Geschichten von Quatzkotl von W. H. Asmek
Lilly (3)

Die wenigen Tage bis zum Jahresfest Umbras verliefen wie die vergangenen auch. Lilly trat im Adler auf und streifte morgens durch die Stadt. Vielerorts hingen jetzt Plakate und Banner, die auf das anstehende Jahresfest hinwiesen.
"Ehre sei Therozutl!" stand da. Oder "Gepriesen sei Lilly Kobold, unser Ehrengast!" Lilly war schon ein wenig stolz auf sich, dass ihr Name jetzt überall in der Stadt zu sehen war. Natürlich fragte sie Hermann, den Seifensieder, was es denn mit den Aufgaben des Ehrengastes auf sich hatte. Doch dieser antwortete nur, es sei nicht gestattet, darüber zu sprechen. Auch Dloreg und Edlih sagten ihr nichts zu diesem Thema. Fast schien es so, als müsse der Ehrengast unter allen Umständen uninformiert bleiben. Warum das so war, konnte sich Lilly aber nicht erklären. Wie sollte sie ihrer Aufgabe gerecht werden, wenn sie nicht wusste, was sie tun sollte? Was war, wenn sie sich völlig falsch verhielt und so das ganze Fest verdarb? Lilly seufzte. Sie hatte ihr Bestes versucht. Mehr konnte sie nicht tun!

***

Endlich war es soweit! Der Tag des Jahresfestes war gekommen. Lilly wurde von einem ohrenbetäubenden Konzert röhrender Blasinstrumente geweckt. Da sie immer recht spät ins Bett kam, war sie es gewohnt, ein wenig länger zu schlafen. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen, reckte sich kurz, wie es die Katzen tun, bevor sie aufstehen und rollte sich von ihrer Lagerstatt. Vor dem Haus hatte sich eine große Anzahl von Menschen versammelt, die laut "Hurra! Das Fest ist da! Lilly Kobold, zeige dich. Wir grüßen unseren Ehrengast!" riefen.
Die Rufe steigerten sich zu großen Jubel, als die Menge Lilly am Fenster stehen sah.
"Tretet heraus zu uns, Ehrengast!" rief der Steuereintreiber, der sich auch eingefunden hatte. Neben ihm standen zwei Schlachtrösser, auf deren Rücken zwei reich gekleidete Herren saßen. Lilly zweifelte nicht daran, den Fürsten Umbras und seinen Magier vor sich zu haben. So schnell sie konnte machte sie sich fertig. Den Landesherrscher konnte sie ja schließlich nicht warten lassen. Außerdem war sie zum Platzen gespannt auf das, was sie erwarten würde. Bevor sie das Haus verließ verabschiedete sie sich noch von ihren Gastgebern, die sie mit vor Rührung feuchten Augen entließen. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, dass es eher die Sorge um sie sein könnte, die die beiden Alten bewegte. Kaum stand sie vor der Tür, da wurde sie auch schon so von ihrer Ehrengastrolle überwältigt, dass sie an nichts anderes mehr denken konnte.
Werfried von Umbra stieg von seinem Ross, baute sich vor ihr auf und fragte sie so laut, dass es jeder verstehen konnte:
"Lilly Kobold, ich frage Sie vor all diesen Menschen hier: Ist Sie freiwillig zu der Entscheidung gekommen, sich uns als Ehrengast dieses besonderen Tages zur Verfügung zu stellen oder ist Sie in irgendeiner Weise dazu gezwungen worden? Sollte dies nämlich der Fall sein, so ist Sie von Ihrer Zusage entbunden und kann mit einhundert Golddukaten des Weges ziehen, ohne dass Sie irgendeine Schmach zu befürchten hätte. Das verspreche ich Ihr bei meiner Ehre."
Lilly wunderte sich zwar, dass so viel Aufhebens um die Sache gemacht wurde, spielte aber das Spiel mit, das wohl Bestandteil des Festes war.
"Nein, Fürst von Umbra. Ich habe meine Zustimmung aus freien Stücken gegeben," rief sie mit fester Stimme.
Der Fürst trat auf sie zu und umarmte sie.
"Dann danke ich Ihr für diese Ehre, die Sie uns allen hat zuteil werden lassen und erkläre das Jahresfest für eröffnet."
Lilly wurde auf ein lediges Schlachtross gehoben, das wie ein Berg vor ihr aufragte. Als sie auf dem Rücken des Tieres saß, konnte sie von jedermann gesehen werden, als stünde sie auf einem Aussichtsturm. Die Umstehenden warfen die Hüte in die Luft und johlten vor Begeisterung. Dann setzte sich ihr Pferd in Bewegung. Der Fürst und sein Magier folgten ihr, ebenfalls zu Pferd. Schließlich setzte sich auch die Menge in Bewegung, so dass ein ewig langer Zug entstand, der durch die ganze Stadt zog. Nach einer Weile richteten die Pferde ihre Nasen auf das Stadttor und verließen Umbra, um hinaus auf den großen Festplatz zu ziehen, auf dem eine große Zahl von Festzelten aufgebaut war. Am ganzen Weg standen links und rechts Eherne Reiter Spalier. Sie stießen ihre Schwerter in den Himmel und riefen immer wieder "Therozutl!"
Lilly kam gar nicht dazu, das ganze Drumherum bedenklich zu finden, obwohl das eigentlich nur natürlich gewesen wäre. Allein die Ehernen Reiter in ihren glänzenden Rüstungen, von denen sie umhüllt wurden wie von einer zweiten Haut, ihr monotones Rufen und das Klirren der Schwerter waren geeignet, einem unbefangenen Beobachter Schauer über den Rücken zu jagen. Sie bemerkte aber auch nicht, dass die anfängliche Begeisterung der Menge vollständig verschwunden war. Die Menschen folgten dem Zug ohne sichtbare Regung, wobei sie mit unbewegten Gesichtern zu Boden starrten, um tunlichst jeden Blickkontakt mit den Eisengestalten zu vermeiden. Lilly dagegen betrachtete neugierig jedes Zelt, um den Ehrenplatz zu erspähen, der zweifellos für sie vorgehalten wurde.
Im Zentrum des Festplatzes erhob sich ein Erdhügel, von etwas mehr als der Höhe von sechs aufeinander gestellten Menschenmännern. Auf dessen Spitze hatte man zwei haushohe Pfähle nebeneinander in den Boden gerammt. An jeder Stange baumelte jeweils eine Eisenkette herunter, die an ihrem losen Ende in einer Handschelle endete. Am Fuß des Hügels kam der Zug zum Stehen. Der Fürst wendete sein Ross, so dass die Menge ihm ins Gesicht blicken konnte.
"Vor zehn Jahren habe ich mit Hilfe meiner Ehernen Reiter und Therozutls die Schreckensherrschaft des ungerechten Erzherzogs Gerold von Umbra beseitigt und euch zu meinen treuen Untertanen gemacht. Seid ihr froh darüber?"
Mäßiger Beifall kam auf. Der Fürst verzog sein Gesicht unwillig, sprach aber schnell weiter:
"Zu Ehren dieses Tages feiern wir heute, wie in jedem Jahr, das Jahresfest des Fürstentums Umbra. Bevor wir jedoch den Gauklern und Schaustellern das Feld überlassen und uns dem guten Essen und dem süßen Wein widmen, sollten wir unseren Ehrengast feiern, der diesen Tag durch sein Dahinscheiden ehren wird."
Der Fürst hob beide Arme und rief:
"Ehre sei Lilly Kobold, die ihr Leben freiwillig zu Ehren unseren Wappentieres Therozutl hingeben wird. Wir bewundern ihren Mut und ihre Liebe zum Fürstentum Umbra, für das sie dieses große Opfer bringt."
Die Ehernen Reiter donnerten ihr lautes "Therozutl! Therozutl!" und die Menge johlte.
Der Fürst drehte sich zu einer Gruppe von Ehernen Reitern um, die am Fuße des Hügels Aufstellung genommen hatte.
"Lasst uns das Werk vollenden!" befahl er.
Zwei Reiter kamen heran und nahmen das Pferd Lillys in ihre Mitte. Ihre Hände schlossen sich mit eisernem Griff um ihre Arme und hielten sie so fest, dass sie sich nicht mehr rühren konnte.
Lilly war so starr vor Angst, dass sie sich ohnehin nicht gewehrt hätte. Im Grunde hielt sie alles noch für ein bühnenreifes Theaterstück, das hier aufgeführt wurde, um dem Volk eine Freude zu machen. Es war alles so falsch, so widersinnig, dass sie glaubte, sie träume. Sie wurde auf die Kuppe des Hügels geführt und zwischen die Stangen gestellt. Der Magier, der dem Weg mit ihnen gemacht hatte, befestigte mit geübten Griffen die Handschellen um Lillys Handgelenke. Er grinste.
"So, Ehrengast! Jetzt ist es passiert. Ich wünsche Euch ein schönes Fest!"
"Was soll das alles?" fragte Lilly. "Bindet mich sofort wieder los!"
"Das geht nicht. Der Ehrengast wird am Ende des Festes Therozutl geopfert. Das ist so Brauch bei uns."
"Was gehen mich die Sitten Umbras an?" schrie Lilly. Ihr Herz schlug wild vor Bestürzung. "Ich bin eine Koboldin aus dem Finsterwald und habe mit euch nichts zu schaffen!"
Der Magier schien verwundert.
"Ihr habt dieses Amt doch freiwillig übernommen. Was soll das Theater?"
"Wenn mir der Steuereinnehmer gesagt hätte, dass ich irgendeinem Götzen geopfert werde, dann hätte ich dem doch nie zugestimmt!"
Der Magier schüttelte verärgert den Kopf.
"Zweifellos ein protokollarischer Fehler. Das hätte er Euch sagen müssen. Aber was soll ich nun tun? Das Fest absagen? Das ist unmöglich. Schaut Euch doch die Leute an! Alle sind glücklich und zufrieden. Da ist das Ungemach einer Koboldin aus dem Finsterwald wirklich nicht so wichtig. Das müsst Ihr hinnehmen. Vielleicht tröstet Euch der Gedanke, dass Therozutl kein tumber Götze, sondern ein Drache ist. Einer von der mächtigen schwarzen Sorte! Er wird gegen Ende des Festes kommen und Euch fressen. Habt Ihr noch Fragen?"
Lilly erkannte, dass sie verloren war. In hilfloser Wut spuckte sie dem Magier ins Gesicht.
"Mein Vater ist El Pitto Gnomo, der Häuptling der Finsterwaldkobolde. Er ist der beste Schwertkämpfer aller Zeiten und hat viele mächtige Freunde. Mein Tod wird auch der Eure sein, Magier!"
Dieser blieb ungerührt. Er wischte sich Lillys Speichel aus dem Gesicht und meinte:
"Ich kann es kaum erwarten. Meine Ehernen Reiter werden ihn und seine Freunde in Stücke hauen."
Er wandte sich ab und schritt, gefolgt von den Reitern, den Hügel hinab. Das Fest begann und während sich unten das Volk prächtig amüsierte, stand Lilly gefesselt zwischen den Stangen und wartete auf ihren Tod. Wo war nur Sucher! Er musste doch spüren, wie es um sie stand. Warum half er ihr nicht?
Der Tag verging in quälender Langsamkeit. Lilly litt unter Hunger und Durst. Außerdem taten ihr Arme und Beine weh. Dennoch bemühte sie sich tapfer um eine aufrechte Haltung. Sie setzte ihren ganzen Stolz ein, um kein Bild des Jammers abzugeben. Das war sie sich und ihren Eltern schuldig! Innerlich jedoch war sie vor Angst und hilflosem Zorn zerrissen. Voller Verachtung starrte sie auf die Menschen herunter, die den vorhandenen Köstlichkeiten reichlich zusprachen und aßen und tranken, was das Zeug hielt. Etliche Leute blieben stehen, zeigten mit den Fingern auf sie und sprachen über die Unglückliche da oben. Eltern führten ihre Kinder heran, um auch ihnen das diesjährige Drachenopfer zu zeigen. Unzusammenhängende Wortfetzen, die sie nicht verstand, drangen an ihre Ohren. Einmal glaubte sie, Hermann zu erkennen, der zu ihr hinauf sah. Doch sie war sich nicht sicher, denn der, den sie zu sehen glaubte, befand sich am Rande ihres Gesichtsfeldes und verschwand teilweise in weißem Nebel.
Als die Sonne sich anschickte, mit dem Horizont zu verschmelzen, leerte sich der Festplatz allmählich. Mit einsetzender Dämmerung torkelten auch die letzten Trunkenbolde in die Stadt zurück. Nur eine Schar Eherner Reiter umschloss den Fuß des Hügels. Sie legte einen undurchdringlichen, eisernen Ring um den Opferplatz. Wenn Lilly eine letzte Hoffnung gehegt hatte, dass vielleicht doch eine Gruppe der Menschen, die sie so verehrt hatten, einen verzweifelten Rettungsversuch unternehmen würde, so musste sie diese begraben: Nur eine gut gerüstete Armee würde diesen Wall durchbrechen können.
Schließlich ging die Sonne blutrot leuchtend unter. Lillys Erschöpfung hatte inzwischen ein solches Ausmaß angenommen, dass sie nur noch hoffte, dass ihr Ende schnell und schmerzlos sein würde. Die Hoffnung auf Rettung hatte sie aufgegeben.
Dann begannen die Rufe: Die Ehernen Reiter erhoben ihre Stimmen und riefen in monotonem Singsang "Therozutl! Therozutl! Therozutl!" Dabei klapperten sie mit ihren Schwertern gegen ihre Schilde. Endlos, in mächtigem Chor, erklang ihr Gesang. Sie mussten bis weit über die Stadt hinaus zu hören sein.
Der Vollmond ging auf. Das Rufen der Reiter wurde lauter. Mit der Zeit veränderte es sich: Die Reiter zogen das "u" in die Länge, so dass es wie "Therozuuuuutl!" klang. Es wurde drängender, erfüllte jede Faser von Lillys Körper und begann sie einzuschläfern. Nach langer Zeit erfüllte ein mächtiges Sausen und Brausen die Luft. Ein großer, schwerer Körper zog an der vollen Scheibe des Mondes vorbei. Lilly nahm kaum wahr, dass zwei riesige Klauen die Kette sprengten, durch die sie mit den Pfählen verbunden war. Lilly wurde emporgehoben und von Drachenschwingen davongetragen. Ein letzter Hauch des Therozutl-Rufs drang zu ihr. Dann verlor sie das Bewusstsein.

***

Als Lilly wieder zu sich kam, befand sie sich in einer sehr großen Höhle. Sie lag am Rand eines ausgedehnten unterirdischen Sees, der mit kristallklarem Wasser gefüllt war. Ein erschreckend großer Drache kauerte am Ufer und trank geräuschvoll. Das musste Therozutl sein! Sein Körper war lang gestreckt, sechsbeinig und pechschwarz. Gerade so, wie sie es von Quetzalkoatlus kannte. Lilly wusste, dass eine dermaßen schwarze Färbung sehr selten war. Nur Drachen mit besonderen Eigenschaften besaßen sie.
"Ach, meine kleine Dame, Ihr seid ja wach! Wurde aber auch langsam Zeit," knurrte er. "Sagt mir mal, wie es kommt, dass mir der Fürst und sein Magier in diesem Jahr ein so winziges und ungenießbares Opfer wie Euch dargebracht haben."
"Ungenießbar?" freute sich Lilly. "Ich denke, ihr Drachen fresst alles!"
Therozutl wuchtete seinen schweren Leib hoch und kroch nach Drachenart auf sie zu.
"Pfui!" rief er, als er sie betrachtete. "Mir scheint, Ihr wisst es wirklich nicht. Ihr müsst vor einiger Zeit von einem Buschmeister gebissen worden sein. Sein Gift ist magisch. Es macht lebendes Fleisch ungenießbar für Drachen."
Seine rot glühenden Augen fixierten sie grimmig.
"Das ist ein Glück für Euch, Koboldin. Wenn dem nicht so wäre, hätte ich Euch schon längst verspeist."
Er grinste.
"Andererseits ist es aber auch wieder Pech, denn nun muss ich Euch erst in diesem See ersäufen, damit ihr wieder schmackhaft werdet."
Lillys Lebensgeister regten sich wieder.
"Ihr wollt doch wohl nicht sagen, dass Euer Hunger von einem so kleinen Wesen wie mir gestillt wird?" meinte sie. "Sucht Euch doch einen größeren Brocken. Was habe ich Euch schon zu bieten!"
Der Drache wehrte gelangweilt ab.
"Das ist doch bloß wegen der Symbolik," erläuterte er. "Wenn ich Euch esse, nehme ich das Demutsopfer des Fürsten und seines Magiers an. Damit beweisen die beiden mir ihre Dankbarkeit, dass ich sie an die Macht gebracht und diesen einfältigen Gerold vertrieben habe. Der Beistandspakt, den wir geschlossen haben, wird auf diese Weise in jedem Jahr erneuert: Sie bleiben an der Macht und ich habe meine Ruhe vor Drachenjägern oder ähnlichem Zeugs."
"Ich bin aber nicht freiwillig hier. Dass ich in Eurer Gewalt bin, ist ein protokollarischer Irrtum!"
Therozutl lachte amüsiert auf.
"Ihr seid putzig. Wirklich. Sehr amüsant. Vielleicht war es ein Fehler, eure Vorgänger alle schon während des Fluges zu verspeisen. Vielleicht hätten sie auch so süß um ihr Leben gekämpft wie Ihr."
Lilly gab noch nicht auf.
"Wieso seid Ihr eigentlich so schwarz, Drache? Diese ausgeprägte Schwärze ist normalerweise ein Hinweis auf besondere Macht und Stärke."
Der Drache kroch noch näher an sie heran.
"Ihr seid gut im Bilde, kleine Frau! Ich bin der Vetter Pergozkatls, des Schwärzesten der Schwarzen. Er ist nur aufgrund seiner magischen drei Höcker König der Drachen geworden. Sonst hätte ich ihm den Rang abgelaufen, denn ich bin noch größer und stärker als er."
"Pergotzkatl ist tot," warf Lilly ein. "Sein Sohn, Quatzkotl, ist seit vielen Jahren König der Drachen."
"Ich weiß," sagte Therozutl gedehnt. "Ich gönne es ihm. Der ganze politische Kram interessiert mich nicht. Ich hätte ihm sonst schon längst den Garaus gemacht und selbst das Zepter in die Hand genommen. Aber genug der langen Rede. Ihr langweilt mich inzwischen. Ich werde euch jetzt ersäufen und anschließend fressen."
Der riesige Lindwurm kam näher und öffnete einen Rachen, in dem selbst ein Eherner Ritter mitsamt seinem Ross Platz gefunden hätte. Lilly sah die scharfen Dolchzähne auf sich zukommen und schloss die Augen, weil sie den Anblick nicht ertragen konnte. Jetzt war ihr Ende endgültig gekommen!

***

"Halt! Sofort stehen bleiben! Lass sie in Ruhe!" rief eine abgrundtiefe Stimme.
Lilly sah sich um. Alle Sorgen fielen von ihr ab.
"Sucher!" rief sie freudig. "Dem Himmel sei Dank, dass du da bist!"
Therozutl fauchte grimmig.
"Der ist Euer Freund, Mademoiselle? Na, der ist ja ein anständiges Kaliber! Ich hätte Euch nicht zugetraut, dass Ihr mit einem von seiner Sorte gemeinsame Sache macht."
Als er Lillys verständnislose Miene sah, lachte er auf.
"Sagt bloß, Ihr habt nicht gewusst, dass Euer Freund ein Todesritter ist? Ihr seid ja noch harmloser als ich dachte! Aber sei's drum! Jetzt muss ich mich erst Mal darauf konzentrieren, ihn ein wenig zu braten."
Lilly war wie vor den Kopf geschlagen. Sucher ein Todesritter? Eine der geheimnisumwitterten, sagenhaften Kreaturen Therons, die überall dort, wo sie auftauchten, zumindest Unbehagen, wenn nicht Angst und Schrecken verbreiteten? Außerdem sollten Todesritter so extrem hässlich sein, dass schon ihr bloßer Anblick unerträglich war. Das konnte sie einfach nicht glauben! Das konnte nicht sein! Sucher war alles andere als hässlich. Für einen Mann sah er schon fast zu gut aus! Sie blickte fragend zu ihm hinüber. Doch er warf ihr nur einen aufmunternden Blick zu und richtete dann seine ganze Aufmerksamkeit auf den Drachen.
Drachen gehören ihrer körperlichen Ausstattung wegen zu den gefährlichsten magischen Wesen überhaupt. Mag ihr massiger Körper auch in manchen Fällen klotzig und plump wirken, so ist er doch aufgrund der Verwandtschaft mit den Schlangen unglaublich beweglich, geschmeidig und schnell. Ihre Klauen enden in Krallen, mit denen sie besten Stahl zerfetzen können wie Papier. Das zähnestarrende Maul ist ebenfalls eine fürchterliche Waffe und der lange, biegsame Schwanz kann selbst starke Bäume mit einem Schlag fällen. Die beste Waffe eines Drachen aber ist sein sonnenheißes Feuer, mit dem er Gestein augenblicklich in glühende Lava verwandeln kann. Zur Verteidigung ist der Körper mit harten Schuppen besetzt, die von normalem Waffenstahl nicht durchbohrt werden können. Kurzum: Ein Drache ist selbst für eine ganze Gruppe von Bewaffneten praktisch unbesiegbar. Und ist er erst einmal in der Luft, so dass er sein Feuer aus der Ferne einsetzen kann, so sollte man sich schleunigst nach einem sicheren Versteck umsehen.
Sucher aber kämpfte nicht mit normalen Waffen. Er hielt sein Zepter in der Hand und konnte aufgrund seiner magischen Kräfte Therozutl sehr wohl Paroli bieten. Der Drache wusste das. Schließlich war er nicht dumm und daher vorsichtig.
Die beiden Kontrahenten standen sich eine Weile bewegungslos gegenüber und maßen sich mit ihren Blicken. Dann legte Therozutl los wie die Feuerwehr! Mit einer blitzartigen Drehung brachte er seinen Schwanz in Position. Ein kurzes Zucken, dann fegte er zischend heran und traf klatschend Suchers Pferd. Das Tier flog mit zerschmetterten Knochen in einen Winkel der Höhle, wo es tot liegen blieb. Sucher hatte zum Glück schnell reagiert und war rechtzeitig aus dem Sattel gesprungen. Fest stand er vor dem Drachen. Das Zepter auf ihn gerichtet.
"Oho! Ein Todesritter, der seinen verschimmelten Gaul verlassen kann? Was bist du denn für einer? Ich denke, ihr seid fest mit euren Mähren verwachsen!" wunderte sich Therozutl.
"Ich habe doch gesagt, dass er keiner ist!" meldete sich Lilly mit leicht zitternder Stimme. Sie machte sich große Sorgen um Sucher, platzte aber auch vor Stolz über seinen Mut.
Der Drache hatte kein Interesse an einer weiteren Diskussion. Er tat nun sein Möglichstes, um die Geschichte so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Schwanz, Krallen und Zähne traten in Aktion. Therozutl sprang vor, drang auf Sucher ein, schlug um sich, biss und spie Feuer. Alle Angriffe erfolgten in Blitzesschnelle hintereinander. Ein Mensch hätte bereits unter dem ersten Anprall sein Leben ausgehaucht. Nicht aber Sucher. Er reagierte schneller als ein Mensch und ermüdete auch nicht. Lediglich seine Augen leuchteten in stärkerem Rot. Mit unnachahmlicher Leichtigkeit wich er selbst den schnellsten Attacken aus und selbst das Feuer schadete ihm nicht in dem Maße wie einem Menschen. Todesritter sind gegen Hitze weitgehend unempfindlich, wenn sie sich auch vor einem Direkttreffer einer Feuerlanze in Acht nehmen müssen.
Therozutl sah schließlich ein, dass er so nicht zum Erfolg kommen konnte und versuchte es mit einer Finte. Scheinbar außer Atem hielt er im Kampf inne und schaute Sucher an.
"Du bist sehr gut, Todesritter," keuchte er. "Vielleicht können wir uns einigen."
"Ich wüsste nicht, wie wir uns einigen sollten," antwortete Sucher. "Ich erwarte freien Abzug für das Mädchen und mich."
Therozutl überlegte und sprang unvermutet, die rechte Pranke zum Schlag erhoben, vor.
"Harrr!" machte Sucher und stieß das Zepter vor. Ein Todesmantel löste sich und schwebte auf den Drachen zu. Mit einem ekligen, zischenden Knistern umhüllte er den Drachenkörper. Therozutl brüllte vor Schmerz auf und schlug zu. Da Sucher sich auf seine Fackel konzentriert hatte, vermochte er nicht mehr, schnell genug auszuweichen. Der Schlag traf ihn mitten in die Brust. Er brach auf der Stelle zusammen.

***

Jetzt gab es für Lilly kein Halten mehr. Ohne Rücksicht auf sich selbst, rannte sie an dem sich in Krämpfen windenden Drachen vorbei auf Sucher zu, der rücklings auf dem Boden lag. Dass die Luft plötzlich mit einem zischenden und knisternden Nebel aus Todesmänteln angefüllt war, nahm sie gar nicht wahr. Sie hatte nur Augen für ihren Sucher. Sie warf sich über seine zerfetzte Brust und streichelte sein Gesicht.
"Sucher! Sag doch was! Ich bin hier! Lilly!"
Sucher öffnete kurz seine Augen und lächelte sie an.
"Es ist schön, dass du da bist. Leider habe ich sie schon gefunden!"
"Was hast du gefunden?"
"Die letzte Wahrheit. Ich hatte gehofft, ich hätte noch etwas Zeit."
Nach diesen Worten starb Sucher in Lillys Armen.
Für Lilly ging eine Welt unter. Ihr geliebter Sucher hatte sein Leben für ihres hingegeben. Er war gestorben, weil er ihr helfen wollte. Sie war untröstlich und nahm die Welt um sich herum nicht mehr wahr. So bemerkte sie nicht, dass sich inzwischen eine ganze Schar von Todesrittern in der Höhle eingefunden hatte. Theron, der mit seiner Truppe in allerletzter Sekunde eingetroffen war, trat auf den toten Drachen zu.
"Es tut mir leid, dass es vonnöten war, Euch zu töten, Therozutl," meinte er. "Wir magischen Wesen sollten uns nicht untereinander auslöschen. Aber Ihr wart vom rechten Weg abgekommen und habt Euch zum Diener eines tyrannischen Herrschers gemacht. Das war eines Drachens unwürdig. Lebt in der anderen Welt ein gerechteres Leben!"
Er sah auf das Koboldmädchen herunter, das vor seinen Füßen lag und Saul, seinen ehemaligen Vasallen weinend umarmte. Was mochte nur geschehen sein, dass sich ein sterbliches Wesen in ihn verliebt hatte? So wie er die Sterblichen kannte, war eine Kontaktaufnahme im Moment nicht anzuraten. Die Koboldfrau war vollkommen verwirrt. Er würde warten müssen.
Geräusche vor dem Höhleneingang deuteten an, dass weitere Gäste angekommen waren. Theron nickte einem seiner Todesritter zu, der daraufhin zurückritt, um nachzusehen, wer da wohl gekommen war. Doch es drohte keine Gefahr. Zusammen mit den Ankömmlingen kehrte der Todesritter wieder zurück. Es waren Quatzkotl, Cillie, Quetzalkoatlus, El Pitto Gnomo und Hieronto Hatamoto, die etwas später in Umbra eingetroffen waren als Theron mit seinen Todesrittern.
Quatzkotl sah sich natürlich zunächst die Überreste Therozutls an, die zusammengeschrumpft und kaum noch als Drachenkörper zu erkennen, am Rande des Sees lagen. Er blieb dort einige Minuten gedankenverloren stehen. Schließlich gab er sich einen Ruck und kam zu den anderen herüber, die sich um Lilly versammelt hatten.
El Pitto Gnomo schaffte es schließlich, seine Tochter wieder in die Wirklichkeit zurückzuholen. Lilly sah die versammelten Streiter an. Als sie sich wieder so weit in der Gewalt hatte, dass sie sprechen konnte, erklärte sie die Situation, so gut sie konnte:
"In Umbra regiert ein neuer Herrscher," sagte sie mit tränenerstickter Stimme. "Er und sein Magier unterdrücken die Bevölkerung mithilfe des Drachens Therozutl und der Armee der Ehernen Reiter. Ich sollte dem Drachen geopfert werden. Sucher hat mich gerettet. Ohne ihn wäre ich nicht mehr!"
"Warum trauert ihr, kleine Koboldin? Trauert Ihr um Euren Verlust? Ist die Trauer um einen Verstorbenen nicht reines Selbstmitleid?" fragte Theron interessiert.
Lilly schüttelte den Kopf.
"So einfach ist das nicht, Fürst! Natürlich bin ich traurig, dass Sucher nicht mehr da ist, dass ich nicht mehr mit ihm sprechen kann, ihn nicht mehr berühren kann. Doch das ist es nicht allein! Sucher ist unersetzlich, weil er einfach perfekt war. Noch nie habe ich jemanden kennengelernt, der ähnlich hilfsbereit, liebevoll und klug war. Sucher war einfach wertvoll! Was spiele ich da für eine Rolle? Ich bin ein Nichts gegen ihn. Es wäre besser gewesen, wenn ich an seiner Stelle gestorben wäre!"
Nur mit Mühe konnten die Anwesenden verhindern, dass sich die Kleine wieder auf den Leichnam warf.
"Dann werden wir uns jetzt den Fürsten von Umbra und seinen Magier holen!" bestimmte Theron. "Ich will sie lebend. Beide!"

***

Die Kampfgefährten verließen die Höhle und ritten auf die Stadt zu, die nicht weit entfernt war. Als sie sich dem Festhügel näherten, auf dem Lilly so schlimme Stunden verbracht hatte, wurden sie bereits von einer kleinen Menschengruppe erwartet.
Theron führte sie dicht an die Wartenden heran. Einer der Anwesenden trat heran. Lilly erkannte ihn sofort:
"Dloreg!" rief sie. "Was macht Ihr denn hier?"
Dloreg nickte ihr kurz zu und ließ sich vor Theron auf die Knie fallen. Mit großer Überwindung brachte er sich dazu, dem Fürsten der Finsternis ins Gesicht zu schauen.
"Theron, Herr der Todesritter," sagte er. "Ich bin Gerold, Erzherzog von Umbra. Ich grüße Euch und erbitte Eure Hilfe. Vor zehn Jahren bin ich durch den Fürsten und seinen Magier aus meinem Schloss vertrieben worden. Mein Volk wird drangsaliert. Hier stehe ich vor Euch mit meinen letzten Getreuen, die sich nicht mit der Unrechtsherrschaft des Fürsten abfinden wollen. Bitte helft mir!"
Theron verzog unwillig sein Gesicht.
"Ich grüße Euch auch, Erzherzog. Die Probleme der Sterblichen sind in der Regel nicht die meinen. Wenn ich Euch helfe, dann nicht, um die Herrschaft eines Fürsten gegen die eines Erzherzogs auszutauschen. Mag die eine ungerecht sein und die andere gerecht. Ich diene höheren Interessen. Merkt Euch das! Wenn ich Euch helfe, dann nur deshalb, weil der Fürst und sein Magier machtvolle schwarze Magie anwenden. Das ist niemandem erlaubt. Es sei denn, er ist ein Fürst der Finsternis."
Theron wies auf die Burg.
"Zeigt mir einen Weg in die Burg und ich werde den Fürsten lehren, die Gesetze der Herren der Finsternis zu respektieren."
Gerold war nicht gerade glücklich über die harte Antwort Therons, war aber dennoch zufrieden, denn er würde ihm letztendlich doch helfen. Die Beweggründe waren im Endeffekt zweitrangig. Freunde würden er und Theron ohnehin nicht werden.
"Es führt nur ein Weg in die Festung, Herr," antwortete er. "Der Fürst hat ihn aber dermaßen befestigt, dass es kein Durchkommen gibt. Überall sind Mauern, Tore und Wehrtürme. Außerdem stehen überall die Ehernen Reiter bereit."
Theron lachte und wies auf seine Begleiter.
"Hier siehst du dreißig Todesritter, zwei Schwertkämpfer, die ihresgleichen suchen und drei Drachen. Glaubst du im Ernst, ein paar Bewaffnete könnten uns aufhalten?"
Gerold senkte das Haupt.
"Bei allem Respekt, Herr," flüsterte er. "Bedenkt bitte, dass die Ehernen Reiter unbesiegbar sind. Niemand kann sie überwinden. Nichts ist gefährlicher, als einen Feind zu unterschätzen."
Anstelle einer Antwort presste Theron seinem Ross die Fersen in die Weichen und trabte an. Die anderen folgten ihm. Nur Lilly blieb zurück.
"Seid Ihr wirklich der Erzherzog?" fragte sie. "Warum habt Ihr Euch Dloreg genannt?"
Gerold stand wieder auf und blickte nachdenklich zur Stadt herüber.
"Ich habe es rechtzeitig geschafft, mich in ein sicheres Versteck zurückzuziehen, als der Fürst mit seinen Leuten über mein Reich herfiel. Es war mir klar, dass der Magier nach mir suchen würde, um mich endgültig beseitigen zu können. Ich wäre ein gutes erstes Jahresopfer gewesen. Doch der Magier hatte mich noch nie persönlich zu Gesicht bekommen und konnte mich daher nur über meinen Namen suchen. Deshalb habe ich ihn einfach verändert. Dloreg ist Gerold von hinten gelesen. Ebenso ist es mit meiner Frau Hilde. Sie ist eine phantastische Kartenleserin und hat aus dem Kartenorakel unsere Zukunft gedeutet. So haben wir gewusst, dass du kommen und uns Rettung bringen würdest."
Lilly wurde wütend.
"Dann habt Ihr mich einfach so benutzt. Ich hätte bei dieser Geschichte ohne weiteres sterben können. Nur durch eine nahezu unglaubliche Verkettung von Zufällen habe ich überlebt. Oder wusstet Ihr etwa, dass mich ein Buschmeister beißen würde und dass mich ein Todesritter gesund pflegen und mir bis in die Drachenhöhle folgen würde? Meint Ihr etwa, dass es ein Spaß war, angekettet auf dem Hügel zu stehen und auf den Tod zu warten? Ich kann Euch sagen, dass es das nicht war! Ich habe Todesängste ausgestanden. Das Schlimmste aber ist, dass ich Sucher verloren habe! Er war tausendmal mehr wert als Ihr und Euer blödes Herzogtum!"
Lilly spornte Palo an. Im Davonreiten rief sie noch:
"Wenn ich ehrlich sein will, Gerold Erzherzog von Umbra, kann ich nicht erkennen, dass ihr ein gerechterer Herrscher seid als der Fürst. Im Grunde interessiert auch Euch nur der Erhalt Eurer Macht. Da seid ihr alle gleich. Hermann dem Seifensieder wird es egal sein, an wen er seine Steuern zahlt. An Euch oder den Fürsten!"

***

Nach ihrem Zornesausbruch fühlte sie sich schon viel besser. Sie ließ den verdutzten Gerold mitsamt seinem Gefolge stehen und eilte sich, die anderen einzuholen. Unterwegs aber kamen ihr Zweifel auf. Vielleicht war sie doch etwas hart gewesen. Gerold war immer gut zu ihr gewesen. Oft hatte sie den Eindruck gehabt, als mochte er sie wirklich. War sie wirklich nur Mittel zum Zweck gewesen?
Als sie Theron und die anderen eingeholt hatte, öffneten sich die Stadttore und heraus trat eine Gruppe von 20 Ehernen Reitern.
"Was soll das?" schimpfte El Pitto Gnomo. "Warum kommen die zu Fuß? Sind das nun Reiter oder was?"
"Ich glaube, sie sind nur klug," erläuterte Quatzkotl. "Sie haben gesehen, dass sie es mit drei Drachen zu tun haben und deshalb ihre Pferde zurückgelassen. Vielleicht glauben sie, dass sie selbst durch ihre Rüstungen vor unserem Feuer geschützt werden. Ich nehme an, dass wir sie schnell in die Flucht schlagen können. Sie haben wohl noch nie mit Drachen zu tun gehabt."
"Die Ehernen sind nicht unser primäres Ziel!" gab Theron zu bedenken. "In erster Linie müssen wir in die Burg kommen, um den Fürsten und seinen Magier zu schnappen."
"Doch der Weg in die Burg führt nur über die Ehernen Reiter!" konterte Quatzkotl, dem es gut tat, dem Fürsten zu widersprechen. 
Theron ging nicht weiter auf die Gedanken des Drachen ein.
"Etwas stimmt mit ihnen nicht," überlegte er laut.
"Mit wem?" fragte El Pitto Gnomo.
"Mit den Ehernen Reitern. Es gibt keine Rüstung, die vor Drachenfeuer schützt. Es sei denn, sie ist magisch verstärkt. Auf Seiten Umbras kämpft ein Magier. Wenn er gut genug ist, einen magischen Schild gegen Drachenfeuer zu erzeugen, sollten wir ihn nicht unterschätzen!"
"Hast du Angst, Theron?"
Der Herr der Todesritter wandte dem Koboldhäuptling sein Gesicht zu und schenkte ihm ein Lächeln, das selbst dem furchtlosen Schwertkämpfer das Blut in den Adern gefrieren ließ! Oh nein! Theron hatte keine Furcht! Es gab nichts, das ein Fürst der Finsternis zu fürchten brauchte. Aber andere Wesen taten gut daran, ihn nicht zu reizen.
El Pitto Gnomo fühlte sich äußerst unwohl in seiner Haut. Er wich dem Blick Therons aus. Dabei fiel sein Auge auf seine Tochter Lilly, die rechts neben ihm stand und wie die anderen zur Stadt hinüberblickte.
"Was machst du denn hier, Tochter?"
"Kämpfen, Vater!"
Der Kobold lachte.
"Kämpfen? Mit deinem Kurzschwert? Das lass mal ganz schön bleiben!"
Lilly stampfte wütend mit dem rechten Fuß auf.
"Ich habe in den letzten Wochen viel erlebt, Vater! Ich habe einer Finsterwald-Spinne in ihrem Horst gegenübergestanden, den Biss eines Buschmeisters überlebt, den liebenswertesten Menschen der Welt kennen gelernt und wieder verloren. Und dann bin ich einem Drachen als Opfer dargeboten worden. Glaubst du etwa, ich würde irgendetwas auf dieser Welt fürchten? Meinst du etwa, diese Figuren da vorne können mich abschrecken, diejenigen ihrer gerechten Strafe zuzuführen, die für den Tod Suchers verantwortlich sind? Nein! Ich mache mit. Das bin ich Sucher schuldig!"
El Pitto Gnomo war von der zwar zornig, aber ruhig und gefasst vorgetragenen Rede seiner Tochter nicht unbeeindruckt geblieben. Da er aber schon vorher von Theron zurechtgewiesen worden war, konnte er sich nicht schon wieder geschlagen geben.
"Tochter, Kämpfen ist Männersache! Ziehe dich bitte wieder zurück! Du hast genug Abenteuer erlebt. Jetzt sind die Erwachsenen am Zug!"
Zur Überraschung aller verließ Lilly widerspruchslos ihren Platz und ging zu Gerold und seiner Gruppe von Anhängern zurück. Der Kobold runzelte die Stirn. Das gefiel ihm nun auch wieder nicht. Eine folgsame Lilly? Das konnte nichts Gutes bedeuten. Doch er konnte diesen Gedanken nicht weiterverfolgen, da die temperamentvolle Cillie gerade einen Vorschlag machte.
"Warum fliegen wir nicht einfach hoch in die Festung? Sollen die Ehernen Reiter doch hier unten stehen bleiben, bis sie schwarz werden?"
Quatzkotl winkte ab.
"Wir haben es hier mit einem Magier zu tun, Cillie. Wir dürfen darum getrost davon ausgehen, dass er die Festung mit einem magischen Schutzwall umgeben hat. Da er Kontakt mit Therozutl gehabt hat, wird er wissen, wie gefährlich Drachen sind und entsprechend vorgebaut haben. Du solltest vorsichtig sein! Mir gibt auch zu denken, wie zurückhaltend Theron ist. Ich kann mir gar nicht denken, dass der Magier des Fürsten von Umbra einem Fürsten der Finsternis das Wasser reichen kann. Dennoch ist Theron vorsichtig. Wir sollten es darum umso mehr sein!"
Die Gruppe diskutierte noch eine Weile herum, kam aber zu keiner Lösung, da sie nicht so recht wusste, wie sie die Ehernen Reiter und ihr seltsames Verhalten einschätzen sollte. Dann war es Theron, der eine Entscheidung traf.
"Wir sollten die Fähigkeiten der Ehernen Reiter testen." Er drehte sich zu seinen Todesrittern um, die hinter ihm Stellung bezogen hatten. "Schwärmt aus, meine Kinder, und zeigt den Gerüsteten da vorne, was ein Todesritter kann."
Die dreißig Untoten trieben ihre Pferde an und jagten in einer geschlossenen Front auf die wartenden Ehernen Reiter zu. In vollem Galopp richteten sie ihre Zepter auf die Gegner. "Harrr!" riefen die Todesritter. Dreißig Todesmäntel schwebten los.

***

Lilly wäre nicht Lilly gewesen, wenn sie der Anordnung ihres Vaters wirklich gehorcht hätte. Sie ging nur zu Gerold herüber, um sich von ihm ein Pferd auszuleihen. Sie war jetzt geübt genug, um auch mit einem großen Reitpferd zurechtzukommen. Zu ihrer Überraschung hatte er aber Palo mitgebracht. Trotz dieser freundschaftlichen Geste war sie immer noch sauer auf ihn, dankte ihm nur knapp und ritt dann auf die östliche Stadtmauer zu. Dort, so wusste sie, würde sie Hermann, den Seifensieder finden.
Hermann durfte sich bei der Ausübung seines Berufs nicht in der Stadt aufhalten, da die Herstellung von Seife mit viel Rauch und Gestank verbunden war. Die Stadtoberen hatten ihm eine Stelle an der östlichen Seite der Stadtmauer zugewiesen. Dort konnte er leben und arbeiten. Auf ihn und seinen Schmutz konnten sie gut verzichten, nicht aber auf seine Seife. Als Lilly ihn erreichte, schlief er noch. Das war ungewöhnlich, denn er war eigentlich ein Frühaufsteher. Sie vermutete, dass er sich im Laufe des Festes zuviel in Sachen Essen und Trinken zugemutet hatte und jetzt seinen Rausch ausschlief. Natürlich trugen diese Gedanken nicht zu ihrem Wohlbefinden bei. Ihr Zorn steigerte sich. Um ihn zu wecken, trat sie ihm kräftig in die Seite, aber nicht zu kräftig. Hermann hatte ihr schließlich nie direkt geschadet. Aber immer noch kräftig genug, um ihm weh zu tun - und ihn wach zu bekommen.
"Aaah!" fuhr er hoch und rieb sich verschlafen die Augen. "Was fällt Euch ein, mich...!"
Er sah, wer vor ihm stand.
"Lilly!" rief, ja schrie er fast. Er sprang auf und drückte sie an sich. "Lilly! Ich fasse es nicht!" Er drückte sie wieder, küsste sie und drehte sie im Kreis wie eine Puppe. "Was habe ich für eine Angst um dich gehabt. Nein! Was bin ich glücklich, dich wieder zu sehen!"
Hermanns Freude war echt! Lillys Zorn war auf der Stelle verraucht. Es tat gut, so liebevoll begrüßt zu werden. Dennoch bemühte sie sich, weiterhin erbost zu scheinen.
"Lass mich los!" fauchte sie. "Hast du dich auch so gefreut, als ich auf dem Opferhügel stand?"
Hermann schaute betreten zu Boden.
"Was hätte ich tun sollen? Wie hätte ich dich befreien können? Der Hügel war von den Ehernen Reitern fest umschlossen. Der Fürst und der Magier waren da und all die Leute. Nichts hätte ich tun können. Aber Hilflosigkeit hilft nicht gegen ein schlechtes Gewissen. Es war der schwärzeste Tag meines Lebens. Das kannst du mir glauben."
Lilly bekam Mitleid mit dem Seifensieder. Er hatte wirklich nichts tun können. Aber so einfach sollte er ihr auch nicht davonkommen.
"Warum habt ihr mich nicht gewarnt, du und Gerold und Hilde? Es wäre ein Leichtes für euch gewesen, mich über die Rolle des Ehrengastes aufzuklären. Ich hätte noch fliehen können."
Hermann hob den Kopf und schaute sie an.
"Das ist ein Irrtum, Lilly. Du hattest bereits zugestimmt. Aus freien Stücken. Diese Zustimmung kann man nicht mehr zurückziehen. Die Wächter am Stadttor hätten dich niemals mehr aus der Stadt gelassen. Außerdem standen fünf Eherne Reiter bereit, die dir überallhin nachgefolgt wären. Du hättest nicht mehr entkommen können. Außerdem war Hilde absolut sicher, dass dir nichts passieren würde."
"Wegen des Kartenorakels?"
"Wegen des Kartenorakels!"
Lilly gab sich geschlagen. Was passiert war, konnte man nicht mehr ändern. Aber sie hatte einen Plan, für dessen Umsetzung sie Hermann brauchte. Vielleicht konnte sie sein schlechtes Gewissen dafür ausnutzen.
"Ich habe trotzdem noch etwas bei dir gut, Hermann," sagte sie deshalb. "Ich bin von Freunden aus der Gewalt Therozutls befreit worden. Sie wollen jetzt den Fürsten und den Magier gefangen nehmen und für ihre Verbrechen strafen."
Hermann lachte bitter auf.
"Wie wollen deine Freunde das schaffen? Der Fürst und der Magier sitzen sicher in ihrer Festung. Und vor der Festung stehen die Ehernen Reiter. Da kommt keine Maus hinein."
Lilly blieb stur.
"Das ist ja mein Plan," beharrte sie. "Ich will an den Wachen vorbei in die Festung gelangen und die beiden überwältigen. Wenn wir das geschickt machen, sind die zwei gefangen, ehe sie es noch merken."
Hermann schaute Lilly so verdutzt an, als sei sie ein Mondkalb, das soeben vom Himmel gefallen war. Erst nach einigen Sekunden merkte er, dass sie es ernst meinte. Er seufzte.
"Lilly, dann höre mir jetzt bitte mal genau zu. Der Fürst und sein Magier sind immer von einer Leibwache von vier Ehernen Reitern umgeben. Wir werden nicht an sie herankommen. Sie werden uns töten. Und deine Freunde werden auch nicht an ihnen vorbeikommen, sondern ebenfalls getötet werden. Die Ehernen Reiter sind unbesiegbar und ich werde dir jetzt auch erklären, warum das so ist."
Hermann gebot Lilly sich hinzusetzen. Dann begann er ihr in aller Ruhe zu erklären, was es mit den Ehernen Reitern auf sich hatte. Lillys Ungeduld schwand schon nach wenigen Worten. Was sie da hörte war so unglaublich, dass sie den Seifensieder nicht ein einziges Mal unterbrach.

***

Die Todesritter, die voller Vorfreude die Münder geöffnet hatten, um die Seelen der Ehernen Reiter in sich aufzunehmen, wurden bitter enttäuscht, denn die Todesmäntel blieben ohne Wirkung. Die Ehernen Reiter standen unbeeindruckt da und dachten gar nicht daran, ihr Leben auszuhauchen.
Ratlos drehten sie sich zu Theron um. Sie erwarteten weitere Anweisungen ihres Meisters. Diesen Moment der Ratlosigkeit nutzten die Ehernen aus. Ein halbes Dutzend von ihnen löste sich aus der Phalanx. Schnellfüßig liefen sie auf die unentschlossenen Todesritter zu und begannen, mit ihren Schwertern auf sie einzuschlagen. Ehe die Untoten reagieren konnten, waren drei von ihnen zerhackt und hauchten ihr magisches Leben aus. Die anderen wehrten sich, indem sie blaue Blitze aus ihren Fackeln auf die Angreifer abfeuerten. Die Wirkung war nicht gerade überwältigend, aber doch spürbar: Die Bewegungen der Ehernen wurden merklich verlangsamt, wenn auch nicht völlig gestoppt. Wirklich wirksam waren die Blitze also nicht. Weitere zwei Todesritter lösten sich unter den Schwerthieben auf. Auf Befehl ihres Meisters zogen sich die Untoten wieder zurück.
Als die Ehernen sich wieder in ihre Verteidigungslinie einreihten, meinte Theron.
"Es war nur ein Versuch! Ich hatte ähnliches erwartet, denn ich spüre, dass die Ehernen Reiter von einer starken magischen Aura umgeben sind."
"Dann neutralisiert sie doch!" empfahl Quatzkotl. "Ihr als Fürst der Finsternis solltet doch mit den Kräften eines menschlichen Magiers fertig werden."
Die anderen nickten beifällig. Die Zurückhaltung Therons war ihnen unverständlich.
"Ich muss erst feststellen, welcher Art und welcher Stärke die Magie ist, die ich neutralisieren werde. Wenn ich meine Kräfte zu stark einsetze, wird der Magier auf der Stelle getötet. Normalerweise bin ich nicht so zimperlich, aber hier und heute will ich ihn lebend haben."
"Warum? Was habt Ihr denn mit ihm vor?" wollte Cillie wissen.
Theron gab keine Antwort, sondern winkte ab.
"Wie sollten uns auf die Verteidiger der Stadt konzentrieren!" schlug er vor. "Sie gehen zum Angriff über!"
Er hatte Recht! Die Ehernen Reiter verließen ihre Stellung und kamen in geschlossener Front auf die Gruppe zu.
El Pitto Gnomo und Hieronto zogen ihre Zweihänder und nahmen Aufstellung.
"An mir kommt keiner vorbei!" brüllte der Kobold den Gegnern entgegen. Dabei blinzelte er Hieronto aufmunternd zu. Der Junge hatte es nötig. Er war zwar ein vollwertiger Samurai und hervorragender Schwertkämpfer, hatte es aber hier mit magischen Kräften zu tun - und damit würde er sich schwerer tun als El Pitto Gnomo, dessen Kampfkunst selbst magischen Charakter hatte.
Quatzkotl, Cillie und Quetzalkoatlus entfalteten ihre Schwingen und stiegen auf, um aus ihrer Luftüberlegenheit einen Vorteil zu ziehen. Die anfälligen Todesritter setzten ihre Rösser in Bewegung. Sie würden es aus der Distanz mit Blitzen versuchen.

***

Schon zu Beginn des Kampfes wurde klar, dass die Ehernen Reiter äußerst ernst zu nehmende Gegner waren. Dass sie gegen die magischen Waffen der Todesritter nahezu immun waren, hatten sie bereits bewiesen. Die Hoffnung der Angreifer ruhte nun ganz auf den Schwertkünsten El Pitto Gnomos und Hierontos, sowie dem Feuer der Drachen. Der Kobold musste allerdings schon bei seinem ersten Zusammenprall mit einem Gegner feststellen, dass dieser wenigstens so gut mit seinem Zweihänder umgehen konnte, wie er selbst. Der Eherne Reiter stürmte mit hohem Tempo auf ihn zu, hob sein Schwert und ließ es mit aller Kraft heruntersausen. Der Kobold reckte Drachentöter hoch, um den Schlag abzufangen. Als die Schwerter aufeinander trafen, glaubte El Pitto Gnomo zuerst, ein gigantischer Schmiedehammer habe ihn getroffen. Trotz der magischen Kraft Drachentöters und seiner eigenen überragenden Fähigkeiten vermochte er dem Hieb kaum standzuhalten. Die Erschütterung des Schwertstreichs drang von der Klinge des Schwertes über seine Arme in seinen Körper und erschütterte ihn bis ins Mark. Stöhnend vor Anstrengung lenkte er die Wucht des Hiebes zur Seite. Doch sein Gegner hatte sein Schwert schon wieder in die Höhe gebracht und schlug wieder zu. El Pitto Gnomo tat was er konnte. Er setzte seine ganze Kraft und Schnelligkeit ein, brachte seine jahrelange Erfahrung und Geschicklichkeit ein. Vergebens. Er blieb in der Defensive und konnte sich nur mit knapper Not halten. Wenn bloß nicht ein zweiter Eherner kam! Leider waren die Verteidiger der Stadt in der Überzahl. Schon war ein weiterer heran und drang mit aller Macht auf den Kobold ein. Zwei Gegner waren aber entschieden zuviel! Er musste zurückweichen. Jetzt nur nicht stolpern! Hoch konzentriert wich er zurück. Wo waren nur die Drachen? Sie mussten doch sehen, wie es um ihn stand!
Quatzkotl und seine Familie taten, was sie konnten. Ihre erste Sorge galt allerdings Hieronto, der mit bewundernswerter Haltung den Angriffen der Ehernen Reiter standhielt. Natürlich ging es ihm schlechter als El Pitto Gnomo, denn er besaß nicht dessen Fähigkeiten. Doch er war Spross einer langen Ahnenreihe von Samurai und deren Jahrhunderte alte Tradition des Schwertkampfes stand ihm bei. Was ihm an Kraft fehlte, machte er mit seiner Geschmeidigkeit wieder wett. Elegant wie ein Tänzer wich er den schmetternden Schwerthieben seiner Feinde aus, ja, brachte hin und wieder sogar einen Schlag durch. Sein Vater Yono wäre stolz auf ihn gewesen, wenn er ihn hätte sehen können. Doch ohne die Luftunterstützung der Drachen wäre er verloren gewesen. Quatzkotl feuerte eine Flammenzunge nach der anderen ab. Wo sie auftrafen, wurden die Verteidiger der Stadt aus dem Gleichgewicht gebracht und zurückgeschleudert. Leider war die Aufprallwucht der Feuerstöße die einzige sichtbare Wirkung auf die Gegner. Die Hitze konnte offenbar nicht durch den Schutz der Rüstung dringen, denn die Gefallenen richteten sich immer wieder auf, sammelten ihre Kräfte und warfen sich aufs Neue in das Gefecht.
"Helft El Pitto Gnomo!" rief Quatzkotl, der sah, dass der Kobold um sein Leben kämpfte. Soeben hatte sich ein dritter Eherner in den Kampf eingeschaltet. Wenn nicht augenblicklich Hilfe kam, war er verloren.
Doch Cillie und Quetzalkoatlus reagierten schon. Sie spieen heißes Drachenfeuer, das die Schwertkämpfer wegfegte, als wären sie leicht wie Laub. Krachend landeten sie auf dem Boden, rappelten sich aber sofort wieder auf. Es widersprach aller Logik, dass die Männer sich mit ihren schweren Rüstungen aus eigener Kraft so schnell wieder aufrichten konnten. In der Regel bedurfte es mehrerer Hilfskräfte, unter Umständen sogar eines Kranbocks, um einen voll gerüsteten Ritter aus der horizontalen wieder in eine vertikale Position zu bringen. Hier war wirklich Magie im Spiel! Aber was für eine?
Theron, der sich nach wie vor aus dem allgemeinen Kampfgewühl heraushielt, stellte ähnliche Überlegungen an. Er beobachtete genau, wie die Ehernen Reiter auf die auf sie einwirkenden Kräfte reagierten. Hin und wieder erteilte er seinen Todesrittern die eine oder andere Anweisung, damit sie mit ihren Blitzen die Bewegungen der Angreifer in entscheidenden Momenten verlangsamten. Auf diese Weise trugen auch sie dazu bei, dass die Ehernen Reiter seine Leute nicht schon längst niedergemacht hatten. Dennoch konnte es so nicht weitergehen! Die Kräfte des Kobolds und des Samurais begannen nachzulassen. Auch das Feuer der Drachen stand nicht grenzenlos zur Verfügung. In seinem Kopf begann eine Idee zu reifen. Das Verhalten der Ehernen Reiter konnte nur eine Ursache haben. Theron begann, seine unvorstellbaren magischen Kräfte zu sammeln.

***

Als Hermann seinen Bericht beendete, wurde Lilly alles klar: Sie musste ihren verrückten Plan, den Magier auf eigene Faust festzusetzen, fallenlassen und ihrem Vater und seinen Freunden zu Hilfe kommen. Sie mussten so schnell wie möglich erfahren, was es mit den Ehernen Reitern auf sich hatte. Hoffentlich war es nicht schon zu spät! Sie schwang sich auf Palo und trieb ihn zu höchstem Tempo an.
Als sie sich dem Kampfplatz näherte, sah sie, dass es allerhöchste Zeit war. Allerdings hörte sie mehr als sie sah, denn noch lag das Schlachtfeld außerhalb ihres Gesichtskreises. Das typische Fauchen, das entstand, wenn ein Drache den Inhalt seines Feuerofens entleerte, das laute Klingklong der aufeinander prallenden Schwerter, sowie das typische grelle zischen der Blitze, die die Todesritter abfeuerten. Bei diesem Lärm würde sie von niemandem gehört werden. Sie musste unbedingt näher heran! Sie stieß den gellenden Kriegsruf der Kobolde des Finsterwaldes aus, um auf sich aufmerksam zu machen und gab Palo die Sporen. Jetzt galt es!

***

El Pitto Gnomo war am Ende seiner Kräfte. Nur unter größter geistiger Anspannung brachte er sein Schwert noch in die Höhe. Soeben hatte ihn mit knapper Not ein Todesritter gerettet, der einem Feind einen Blitz gegen die Rüstung geschleudert hatte, bevor dieser dem Kobold sein Schwert in den Leib schlagen konnte. Seine Arme schmerzten und seine Beine gehorchten ihm nur noch träge. Hieronto war zu ihm vorgestoßen. Sie kämpften jetzt Rücken an Rücken, denn die Ehernen Reiter hatten sie vollkommen eingekreist. Beide bluteten aus zahlreichen Wunden, die sich über Gesicht und Arme hinzogen. Ein Schwertstreich hatte Hierontos Samurai-Zopf abgeschlagen. Hieronto nahm die Schändung der Zierde seines Hauptes aber gar nicht zur Kenntnis. Er hatte alle Mühe, zu verhindern, dass sein Kopf nicht den gleichen Weg nahm wie sein Zopf.
Das Feuer der Drachen hatte stark von seiner Wirkung eingebüßt. Die magischen Öfen in ihren Bäuchen brauchten Erholung. Nur die Todesritter schienen über unerschöpfliche Reserven zu verfügen. Immer wieder tauchten ihre Mumienköpfe gerade im rechten Moment auf, um noch soeben einen der Schwertkämpfer der Stadt an einem tödlichen Schlag zu hindern. An Rückzug oder gar Angriff war nicht mehr zu denken. Sie kämpften ums nackte Überleben. Kraftlos und mit nur noch schwerfälligen Bewegungen wehrten sie sich. Sie sahen die eisernen Helme ihrer Widersacher nur noch schemenhaft. Gegen die nimmermüde, gefühllose, mechanische Kraft der Ehernen Reiter gab es kein Rezept.
Plötzlich drang schwach der Angriffsschrei der Finsterwaldkobolde an El Pitto Gnomos Ohr. Was war das? Kamen etwa seine Leute zu Hilfe? Mühsam kämpfte sich sein Verstand aus der Tiefe seiner Erschöpfung empor? War das nicht Lilly? Er hatte sie doch fortgeschickt! Was wollte sie hier? Sie sollte nicht zusehen, wie er starb.
"Lauf! Lauf weg! Schnell!" wollte er ihr zurufen. Doch seine Stimme ging in einem heiseren Krächzen unter.
Mühsam und mit letzter Kraft stieß er die Spitze seines Schwertes auf den kaum wahrnehmbaren Spalt zu, den der untere Rand des Helms eines Ehernen Ritters zwischen dem Kopfteil und dem Brustpanzer freiließ. Drachentöter drang ein. Zufällig traf gleichzeitig ein Feuerball Quatzkotls den Kopf des Gepanzerten. Der plötzliche Aufprall und der Stoß des Schwertes waren zuviel des Guten. Der Eherne verlor seinen Helm – und seinen Kopf. Die Rüstung fiel um und zersprang. El Pitto Gnomo starrte ungläubig auf den Boden. Die Rüstung war leer!
"Sie sind hohl!" rief Lilly aus dem Hintergrund. "Das war es, was die Alraune sagen wollte. Es stecken gar keine Menschen drin! Die Rüstungen werden durch reine Magie gesteuert. Darum erlahmen sie nicht und reagieren so schnell. Der Magier lenkt sie. Solange er lebt, sind die Ehernen Reiter unbesiegbar!"
"Das stimmt nicht!" brüllte El Pitto Gnomo zurück. "Der hier ist besiegt!"
Doch er hatte sich getäuscht. In die Einzelteile der Rüstung kam plötzlich Leben. Die verstreuten Stücke strebten, wie von unsichtbaren Fäden gezogen, wieder aufeinander zu und vereinigten sich. Innerhalb weniger Augenblicke war der Kämpfer wieder komplett, nahm sein Schwert in die Hand und griff wieder in das Kampfgeschehen ein.
Die Drachen hatten das Unglaubliche auch gesehen. Sie sahen ein, dass unter diesen Umständen weiterer Widerstand sinnlos war. Sie stießen herab und landeten unmittelbar neben den bedrohten Schwertkämpfern. Sofort richteten die Ehernen Reiter ihre Angriffe auf die Drachen. Doch deren schwer gepanzerte Leiber konnten einige Schwerthiebe durchaus verkraften. Mochten die Gepanzerten auch noch so hart zuschlagen: Die Schuppen hielten. Quatzkotl und Quetzalkoatlus wüteten wie ungeheuerliche Furien unter den Angreifern. Die mächtigen Schwänze peitschten auf die schweren Rüstungen ein, dass sie wie Spielzeug umherflogen. Doch das Schauspiel dauerte nicht lang an. Auch die Drachen mussten sich wieder zurückziehen, denn auf Dauer würde die Magie der Ehernen Reiter sich auch auf die Panzerung der Drachen einrichten und sie durchschlagen. Cillie nahm den Kobold und den Samurai auf ihren Rücken und flog dann davon. Schließlich blieben nur Theron und seine Todesritter zurück – und Lilly, die sich zu dem Fürsten der Finsternis gesellt hatte.
Theron blieb auch dann noch völlig gelassen, als die Ehernen Reiter des Magiers sich nun ihm zuwandten. Er richtete sich hoch auf seinem Ross auf, breitete die Arme aus und aktivierte seine Magie. Zwischen ihm und den Ehernen Reitern baute sich eine rote Flammenwand auf. Das Licht der Sonne verblasste, als die Flammen höher und höher loderten und sich auf die Gepanzerten zubewegten. Dabei war die Geschwindigkeit der Flammen am Rand höher als die der anderen. So entstand eine Kreisbewegung, die die Ehernen Reiter schließlich umfasste. Als sich der Flammenring geschlossen hatte, ging ein plötzlicher Windstoß durch das Feuer. Es wuchs hoch hinauf und vereinigte sich zu einer Glutkuppel, die vom ursprünglichen Rot ins Schwarze überging. Schließlich waren die Eingeschlossenen weder zu sehen noch zu hören. Sie befanden sich in einer undurchdringlichen Gluthölle, aus der es kein Entrinnen gab.
Jetzt stieß Theron einen heiseren Schrei aus und senkte die Arme. Die Glut erlosch. Von den Ehernen Reitern war nichts mehr zu sehen.
"Toll!" flüsterte Lilly beeindruckt von der Macht des Fürsten der Finsternis.
Theron versammelte seine Todesritter um sich. Gemeinsam ritten sie auf das Stadttor zu, durchquerten es und steuerten den Aufgang zur Festung Umbra an, die sich immer noch unversehrt und drohend über der Stadt erhob.
Lilly blickte kurz zu ihren Freunden hinüber, folgte dann aber Therons Truppe. Quatzkotl und sein Sohn folgten ihnen. Cillie blieb zurück. Sie hatte sich in einen Medikus verwandelt, der die Verletzungen des Kobolds und Hierontos versorgte.

***

Umbra war von einer nahezu gespenstischen Leere. Der Tag begann zwar, sich seinem Ende zuzuneigen, aber es war immer noch hell. Trotzdem traute sich kein Mensch, sein Haus zu verlassen. Von dem ehemals so regen Treiben in der Stadt war nichts mehr zu spüren.
Theron führte sie zielstrebig zu der Stelle, an der der Aufgang zur Burg von Umbra begann. Ein mächtiges, mit Eisen beschlagenes Tor verschloss den Weg. Der Herr der Todesritter richtete kurz den Zeigefinger seiner rechten Hand auf das Portal. Sofort flog es mit ohrenbetäubendem Getöse auseinander, als wäre es von einer Hundertschaft von Trollen zerschlagen worden. Hinter dem Tor ging es steil bergan. Auf den links und rechts aufragenden Mauern des Schutzwalls rührte sich nichts. Offenbar hatte der Herrscher Umbras voll und ganz auf die Unbesiegbarkeit der Ehernen Reiter gesetzt und die Verteidigungslinien vollständig entblößt, um sich nur auf die Verteidigung des Zugangs zur Stadt zu konzentrieren. Da die Ehernen Reiter von Theron vernichtet worden waren, erwartete Lilly auch keinen ernsthaften Widerstand mehr. Erst als sie die äußere Schutzmauer der Festung hinter sich gebracht und den innern Verteidigungsring erreichten, erblickten sie einige Soldaten. Diesmal waren es Menschen aus Fleisch und Blut, die sich ihnen entgegenstellten und ihnen mit Hellebarden entgegentraten. 
"Halt! Hier ist Euer Weg zu Ende!" rief ein Hauptmann, der sich hinter seinen Leuten versteckte, mit zittriger Stimme. Hellebarden waren ein probates Abwehrmittel gegen Berittene. Aber auch gegen solche?
"Hauptmann, ich bewundere Eure Tapferkeit! Da ich nichts gegen Euch und Eure Leute habe, gebe ich Euch zwei Sekunden Zeit, zu verschwinden."
"Niemals werden wir unsere Stellung aufgeben. Wir haben unserem Fürsten Treue bis in den Tod geschworen," rief der Hauptmann trotzig zurück.
Kaum hatte er seine Worte beendet, bekam Lilly das schon so bekannte "Harrr!" der Todesritter zu hören. Zehn Todesmäntel flogen heran. Zehn Seelen verließen die Körper der Männer und wurden von zehn Todesrittern mit Wonne gegessen. Ungerührt setzte Theron mit seiner Truppe den Weg fort. In der Mitte des Festungshofes zügelte er sein Ross und versammelte seine Todesritter um sich.
"Schwärmt aus, meine Kinder!" rief er. "Sucht mir den Fürsten und seinen Magier. Bringt sie mir her!"
Die Todesritter verteilten sich und suchten die Burg ab. Wie sie es schaffen wollten, auf ihren Pferden, in jeden Winkel der Festung zu gelangen, war Lilly rätselhaft. Aber sie war überzeugt davon, dass sie es konnten. Sie hatte die Fähigkeiten dieser Wesen in der Zwischenzeit ausreichend kennen und schätzen gelernt. Nach und nach leerte sich der Burghof. Die unheimlichen Todesritter durchforsteten die Festung.
Theron nutzte den entstehenden Leerlauf, um Lilly eine Frage zu stellen.
"Was werdet Ihr Euch wünschen, wenn ich Euch die beiden Individuen vorstelle, die den Tod Sauls verschuldet haben? Sinnt Ihr auf Rache?"
Lilly schüttelte den Kopf.
"Ich denke weniger an Rache als an Bestrafung. Die Strafe sollte gerecht und angemessen sein. Rache zu nehmen entspricht nicht meiner Art."
"Ich werde Euch diese Frage noch einmal stellen, wenn meine Kinder sie gefunden haben. Überlegt Euch genau, was Ihr antworten werdet!"
Quatzkotl und sein Sohn trafen nun auch ein.
"Das hat aber lang gedauert," wunderte sich Theron. "Hattet Ihr Probleme, Drachenkönig?"
"Wir hatten uns auf unserem Flug mit etlichen Pfeilschleudern auseinandersetzen müssen. Die Wurfmaschinen waren mit geübten Drachenjägern besetzt. Es war nicht einfach gewesen, aber wir haben sie mit dem Feuer, das uns in unseren Bäuchen noch zur Verfügung stand, beseitigen können. Jetzt sind sowohl der Luft- als auch der Landweg sicher," brummte Quatzkotl, der, wie immer, aus seiner Abneigung gegen den Fürsten der Finsternis keinen Hehl machte.
"Worauf warten wir denn noch?" fragte er, um Theron zu ärgern.
"Meine Kinder suchen den Fürsten und seinen Magier," gab Theron in aller Seelenruhe zurück.
Quatzkotl schaute seinen Sohn an.
"Mir scheint, sie haben dabei wenig Erfolg. Lass uns auch mal nachsehen, Quetzi. Mal sehen, ob wir mehr Glück haben als diese Untoten."
Die Drachen schlichen davon. Trotz seiner enormen Größe würde Quatzkotl sich durch fast jeden Gang winden können. Ein Drachenkörper ist enorm biegsam. Quetzalkoatlus war aufgrund seiner Jugend viel kleiner als sein Vater. Er würde erst Recht keine Probleme mit den räumlichen Verhältnissen bekommen.
Es verging eine geraume Zeit, ohne dass sich etwa tat. Sowohl die Todesritter als auch die Drachen durchstreiften die Festung, ohne die beiden Gesuchten zu finden. Lilly wurde es auf die Dauer zu langweilig. Sie verließ den Rücken Palos und begann ihre eigenen Erkundigungen anzustellen.
Zuerst betrat sie den Wohnteil der Burg, der einen Großteil des Gebäudes ausmachte. Die Bewohner hatten ihre Behausung in großer Eile verlassen, denn alle Türen standen sperrangelweit auf, Sitzmöbel lagen umgestürzt auf dem Boden und Trink- und Essgeschirre waren weit verstreut. Bei ihrer Wanderung kam sie auch in einen geräumigen Rittersaal, an dessen Tafel frisch zubereitete Mahlzeiten noch warm vor sich hindampften. Ein erlöschendes Feuer in einem Kamin und achtlos fallen gelassene, demolierte Musikinstrumente zeugten davon, dass sich hier noch vor kurzem eine fröhliche Runde aufgehalten hatte und den Saal Hals über Kopf geräumt hatte. Die Speisen waren erlesen, wie Lilly mit einem Blick feststellte. Der Fürst und sein Gefolge verstanden es zu leben. Ihre Runde führte sie weiter auf die Wehrgänge. Auch hier war alles tot und leer. Ab und zu begegnete sie einem der umherstreifenden Todesritter, die geisterhaft leicht und schwerelos auf ihren Rossen die Festung durchsuchten, aber bisher auch noch nicht fündig geworden waren. In einem Frauengemach traf sie eine Gruppe völlig verängstigter Hofdamen, die spitze Schreie ausstießen, als sie Lilly angesichtig wurden. Die Koboldin machte schnell kehrt. Hier waren die Gesuchten sicherlich nicht und mit hysterischen Weibern wollte sie nichts zu tun haben.
Ein Wandspiegel zeigte ihr, dass ihre Schönheit unter den Strapazen der vergangenen zwei Tage gelitten hatte. Mit ihrem wirr ins Gesicht hängenden Haar sah sie sehr unvorteilhaft aus. Das Gesicht verschmutzt, mit einer blutigen Schramme versehen, die sie sich weiß woher geholt hatte, und ihrem stoßbereiten Kurzschwert sah sie eher kriegerisch als damenhaft aus. Lilly stelle sich vor den Spiegel und reckte das Schwert in die Höhe.
"Ich kriege euch beiden, ihr Verbrecher! So wahr ich Lilly Kobold heiße!" rief sie. Dann gab der Boden unter ihren Füßen nach und Lilly sauste im freien Fall in die Tiefe.

***

Im Hof der Festung beorderte Theron seine Todesritter wieder zurück. Er hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass seine Kinder bei ihrer Suche keinen Erfolg haben würden. Diese Eingebung hatte durchaus Substanz: Alle bisherigen Ereignisse ließen sich in ihrem Ursprung auf ein und dieselbe Person zurückführen: Die kleine Koboldfrau Lilly. Sie war, wenn auch auf Geheiß der Weißen Alraune, nach Umbra gekommen, um ihren Fluch loszuwerden. Sie war auf Saul getroffen und hatte ihm die entscheidenden Impulse gegeben, die Entwicklung von einem Todesritter zu einem Menschen zu beschleunigen. Und sie war es auch, die den entscheidenden Hinweis darauf gegeben hatte, dass die Ehernen Reiter im Grunde genommen nichts anderes waren als metallene Golems, die durch den Magier Umbras gesteuert wurden. Nur so war es ihm möglich gewesen, die magischen Verbindungen zwischen ihnen und ihrem Meister zu trennen, ohne diesen sofort zu töten. Die Kleine war intelligent, tatkräftig und mutig. Sie beeindruckte ihn. Es gab keinen Zweifel. Wenn jemand die beiden finden würde, dann war es Lilly.
"Bring mir zwei ledige Rösser her!" befahl er einem Todesritter.
Dieser schnarrte sein obligatorisches: "Sofort, Meister!" und machte sich daran, der Weisung nachzukommen. Theron aber konzentrierte sich ganz auf seine übersinnliche Verbindung mit Lilly, die er aufgebaut hatte, als das Mädchen sich selbstständig machte.

***

Stürze haben ihre eigenen Gesetze. Sie brauchen ihre Zeit und lassen sich darin von niemandem beeinflussen. Mit etwas Glück dauern Stürze aber nicht immer so lange, wie der Betroffene es empfindet. Lilly hatte dieses Glück: Noch bevor der Schrecken ihr Bewusstsein so richtig erreicht hatte, landete sie, mit den Füßen voran, auf einer harten Steinunterlage. Ihre Beine gaben nach. Sie fiel rücklings hin und schlug mit ihrem Hinterteil auf. Lilly rappelte sich ächzend wieder auf und rieb sich den verwundeten Po. Autsch! Das hatte wehgetan! Nicht mehr ganz so stolz und mutig wie noch eben schaute sie sich um. Sie befand sich in einem finsteren Gewölbe, in das nur durch die Luke, durch die sie gefallen war, Tageslicht eindrang. An den Wänden hingen zum Glück Fackeln, die zwar nicht viel, aber ausreichend Licht spendeten, um das Mauerwerk der Wände sichtbar zu machen. Es war feucht hier unten. Und kühl! Ein Blick nach oben bestätigte das, was sie schon befürchtet hatte: Die Luke konnte sie nicht erreichen. Sie war hier unten gefangen. Lilly umklammerte ihr Schwert fester. Dann schritt sie voran in das Dämmerlicht des Ganges hinein.
Der Tunnel schien endlos. Ab und zu wiesen Löcher an den Wänden den Weg zu versteckt angelegten Nischen und Räumen, die zum Teil vollkommen leer schienen, zum Teil aber auch mit verfaulendem Stroh gefüllt waren. Lilly fragte sich, wozu diese Räume wohl dienen sollten. Als Verliese eigneten sie sich nicht, da sie nirgendwo Türen fand, und für Vorratskammern waren sie zu nass, wie das vergammelnde Stroh bewies. Eine genauere Inspektion der Kammern ersparte sie sich aber. Selbst ihre Neugier hatte ihre Grenzen. Nach einer Biegung stand sie plötzlich vor einer massiven Wand, die ihr den weiteren Weg versperrte. Hier war der Gang zu Ende. Müde lehnte sie sich gegen eine Tunnelseite. Plötzlich gab die Mauer nach. Lilly taumelte, wurde von einer stählernen Hand gepackt und mit eisernem Griff nach hinten gezogen. Ehe sich es sich versah, wurde sie in einen hell erleuchteten Raum geschoben. Ein Augenpaar musterte sie hasserfüllt. Mit einem kurzen Seitenblick musterte sie den Besitzer der Hand, die sie so grob gefasst hielt. Sie schluckte. Sie hatte den Fürsten und seinen Magier gefunden! Die Hand löste ihren Griff und gab ihr einen Stoß in den Rücken. Lilly prallte gegen einen Tisch, behielt aber das Gleichgewicht.
"Es war falsch, sie hierher zu bringen, Werfried!" knurrte der Magier. Lilly hatte erst jetzt Muße, die beiden Männer näher anzusehen. Am Festtag selbst war sie zu aufgeregt gewesen, um ihnen mehr als nur einen flüchtigen Blick zuzuwerfen. Der Zauberer war groß und schlank mit einem für Menschen gut geschnittenen, schmalen Gesicht. Er wirkte sehr gepflegt, wenn seine Augen auch sehr kalt und hart blickten.
Der Fürst war ein sehr großer und sehr kräftiger Mann, dessen Gesicht von einem schwarzen Vollbart umrahmt wurde. Das gute Leben der vergangenen zehn Jahre hatte Spuren hinterlassen: Der Körper hatte Fett angesetzt. Das gesenkte Kinn ruhte auf einem dicken Fleischpolster. Werfried von Umbra war zweifellos ein starker Mann. Den Höhepunkt seiner Kraft hatte er aber schon überschritten. Lilly sah sich weiter um. Auf dem Boden lagen reglos die Rüstungen zweier Eherner Reiter. Auch die Leibwache des Fürsten war durch Therons Macht unbrauchbar geworden. In der Mitte der Kammer schwebte eine Glaskugel, in deren Zentrum violetter Nebel waberte. Von ihm gingen blaue Blitze aus, die sich an Decke, Wänden und Boden des Raumes zu einem kugeligen Gebilde vereinigten. Sie befand sich in einer Blase aus magischer Energie.
"Wieso war es ein Fehler?" wunderte sich der Fürst. "Sie ist doch eine gute Geisel! Wenn wir sie gegen freien Abzug eintauschen könnten, wäre das eine gute Sache. Ich habe keine Lust, in diesem Loch zu verrotten!"
"Himmel! Ich hätte mich nie mit einem Blödmann wie dir auf diese Sache einlassen sollen! Ich muss verrückt gewesen sein, mich gegen einen Fürsten der Finsternis zu stellen," stöhnte der Magier. Er ballte die rechte Hand zur Faust und schlug mit ihr bei jedem der folgenden Worte auf den Tisch: "Ich- habe- unser- Versteck- mit- allen- meinen- Fähigkeiten- unsichtbar- gemacht. Wenn- du- Blödmann- uns- die- Kleine- nicht- hereingeschleppt- hättest, wäre- das- auch- so- geblieben. Wenn- Theron- seinen- Verstand- noch- zusammen- hat, dann- wird- er- sich- an- dem- Mädchen- verankert- und- so- meinen- magischen- Schild- durchdrungen- haben. Hast- du- das- kapiert?"
Er blickte den Fürsten an.
"Es gibt nur einen Ausweg: Töte sie! Schnell!"
Bevor der Angesprochenen dazu kam, den Befehl umzusetzen, verschwand der Raum um sie herum. Lilly fand sich plötzlich auf dem Burghof wieder. Der Magier und der Fürst hatten sie auf ihrem Weg begleitet.
Rings um sie herum standen die Todesritter und ihr Meister. Sie bildeten einen geschlossenen Kreis, der sie vollständig umgab. Oben auf der Dachschräge des Bergfrieds hockten Quatzkotl und Quetzalkoatlus. Zwei riesige, missratene Vögel, die das Treiben unter sich beobachteten.

***

"Seid mir willkommen, Fürst und Magier," erklang die tiefe und feste Stimme Therons auf. Wie immer war er voll Souveränität. Er hatte die Situation im Griff. Lilly trat schnell aus dem Kreis heraus. Sie hatte kein Interesse daran, das was jetzt folgen würde, in seinem Inneren zu erleben. Sie bestieg Palo. Jetzt fühlte sie sich sicherer.
"Fürst von Umbra!" fuhr Theron fort. "Ihr habt einen Mann dazu verführt, sich der Kräfte der Schwarzen Magie zu bedienen. Um Eures Vorteils und des Nachteils vieler Menschen willen. Die Machtverteilung und -anwendung der Sterblichen untereinander interessiert mich nicht. Wohl aber die Verwendung magischer Energien. Die Kräfte der Schwarzen Magie sind den Sterblichen verwehrt und es ist ihnen verboten, sich ihrer zu bedienen. Für welchen Zweck auch immer. Deshalb müsst Ihr bestraft werden!"
Sowohl der Fürst als auch sein Magier hatten die Rede Therons bleich und blass über sich ergehen lassen. Sie waren außerstande, auch nur ein Wort zu äußern. Lilly glaubte aber auch nicht, dass Theron ihnen zugehört hätte, selbst wenn sie den Mut dazu aufgebracht hätten, ihm etwas zu entgegnen.
Theron sprach weiter.
"Magier! Ihr habt gewusst, dass es nicht erlaubt ist, Schwarze Magie zu betreiben. Das ist nur den Fürsten der Finsternis erlaubt. Ihr habt auch gewusst, dass auf eine solche Verfehlung eine schwere Strafe folgen muss!"
Er wandte sich an den Todesritter, der die beiden verlangten Rösser am Halfter führte.
"Bring die Tiere in den Kreis!"
Der Vasall Therons tat wie ihm geheißen und zog sich anschließend wieder auf die Kreislinie zurück.
Theron wandte sich Lilly zu.
"Ich habe Euch schon einmal danach gefragt, ob Ihr an diesen beiden Verbrechern Rache üben wollt. Sie wollten Euch das Leben nehmen und sind für den Tod Sauls verantwortlich. Seinerzeit hattet Ihr gesagt, dass Ihr kein Interesse an Rache habt. Nun steht Ihr den beiden Verbrechern gegenüber. Was denkt Ihr jetzt?"
Lilly brauchte nicht lange zu überlegen.
"Ich hege keinen Hass gegen die beiden. Darum denke ich auch nicht an Rache. Beide sind schwerer Verbrechen schuldig und sollen ihre gerechte Strafe erhalten. Ich werde mich aber nicht zum Richter der beiden aufschwingen. Tut darum, was Ihr für richtig haltet, Theron, und fragt nicht mich, was mit ihnen geschehen soll!"
"Das ist gut gesprochen, Koboldin," nickte Theron zufrieden.
Er schaute ihr tief in die Augen. Sie spürte einen grellen Schmerz, der ihr durch die Augäpfel bis tief hinein in den Kopf fuhr. Stöhnend verbarg sie ihr Gesicht in den Händen. Dann war es vorbei.
Sie hob den Kopf, blickte sich um und erkannte, dass sie wieder ohne Einschränkungen sehen konnte. Zum ersten Mal nach zehn Jahren konnte sie das Abendrot der untergehenden Sonne erblicken, das begann, sich am Horizont abzuzeichnen. Nur mit Mühe gelang es ihr, Tränen der Erleichterung zurückzuhalten. Noch konnte sie sich nicht wirklich freuen. Zu einschneidend war die neue alte Welt, die sich für sie öffnete.
"Ich habe dich in den letzten Stunden dreimal geprüft, Koboldin. Dreimal hast du gezeigt, dass du aus deinen Fehlern gelernt hast. Dein Charakter ist gereift. Der Fluch hat seinen Zweck erfüllt. Sei wieder sehend und vergiss nie, was du gelernt hast!"
Dann wandte Theron sich dem Magier zu.
"Steig auf das Ross, Saul!" befahl er.
In den Magier kam Leben.
"Ich heiße nicht Saul!" protestierte er. "Und auf das Ross steige ich nicht. Es ist ein Kriegsross. Kriegsrösser habe ich noch nie geritten. Es würde mich abwerfen und zertreten."
"Dieses Ross wird in Zukunft Teil deines Körpers sein. Du wirst auf ihm und mit ihm leben. Du wirst es nie verlassen. Und Saul wird von nun an dein Name sein. Darum steige bitte auf!"
Dem Magier dämmerte jetzt langsam, was aus ihm werden sollte. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer angstvollen Grimasse.
"Oh nein! Das wirst du nicht mit mir machen! Ich bin auch ein Magier. Hüte dich vor meiner Macht!"
Er spreizte die Finger beider Hände und richtete sie auf Theron. Doch nichts geschah.
"Ich habe deine magischen Kräfte blockiert. Glaubtest du wirklich, du könntest einem Fürsten der Finsternis die Stirn bieten? Steige bitte auf dein Pferd, Saul!"
Jetzt war es mit der Selbstbeherrschung des Magiers endgültig vorbei. Er geriet in Panik, heulte laut auf und versuchte aus dem Kreis der Todesritter zu entkommen. Doch die Kinder Therons drängten ihn immer wieder in die Mitte des Kreises zurück. Er war zu Fuß. Sie beritten. Er hatte keine Chance!
Als es Theron zu bunt wurde, gab er zwei Todesrittern einen kurzen Wink. Sie ritten auf den Magier zu und ergriffen ihn. Wie Schraubstöcke umklammerten ihre knochigen Hände die Arme des Magiers und hoben ihn auf den Rücken des Pferdes. Danach zogen sie sich wieder zurück.
Der Magier hatte inzwischen sein Heulen eingestellt und saß, leise jammernd, mit hängendem Kopf auf dem Schlachtross. Ruckartig bewegte er seinen Oberkörper pendelnd von vorne nach hinten. Es sah so aus, als würde er jeden Moment hinunterfallen.
Theron hob die Arme. Er begann in einer unbekannten Sprache zu sprechen. Die Worte klangen hart, abgehackt und kehlig. Lillys Kopfhaut begann zu prickeln, als sich die Luft mit magischer Energie auflud.
An den Füßen des Magiers züngelten plötzlich kleine schwarze Flammen. Mit hervorquellenden Augen sah der Magier auf das Feuer herab. Sein Jammern verstärkte sich. Als sich die schwarze Glut rasch über den ganzen Körper ausbreitete, ging es in lautes Schreien über. Offensichtlich litt er starke Schmerzen. Der Körper begann zu zittern. Die Haut färbte sich schwarz. Sie verbrannte, schrumpfte, warf Blasen, riss auf. Der Magier brüllte mit sich überschlagender Stimme. Er riss den Mund weit auf, um seine Klage in den Abendhimmel zu schreien. Schwarze Flammen schlugen aus der Mundöffnung. Die Augen zogen sich tief in die Höhlen zurück. Schließlich brannte der ganze Körper lichterloh. Das Schreien ging in ein unartikuliertes Kreischen über. Die Qualen mussten unerträglich sein.
Jetzt öffnete auch Theron seinen Mund weit. Zäher, schwarzer Nebel kroch heraus und waberte auf den sich windenden Körper des Gepeinigten zu. Er umhüllte ihn und sein Ross vollständig, so dass nur noch das unerträgliche Kreischen zu hören war. Die Verbindung zwischen dem Mund Therons und dem Magier blieb aber bestehen.
"Harrr!" grunzte Theron, wobei sein Gesicht den für Todesritter, die eine Seele essen, typischen lustvollen Ausdruck annahm.
Der schwarze Nebel floss zurück in Therons Mund. Der Magier wurde wieder sichtbar. Doch dieser hatte sich in einen Todesritter verwandelt, der sich in nichts von den anderen unterschied.
"Ich grüße dich, Saul, mein Sohn!" sagte Theron. Er griff in seine Satteltasche und holte zwei Gegenstände heraus "Nimm den Purpurmantel und das Zepter des Todesritters als Wahrzeichen meiner Macht an und reihe dich dann bitte in den Kreis deiner Brüder ein!"
"Sofort, Meister!" schnarrte der Todesritter und gehorchte.
Theron wandte sich nun dem Fürsten von Umbra zu, der die Umwandlung seines Magiers mit kreidebleichem Gesicht miterlebt hatte.
"Steige auf dein Ross, Zachäus!" befahl er.

***

Lilly hatte genug gesehen. Die Verwandlung des Fürsten wollte sie nicht auch noch miterleben. Sie wendete Palo und lenkte ihn den Weg hinab, aus der Stadt heraus bis zu der Stelle an der ihr Vater mit seinen Gefährten auf sie wartete. Quatzkotl und Quetzalkoatlus folgten ihr wie große Raubvögel, langsam in der Luft kreisend.
Sie nahm es sich gemütlich, denn sie hatte das Bedürfnis, mit sich selbst allein zu sein. Sie hatte in der letzten Zeit so viel erlebt, dass sie Zeit für sich brauchte. Sie hatte erreicht, was sie erreichen wollte: Sie konnte wieder sehen. Eigentlich konnte sie also zufrieden zu ihrer Familie zurückkehren und ein normales Koboldleben führen. Was aber war jetzt noch normal? Einen Kobold aus einem Clan der Finsterwaldkobolde heiraten und Kinder bekommen? Dieser Gedanke behagte ihr ganz und gar nicht! Sie hatte sich wochenlang allein durchgeschlagen, sich überall durchgesetzt und erlebt, wie schön es war, selbstständig und für sich selbst verantwortlich zu sein. Außerdem hatte der Tod Suchers ein Riesenloch in ihre Seele gerissen und sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es einen Kobold geben könnte, der es ausfüllen konnte. So schnell jedenfalls nicht. Die Welt war groß. Es gab so vieles zu entdecken. Nein! Ein Zurück in die Enge des Finsterwaldes würde es für sie nicht geben! Sie wollte ein anderes Leben führen - und sie wusste auch schon was für eins.
Als El Pitto Gnomo, Cillie und Hieronto sie erblickten, riefen sie laut, um ihr den Weg zu ihnen zu weisen. Doch Lilly gab ihnen zu verstehen, dass das nicht mehr nötig war.
"Ich kann wieder sehen!" rief sie ihnen zu und trieb Palo an. "Ich kann wieder sehen!"
Der Kobold nahm seine Tochter glücklich in die Arme und schaute sie nachdenklich an.
"Ich bin ja so froh, dass du wieder bei mir bist! Lass uns zusammen nach Hause gehen. Hier haben wir nichts mehr verloren."
Lilly seufzte.
"Ich weiß im Moment nicht mehr, wo mein Zuhause ist, Vater," gab sie zurück. "Wenn ich an den Finsterwald denke, denke ich nur an die schreckliche Zeit, in der ich blind, unselbstständig und oft auf die Hilfe anderer angewiesen war. Jetzt aber existiert der Fluch nicht mehr. Alles hat sich verändert. Auch ich. Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen, das ich früher war."
El Pitto Gnomo war irritiert.
"Was soll das heißen, Lilly?"
"Das soll heißen, dass ich nicht in den Finsterwald zurückkehren werde."
"Wo willst du denn hin?"
"Ich habe eine Idee, muss aber erst fragen, ob ich darf."
"Wen?"
"Theron kommt mit seiner Meute!" unterbrach Hieronto die Unterhaltung der beiden. Er hatte die Stadt nicht aus den Augen gelassen.
Die Gruppe beobachtete fasziniert, wie die Reiter im lautlos schwebenden Galopp der Todesritter herankam. Theron führte sie an. Unwillkürlich versuchte Lilly im Schwarm der Reiter den Fürsten und den Magier zu erkennen. Aber alle Untoten sahen absolut gleich aus.
"Ich bin gekommen, um mich für Eure Unterstützung zu bedanken," sagte er, als er die Gruppe erreicht hatte. "Ohne Euch wäre es schwieriger gewesen, den Fürsten und seinen Magier dingfest zu machen. Sie sind jetzt meine Kinder und werden mir auf ewig dienen."
Er hob abschließend grüßend die Hand und wendete sein Ross, um davonzureiten.
"Halt, Theron," meldete Lilly sich laut. "Ich habe eine Bitte an Euch!"
Der Herr der Todesritter verhielt sein Pferd und schaute die Koboldin aufmunternd an.
"Ich würde Euch gerne begleiten!"
Theron schmunzelte, als habe er mit dieser Bitte gerechnet.
"Warum?"
"Ich habe so viel erlebt. So viel Neues gesehen. Ich will nicht, dass jetzt wieder alles so langweilig wird wie früher. Es muss weitergehen. Ich bin neugierig!"
"Neugier ist eine gute Eigenschaft," lobte Theron. "Neugier schafft Neues. Neugier weckt die Welt und erhält einen wachen Verstand. Du darfst mit uns kommen."
Lilly verabschiedete sich von ihrem Vater und seinen Freunden.
"Nehmt es mir bitte nicht krumm, dass ich nicht mit euch sondern mit Theron reite. Es gibt so viel zu erfahren. Ich muss einfach!"
El Pitto Gnomo umarmte seine Tochter stumm. Dem alten Haudegen fehlten die Worte. Doch als Lilly mit den Todesrittern auf den Horizont zuritt murmelte er: "Sie wird mir fehlen. Wie kann ich nur Lisa unter die Augen treten? Sie wird fürchterlich wütend auf mich sein, wenn sie hört, dass ich Lilly mit Theron habe mitreiten lassen."
Quatzkotl wandte sich seinem Gefährten zu und sagte:
"Ich kann gut nachempfinden, wie es dir geht, alter Freund. Ich habe ähnlich gefühlt, als Quetzi zu Dommerjahn musste. Himmel, wie habe ich ihn vermisst! Aber er kommt ja immer wieder zurück. Und das wird Lilly auch tun, denn Sie ist deine Tochter und wird es immer bleiben. Sie wird aber von nun an ihre eigenen Entscheidungen treffen und ihren eigenen Weg gehen. Jetzt, wo sie erwachsen ist."
 

© W. H. Asmek
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