch das wussten Sie. Nur die... wie soll ich sagen - Nahtstellen?!? - also ich meine die Zwischenräume zwischen diesen Schuppen, die sind wie eine Art Achillesferse oder wie die Stelle zwischen Siegfrieds Schulterblättern. Angreifbar. Verwundbar eben. Jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke, finde ich es wirklich grotesk, dass man früher immer nur mit Schwertern und Hellebarden, mit Lanzen und Speeren und Pfeilen auf Drachen losging.
Nach dem Motto: Nur ein toter Drache ist ein guter Drache.
Zumindest steht’s so in den Sagen und Legenden geschrieben. Schwerter, Speere, Pfeile... lächerlich! Peanuts, wenn Sie mich fragen. (Genauso gut könnten Sie mit Brotkrümel auf einen Elefanten schießen!) Und trotzdem: Im Laufe der Zeit wurden angeblich zahlreiche Drachen zur Strecke gebracht. Wenn dem wirklich so war - wohlgemerkt, ich betone hier das Wörtchen wenn -, dann geschah dies aus purem Zufall! Jedes Mal nur ein Glückstreffer, wenn Sie mich fragen. 
Aber mich fragt ja keiner. Hat noch nie jemand getan.
Und einen Glückstreffer wird natürlich auch keiner zugeben, nicht wahr? Wer würde denn schon jemanden, der zufällig zum Drachtöter wurde, belohnen? Schließlich bekommt der Sieger stets die Prinzessin oder die Jungfrau oder die jungfräuliche Prinzessin als Dessert - entweder schön knusprig gegrillt oder im Negligé. 
Und über diejenigen, die weniger Glück hatten, redet ohnehin niemand mehr.
Ich selbst vertrete bereits seit langem die Meinung, dass kein einziger Mensch jemals wirklich einen Drachen getötet hat. ... Woher ich das wissen will, fragen Sie? Denken Sie doch einmal scharf nach! ... Sie kommen wohl nicht drauf, oder? Also gut, ich gebe Ihnen einen kleinen Tipp: Trophäen! Na, klingelt’s jetzt bei Ihnen? ... Seien Sie doch nicht so schwer von Begriff! Was hängt sich denn jeder Jäger an die Wand, egal ob er Groß- oder Kleinwild schießt? Trophäen! Oder kennen Sie etwa auch nur einen einzigen Jäger, der zu Selbstbeweihräucherungszwecken nicht zumindest ein Geweih bei sich zu Hause hängen hat? Oder einen ausgestopften Löwen im Empfangszimmer oder der Bibliothek? Oder einen gewaltigen Merlin über dem Kamin?
Aber was ist mit Drachen? Wo sind die Drachentrophäen?
Es gibt Hunderte Schlösser und Burgen, aber deren Wände sind leer. Keine Drachenzähne. Keine Klauen. Keine Schuppen. Keine Dornenschwänze. Nichts. Nada. Ich möchte den Drachtöter sehen, der so ein Biest tötet und sich nicht irgendein Souvenir an die Wand oder um den Hals hängt (muss ja nicht unbedingt der Schwanzdorn sein). Und sagen Sie jetzt nicht, diese Überbleibsel wären zerstört worden, verschwunden oder verwest oder sonst was! Schwachsinn! Sogar von den Dinosauriern finden Sie heutzutage in den meisten Museen mehr Skelette als von jedem anderen Tier auf dieser Welt, und die sind schon vor zig Millionen Jahren ausgestorben, während die Geschichten über die "letzten" Drachen vor noch nicht einmal sechshundert Jahren niedergeschrieben wurden.
Siegfried von Xanten aber hat einen Drachen getötet, sagen Sie, und in seinem Blut gebadet? War denn jemand dabei? Und wurde der Junge nicht letztendlich doch noch umgebracht? Eben, da sehen Sie’s ja. Falls Sie es noch nicht wissen sollten: Unsere Haut erneuert sich innerhalb von nur wenigen Jahren vollständig. Hätte Hagen von Tronje nur noch ein bisschen länger gewartet, wäre Siegfrieds Haut schon wieder weich wie Butter geworden. Und dann diese Dramatik: Ein Speerwurf genau auf die Stelle zwischen den Schulterblättern, wo das Blut des tödlich getroffenen Drachen seine Haut angeblich nicht benetzte. Du meine Güte! Ein Becher Gift hätte es auch getan und wäre genauso wirkungsvoll gewesen. Schließlich hatte Siegfried das Blut ja nicht getrunken, um auch seinen Magen und seine Eingeweide unverwundbar zu machen, oder?
Verstehen Sie jetzt, was ich meine? Keine Knochen, keine Trophäen - also auch keine toten Drachen. Diese Viecher haben alle überlebt - ALLE. Von wegen Drachentöter. Alles nur ausgemachter Schwindel. Aber ich rede und rede und komme nicht weiter. Ich muss Ihnen doch noch so viel erzählen, und mir läuft die Zeit davon. Mein Flug geht schon in zweieinhalb Stunden.
Wissen Sie, manchmal frage ich mich, ob diese Drachenschuppen auch gegen Kugeln aus Gewehren oder gegen Panzerfäuste oder Granaten immun sind? Ich hoffe nicht. Denn dann - und nur dann - hat die Menschheit noch eine Chance. 
Eine kleine Chance, zugegeben. Aber immerhin eine Chance.
Finden Sie’s nicht auch ein wenig komisch, dass es im europäischen Raum keine Berichte mehr über Drachen gibt, seit das Schwarzpulver aus China eingeführt wurde!? Wie denken Sie darüber? Haben Sie sich überhaupt schon einmal darüber Gedanken gemacht? ... Nein? Also ich habe mir Wochen und Monate lang den Kopf zerbrochen und nachgeforscht. Aber nirgendwo konnte ich auch nur einen einzigen Hinweis finden. Das gehört sicherlich zum Mythos des Drachen. Und dass ein so genannter selbst ernannter "Drachentöter" mit seinen lächerlichen Waffen gegen einen derart übermächtigen Gegner antritt und dann trotzdem "gewinnt"? Mumpitz, wenn Sie mich fragen.
Aber mich fragt ja keiner.
Wahrscheinlich machen sich Sätze wie: "Den Drachen ereilte ein schneller Tod durch die sichere Kugel eines heldenhaften Heckenschützen, der die ganze Nacht vor der Höhle auf der Lauer gelegen hatte und den Lindwurm beim Morgengrauen zur Strecke brachte..." wohl doch nicht so gut in einer Sage. Geht ja auch viel zu schnell und hat keine Dramatik! Da kommt doch keinerlei Spannung auf! Sehen Sie sich nur mal die heutigen Filme an: Menschen sterben im Kugelhagel, und damit der abgebrühte und nach Blut dürstende Zuschauer zu seiner vollen Befriedigung kommt, wird das Ganze sogar noch in Zeitlupe und in Großaufnahme auf die Leinwand projiziert, damit jeder ganz genau zusehen kann, wie die Geschosse genüsslich in das warme Fleisch eindringen, den Körper zerfetzen und das Blut Tropfen für Tropfen aus einem Dutzend Blutfontänen wie Wasser aus dem undichten Gartenschlauch meines Nachbarn spritzt.
Ha! Mein Nachbar. Diesem Mistkerl habe ich übrigens auch nichts erzählt. Gar nichts. Geschieht ihm ganz recht. Sein Hund kackt ständig auf meinen Rasen, seine Katze kotzt in meine Blumenbeete, und wegen seiner verdammten uralten, denkmalgeschützten Eiche liegt mein Grundstück den halben Nachmittag im Schatten. Soll er jetzt doch selbst zusehen, wie er da wieder raus kommt.
Noch eines war mir schon immer sehr suspekt: Drachen rauben doch nur Prinzessinnen oder Jungfrauen. Aber woher zum Teufel wissen die eigentlich, wer eine Prinzessin und wer eine Jungfrau ist? Ich meine, riechen die das oder sehen sie nach, ob die Kleine auch wirklich noch unberührt ist? Oder fragen sie sie vorher? (Hallo, schöne Maid, seid Ihr auch wirklich eine Prinzessin, und habt Ihr schon einmal oder habt Ihr noch nicht?) Ich meine, ich bin zwar weder Prinzessin noch Jungfrau, aber ich denke, allein schon der Anblick eines dieser Biester würde mir vor lauter Schreck das Häutchen platzen lassen.
Irgendwie komme ich schon wieder von meiner Geschichte ab. Wo war ich?
Ach ja - also, ich frage Sie jetzt noch einmal: Glauben Sie an Drachen? Ich meine, glauben Sie, dass es heutzutage noch Drachen gibt? ... Nein? Wusste ich’s doch. Sie halten mich jetzt wahrscheinlich für einen ausgemachten Spinner und wollen mich auf den Mond schießen oder in die Wüste schicken. Kommt schon noch. Früher, als Sie denken. Nur noch ein kleines bisschen Geduld.
Was würden Sie dazu sagen, wenn ich Ihnen jetzt verrate, dass die Drachen nicht ausgestorben sind? Dass es sie tatsächlich gibt? Nicht einen Drachen oder zwei oder drei oder ein halbes Dutzend. Ich spreche von Hunderten! Von Tausenden! Von Zehntausenden! Ganze Armeen von diesen Biestern leben seit Jahrhunderten unter uns im Verborgenen und warten auf ihren Tag. Warten geduldig auf ihre große Stunde.
Schon gut - lachen Sie nur! Das Grinsen wird Ihnen schon noch vergehen, und zwar eher, als Sie glauben. Genauso wie meinem Nachbarn. Sie denken vielleicht, ich habe zu viel getrunken? Sie denken, ich habe eine sehr ausgeprägte Phantasie? Irrtum. Ganz großer Irrtum. Fataler Irrtum, wenn ich’s mal so ausdrücken darf. Denn erstens trinke ich nicht. Keinen Tropfen. Ich mag das Zeugs nicht. Schmeckt mir einfach nicht, und macht ohnehin nur in der Birne weich, wenn ich mir die Leute so ansehe. Dafür werden die aber nicht viel davon mitkriegen. Sicher auch ein Vorteil. Wie viel haben Sie heute eigentlich schon getrunken, hm? 
Ist ja auch egal. 
Und zweitens - ja, zweitens habe ich den untrüglichen Beweis für meine Geschichte in meiner Tasche. Glauben Sie’s oder glauben Sie’s nicht. Kann mir doch egal sein ... Ach was, jetzt sind Sie auf einmal neugierig geworden und wollen doch noch mehr darüber hören? Wollen den Beweis sehen? Ich dachte, Sie glauben nicht an Drachen? Und urplötzlich zeigen Sie wieder Interesse und wollen doch mehr darüber erfahren! In Ordnung, in Ordnung. Ich bin ja nicht so. Also - stellen Sie Ihre Lauscher auf und hören Sie mir aufmerksam zu, denn was ich Ihnen jetzt sage, wird Sie umhauen. Wird Sie regelrecht aus Ihren Socken katapultieren. Aber entscheiden Sie selber. Habe ich Ihnen eigentlich schon gesagt, dass ich begeisterter Bergsteiger und Kletterer bin?
Ich war schon überall auf der Welt. Rocky Mountains, Kordilleren, Kilimandjaro, Himalaya ...gut, auf den Everest habe ich’s nicht geschafft, aber was heißt das schon? Außer mir waren sechs Milliarden andere Menschen nicht auf dem höchsten Gipfel der Welt. Ich bin also in guter Gesellschaft. Aber auf immerhin 6.500 m habe ich’s gebracht. Dagegen machen sich unsere Alpen wie Hügel in einem Sandkasten aus.
Aber ich schweife schon wieder ab. Lästige Angewohnheit, ich weiß. Das werde ich mir wahrscheinlich nie abgewöhnen. Lassen Sie mich weiter erzählen. Die Geschichte ist jetzt ganze drei Jahre her...
Richtig, vor drei Jahren war es, ich weiß es noch ganz genau, Ende August - oder doch schon Anfang September? Na, Spätsommer jedenfalls. Ich bin also schon zwei Wochen allein unterwegs und... Wo ich war, wollen Sie wissen? Ist das wichtig? Was spielt das denn für eine Rolle? Wollen Sie die Geschichte nun hören oder nicht? ... Also - seien Sie ruhig und lassen Sie mich jetzt weiter erzählen. Wo war ich? ... Ach ja, beim Klettern. Eigentlich mehr Bergsteigen, das heißt, ich hatte zwar die gesamte Kletterausrüstung mit, aber im Grunde genommen bin ich nur von einem Gipfel zum anderen gewandert. 
Bis ich an jenem bewussten Abend zu dieser Höhle komme.
Sieht auf den ersten Blick von außen gar nicht wie eine richtige Höhle aus. Eher wie ein großer Felsüberhang, und darunter ein enger Felsspalt. Das Wetter war an diesem Tag wirklich saumäßig, sage ich ihnen, und der Himmel stand gerade davor, alle seine Schleusen zu öffnen. Also schlüpfe ich in diesen Spalt hinein, zwänge mich hindurch, um mich vor dem Regen in Sicherheit zu bringen. Keine Minute zu früh, denn kaum bin ich drinnen, kracht auch schon der erste Blitz in die Gipfel, und im nächsten Moment bricht draußen die Hölle los.
Ich nehme meine Taschenlampe aus dem Rucksack - aber beileibe keine von diesen uralten Modellen, nein, sondern eine ganz neue LED-Lampe, müssen Sie wissen - und als ich sie aufdrehe, sehe ich, dass der Spalt nach hinten immer breiter wird. Ich gehe weiter, und auf einmal trete ich in eine Art Raum ein und stehe auf einem kleinen Plateau, das nach wenigen Schritten scharf nach unten abfällt. Vor mir, über mir, neben und unter mir - nichts. Nichts als gähnende Leere.
Ich schnalle meinen Rucksack ab und krieche vorsichtig auf allen Vieren bis zu der Kante und leuchte nach unten. Diese neuen LED-Lampen (meine hat sogar sieben Stück) haben nämlich eine ganz tolle Leuchtweite, müssen Sie wissen. Nicht wie die alten Taschenlampen mit der winzigen Glühbirne, mit denen man immer nur ein paar Meter weit gesehen hat. Ich richte also die Lampe nach unten. Die Felswand fällt vielleicht vierzig oder fünfzig Meter steil ab. Ich leuchte weiter herum und erkenne, dass ich mich in einer riesigen Höhle befinde. Und wenn ich riesig sage, meine ich riesig. Gewaltig. Soweit ich es erkennen kann, sieht die Höhle fast so aus wie ein gigantischer Dom oder ein überdimensionales Kirchenschiff. Vielleicht sechzig, siebzig Meter breit, ebenso hoch und so lang, dass nicht einmal die Leuchtkraft meiner Lampe bis zum anderen Ende reicht. Und das will etwas heißen!
Auf dem Boden der Höhle und an den unteren Bereichen der Felswände gibt es, soweit ich erkennen kann, zahlreiche sonderbare Felsformationen. Das sind keine normalen Felsen, schießt es mir durch den Kopf. Keine Steine, keine Felsbrocken oder so etwas Ähnliches. Irgendwie komisch. Aber was soll’s, denke ich mir, wahrscheinlich hat sich da mal ein Fluss seinen Weg durch die Steine und Felsen gebrochen. Oder Lava - ja, genau, das wird es sein! Dieser Berg war einstmals ein großer Vulkan. Deshalb auch diese Höhle, die sicherlich mal ein großer Krater war, auf dessen Grund die flüssige Lava im Laufe der letzten Jahrhunderte erstarrt ist und diese tollen Gebilde geformt hat.
Diese Formen haben irgend etwas Faszinierendes an sich, also beschließe ich, mein Seil zu holen, um es an der Wand zu befestigen und hinunter zu klettern. Auf einmal merke ich, wie müde ich doch eigentlich schon wieder bin, obwohl noch volle vier Stunden auf Mitternacht fehlen. Die Felsen laufen mir ganz bestimmt nicht davon, und morgen ist auch noch ein Tag. Ich krieche wieder zurück zu meinem Rucksack, hole meine selbstaufblasbare Unterlagsmatte und meinen Daunenschlafsack heraus und lege mich nieder. Noch ein paar Bissen aus meiner Proviantdose, ein großer Schluck aus der Trinkflasche, und dann liege ich auch schon. Ich genieße die Dunkelheit und die Ruhe und die angenehme Wärme meines Schlafsacks, der die Kälte von mir abhält, die in der Höhle herrscht.
Irgendwann so gegen zwei oder halb drei Uhr morgens wache ich auf, weil mich die Blase entsetzlich drückt. Ich hasse es, wenn ich mitten in der Nacht aufstehen und aus meinem warmen Schlafsack in die Kälte hinauskriechen muss. So etwas zögere ich meistens immer so lange hinaus, bis entweder der Druck wieder nachlässt oder ich es gar nicht mehr aushalte. Aber irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. Irgend etwas ist ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich sogar. Und dann weiß ich es plötzlich.
Ich schwitze.
Eigentlich sollte es in der Höhle kalt sein, aber die Haut auf meinem Gesicht ist warm, mehr als nur warm. Die Luft um mich herum ist um mindestens dreißig, wenn nicht sogar vierzig Grad gestiegen, seit ich mich zum Schlafen niedergelegt habe. Und noch etwas ist merkwürdig: Obwohl meine Taschenlampe abgedreht ist, kann ich meine Hände, meinen Rucksack, meine Schuhe neben dem Schlafsack erkennen. Das dürfte eigentlich auch nicht sein, denke ich noch, als ich meine Augen endlich ganz aufmache und auf die Wände über mir schaue. Schatten!
Schatten, die sich bewegen!
Ich beiße mir auf die Lippen und halte mir die Faust vor den Mund. Nur mit Mühe kann ich einen Schrei unterdrücken. Langsam drehe ich mich um und sehe, dass die gesamte Höhle - sie ist noch viel, viel größer, als ich ursprünglich vermutet hatte - erleuchtet ist. Die Felswände erstrahlen in gelben, orangeroten und roten Farbtönen und glitzern wie ein Meer aus unzähligen Diamanten. Ich bin so überwältigt von dem Anblick, dass ich im ersten Moment gar nicht wahrnehme, dass von unten dumpfe Geräusche zu mir herauf dringen.
Vorsichtig krieche ich bis zur Kante und sehe hinunter - mir stockt der Atem! Das Licht, das die Höhle erleuchtet, stammt von mehr als zwei Dutzend breiter, glühender Lavaströme, die wie kleine Wasserfälle mit einem dumpfen Grollen aus mehreren Felsspalten stürzen und in großen Löchern im Boden wieder verschwinden. Im hinteren Teil der Höhle - sie muss mindestens zweihundert Meter lang sein - liegt ein großer, dunkler See. Die Oberfläche ist spiegelglatt, und aus seiner Mitte ragt ein langer, schlanker Felsen wie ein gigantischer Finger etwa dreißig Meter empor. Ich blicke nach unten, und mein Herz setzt für ein paar Schläge aus. Der Boden der Höhle bewegt sich.
Drachen!
Nicht einer. Nicht zwei. Dutzende! Die ganze Höhle scheint voll von ihnen, und es werden von Minute zu Minute mehr. Zuerst wundere ich mich noch, woher die Biester kommen. Sie kriechen und fauchen, und der unangenehme Gestank ihres Atems nach Schwefel und Verbranntem dringt bis zu mir herauf. Und dann kann ich es sehen!
 Die Drachen kommen nicht von irgendwo her. Nicht aus einem Felsspalt, aus einer Höhle oder einer anderen Öffnung. Sie wachsen aus dem Boden. Sie entstehen regelrecht vor meinen Augen. Wo sich zuvor noch scheinbar lebloses Gestein befunden hat, schälen sich nun die Drachen aus der erstarrten Lava heraus, erheben sich und räkeln sich wie eine Katze nach einem langen Schlaf. Manche von ihnen schlagen ein paar Mal mit ihrem Schwanz auf den Boden oder probieren ihre Flügel. 
Haben Sie das gewusst? Ich meine, haben Sie jemals zuvor davon gehört, dass Drachen ihre physische Gestalt, ihr Aussehen nach Belieben verändern können? Dass sie sich in Stein und auch wieder zurück verwandeln können, wie es ihnen gerade gefällt? ... Nein, natürlich nicht. Woher denn auch!? Und niemand - wirklich niemand ahnte bisher auch nur im Geringsten etwas davon. Wen wundert es da noch, dass diese Biester in den vergangenen Jahrhunderten von keinem Menschen entdeckt wurden? Ich meine, wer käme denn schon auf eine so verrückte Idee, in Höhlen nach versteinerten Drachen zu suchen?
Ich liege regungslos auf meinem kleinen Plateau, starre mit großen Augen nach unten und sehe zu, wie sie sich verwandeln.Wie ein Drache nach dem anderen wie aus dem Nichts aus dem Boden, aus der Wand auftaucht. Sobald sie aus ihrer felsigen Ruhestätte "geschlüpft" sind, kriechen diese Viecher in Richtung See. Auf einmal beginnt auch die dunkle Oberfläche des Sees zu leuchten, als ob Hunderte Lichter unter Wasser aufgedreht worden wären, und auf der Spitze des großen Felsens in seiner Mitte bewegt sich etwas. Nein, nicht auf der Spitze. Die Spitze selbst bewegt sich. Noch so ein Biest, denke ich mir. Noch einer. Aber was für ein Exemplar!
Ein schwarzer Drache!
Ein Drache - so groß und gewaltig, dass er alle anderen wie kleine Eidechsen aussehen lässt. Er streckt sich, breitet seine gewaltigen Schwingen aus, sein langer Schwanz mit einem dreifachen Dorn pendelt langsam hin und her - mein Gott, ich sehe es heute noch vor mir, als wäre es erst gestern passiert. Langsam erhebt er seinen Kopf, blickt nach oben und spuckt mit einer kleinen Bewegung seines Halses einen gewaltigen Feuerball zur Decke, der in tausend kleine Feuerkugeln zerstiebt und wie ein gigantisches Feuerwerk um den Drachen herum nach unten gleitet und zischend im Wasser des Sees versinkt.
In der Höhle wird es augenblicklich still.
Die übrigen Drachen verharren, wo sie sind, und sehen alle auf den Schwarzen. Haben Sie eigentlich gewusst, dass Drachen in den unglaublichsten Farben schillern und in den irrsinnigsten Farbkombinationen auftreten? Aber Ihnen jetzt all diese Farbenpracht zu schildern würde zu weit führen. Wenn diese Biester nicht so abgrundtief hässlich wären, könnte man sie beinahe als schön bezeichnen. Wie spät ist es eigentlich? 
... Was, schon? Jetzt muss ich mich aber beeilen, sonst bekomme ich meinen Flug nicht mehr.
Also - in der Höhle wird es still, und plötzlich beginnt der Schwarze zu reden. Seine Stimme erfüllt die gesamte Höhle und dringt in jeden Spalt, in jeden Winkel, in jedes Loch Sogar bis zu mir hoch, und dabei bin ich doch fast zweihundert Meter von ihm entfernt. Das heißt, "reden" ist nicht ganz das richtige Wort. Das trifft es nicht. Es ist eher wie eine Art Melodie. ... Lachen Sie jetzt nicht - es war wirklich so! Ich hatte das Gefühl, als würde ich Musik hören. Und auch "hören" stimmt nicht so ganz. Es war eher wie eine Telepathie. Wie eine mentale Verbindung zwischen dem schwarzen Drachen und mir.
Ich höre zu, und auf einmal beginne ich manches von dem zu verstehen, was er sagt. Fragen Sie mich jetzt nicht, warum. Ich weiß es bis zum heutigen Tage selbst nicht. Vielleicht gehören gewisse Teile ihrer Sprache zu einer Art Universalsprache. Vielleicht ist die Sprache der Drachen aber auch die eigentliche Ursprache, jene Sprache, aus der im Laufe der Jahrhunderte alle anderen Sprachen und Dialekte entstanden sind?
Der Schwarze spricht von den Jahrhunderten des Schlafes und der Ruhe, spricht von der Zeit, in der sie und ihre Brüder und Schwestern sich auf der ganzen Welt in nunmehr ausreichendem Maße vermehrt und geduldig abgewartet haben, und dass diese Geduld nun bald belohnt werden würde. Dass sich alle Drachen gemeinsam erheben werden, sobald der richtige Zeitpunkt gekommen sei, um dem verhassten Menschengeschlecht ein Ende zu setzen.
Er spricht langsam und bedächtig wie ein Herrscher. Wie ein König. Wie einer, der es gewohnt ist, dass die anderen seinen Worten lauschen und ihm widerspruchslos gehorchen. Zwar verstehe ich leider nicht alles von dem, was er von sich gibt, aber ein paar Begriffe schnappe ich dennoch auf. 
Jahr des Drachen.
Jahr der schwarzen Sonne.
Die große Flut.
Damals hatte ich noch keine Ahnung, was dies alles zu bedeuten hat. Aber heute - heute weiß ich es. Ich habe es entschlüsselt. Und meine Berechnungen stimmen. Es passt einfach alles perfekt zusammen. Das chinesische Jahr des Drachen. Die Sonnenfinsternis. Fehlt nur noch die Überschwemmung. Und auch die wird kommen. Ganz bestimmt. In weniger als zwei Monaten bricht der Sturm los. Glauben Sie mir.
Nach mehr als einer Stunde schließlich verfällt der Schwarze wieder in tiefes Schweigen. Er senkt seinen Kopf, faltet seine Schwingen zusammen und lässt seinen Schwanz wieder regungslos über den Felsen hängen. Seine Bewegungen erstarren, und nach wenigen Augenblicken verwandelt sich seine Gestalt wieder zu Stein, verschmilzt mit dem Felsen. Nichts zeigt mehr an, dass dort oben, hoch über dem See, ein Drache schläft. Ein gewaltiger Drache, der nur noch auf den richtigen Zeitpunkt wartet, um mit seiner Armee loszuschlagen. Auch die anderen Echsen kriechen eine nach der anderen wieder vom See weg und nehmen ihre alte Felsengestalt an. Die Lavaströme werden schwächer und schwächer, und in der Höhle wird es rasch wieder dunkler. 
Kurz bevor das Licht völlig erlischt, wache ich mit einem kräftigen Ruck wie aus einem Trancezustand auf. Ich kann plötzlich wieder klar denken. Schnell hole ich meinen Photoapparat aus dem Rucksack, vergewissere mich dreimal, dass das Blitzlicht auch wirklich ausgeschaltet ist, und drücke ab. Einen Augenblick später versinkt die Welt um mich herum wieder in völliger Dunkelheit. Nur noch ein paar scharrende Geräusche von Krallen und Schuppen auf Fels und Stein dringen an meine Ohren. 
Ich blieb noch ungefähr eine Stunde lang bewegungslos liegen und wartete und lauschte in die Dunkelheit, ob noch irgend etwas geschehen würde. Aber nichts regte sich mehr. Ich packte so leise wie möglich meine Sachen zusammen, was gar nicht so einfach war, weil ich es nicht wagen konnte, meine Taschenlampe zu benutzen. Hätte ja sein können, dass irgendeines dieser Biester noch wach war. Und ich hatte nicht die Absicht, als Mitternachtssnack herzuhalten. Dann kroch ich lautlos wieder in den Felsspalt zurück. Im Freien schüttete es noch immer, aber das war mir jetzt egal. Ich wollte nur noch so rasch wie möglich von dort weg und gab Fersengeld. Ich rannte und rannte und rannte... 
Ich war seither nie wieder im Gebirge, habe keinen Fuß mehr in eine Gegend gesetzt, die aus Steinen und Felsen besteht. Ich möchte gar nicht wissen, wie vielen Drachen ich zuvor schon auf dem Rücken herumgetrampelt oder auf den Schwanz gestiegen bin. Oder wie oft ich auf dem Kopf eines dieser Biester mein Biwak aufgeschlagen habe. Überlegen Sie doch mal: Wie viele Berge kennen Sie? Ich meine, wie viele Gebirgszüge gibt es, wo sich diese Drachen in ihrer versteinerten Form problemlos vor unseren Augen verstecken können? Nicht nur hier bei uns in Europa, sondern auf der ganzen Welt! Nur so bekommen Sie zumindest eine ganz kleine Vorstellung von dem, was uns - nein, was Sie in wenigen Wochen erwartet. Denn ich bin dann nicht mehr da. Ich sehe zu, dass ich von hier fort komme.
Ich haue ab. Heute noch. 
Meinen Beweis wollen Sie sehen? Hm, ich weiß nicht so recht... Okay, okay, ich lasse Sie das Photo ansehen. Aber geben Sie Ihre Hände unter den Tisch. Nein, noch besser, stecken Sie sie in Ihre Hosentaschen oder setzen Sie sich drauf! Sie dürfen die Aufnahme nicht berühren. Auf gar keinen Fall! Ich werde Ihnen das Bild zeigen, und dann wird es wieder in meiner Tasche verschwinden. ... Nun, was sagen Sie dazu? ... Was denn, Sie konnten nichts erkennen? Nur eine dunkle Höhle, einen großen Felsen und ein paar undeutliche Schatten? Haben Sie mir denn vorhin überhaupt zugehört?! Ich sagte Ihnen doch, dass ich kein Blitzlicht verwenden durfte. Die Biester hätten mich bei lebendigem Leibe geröstet und mir die Haut abgezogen, um mich dann als Hors d’œuvre zu verschlingen. Als Appetithappen für die große, weite Welt sozusagen.
Also kommen Sie mir jetzt ja nicht dumm, hören Sie? Ich hätte Ihnen das Photo auch gar nicht zu zeigen brauchen. Ich hätte Ihnen überhaupt nichts erzählen müssen. Ich gehe jetzt. Leben Sie wohl - auch wenn das nicht mehr für sehr lange sein wird... Was?
Ach ja, die Wüste. Wie spät ist es jetzt? ... Einverstanden, ich werd’s Ihnen verraten. Schließlich habe ich’s Ihnen vorhin ja versprochen. Aber erzählen Sie es bloß niemandem weiter. Niemandem, hören Sie?! Nur Ihrer Familie und höchstens noch Ihren besten Freunden. Sonst sind wir alle verloren. Alle. Ich bin ganz sicher kein Philanthrop, aber irgendwie fände ich es doch ganz schön, wenn außer mir zumindest noch ein paar von uns überleben würden. Wenn die Menschheit nicht vollständig aussterben würde.
Gut, mein Nachbar kann ruhig draufgehen, um den ist’s ohnehin nicht schade. Hat mir letzten Sommer die Polizei auf den Hals gehetzt, dieser Dreckskerl, weil ich angeblich meine Stereoanlage im Garten zu laut aufgedreht habe. Man hat ja schließlich nur einmal im Jahr Geburtstag, nicht wahr? Und wen stört denn schon ein so toller Song wie "YMCA" um halb zwei Uhr morgens? Niemanden, oder? Dagegen kann man doch wirklich nichts sagen. Hat mir eine Anzeige wegen Ruhestörung eingebracht. Ha! Warte nur, bald wird’s mit deiner Ruhe aus sein! Mal sehen, bei wem du dich dann beschwerst!
Vielleicht werden ja nicht alle Menschen getötet. Schon bei den alten Griechen und Römern oder bei den Ägyptern wurden die Stärksten meistens am Leben gelassen, um als Sklaven zu dienen und zu arbeiten. Obwohl - ich bezweifle doch stark, dass die Feuerspucker diese Tradition aufrecht erhalten werden. Ich glaub auch nicht, dass noch einmal eine Art Moses geboren wird, um die Überlebenden aus der Knechtschaft zu führen. Jedenfalls nicht, wenn alles so abläuft, wie diese Viecher das geplant haben. Aber vielleicht haben ein paar von uns ja doch eine Chance. 
Eine kleine zumindest.
Die Wüste... Ich habe noch drei dieser Biester belauscht, bevor sie sich genau unterhalb meines Plateaus wieder in Felsen zurück verwandelt haben. Sie haben darüber gesprochen, in welcher Gegend der Erde sie sich nach der erfolgreichen Eroberung niederlassen werden. In den Ebenen, haben sie gemeint, in den Bergen oder am Meer. In den tiefen Wäldern, an Seen, Flüssen usw. Eigentlich überall dort, wo es schön ist. Nur nicht in der Wüste.
Nicht in der Wüste. 
Dort ist es ihnen angeblich zu heiß. Und zu trocken. Und es gibt keine Höhlen, wo die junge Brut aufgezogen werden kann. Also uninteressant für die Weibchen, und damit auch uninteressant für die männlichen. Drachen. Wie kann es denn jemals einem Drachen irgendwo zu heiß sein? Lachhaft, wenn Sie mich fragen.
Aber mich fragt ja keiner.
Jedoch gut für mich, denn aus eben diesem Grund werde ich mich auch jetzt genau dorthin begeben. In die Wüste. Sie sehen also, Sie brauchen mich erst gar nicht dorthin zu schicken. Ich gehe freiwillig.
So, das war’s. Das war jetzt wirklich alles. Ich kann’s Ihnen an der Nasenspitze ansehen, dass Sie mir nicht glauben. Egal. Ihre Angelegenheit, verstehen Sie? Ich jedenfalls mache mich noch heute Nacht auf den Weg. Gepackt habe ich ja schon gestern Abend. Aber ich konnte doch nicht einfach so abhauen, ohne etwas zu sagen. Zu wissen, dass fast die gesamte Menschheit draufgehen wird, nur weil ich mein Wissen für mich behalten habe. Das könnte ich auf Dauer nicht ertragen. 
Aber diese Verantwortung tragen jetzt Sie - ich habe damit nichts mehr zu schaffen!
In ein paar Stunden geht mein Flug nach Ägypten. Und dann, in Kairo, werde ich mir zwei Kamele kaufen oder vielleicht auch drei, und ein paar Trinksäcke und Lebensmittel und mich auf den Weg zu der kleinen versteckten Oase begeben, von der ich vor ein paar Wochen gehört habe. Vielleicht finde ich ja auch noch eine hübsche kleine Ägypterin, die mich dorthin begleitet.
... Nein, nein, ich werde Ihnen ganz gewiss nicht sagen, wo diese Oase liegt! Suchen Sie sich doch Ihre eigene!

Also dann! Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann mal wieder in der Wüste - falls Sie’s überleben sollten. Denn diese Biester werden auftauchen. Und wenn die Drachen dann den Himmel verdunkeln, werden Sie mir schließlich doch noch glauben. Glauben müssen. Aber dann wird es bereits zu spät sein. Denn der erste Drache, dem Sie Aug’ in Aug’ gegenüber stehen, wird ganz gewiss auch der letzte in Ihrem Leben sein. Sie sind nicht groß und nicht kräftig genug, um am Leben zu bleiben.
Und wenn das Biest sich dann vor Ihnen aufrichtet und Sie grinsend ansieht und langsam seinen riesigen, geifernden Rachen öffnet, dann denken Sie an mich...
 

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