Sie waren losgegangen. Der Wald umschloss
sie, und obwohl der Tag schon längst angebrochen war und die ersten
Strahlen der Sonne das Land erhellten, schienen sie wieder in tiefster
Nacht versunken zu sein. Nur ein kleines Licht schien in dieser düstren
Umgebung. Der Druide hatte es in einem kurzen Ritual herbeigerufen und
nun schwebte es ein paar Schritt über den Köpfen der kleinen
Gruppe. Doch war sein Licht nicht besonders stark. Es vermochte gerade
einmal die nähere Umgebung zu erleuchten und alles was weiter als
zwei Meter entfernt war verschwand schon wieder in der Dunkelheit. Der
Druide führte die kleine Gruppe an. Er schien doch ein höheres
magisches Potential zu haben, als nur ein klassischer Trankmischer. Shade
und Cehren gingen hinter ihm und die drei Bauern folgten ihnen. Hin und
wieder huschten Schatten am Rande des kleinen Lichtkegels entlang. Kleine
Kreaturen, die das Licht zu fürchten schienen und doch neugierig waren,
welch fremde Wesen sich nun in ihr Reich trauten. Ein Reich, in dem die
Finsternis herrschte.
Wachsam schaute Shade sich immer wieder um,
verlor dennoch nie die Ruhe. Er war ein erfahrener Krieger und zudem noch
ein Wesen der Nacht. Seine Abstammung allein reichte aus, um ihn selbst
in diesen Momenten zum Herr der Lage zu machen. Cehrer wirkte vollkommen
unbeeindruckt. Ein paar mal warf er einen kurzen Blick zur Seite, wenn
es im Gebüsch knackte oder sich etwas bewegte.
Trotz all der Ruhe, die er ausstrahlte, verspürte
Shade im Inneren, dass etwas nicht stimmte. Er kam sich beobachtet vor.
Zu recht, denn dieser Wald hatte seine Augen überall. Manchmal schien
es, als würden Augenpaare aus der Dunkelheit starren. Kleine rote
leuchtende Punkte irgendwo im Dunkeln. Welchen finsteren Kreaturen sie
gehörten, konnte niemand auch nur ahnen. Shade sah sie ein paar mal
aus den Augenwinkeln. Wenn er sich jedoch in die Richtung drehte, um sie
ganz ins Blickfeld zu bekommen, verschwanden sie wieder in der Schwärze
der Finsternis. Einmal fiel sein Blick auf die Bauern hinter sich. Ein
kleiner verängstigter Trupp unerfahrener Kämpfer. Man konnte
ihre Angst vor dem Unbekannten in diesen Wäldern förmlich riechen.
Warum waren sie nur mitgekommen. Shade schüttelte unter seiner Kapuze
den Kopf. Sie würden es niemals überleben.
Ein gutes Stück waren sie vorangekommen.
Der Wald wurde immer düsterer und die Schatten schienen den kleinen
Trupp mit der Zeit zu verschlingen. Die Geräusche wurden lauter und
immer offensichtlicher. Gekicher und Gemurmel, welches von überall
her zu kommen schien. Sie sprachen Wörter in einer fremden, dunklen
Sprache. Ihnen zu lauschen war schwachsinnig. Es verunsicherte einen nur
noch mehr. Nicht lange dauerte es und sie kamen zu einem kleinen See mitten
in der Finsternis der Waldes. Von verdorrten Bäumen und schwarzen
Felsen umringt lag er da. Ruhig und schweigend. Die Oberfläche bewegte
sich nicht, schlug keine Wellen oder Ähnliches. Das kleine Gewässer
wirkte vollkommen tot und unberührt.
"Seht nur!"
Die Worte des Druiden waren still und ein
Unterton von Verwunderung war in ihnen wahr zu nehmen. Shade und Cehren
gingen an ihm vorbei und stellten sich an den Rand des Sees. Die Bauern
blieben ein paar Meter zurück, sahen sich immer wieder verängstigt,
ja geradezu panisch um. Der Druide trat zu den beiden Dunkelelfen und sah
erst sie, dann den See an.
"Er ist rot. Wie Blut..."
Shades Worte drangen zu den Bauern vor, die
sofort einen Schritt zurück wichen und mit weit aufgerissenen Augen
zum Ufer rüber starrten. Cehren hatte noch kein Wort gesprochen. Nun
vernahm Shade seine Stimme zu ersten Mal.
"Das ist nicht normal, Meister."
Meister? Shade sah ihn an. Cehren blickte
auf den See und musterte seine rote Oberfläche. Er hatte den Druiden
Meister genannt. So was war man von Dunkelelfen nicht gewohnt. Sie kannten
nur Meister unter ihren eigenen Leuten. Ihr Stolz ließ sie im Normalfall
nie vor anderen Rassen knien.
"Nein," antwortete der Druide.
"Etwas stimmt hier ganz und gar nicht."
Was hatten sie auch erwartet? In diesem Wald
voller Finsternis stimmte überhaupt gar nichts.
Für einen kurzen Moment sah Shade aus
den Augenwinkeln heraus wieder eine Bewegung. In der Erwartung, dass sie
wieder in der Dunkelheit verschwinden würde, sah er in die Richtung.
Doch was er erblickte, war alles andere als der bloße schwarze Hintergrund
der Umbebung, an den sie sich schon fast gewohnt hatten.
Es saß auf einem Felsen. Starrte mit
schwarzen, toten Augen auf sie herab. Eine Kreatur, dessen Herkunft Shade
nicht bestimmen konnte, denn etwas dergleichen hatte er noch nie gesehen.
Es war klein und mager. Die Knochen und die wenigen Muskeln, die den Körper
formten, waren deutlich durch die blasse, tote Haut zu erkennen. An manchen
Stellen war sie so dünn, dass man den Eindruck hatte, man könnte
durch sie hindurch sehen. Narben und noch offene Wunden und Kratzer zeugten
von Kämpfen und Auseinandersetzungen, die mit grober Gewalt geführt
worden waren. Ein paar Fetzen schwarzen Felles bedeckten den Körper.
Von irgendeinem erlegten Tier. Es kann noch nicht so lange her sein, dass
Es das Tier gehäutet hatte, denn es hingen noch Fetzen von Fleisch
an dem notdürftig gefertigtem Umhang und der Gestank nach Blut und
Tod stieg der Gruppe in die Nase.
Etwas an diesem Wesen erinnerte an einen Menschen.
Es hatte ein Gesicht. Abgemagert und stumm. Ohne einen Ausdruck. Doch es
sah in irgendeiner Art und Weise... menschlich aus.
Und auch der Körper erinnerte an einen
Menschen. Auch wenn es aussah, als würde sich das Wesen gebückt
fortbewegen. Auf allen vieren.
So saß es dort. Wie eine Katze, die
ihre Beute gefunden hatte, lauerte Es auf dem schwarzen Felsen am Wasser,
nur wenige Meter von Shade und Cehren entfernt und seine starren, toten
Augen starrten zu ihnen rüber.
"Was zur Hölle ist das?"
Im Busch hinter ihnen hatte sich etwas bewegt.
Nur eine kleine Bewegung, ein leises kaum hörbares Geräusch war
entstanden. Ein Geräusch, so leise, dass es nur die Ohren eines Elfen
hören konnten und so waren es auch nur Shade und Cehren, die sich
beide gleichzeitig vom Anblick des Wesens abwandten und sich zum Gebüsch
hinter ihnen umdrehten.
Zwei weitere der Wesen waren erschienen. Sie
schlichen scheinbar furchtlos aus ihren Verstecken. Und neugierig streckte
eins von ihnen langsam und ohne ein Geräusch zu verursachen die Hand,
die eher die Form einer Kralle hatte, nach Nareid aus. Dieser bemerkte,
dass Shade in seine Richtung sah und verwirrt drehte er sich um. Das Wesen
zuckte kurz etwas zurück und die drei Bauern, die nun alle die Situation
realisiert hatten, liefen verschreckt ein paar Schritte vor auf ihre Gefährten
zu.
"Das gefällt mir nicht!" hörte man
Shade sagen. "Das gefällt mir gar nicht..."
Die Stimme eines der Bauern war zu vernehmen.
Während am Rande der kleinen Lichtung immer mehr der Wesen zum Vorschein
kamen:
"Sind das die Dämonen die in diesem Wald
leben sollen?"
Shade zog sein Schwert. Die Tiere schien das
nicht im Geringsten zu interessieren. Sie näherten sich langsam und
schleichend auf allen vieren, und drängten die Gefährten so immer
weiter in Richtung des blutroten Sees hinter ihnen.
Nun nahm auch Cehren seine Waffe in die Hand.
Einen Kampfstab mit zwei schwarzen Klingen, eine an jedem Ende des Griffes,
der sich in der Mitte der Waffe befand.
Immer näher kamen die finsteren Gestalten.
Dann war ein Schrei zu vernehmen.
"Shade!!!"
Der Dunkelelf wirbelte herum. Rio? War das
Rios Stimme gewesen?
Die roten Schneiden des Blutjadeschwertes in
Shades Händen funkelten bedrohlich. Es war Rio gewesen, nur von wo
die Stimme kam, konnte Shade nicht sagen. Seine Blicke suchten die Lichtung
ab. Doch er konnte nichts finden. Es war teilweise auch einfach zu dunkel
dort.
"Shade!"
Die ruhige und nüchterne Stimme stammte
von Cehren. Er deutete auf den See hinter ihnen.
Etwas schien sich zu bewegen, in ihm emporzusteigen.
Eine große schwarze Masse. Dann durchbrach es die Oberfläche
und stieg langsam so weit empor, bis ein ganzer, hässlicher, stinkender
Körper zum Vorschein kam. Die Füße, oder besser Hinterläufe,
setzten auf dem Wasser auf und die Kreatur schien darauf zu stehen. Es
war der Bulgarnit. Der, den sie suchten. Die Wunde auf seiner Brust verheilte
recht schnell, man konnte ihr geradezu dabei zusehen. Der Dämon atmete
tief und schwer, denn Shade hatte ihn anscheinend übel zugerichtet.
Er hätte es wissen müssen, dass er hier in diesem Teich nistete,
denn immerhin hatte er diese Art von Dämonen schon mal studiert. Es
war nur schon viel zu lange her. Sie nisteten gerne unter Wasser, denn
Flüssigkeit gab ihnen die Möglichkeit, ihre Körper neu zu
formen und leichter zu reparieren. Und da war noch was, Shade wusste nur
nicht was.
"Was tun wir nun?"
Shade sah zu den anderen rüber. Die Bauern
sahen ihn fragend und verängstigt an.
"Wie wäre es mit kämpfen?" antwortete
Cehren von der Seite.
Immer näher kamen die Biester und der
Dämon hinter ihnen lachte auf. Dann versank er wieder im Wasser. Die
Kreaturen wurden unruhig und sie schienen plötzlich eine ziemliche
Angriffslust aufzubauen. Manche wippten mit dem Körper nervös
vor und zurück und andere stimmten einen unnatürlichen Gesang
an, dessen Töne tief aus der Kehle zu kommen schienen. Sie kamen näher.
Ein ohrenbetäubender Schrei, dann stürzten sie auf die Krieger
zu. Cehren schwang seinen Stab und erwischte einen, der ihn anspringen
wollte. Er riss ihm die Brust auf und schwarzes stinkendes Blut spritzte
in hohem Bogen heraus. Kurz stoppten die Anderen und sahen nach ihrem gefallenen
Mitstreiter, doch niemand schien Gefühle zu zeigen. Dann fauchten
einige von ihnen wütend auf und die ganze Meute stürmte vor.
Rio rannte wie verrückt. Oder besser gesagt,
sie stolperte durch die engen dreckigen Gänge. Ständig hörte
sie von irgendwo Geräusche. Schritte, Atem, Keuchen, hier und da ein
Schrei, der aus einem der Gänge dieses grausamen Labyrinths zu ihr
drang. Die Angst hatte sie zum rennen beflügelt, doch nun hatte sie
sich hoffnungslos verlaufen. Hier und dort fielen ein paar Sonnenstrahlen
in die Gewölbe, doch sie erleuchteten die Gänge nur zu einem
sehr geringen Anteil. Der Dämon hatte das junge Mädchen hier
unten hin gebracht. Sie wusste nicht warum, doch sie wollte hier raus.
Diese Bestie machte ihr angst. Immer wieder schrie sie nach Shade. Er würde
sie sicher nicht im Stich lassen, doch würde er sie finden? Sie wusste
ja selbst noch nicht einmal wo sie hier war.
Plötzlich sah sie eine Gestalt vor sich
im fahlen Licht der einfallenden Sonnenstrahlen. Sie stand nur da und starrte
in die Dunkelheit, die sich durch die Gänge zog. Allerdings nicht
in Rios Richtung, also ging sie davon aus, dass sie noch nicht bemerkt
worden war.
Sie übersah den Schädel, der vor
ihr auf dem Boden lag, und bei all der Vorsicht, mit der sie sich bewegte,
trat sie trotzdem darauf. Ein Knacken hallte durch den Gang als der alte
morsche Knochen unter ihrem Gewicht nachgab. Schnell und erschrocken drehte
sich die Gestalt in der Dunkelheit um und trotz dem Schreck, den Rio in
diesem Moment durchfuhr, war sie mehr als erleichtert, als sie das
Gesicht des Mädchens im schwachen Licht erkannte. Es war das Mädchen,
das mit ihr entführt wurde. Sie hatte es nicht oft gesehen, aber ihr
Gesicht war unglaublich hübsch und als sie beide zusammen in den Klauen
des Dämons hierher gebracht wurden, hatte sie sie gesehen und ihre
schönen Züge hatten die Panik gezeigt, die sie bei diesem Flug
empfunden hatte.
"Du bist kein böser Dämon oder?"
Die Frage war eigentlich überflüssig,
aber so verängstigt wie Rio war, musste sie sie einfach stellen. Das
Mädchen lächelte etwas, trotz der Angst und der Gewissheit, sich
hoffnungslos verlaufen zu haben, die auch sie fühlte.
"Nein, bin ich nicht. Du bist doch das kleine
Mädchen, das mit diesem Dunkelelfen reist, oder?"
Kurz musterte Rio die junge Frau noch einmal
misstrauisch, dann streckte sie ihre Hand aus.
"Ja. Mein Name ist Rio!"
Die Andere ergriff die Hand und sagte:
"Ich bin Leila. Freut mich, dich kennen zu
lernen, auch wenn es unter so schrecklichen Bedingungen sein muss."
Als wäre das das Stichwort gewesen, griffen
plötzlich zwei große Hände aus der Wand, als wären
sie ein Teil des Gesteins, packten die Mädchen und zerrten sie unter
irrem, wahnsinnigem Gelächter in den Fels.
Schwarzes Blut bedeckte den Boden und mit jedem
Schlag kam ein Spritzer mehr dazu. Shade war in seinem Element. Diese Bestien
waren äußerst schnell und wendig. Alleine sicher schwach, denn
ihre einzigen Waffen waren ihre messerscharfen Klauen, mit denen sie versuchten,
ihren Feinden die Kehlen aufzuschlitzen und die Gesichter zu zerreißen.
Doch wenn sie in einem solch großen Rudel angriffen schienen sie
unberechenbar und sehr gefährlich. Zwei der Bauern waren gefallen.
Einer kniete bei ihnen und konnte sich vor Entsetzen nicht bewegen. Der
Druide stand bei ihm. Er hatte eine Art Bannkreis um sie geschlossen, den
die Kreaturen nicht durchdringen konnten, so stand nun fest, dass auch
sie einen großen Anteil dämonischer Kräfte in sich trugen.
Von Zorn erfüllt stürmte Shade immer
wieder vor. Führte sein Schwert mit beiden Händen und riss diese
Biester in Stücke. Doch es kamen immer mehr aus den Schatten der Bäume
und langsam aber sicher würden sie die kleine Gruppe überrennen.
Ein Schrei von der Seite erweckte Shades Aufmerksamkeit und als er sich
umdrehte sah er, dass der Bannkreis des Druiden durchbrochen war. Vier
oder fünf der Wesen hatten sich sofort auf den Letzten der drei Jungen
gestürzt und nun rissen sie ihm auf bestialischste Art und Weise die
Haut vom Körper. Der Junge schrie und Strampelte mit allen Gliedmaßen
seines Körpers, doch er würde keine Chance haben.
"Cehren!" schrie Shade rüber zu seinem
Kampfgefährten, der mit den beiden Klingen seiner Waffe in einen ständigen
Sturm von Hieben und Schlägen ununterbrochen rechts und links die
Gestalten abwehrte, die ihn angriffen und ihre Körper zerschmetterte.
Er sah kurz auf zu Shade.
"Wir müssen ihnen helfen! Alleine schafft
der Druide es nie!"
Ein kurzes Nicken war die Antwort und mit
einer Magie, die er in seine Klinge lenkte, holte der Krieger noch einmal
zum Schlag aus. Zwei der Biester wurden von der Wucht des Schlages Meter
weit durch die Luft geschleudert. Dann machte er einen Sprung nach vorne
und rannte rüber zu Shade, der schon die anderen erreicht hatte.
Sie kamen zu spät.
Shade sah sich um. Er hoffte irgendwo einen
Platz zu finden, der leichter zu verteidigen war. Ein Platz, an dem er
sich nicht auf alle Seiten zu konzentrieren hatte, denn er musste nachdenken!
Er und Cehren waren die einzigen, die noch aufrecht standen. Und irgendwie
musste er Rio und die anderen Frauen dort unten raus holen. Schließlich
fiel sein Blick auf einen Felsen, der im See stand. Auf drei Seiten war
Wasser und von der vierten führte ein schmaler Steg aus Steinen und
Erde zu ihm. Shade rief kurz durch das Kampfgetümmel zu Cehren rüber
und gab ihm zu verstehen, dass er ihm folgen sollte. Schnell war er drüben,
fegte auf dem Weg dahin noch ein paar der Kreaturen um und sprang flink
auf den Felsen. Cehren folgte ihm und an der Art, wie er springend den
kleinen Felsen erklomm, erkannte man, dass auch er aus dem Holz der Dunkelelfen
geschnitzt war.
Die Wesen schienen Wasserscheu, sie kamen
nur über den Steg, und das zu Beginn recht zaghaft. Der Andrang am
Ufer vor dem Steg war gewaltig, so dass sich schnell ein Pfropfen von stinkenden,
unheilvollen Kreaturen bildete, der ständig wuchs, denn zwischen den
Bäumen krochen immer noch ständig mehr Wesen hervor und stürmten
auf die kleine Lichtung. Die beiden Männer konnten auf dem kleinen
Felsen gerade so gut stehen, dass keiner von ihnen hinunter fiel. Sie hatten
zwar jetzt nur noch eine Seite zu verteidigen, doch nur wenig Platz zum
Ausholen, so dass ihnen nur die Möglichkeit blieb, von oben auszuholen
und die Klingen hinabschnellen zu lassen. Was wie ein stümperhaftes
Gehacke auf rohem Fleisch anmutete, entpuppte sich als sehr nützlich.
Plötzlich drehten die Kreaturen durch und kletterten übereinander,
um auf den Felsen zu stürmen. Zum nachdenken kam Shade nicht, so wie
er es gehofft hatte, und plötzlich spürte er einen stechenden
Schmerz im linken Arm, mit dem er sein Schwert führte. Eines dieser
Biester hatte seine Krallen in den Unterarm gerammt und versuchte nun hinein
zu beißen, doch bevor es so weit kam, stieß Shade einen Schrei
aus und schleuderte mit der Rechten einen Feuerball, der das Wesen zerfetzte
und schließlich in den Steg einschlug, auf dem sich die Kreaturen
aneinander drängten. Eine Explosion, Körperteile, die durch die
Gegend flogen und schließlich kippte der kleine Felsen von der Wucht
um und die beiden Dunkelelfen fielen ins Wasser.
Cehren sah sich um. Die Wände dieses Raumes
waren rot und sahen aus, wie aus Fleisch. Schade stand etwas weiter rechts
und untersuchte ebenfalls die Umgebung. Der Boden war mit Knochen übersäht
und mit Blut getränkt. Manche Knochen schienen von Menschen zu sein,
oder zumindest von Elfen oder Orks. Tiere waren auch dabei. Diese Dämonen
fraßen einfach alles was lebte. Aber was hätte man erwarten
sollen, war es doch schließlich die natur eines Dämons, Leben
auszusaugen und Chaos zu verbreiten. Ein Dämon würde in einer
Umgebung kosmischen Gleichgewichts ungefähr so lange überleben,
wie ein Fisch in der Wüste. Und so sollte es auch nur eine Frage der
Zeit sein, bis sie hier, in dieser unwirklichen Umgebung auf den Übel
bringenden Vater der Dämonischen Brut treffen würden. Und Shade
hoffte, Rio bei ihm zu finden, bevor es für sie zu spät sein
würde!
Rio wurde durch eine unfassbare Dunkelheit
geschleppt, immer weiter und weiter von dem kleinen Licht weg, welches
ihr Körper in der Ferne noch ausstrahlte. Kalte Krallen umfassten
sie und ihr Verstand schien in dieser Hölle zu erfrieren. Von weitem
hörte sie plötzlich einen verzweifelten Hilfeschrei. Ein Licht
kam in Reichweite. Es war Leilas Körper. Auch ihre Seele schien den
Körper verlassen zu haben und schrie nun in der Tiefe dieses ungreifbaren
Raumes um Hilfe. Sie begriff nun wo sie war. Der Dämon hatte diese
Höhle zu seinem Reich erklärt, also war er nun körperlos.
Das heißt er hatte einen Körper, doch dieser war überall
und er hatte sie eingesogen. Er trennte ihre Seelen von ihren Körpern,
doch es wollte Rio nicht in den Sinn, was nun mit ihr geschehen sollte!
Sie konnte, nein, sie wollte es sich nicht vorstellen!
Plötzlich erklang ein weiterer Schrei
im Dunkeln. Ein Schrei, der so unreal wie schmerzend war, denn er kam nicht
von einem Menschen oder sonst einer lebenden Rasse sondern von etwas unwirklichem,
etwas übermenschlichem. Es war der Dämon, der schrie, und mit
diesem Schrei zerriss eine Welle von Licht und lebendiger Energie die Finsternis.
Das Schwert hatte die Wand aufgerissen und
Blut quoll aus ihr hervor, welches die Jade der Klinge zum Glühen
brachte. Die Wände um Cehren und Shade begannen zu zittern und zu
beben. Ein Unmenschlicher, alles durchdringender Schrei erklang.
Etwas bewegte sich in der Wunde der Wand und
als Shade das Schwert zurückzog, um die vermeintliche Bedrohung zu
beseitigen, fielen zwei Körper aus den Eingeweiden des Dämons,
dessen Körper nun die gesamte Umgebung in Besitz zu nehmen schien.
Es waren die Körper der Mädchen,
die der Dämon entführt hatte. Rio und dieses Mädchen, welches
die Bauern begleitet hatte! Ihre Körper, wenn auch von Blut besudelt,
schienen unverletzt zu sein. Sie zitterten, als wenn es eiskalt im Raum
wäre und Rio versuchte sich aufzurichten.
Voller Zorn stieß Shade das Schwert
erneut in die klaffende Wunde und trieb die lange Klinge bis zum Griff
in den weichen Berg aus Fleisch und dämonischem Gedärm. Der ganze
Raum zuckte und wieder erklang dieser grausame Schrei, doch diesmal veränderte
er sich und wurde zu einem grausamen Lachen das noch schlimmer als der
Schrei an der Seele nagte. Dann formten sich Lippen aus dem Fleisch, welches
die Wand bildete, und eine verzerrte Stimme, die in den Ohren schmerzte,
sprach Worte in einer fremden widerwärtigen Sprache. Es klang mehr
wie eine Aneinanderreihung tierischer Geräusche, immer wieder durch
knurren und gurgeln unterbrochen, doch irgendwie merkte man, dass hinter
diesen Geräuschen ein Sinn stecken musste. Eine Botschaft. Und plötzlich
hörte es auf. Es hörte alles auf. Die Wände wurden zu Stein.
Die Decke zerfiel zu Staub und die unwirklichen Geräusche verstummten.
Alles Blut, das dem Dämon entsprungen war, wurde nun zu Wasser. Die
kosmische Ordnung an diesem Ort war wieder hergestellt und der Dämon
war fort. Nur die Knochen am Boden zeugten noch von seiner Anwesenheit.
Shade konnte es nicht begreifen. Mit einem kräftigen Ruck riss er
das Schwert aus dem nun massiven Fels und sah sich um. Der Dämon war
so mächtig gewesen und er war noch längst nicht besiegt, doch
er hatte sich zurückgezogen. Weit zurück, denn nun brach das
Sonnenlicht durch das Dach der Blätter über der großen
Mulde, wo der See einmal war, und Leben fuhr wieder in den Wald.
© V.Geist
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