Nun entziehen sich Reno und seine Freunde unseren Blicken, denn
wir sehen uns nun das Leben in den Höhlen von Gra Éngor an,
den einzigen Zwergenhöhlen auf Domm.
Dieses Höhlensystem, das sich unter den Donnerstein-Bergen,
den Ebenen von Helkyy und der Großstadt Figarr erstreckte, war außerdem
die Heimat des großen Zwergenhochkönigs Habareton, einem der
berühmtesten, mächtigsten und gütigsten auf ganz Lemminia...
"Das ist ja großartig! Die beiden schwarzen Meister sind tot!"
jubelte Habareton und sprang von seinem kostbaren Thron aus ewiger Eiche
auf, tanzte kurz herum, sang fröhlich, wie es bei mit Freude erfüllten
Zwergen üblich war, und trippelte die kleine Treppe zu seinen Gemächern
hinunter. Schnell schloss er mit einem winzigen, goldenen Schlüssel
die Tür zu seiner Kammer auf, sprang fröhlich hinein und stellte
sich vor ein silbrig glänzendes Rohr, das in der Höhlenwand steckte,
gleich neben einem zweiten.
"Bereitet ein Fest vor, in der großen Halle! Alle sind eingeladen!
Macht alles bereit, denn morgen um die Mittagszeit, gibt es eine unglaubliche
Feier! Holt Kuchen und Obst, holt Milch und Fruchtsaft, holt Fleisch und
Käse, holt alles, was die Speisekammern zu bieten haben, denn morgen
wird gefeiert! Lasst uns singen und tanzen und fröhlich sein, denn
der schwarzen Meister Zahl ist nur noch eins! Tarantos und Geothande sind
in der Schlacht gefallen, der Kontinent ist von ihrer Herrschaft befreit!"
rief er in das Rohr hinein, worauf gleich darauf aus dem anderen zu vernehmen
war: "Wie wunderbar! Wie wunderschön! Majestät, wir bereiten
das größte Fest vor, das die Höhlen von Gra Éngor
je gesehen haben! Wir senden Boten durch die ganzen Höhlen, um allen
zu verkünden, dass morgen Mittag ein großes Fest stattfindet,
zum Anlass des Todes von Tarantos und Geothande."
König Habareton nahm seine rotgoldene, mit seltsam funkenden
Halbedelsteinen und einem glänzenden Rubin besetzte Hochkönigskrone
ab, legte sie auf ein kleines, kaffeebraunes Tischchen, knöpfte seinen
roten Mantel auf und begann damit, sich fein zu machen. Er hüllte
sich in einen bläulich schimmernden Umhang, zog sich dunkelgrüne
Stiefelchen an und ließ sich von einem ledernen, juwelenbesetzten
Gürtel umschlingen, also Kleidung, die dem typischen Zwergengeschmack
entsprach, da die Zwerge, im Gegensatz zu den Elben, nichts, aber auch
wirklich gar nichts von Mode oder Ähnlichem verstanden. Auf seinen
Kopf setzte er seine silberne, mit Feueropalen beschlagene Festtagskrone
und auf seine Finger kamen insgesamt fünf, drei auf der rechten Hand,
zwei auf der linken, platine, goldene, silberne, kupferne und bronzene
Ringe, mit Diamanten, Topasen, Saphiren, Amethysten und Bergkristallen
verziert.
"So werde ich Morgen zum Fest in der großen Halle von Éngor
gehen. Das ist wunderschön, ja, alle, wirklich alle werden sie mich
bestaunen und bewundern und mit freudigen Blicken bombardieren", meinte
Habareton grinsend und lachte schallend laut, so dass sein langer, grauer
Bart zitterte. "Ich werde auch einen Boten nach Figarr schicken, damit
auch die Bürger dieser Stadt von dem Tod der beiden Dämonen erfahren
und sich freuen können."
König Habareton blieb noch einige Zeit lachend und kichernd
in seiner Kammer, auf seinem kleinen Stuhl sitzend und sein Ebenbild in
einem glänzenden Spiegel an der Wand betrachtend.
Zwei weitere Tage wanderten Reno und seine Freunde bereits durch
den letzten Abschnitt der Donnerstein-Berge. Zwischen ihnen und Figarr
lagen nur noch ein niedriger, jedoch sehr breiter Berg, auf dem immerzu
dicker, weißer Nebel lag, was sich als großes Hindernis erweisen
würde.
Unsere Freunde bestiegen nun diesen Berg, der auch der kleine Gra
genannt wurde, denn auf ihm befand sich zusätzlich der Haupteingang
zu den Höhlen von Gra Éngor.
"Folgt mir besser, sonst verlaufen wir uns noch", sagte Reno und
begab sich an die Spitze der Kette aus Reisenden.
Lynn hielt sich an seinen Schultern an, Thares an ihren, und Tenet
an denen des Elben. Der blassblaue Nebel umschlang die Gruppe förmlich,
wie die Hand eines weißen Phantoms sein Opfer, und hüllte sie
ein wie ein übernatürlichen Schleier der Finsternis. Auch war
es schrecklich kalt geworden, so dass mit jedem Atemzug der Nebel dicker
und frostiger wurde. So kamen sie nicht weit, denn sie schlichen wie ein
Dieb, zögernd, unsicher und ängstlich über den verhüllten
Berg, sahen sich immer wieder um, drehten ihre Kopf herum, obwohl sie wussten,
dass es nichts nützte, denn etwas sehen konnte von ihnen im Moment
niemand.
Die Schritte schallten über die Felsen, bis ein gellender Schrei
die Stille durchbrach und den Berg erzittern ließ.
"Aaaaaahhhhhh!!!"
Es war die Stimme von Tenet, dem Greifen.
Plötzlich spürte Thares nicht mehr die Hände seines
Freundes auf seinen Schultern!
"Tenet?" fragte Reno und wandte sich um. "Wo ist Tenet?"
Thares ließ Lynn los, ging einige Schritte zurück, stieß
ebenfalls einen lauten Schrei aus und verschwand, unter dem Nebel begraben.
"Bruder!" rief Lynn, befreite Reno aus ihrem Griff und tastete sich
durch die weißgraue Wand zu der Stelle, wo sie und Reno ihre beiden
Freunde verloren hatten. Doch das war ein großer, dummer Fehler,
denn auch Lynn plumpste in die Finsternis hinein.
"Lynn?! Tenet? Thares!" Reno wusste nicht mehr, was er machen sollte.
Sollte er weitergehen, um aus dem Nebel zu entkommen, oder seine Freunde
suchen, beziehungsweise ihnen folgen?
Schließlich entschied er sich für das letztere, sagte
noch laut: "Ich komme" und sprang mit einem gewaltigen Satz nach vorne,
und fiel auch in irgendetwas hinein, genau so wie seine Vorgänger.
Reno erwachte aus einem langen, tiefen Schlaf. Er hatte schreckliche
Kopfschmerzen, doch gleichzeitig fühlte er sich warm und kuschelig.
Dieses Gefühl wurde bestätigt, als er merkte, dass er in einem
warmen, hölzernen Bett mit einer weißen Decke und einem bläulichen
Polster lag. Reno fühlte sich wie ein kleines Küken in den Armen
seiner Vogelmutter. Am liebsten wäre er sein Leben lang hier liegen
geblieben, doch endlich riss er sich von dem warmen Schlafplatz los, sprang
auf und ließ seine Füße auf den weichen Teppichboden knallen.
Der samtene Stoff berührte Reno wie eine weiche Hand eines
Engels. Er blickte sich um und bemerkte, dass neben ihm drei andere, wohl
benutzte Betten mit zerknitterten Decken und klumpigen Polstern standen.
"Lagen die anderen in diesen Betten?" fragte sich Reno und lenkte
seine Schritte schnell zur rundlichen, dicken Tür am Ende des Schlafraumes.
Er übertrat die Türschwelle und landete in einem Wirrwarr
von Gängen, Trakten und Tunneln, manche mit Teppichen gepolstert,
andere an den Wänden mit Gemälden ausgehängt und geschmückt.
Reno hatte keine Ahnung, in welche Richtung er gehen sollte, welchen Pfad
er einschlagen musste, weshalb er aus seinem Bauch heraus, der übrigens
vor Hunger knurrte, eine beliebigen Weg entlang trippelte, bis er zu einem
kleinen, hohen, rechteckigen Tor kam.
Darüber hing ein silbernes Schild, beschriftet mit bronzenen
Buchstaben, auf dem zu lesen war:
HALLE VON ÉNGOR
Reno fasste zögernd den goldenen Türknauf, drehte ihn herum
und öffnete zaghaft die Tür.
Er blickte erstaunt in den unglaublich großen Saal, Reno schätzte,
dass er die Länge und Breite von einigen, kleinen , und so hoch, dass
zehn ýthanische Dschungelfresser leicht aufeinander stehen konnten
(eine Kreatur aus dem Schattendschungel von Ýthania, meist gelb
bis orangerot, mit zweitausend Zähnen, drei riesigen Augen, zwei kurzen
Beinen mit dicken Füßen und einem meterlangen Schwanz, mit einem
ungefähr vier Meter großem Körper, der zehn bis fünfzehn
Tonnen schwer war).
In der Halle von Éngor ging es drunter und drüber. Eine
bunte Gemeinschaft, bestehend aus Zwergen und Zwerginnen, Haustieren und
ein paar Menschen füllte den Saal.
Langsam trippelte Reno an den miteinander quatschenden und laut
singenden, spielenden und grölenden Leuten vorbei und näherte
sich dem Zentrum des Saals.
Dort befand sich der edle Zwergenkönig Habareton, mit seinem
kleinen, weißblauen Eisdrachen-Baby namens Khítir an der Seite,
auf einem winzigen, hölzernen Thron saß, der mit Himmelssilber
und Ogergold an allen Ecken und Enden verziert war. Auch steckte ein großer,
glänzender, fein gemogelter* Rubin in der Hinterseite der bräunlichen
Lehne.
("Mogeln" bedeutet bei einem Edelstein, ihn rundlich
zu schleifen, also in die Form einer glatten Kugel oder eines glatten Ovals
zu bringen.)
Reno kam dem Thron immer näher, und schließlich wurde
er von großer Freude übermannt, denn im Schatten des Thrones
standen seine Freunde, mit Gold und Juwelen geschmückt.
Lynn quasselte mit einer dicken, sehr kleinen Zwergendame mit grauen
Haaren und einem pinkfarbenen Kleid, Tenet kaute an einem großen,
duftenden Stück Fleisch, während Thares niemals ein Glas mit
rotem Wein von seinem Mund weg bewegte, doch gelegentlich laut lachte,
was viele kleine Bläschen in der wohlschmeckenden Flüssigkeit
erzeugte.
"Freunde! Hier seid ihr!" rief Reno seinen Gefährten zu.
Schnell drehten sie sich zu Reno, sahen ihn, liefen auf ihn zu und
bombardierten ihn mit Begrüßungen.
"Endlich bist du wach, du Langschläfer", meinte Tenet lachend
und klopfte Reno auf den Rücken.
"Das ist alles, was du sagen kannst, Tenet? Als ich eure Schreie
gehört habe, dachte ich schon, ihr seid von einem Monster oder Treibsand
verschluckt worden, oder dass ihr in ein tiefes, unendliches Loch gestürzt
seid! Ähm, was in gewisser Weise bestätigt wurde, was jedoch
nichts zur Sache tut! Ihr alle hättet tot sein können! Ich zerreiße
mich vor Sorgen und springe in eine Grube, in der ich umkommen könnte,
und alles, was du sagen kannst, ist: Endlich bist du wach, du Langschläfer!"
Renos Gesicht lief rot an, und ihm war, als würde ihm Dampf aus den
Ohren schießen.
"Schon gut, schon gut. Tut mit Leid. Aber das Wichtigste ist doch,
dass wir alle wohlauf sind und uns unverletzt in den HÖHLEN VON GRA
ÉNGOR befinden."
Langsam färbte sich Renos Gesicht wieder normal, und sein Körper
beruhigte sich, doch Tenets Worte in Zwergensprache verwirrten ihn so,
dass er nur ein kleines Wort herausbringen konnte: "Hä?"
"Zwergensprache, Reno. Das war Zwergensprache, und ich sagte: Höhlen
von Gra Éngor. Ich bin zwar erst seit fünf kurzen Stunden wach,
doch ein bisschen konnte ich schon lernen. Ich denke, dass wir alle dieses
unterirdische Reich liebgewinnen werden. Übrigens, ich muss dich dem
König vorstellen. Er hat uns allen ein Geschenk gemacht. Schau, Reno,
mir hat er diesen DETONATIONS- KRISTALL ausgehändigt. Ich habe zwar
keine Ahnung, was das heißt, denn ich weiß den Namen nur auf
zwergisch, doch dieses Juwel ist wunderschön."
Tenet öffnete die Klaue, und in ihr erblickte Reno einen kleinen,
goldbraunen Kristall, in dessen Mitte ein weiteres, grün schimmerndes
Juwel sich langsam zu drehen schien.
Neben Reno erklang ein leises Zischen und Keifen. Er wandte sich
zur Seite, und dort saß König Habareton, mit seinem kleinen,
süßen Khítir auf dem Schoß. Das bläuliche
Eisdrachen-Baby war es, das die Geräusche von sich gab, bevor es Reno
wie ein Hund ansprang und genau in seinen Armen landete, worauf es ihm
das Gesicht ableckte.
"Hallo, mein Kleiner!" rief der junge Mann und begann, fröhlich
zu lachen.
"Kitir! Kitir!" fauchte das Drachenjunge, hopste auf den Boden und
trippelte, andauernd Kitir, Kitir rufend, in engen Kreisen um seinen neuen
Freund herum.
"Wie ich sehe, gefällst du meinem kleinen Khítir, Reno
Starduum", sprach Habareton, erhob sich von seinem Thron und ging auf Reno
zu.
"Er heißt also Khítir? Ein schöner Name für
einen kleinen Drachen, Majestät", meinte er und reichte dem Zwergenkönig
die Hand.
"Danke sehr, tapferer Krieger. Ich bin sehr erfreut, Bekanntschaft
mit demjenigen zu machen, der Lord Tarantos den Tod gebracht hat. Auch
euer Freund, Thares, hat sich im Gefecht gegen Geothande als äußerst
tapfer erwiesen." Mit diesen Worten überreichte er Reno einen matten,
grünen Umhang.
"Was ist das, Majestät?" fragte er leise und nahm das Geschenk
freudig an.
"Dies", sagte Habareton, "ist der Mantel AERUAL, das bedeutet bei
uns: Luft. Mit diesem Umhang kannst du über dem Boden schweben. Ich
hoffe, er wird dir nützlich sein."
"Vielen Dank, großer Habareton. Ich werde dieses Kleidungsstück
immer in Ehren halten."
"Nun denn, Reno, da ihr endlich hier seid, können wir mit dem
eigentlichen Fest der Freude beginnen! DIENER! SAGT DEN GLOCKENMEISTERN,
DASS IHRE GLÖCKCHEN SCHNELL DIE TÖNE DES GLÜCKS VERBREITEN
SOLLEN! NUN WIRD GETANZT, MEINE FREUNDE!"
Wie aus dem Nichts erschienen zwei kleine, in dünne Eisenrüstungen
gehüllte Zwerge mit kurzen, glatt gekämmten Bärten.
"Jawohl!" sagte einer von ihnen und zerrte den Zweiten an der Hand
weg.
Kurz darauf hörte man himmlisch klingende Glocken mal laut,
mal leise, fröhlich bimmeln, deren Töne helle Freude in der Halle
von Éngor verbreiteten. Sämtliche Zwerge im Saal lauschten
den lieblichen Klängen, richteten ihre Augen zum König und jubelten
kurz, bis keiner mehr die Glocken hören konnte.
Doch nun waren die Laute von Trommeln, Harfen und Tamburins zu vernehmen
(das beliebteste Musikstück für Zwergenfeste, die Sonnenmelodie,
wird nämlich mit drei Trommeln, fünf Harfen und sechs Tamburins
gespielt), und schließlich fingen die Leute an, glücklich zu
Lachen und zu Kichern, und auf das helle Donnern eines Gongs begann jedermann
in der Halle von Éngor zu tanzen, Hand in Hand und schnellen Schrittes
im Kreis herum, nach der Musik der verzaubernden Instrumente.
"Eine wunderschöne Melodie...", schwärmte Lynn und gliederte
sich schnell in den Ring aus tanzenden Zwergen ein.
"Geht es auf Festen bei euch immer so zu?" fragte Reno Habareton.
"Ja, normalerweise schon, mein Freund. Zwergenfeste sind das Lustigste,
das es auf der Welt gibt, heißt es."
"Übrigens, Majestät, wenden wir uns einmal von dem Fest
ab, und kommen wir zu etwas Anderem... Könnt ihr mir vielleicht etwas
über die Dämonen sagen?"
"Äh, ja, natürlich, Reno. Komme in meine Gemächer,
dann gebe ich dir alle nötigen Informationen."
Mit diesen Worten stand er von seinem Thron auf, nahm Khítir
in die Hände und lenkte seine Schritte zu einer blauen Tür mit
goldenem Knauf an der Ostwand des Saales. Reno folgte ihm geschwind, und
schnell verschwanden beide in der königlichen Kammer.
"Nun gut, Reno. Was genau willst du erfahren, über diese Dämonen?"
fragte Habareton und setzte sich auf einen lederüberzogenen Sessel.
"Alles. Vor allem das über diese schwarzen Meister", meinte
Reno und setzte sich ebenfalls.
"Die schwarzen Meister? Du meinst doch nicht etwa dieses Trio, die
drei Brüder der Dunkelheit, die Schergen von Moraal?"
"Genau. Doch von Moraal haben Tarantos oder Geothande nichts gesagt.
War das nicht der schreckliche Erderschütterer, dieser ´Razhá,
der getötet wurde, als er Quásmór in einem Gefecht gegen
Sedúce und Imatía, das die beiden verloren haben, zur Seite
stand? Er ist tot, von Sedúce mit der Klinge der Wagnis enthauptet,
danach in den Flammen der Bestrafung verbrannt. Tarantos, Geothande und
wer auch immer können nicht seine Schergen sein!"
"Du könntest dich irren, mein Freund. Man sagt nämlich,
Moraal ist nicht vollkommen vernichtet worden. Nach den alten Erzählungen
lebt sein böser Geist in seinen drei Artefakten weiter, der grauen
Krone, dem schwarzen Schwert und dem roten Ring. Diese Objekte trug er
bei dem Kampf gegen die beiden Göttinnen. Ich habe gehört, dass
der Ritter der Verwüstung, Stalos, das Oberhaupt der schwarzen Meister
ist, also der ältere Bruder von Tarantos und Geothande, und sich irgendwo
auf dem Nachbarkontinent von Domm, Eigaloon, seinen Palast gebaut hat und
dort der Befehlshaber fast aller eigalischen Dämonen ist. Sein Plan
ist es, die Artefakte des Moraal zu finden und den Erderschütterer
wieder zu erwecken. In voller Lebensgröße, mit seiner vollen,
unvorstellbaren Macht."
"Ihr sagtet gerade Stalos, Majestät? Xaugon murmelte etwas
von Stalos, als er plötzlich davonflog und uns im Stich ließ.
Ich denke, seine Flügel trugen ihn nach Süden, also in Richtung
Eigaloon!"
"Das ist schlecht, sehr schlecht, Reno. Ich denke, in diesem Moment
ist Xaugon ein braves Haustier des Ritters der Verwüstung. Wenn ihr
nach Eigaloon kommt, versteckt euch besser vor Stalos! Wenn er euch entdeckt,
gibt es kein Entrinnen mehr. Stalos´ Wunsch, den früher auch
seine beiden jüngeren Brüder hatten, durch den Erderschütterer
ein ´Razhá zu werden und an der Seite von Moraal Schrecken
zu verbreiten, ist groß. So groß, dass er jedes Opfer bringen
würde, damit er erfüllt wird. Sogar Tarantos und Geothande hätte
er, ohne mit der Wimper zu zucken, kaltblütig getötet, um ein
´Razhá zu werden, wenn sie noch am Leben wären."
"Danke, Majestät. Über Stalos will ich nun nicht mehr
hören, doch wisst ihr, wo die Artefakte verborgen liegen? Wenn meine
Freunde und ich sie vor dem Ritter der Verwüstung finden, können
wir sie zum Tempel der Sedúce in Orhéon bringen lassen, der
Hauptstadt des Landes Masghulyn auf Eigaloon."
"Ich weiß es, mein Freund. So ungefähr, jedenfalls. Die
Krone soll im Schattendschungel versteckt sein, diesem gar schrecklichen
Ort auf der Insel Amabaram, nordöstlich von Eigaloon. Das Schwert
ist in einem Tempel verschollen und wird von Geistern behütet, der
im Gebirge der Gnarks* liegt. Den Ring trägt
Stalos selbst an seinem Finger. Und glaube mir, er weiß seine Macht
zu nutzen, Reno. Die geballte Kraft des roten Rings alleine ist doppelt
so stark wie die der grauen Krone und dem schwarzen Schwert zusammen!"
Gerade wollte Reno wieder etwas von sich geben, doch die Worte blieben
ihm in Halse stecken, als Khítir vor Angst durch die Geschichten
über die Grausamkeit des Stalos laut kreischte und schnell von dem
Schoß seines Besitzers herunter sprang.
"Siehst du, Reno? Sogar dieser kleine Drache hier hat Angst vor
dem schwarzen Meister! Ihr müsst auf versteckten Pfaden über
ganz Eigaloon kommen. Am besten durchquert ihr zuerst die Wälder von
Avethláz am Rande des Kontinents und dringt dann in das Herz von
Eigaloon ein, in dem sich die Berge der Gnarks befinden, wo ihr in dem
Tempel Shámbor-Dará nach dem schwarzen Schwert suchen könnt!
Des weiteren solltet ihr durch die Wüste Ilianii reisen, denn dort
seid ihr relativ sicher. Am Ende müsst ihr das Hochland von Deterátór
überwinden, bis ihr in der Stadt Lygolyth eintrefft, von der ihr auf
die Insel Ýthania und in den Schattendschungel kommen könnt.
Habt ihr das Schwert bereits gefunden und schafft es dort auch, euch der
grauen Krone zu bemächtigen, solltet ihr versuchen, Stalos den Ring
abzunehmen, und ihn dann zusammen mit den anderen Artefakten des Moraal
zum Tempel der Sedúce zu bringen. Doch denkt daran, im Schattendschungel
steht der Schrein des Quásmór, in dem der Erderschütterer
erweckt werden kann!"
Habareton sah Reno mit einem ernsten, stechenden Blick in die Augen.
"Wir werden uns genau an eure Anweisungen halten, König Habareton,
doch bevor wir die Wälder von Avethláz betreten, müssen
wir König Xajem von Amabaran um Unterstützung bitten! Denn mit
seiner Hilfe könnten wir uns sogar gegen die Dämonen behaupten!"
antwortete Reno und stand auf.
"Ihr seid klug, Reno Starduum", grinste Habareton, "handelt ruhig
nach eurem eigenen Kopf, denn ihr tragt den Mut, Gutes zu tun, in euch,
und ihr habt wahrlich ein reines Herz."
Habareton sprang aus seinem Sessel auf, schob ihn beiseite, wandte
sich von Reno ab und schlenderte auf die Tür zu.
"Doch nun will ich zu meinen Gästen zurückkehren, junger
Freund! Ich verpasse noch das ganze Fest!"
Der Hochkönig lachte leise, griff nach dem Türknauf, öffnete
und stürzte sich erneut ins Vergnügen.
"Komm, Khítir! Wir beide wollen doch auch feiern", meinte
Reno, nahm das Drachenbaby in die Arme und folgte Habareton in den Saal.
* Anmerkung des Autors: Die Berge der Gnarks
sind nur bei den Zwergen unter diesem Namen bekannt. Da sie nicht wirklich
benannt wurden, nennt man sie normalerweise Goblinberge oder Berge der
Goblins. Schließlich werden sie von Goblins bewohnt. Die Zwerge sagen
nämlich zu den Goblins "Gnarks".
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