Der Henker von Nicolai J. Reinartz

Er hatte in seinem Leben mehr als einen Kopf vom Hals getrennt, mehr als einen Unschuldigen getötet und er hatte niemals darüber nachgedacht was er tat.
Aber nun hatte sich das Blatt gewendet, und das nicht gerade zu seinen Gunsten.
Zum ersten Mal, seit es in Teldan, dem kleinen Dorf am Fuße des Berges Donnerschnee überhaupt Henker gab, hatten sich die Bürger gemeinsam erhoben und sich gegen den hochgewachsenen Mann mit dem Beil und der Schwarzen Maske gewehrt.
Und nun stand er da, den Rücken an die Stadtmauer gepresst, das Gesicht zu einer entsetzten Grimasse verzogen.
"Helft mir!", flehte er die vielen Menschen, die um ihn herum standen, an. "Ich... ich wusste nicht, was ich tat! Die Befehle... sie kamen von anderen... anderen, mächtigen Männern. Ich hasse mich für das, was ich getan habe! Vergebt mir, ihr guten Leute! Es war nicht meine Schuld."
In der Menge brach lautes Gerede aus.
"Wir können diesen Mann nicht strafen! Er war nur ein Knecht, der gezwungen wurde all diese Dinge zu tun!" rief einer, und ein anderer antwortete laut: "Ich weigere mich weiter mit diesem Hund zu leben! Wer gibt die Garantie, dass er - wenn wir ihn laufen lassen - nicht wieder zuschlägt?"
"Wir sollten ihn einfach aus der Stadt werfen. Ich sage nein zur Reche! Wenn wir es ihm jetzt mit gleicher Münze heimzahlen, sind wir keinen Deut besser als er", schlug wieder ein anderer vor. Ein nächster rief entrüstet: "Aber wie viele hat er getötet? Wie könnt ihr das alles vergessen? Mit all dem Blut, das seinetwegen vergossen wurde, könnte ich mein Feld ein Jahr lang bewässern."
Und als sich alle stritten, ergriff der Henker rasch sein Beil, sah seine Chance gekommen und schlug gleich wieder zu.
 
© Nicolai J. Reinartz
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