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Dämonenfeuer von Rubaan
7 - In den Höhlen von Gra Éngor

Nun entziehen sich Reno und seine Freunde unseren Blicken, denn wir sehen uns nun das Leben in den Höhlen von Gra Éngor an, den einzigen Zwergenhöhlen auf Domm.
Dieses Höhlensystem, das sich unter den Donnerstein-Bergen, den Ebenen von Helkyy und der Großstadt Figarr erstreckte, war außerdem die Heimat des großen Zwergenhochkönigs Habareton, einem der berühmtesten, mächtigsten und gütigsten auf ganz Lemminia...
"Das ist ja großartig! Die beiden schwarzen Meister sind tot!" jubelte Habareton und sprang von seinem kostbaren Thron aus ewiger Eiche auf, tanzte kurz herum, sang fröhlich, wie es bei mit Freude erfüllten Zwergen üblich war, und trippelte die kleine Treppe zu seinen Gemächern hinunter. Schnell schloss er mit einem winzigen, goldenen Schlüssel die Tür zu seiner Kammer auf, sprang fröhlich hinein und stellte sich vor ein silbrig glänzendes Rohr, das in der Höhlenwand steckte, gleich neben einem zweiten.
"Bereitet ein Fest vor, in der großen Halle! Alle sind eingeladen! Macht alles bereit, denn morgen um die Mittagszeit, gibt es eine unglaubliche Feier! Holt Kuchen und Obst, holt Milch und Fruchtsaft, holt Fleisch und Käse, holt alles, was die Speisekammern zu bieten haben, denn morgen wird gefeiert! Lasst uns singen und tanzen und fröhlich sein, denn der schwarzen Meister Zahl ist nur noch eins! Tarantos und Geothande sind in der Schlacht gefallen, der Kontinent ist von ihrer Herrschaft befreit!" rief er in das Rohr hinein, worauf gleich darauf aus dem anderen zu vernehmen war: "Wie wunderbar! Wie wunderschön! Majestät, wir bereiten das größte Fest vor, das die Höhlen von Gra Éngor je gesehen haben! Wir senden Boten durch die ganzen Höhlen, um allen zu verkünden, dass morgen Mittag ein großes Fest stattfindet, zum Anlass des Todes von Tarantos und Geothande."
König Habareton nahm seine rotgoldene, mit seltsam funkenden Halbedelsteinen und einem glänzenden Rubin besetzte Hochkönigskrone ab, legte sie auf ein kleines, kaffeebraunes Tischchen, knöpfte seinen roten Mantel auf und begann damit, sich fein zu machen. Er hüllte sich in einen bläulich schimmernden Umhang, zog sich dunkelgrüne Stiefelchen an und ließ sich von einem ledernen, juwelenbesetzten Gürtel umschlingen, also Kleidung, die dem typischen Zwergengeschmack entsprach, da die Zwerge, im Gegensatz zu den Elben, nichts, aber auch wirklich gar nichts von Mode oder Ähnlichem verstanden. Auf seinen Kopf setzte er seine silberne, mit Feueropalen beschlagene Festtagskrone und auf seine Finger kamen insgesamt fünf, drei auf der rechten Hand, zwei auf der linken, platine, goldene, silberne, kupferne und bronzene Ringe, mit Diamanten, Topasen, Saphiren, Amethysten und Bergkristallen verziert.
"So werde ich Morgen zum Fest in der großen Halle von Éngor gehen. Das ist wunderschön, ja, alle, wirklich alle werden sie mich bestaunen und bewundern und mit freudigen Blicken bombardieren", meinte Habareton grinsend und lachte schallend laut, so dass sein langer, grauer Bart zitterte. "Ich werde auch einen Boten nach Figarr schicken, damit auch die Bürger dieser Stadt von dem Tod der beiden Dämonen erfahren und sich freuen können."
König Habareton blieb noch einige Zeit lachend und kichernd in seiner Kammer, auf seinem kleinen Stuhl sitzend und sein Ebenbild in einem glänzenden Spiegel an der Wand betrachtend.

Zwei weitere Tage wanderten Reno und seine Freunde bereits durch den letzten Abschnitt der Donnerstein-Berge. Zwischen ihnen und Figarr lagen nur noch ein niedriger, jedoch sehr breiter Berg, auf dem immerzu dicker, weißer Nebel lag, was sich als großes Hindernis erweisen würde.
Unsere Freunde bestiegen nun diesen Berg, der auch der kleine Gra genannt wurde, denn auf ihm befand sich zusätzlich der Haupteingang zu den Höhlen von Gra Éngor.
"Folgt mir besser, sonst verlaufen wir uns noch", sagte Reno und begab sich an die Spitze der Kette aus Reisenden.
Lynn hielt sich an seinen Schultern an, Thares an ihren, und Tenet an denen des Elben. Der blassblaue Nebel umschlang die Gruppe förmlich, wie die Hand eines weißen Phantoms sein Opfer, und hüllte sie ein wie ein übernatürlichen Schleier der Finsternis. Auch war es schrecklich kalt geworden, so dass mit jedem Atemzug der Nebel dicker und frostiger wurde. So kamen sie nicht weit, denn sie schlichen wie ein Dieb, zögernd, unsicher und ängstlich über den verhüllten Berg, sahen sich immer wieder um, drehten ihre Kopf herum, obwohl sie wussten, dass es nichts nützte, denn etwas sehen konnte von ihnen im Moment niemand.
Die Schritte schallten über die Felsen, bis ein gellender Schrei die Stille durchbrach und den Berg erzittern ließ.
"Aaaaaahhhhhh!!!"
Es war die Stimme von Tenet, dem Greifen.
Plötzlich spürte Thares nicht mehr die Hände seines Freundes auf seinen Schultern!
"Tenet?" fragte Reno und wandte sich um. "Wo ist Tenet?"
Thares ließ Lynn los, ging einige Schritte zurück, stieß ebenfalls einen lauten Schrei aus und verschwand, unter dem Nebel begraben.
"Bruder!" rief Lynn, befreite Reno aus ihrem Griff und tastete sich durch die weißgraue Wand zu der Stelle, wo sie und Reno ihre beiden Freunde verloren hatten. Doch das war ein großer, dummer Fehler, denn auch Lynn plumpste in die Finsternis hinein.
"Lynn?! Tenet? Thares!" Reno wusste nicht mehr, was er machen sollte. Sollte er weitergehen, um aus dem Nebel zu entkommen, oder seine Freunde suchen, beziehungsweise ihnen folgen?
Schließlich entschied er sich für das letztere, sagte noch laut: "Ich komme" und sprang mit einem gewaltigen Satz nach vorne, und fiel auch in irgendetwas hinein, genau so wie seine Vorgänger.

Reno erwachte aus einem langen, tiefen Schlaf. Er hatte schreckliche Kopfschmerzen, doch gleichzeitig fühlte er sich warm und kuschelig. Dieses Gefühl wurde bestätigt, als er merkte, dass er in einem warmen, hölzernen Bett mit einer weißen Decke und einem bläulichen Polster lag. Reno fühlte sich wie ein kleines Küken in den Armen seiner Vogelmutter. Am liebsten wäre er sein Leben lang hier liegen geblieben, doch endlich riss er sich von dem warmen Schlafplatz los, sprang auf und ließ seine Füße auf den weichen Teppichboden knallen.
Der samtene Stoff berührte Reno wie eine weiche Hand eines Engels. Er blickte sich um und bemerkte, dass neben ihm drei andere, wohl benutzte Betten mit zerknitterten Decken und klumpigen Polstern standen.
"Lagen die anderen in diesen Betten?" fragte sich Reno und lenkte seine Schritte schnell zur rundlichen, dicken Tür am Ende des Schlafraumes.
Er übertrat die Türschwelle und landete in einem Wirrwarr von Gängen, Trakten und Tunneln, manche mit Teppichen gepolstert, andere an den Wänden mit Gemälden ausgehängt und geschmückt. Reno hatte keine Ahnung, in welche Richtung er gehen sollte, welchen Pfad er einschlagen musste, weshalb er aus seinem Bauch heraus, der übrigens vor Hunger knurrte, eine beliebigen Weg entlang trippelte, bis er zu einem kleinen, hohen, rechteckigen Tor kam.
Darüber hing ein silbernes Schild, beschriftet mit bronzenen Buchstaben, auf dem zu lesen war:

HALLE    VON    ÉNGOR

Reno fasste zögernd den goldenen Türknauf, drehte ihn herum und öffnete zaghaft die Tür.
Er blickte erstaunt in den unglaublich großen Saal, Reno schätzte, dass er die Länge und Breite von einigen, kleinen , und so hoch, dass zehn ýthanische Dschungelfresser leicht aufeinander stehen konnten (eine Kreatur aus dem Schattendschungel von Ýthania, meist gelb bis orangerot, mit zweitausend Zähnen, drei riesigen Augen, zwei kurzen Beinen mit dicken Füßen und einem meterlangen Schwanz, mit einem ungefähr vier Meter großem Körper, der zehn bis fünfzehn Tonnen schwer war).
In der Halle von Éngor ging es drunter und drüber. Eine bunte Gemeinschaft, bestehend aus Zwergen und Zwerginnen, Haustieren und ein paar Menschen füllte den Saal.
Langsam trippelte Reno an den miteinander quatschenden und laut singenden, spielenden und grölenden Leuten vorbei und näherte sich dem Zentrum des Saals.
Dort befand sich der edle Zwergenkönig Habareton, mit seinem kleinen, weißblauen Eisdrachen-Baby namens Khítir an der Seite, auf einem winzigen, hölzernen Thron saß, der mit Himmelssilber und Ogergold an allen Ecken und Enden verziert war. Auch steckte ein großer, glänzender, fein gemogelter* Rubin in der Hinterseite der bräunlichen Lehne.
("Mogeln" bedeutet bei einem Edelstein, ihn rundlich zu schleifen, also in die Form einer glatten Kugel oder eines glatten Ovals zu bringen.)
Reno kam dem Thron immer näher, und schließlich wurde er von großer Freude übermannt, denn im Schatten des Thrones standen seine Freunde, mit Gold und Juwelen geschmückt.
Lynn quasselte mit einer dicken, sehr kleinen Zwergendame mit grauen Haaren und einem pinkfarbenen Kleid, Tenet kaute an einem großen, duftenden Stück Fleisch, während Thares niemals ein Glas mit rotem Wein von seinem Mund weg bewegte, doch gelegentlich laut lachte, was viele kleine Bläschen in der wohlschmeckenden Flüssigkeit erzeugte.
"Freunde! Hier seid ihr!" rief Reno seinen Gefährten zu.
Schnell drehten sie sich zu Reno, sahen ihn, liefen auf ihn zu und bombardierten ihn mit Begrüßungen.
"Endlich bist du wach, du Langschläfer", meinte Tenet lachend und klopfte Reno auf den Rücken.
"Das ist alles, was du sagen kannst, Tenet? Als ich eure Schreie gehört habe, dachte ich schon, ihr seid von einem Monster oder Treibsand verschluckt worden, oder dass ihr in ein tiefes, unendliches Loch gestürzt seid! Ähm, was in gewisser Weise bestätigt wurde, was jedoch nichts zur Sache tut! Ihr alle hättet tot sein können! Ich zerreiße mich vor Sorgen und springe in eine Grube, in der ich umkommen könnte, und alles, was du sagen kannst, ist: Endlich bist du wach, du Langschläfer!" Renos Gesicht lief rot an, und ihm war, als würde ihm Dampf aus den Ohren schießen.
"Schon gut, schon gut. Tut mit Leid. Aber das Wichtigste ist doch, dass wir alle wohlauf sind und uns unverletzt in den HÖHLEN VON GRA ÉNGOR befinden."
Langsam färbte sich Renos Gesicht wieder normal, und sein Körper beruhigte sich, doch Tenets Worte in Zwergensprache verwirrten ihn so, dass er nur ein kleines Wort herausbringen konnte: "Hä?"
"Zwergensprache, Reno. Das war Zwergensprache, und ich sagte: Höhlen von Gra Éngor. Ich bin zwar erst seit fünf kurzen Stunden wach, doch ein bisschen konnte ich schon lernen. Ich denke, dass wir alle dieses unterirdische Reich liebgewinnen werden. Übrigens, ich muss dich dem König vorstellen. Er hat uns allen ein Geschenk gemacht. Schau, Reno, mir hat er diesen DETONATIONS- KRISTALL ausgehändigt. Ich habe zwar keine Ahnung, was das heißt, denn ich weiß den Namen nur auf zwergisch, doch dieses Juwel ist wunderschön."
Tenet öffnete die Klaue, und in ihr erblickte Reno einen kleinen, goldbraunen Kristall, in dessen Mitte ein weiteres, grün schimmerndes Juwel sich langsam zu drehen schien.
Neben Reno erklang ein leises Zischen und Keifen. Er wandte sich zur Seite, und dort saß König Habareton, mit seinem kleinen, süßen Khítir auf dem Schoß. Das bläuliche Eisdrachen-Baby war es, das die Geräusche von sich gab, bevor es Reno wie ein Hund ansprang und genau in seinen Armen landete, worauf es ihm das Gesicht ableckte.
"Hallo, mein Kleiner!" rief der junge Mann und begann, fröhlich zu lachen.
"Kitir! Kitir!" fauchte das Drachenjunge, hopste auf den Boden und trippelte, andauernd Kitir, Kitir rufend, in engen Kreisen um seinen neuen Freund herum.
"Wie ich sehe, gefällst du meinem kleinen Khítir, Reno Starduum", sprach Habareton, erhob sich von seinem Thron und ging auf Reno zu.
"Er heißt also Khítir? Ein schöner Name für einen kleinen Drachen, Majestät", meinte er und reichte dem Zwergenkönig die Hand.
"Danke sehr, tapferer Krieger. Ich bin sehr erfreut, Bekanntschaft mit demjenigen zu machen, der Lord Tarantos den Tod gebracht hat. Auch euer Freund, Thares, hat sich im Gefecht gegen Geothande als äußerst tapfer erwiesen." Mit diesen Worten überreichte er Reno einen matten, grünen Umhang.
"Was ist das, Majestät?" fragte er leise und nahm das Geschenk freudig an.
"Dies", sagte Habareton, "ist der Mantel AERUAL, das bedeutet bei uns: Luft. Mit diesem Umhang kannst du über dem Boden schweben. Ich hoffe, er wird dir nützlich sein."
"Vielen Dank, großer Habareton. Ich werde dieses Kleidungsstück immer in Ehren halten."
"Nun denn, Reno, da ihr endlich hier seid, können wir mit dem eigentlichen Fest der Freude beginnen! DIENER! SAGT DEN GLOCKENMEISTERN, DASS IHRE GLÖCKCHEN SCHNELL DIE TÖNE DES GLÜCKS VERBREITEN SOLLEN! NUN WIRD GETANZT, MEINE FREUNDE!"
Wie aus dem Nichts erschienen zwei kleine, in dünne Eisenrüstungen gehüllte Zwerge mit kurzen, glatt gekämmten Bärten.
"Jawohl!" sagte einer von ihnen und zerrte den Zweiten an der Hand weg.
Kurz darauf hörte man himmlisch klingende Glocken mal laut, mal leise, fröhlich bimmeln, deren Töne helle Freude in der Halle von Éngor verbreiteten. Sämtliche Zwerge im Saal lauschten den lieblichen Klängen, richteten ihre Augen zum König und jubelten kurz, bis keiner mehr die Glocken hören konnte.
Doch nun waren die Laute von Trommeln, Harfen und Tamburins zu vernehmen (das beliebteste Musikstück für Zwergenfeste, die Sonnenmelodie, wird nämlich mit drei Trommeln, fünf Harfen und sechs Tamburins gespielt), und schließlich fingen die Leute an, glücklich zu Lachen und zu Kichern, und auf das helle Donnern eines Gongs begann jedermann in der Halle von Éngor zu tanzen, Hand in Hand und schnellen Schrittes im Kreis herum, nach der Musik der verzaubernden Instrumente.
"Eine wunderschöne Melodie...", schwärmte Lynn und gliederte sich schnell in den Ring aus tanzenden Zwergen ein.
"Geht es auf Festen bei euch immer so zu?" fragte Reno Habareton.
"Ja, normalerweise schon, mein Freund. Zwergenfeste sind das Lustigste, das es auf der Welt gibt, heißt es."
"Übrigens, Majestät, wenden wir uns einmal von dem Fest ab, und kommen wir zu etwas Anderem... Könnt ihr mir vielleicht etwas über die Dämonen sagen?"
"Äh, ja, natürlich, Reno. Komme in meine Gemächer, dann gebe ich dir alle nötigen Informationen."
Mit diesen Worten stand er von seinem Thron auf, nahm Khítir in die Hände und lenkte seine Schritte zu einer blauen Tür mit goldenem Knauf an der Ostwand des Saales. Reno folgte ihm geschwind, und schnell verschwanden beide in der königlichen Kammer.

"Nun gut, Reno. Was genau willst du erfahren, über diese Dämonen?" fragte Habareton und setzte sich auf einen lederüberzogenen Sessel.
"Alles. Vor allem das über diese schwarzen Meister", meinte Reno und setzte sich ebenfalls.
"Die schwarzen Meister? Du meinst doch nicht etwa dieses Trio, die drei Brüder der Dunkelheit, die Schergen von Moraal?"
"Genau. Doch von Moraal haben Tarantos oder Geothande nichts gesagt. War das nicht der schreckliche Erderschütterer, dieser ´Razhá, der getötet wurde, als er Quásmór in einem Gefecht gegen Sedúce und Imatía, das die beiden verloren haben, zur Seite stand? Er ist tot, von Sedúce mit der Klinge der Wagnis enthauptet, danach in den Flammen der Bestrafung verbrannt. Tarantos, Geothande und wer auch immer können nicht seine Schergen sein!"
"Du könntest dich irren, mein Freund. Man sagt nämlich, Moraal ist nicht vollkommen vernichtet worden. Nach den alten Erzählungen lebt sein böser Geist in seinen drei Artefakten weiter, der grauen Krone, dem schwarzen Schwert und dem roten Ring. Diese Objekte trug er bei dem Kampf gegen die beiden Göttinnen. Ich habe gehört, dass der Ritter der Verwüstung, Stalos, das Oberhaupt der schwarzen Meister ist, also der ältere Bruder von Tarantos und Geothande, und sich irgendwo auf dem Nachbarkontinent von Domm, Eigaloon, seinen Palast gebaut hat und dort der Befehlshaber fast aller eigalischen Dämonen ist. Sein Plan ist es, die Artefakte des Moraal zu finden und den Erderschütterer wieder zu erwecken. In voller Lebensgröße, mit seiner vollen, unvorstellbaren Macht."
"Ihr sagtet gerade Stalos, Majestät? Xaugon murmelte etwas von Stalos, als er plötzlich davonflog und uns im Stich ließ. Ich denke, seine Flügel trugen ihn nach Süden, also in Richtung Eigaloon!"
"Das ist schlecht, sehr schlecht, Reno. Ich denke, in diesem Moment ist Xaugon ein braves Haustier des Ritters der Verwüstung. Wenn ihr nach Eigaloon kommt, versteckt euch besser vor Stalos! Wenn er euch entdeckt, gibt es kein Entrinnen mehr. Stalos´ Wunsch, den früher auch seine beiden jüngeren Brüder hatten, durch den Erderschütterer ein ´Razhá zu werden und an der Seite von Moraal Schrecken zu verbreiten, ist groß. So groß, dass er jedes Opfer bringen würde, damit er erfüllt wird. Sogar Tarantos und Geothande hätte er, ohne mit der Wimper zu zucken, kaltblütig getötet, um ein ´Razhá zu werden, wenn sie noch am Leben wären."
"Danke, Majestät. Über Stalos will ich nun nicht mehr hören, doch wisst ihr, wo die Artefakte verborgen liegen? Wenn meine Freunde und ich sie vor dem Ritter der Verwüstung finden, können wir sie zum Tempel der Sedúce in Orhéon bringen lassen, der Hauptstadt des Landes Masghulyn auf Eigaloon."
"Ich weiß es, mein Freund. So ungefähr, jedenfalls. Die Krone soll im Schattendschungel versteckt sein, diesem gar schrecklichen Ort auf der Insel Amabaram, nordöstlich von Eigaloon. Das Schwert ist in einem Tempel verschollen und wird von Geistern behütet, der im Gebirge der Gnarks* liegt. Den Ring trägt Stalos selbst an seinem Finger. Und glaube mir, er weiß seine Macht zu nutzen, Reno. Die geballte Kraft des roten Rings alleine ist doppelt so stark wie die der grauen Krone und dem schwarzen Schwert zusammen!"
Gerade wollte Reno wieder etwas von sich geben, doch die Worte blieben ihm in Halse stecken, als Khítir vor Angst durch die Geschichten über die Grausamkeit des Stalos laut kreischte und schnell von dem Schoß seines Besitzers herunter sprang.
"Siehst du, Reno? Sogar dieser kleine Drache hier hat Angst vor dem schwarzen Meister! Ihr müsst auf versteckten Pfaden über ganz Eigaloon kommen. Am besten durchquert ihr zuerst die Wälder von Avethláz am Rande des Kontinents und dringt dann in das Herz von Eigaloon ein, in dem sich die Berge der Gnarks befinden, wo ihr in dem Tempel Shámbor-Dará nach dem schwarzen Schwert suchen könnt! Des weiteren solltet ihr durch die Wüste Ilianii reisen, denn dort seid ihr relativ sicher. Am Ende müsst ihr das Hochland von Deterátór überwinden, bis ihr in der Stadt Lygolyth eintrefft, von der ihr auf die Insel Ýthania und in den Schattendschungel kommen könnt. Habt ihr das Schwert bereits gefunden und schafft es dort auch, euch der grauen Krone zu bemächtigen, solltet ihr versuchen, Stalos den Ring abzunehmen, und ihn dann zusammen mit den anderen Artefakten des Moraal zum Tempel der Sedúce zu bringen. Doch denkt daran, im Schattendschungel steht der Schrein des Quásmór, in dem der Erderschütterer erweckt werden kann!"
Habareton sah Reno mit einem ernsten, stechenden Blick in die Augen.
"Wir werden uns genau an eure Anweisungen halten, König Habareton, doch bevor wir die Wälder von Avethláz betreten, müssen wir König Xajem von Amabaran um Unterstützung bitten! Denn mit seiner Hilfe könnten wir uns sogar gegen die Dämonen behaupten!" antwortete Reno und stand auf.
"Ihr seid klug, Reno Starduum", grinste Habareton, "handelt ruhig nach eurem eigenen Kopf, denn ihr tragt den Mut, Gutes zu tun, in euch, und ihr habt wahrlich ein reines Herz."
Habareton sprang aus seinem Sessel auf, schob ihn beiseite, wandte sich von Reno ab und schlenderte auf die Tür zu.
"Doch nun will ich zu meinen Gästen zurückkehren, junger Freund! Ich verpasse noch das ganze Fest!"
Der Hochkönig lachte leise, griff nach dem Türknauf, öffnete und stürzte sich erneut ins Vergnügen.
"Komm, Khítir! Wir beide wollen doch auch feiern", meinte Reno, nahm das Drachenbaby in die Arme und folgte Habareton in den Saal.


* Anmerkung des Autors: Die Berge der Gnarks sind nur bei den Zwergen unter diesem Namen bekannt. Da sie nicht wirklich benannt wurden, nennt man sie normalerweise Goblinberge oder Berge der Goblins. Schließlich werden sie von Goblins bewohnt. Die Zwerge sagen nämlich zu den Goblins "Gnarks".
 

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Und schon folgt auch das 8. Kapitel: Nayrod, der Meisterdieb

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