Schattenläufer von V.Geist
Kapitel 3: Der Wald der Dämonen

Sie waren losgegangen. Der Wald umschloss sie, und obwohl der Tag schon längst angebrochen war und die ersten Strahlen der Sonne das Land erhellten, schienen sie wieder in tiefster Nacht versunken zu sein. Nur ein kleines Licht schien in dieser düstren Umgebung. Der Druide hatte es in einem kurzen Ritual herbeigerufen und nun schwebte es ein paar Schritt über den Köpfen der kleinen Gruppe. Doch war sein Licht nicht besonders stark. Es vermochte gerade einmal die nähere Umgebung zu erleuchten und alles was weiter als zwei Meter entfernt war verschwand schon wieder in der Dunkelheit. Der Druide führte die kleine Gruppe an. Er schien doch ein höheres magisches Potential zu haben, als nur ein klassischer Trankmischer. Shade und Cehren gingen hinter ihm und die drei Bauern folgten ihnen. Hin und wieder huschten Schatten am Rande des kleinen Lichtkegels entlang. Kleine Kreaturen, die das Licht zu fürchten schienen und doch neugierig waren, welch fremde Wesen sich nun in ihr Reich trauten. Ein Reich, in dem die Finsternis herrschte.
Wachsam schaute Shade sich immer wieder um, verlor dennoch nie die Ruhe. Er war ein erfahrener Krieger und zudem noch ein Wesen der Nacht. Seine Abstammung allein reichte aus, um ihn selbst in diesen Momenten zum Herr der Lage zu machen. Cehrer wirkte vollkommen unbeeindruckt. Ein paar mal warf er einen kurzen Blick zur Seite, wenn es im Gebüsch knackte oder sich etwas bewegte.
Trotz all der Ruhe, die er ausstrahlte, verspürte Shade im Inneren, dass etwas nicht stimmte. Er kam sich beobachtet vor. Zu recht, denn dieser Wald hatte seine Augen überall. Manchmal schien es, als würden Augenpaare aus der Dunkelheit starren. Kleine rote leuchtende Punkte irgendwo im Dunkeln. Welchen finsteren Kreaturen sie gehörten, konnte niemand auch nur ahnen. Shade sah sie ein paar mal aus den Augenwinkeln. Wenn er sich jedoch in die Richtung drehte, um sie ganz ins Blickfeld zu bekommen, verschwanden sie wieder in der Schwärze der Finsternis. Einmal fiel sein Blick auf die Bauern hinter sich. Ein kleiner verängstigter Trupp unerfahrener Kämpfer. Man konnte ihre Angst vor dem Unbekannten in diesen Wäldern förmlich riechen. Warum waren sie nur mitgekommen. Shade schüttelte unter seiner Kapuze den Kopf. Sie würden es niemals überleben.
Ein gutes Stück waren sie vorangekommen. Der Wald wurde immer düsterer und die Schatten schienen den kleinen Trupp mit der Zeit zu verschlingen. Die Geräusche wurden lauter und immer offensichtlicher. Gekicher und Gemurmel, welches von überall her zu kommen schien. Sie sprachen Wörter in einer fremden, dunklen Sprache. Ihnen zu lauschen war schwachsinnig. Es verunsicherte einen nur noch mehr. Nicht lange dauerte es und sie kamen zu einem kleinen See mitten in der Finsternis der Waldes. Von verdorrten Bäumen und schwarzen Felsen umringt lag er da. Ruhig und schweigend. Die Oberfläche bewegte sich nicht, schlug keine Wellen oder Ähnliches. Das kleine Gewässer wirkte vollkommen tot und unberührt.
"Seht nur!"
Die Worte des Druiden waren still und ein Unterton von Verwunderung war in ihnen wahr zu nehmen. Shade und Cehren gingen an ihm vorbei und stellten sich an den Rand des Sees. Die Bauern blieben ein paar Meter zurück, sahen sich immer wieder verängstigt, ja geradezu panisch um. Der Druide trat zu den beiden Dunkelelfen und sah erst sie, dann den See an.
"Er ist rot. Wie Blut..."
Shades Worte drangen zu den Bauern vor, die sofort einen Schritt zurück wichen und mit weit aufgerissenen Augen zum Ufer rüber starrten. Cehren hatte noch kein Wort gesprochen. Nun vernahm Shade seine Stimme zu ersten Mal.
"Das ist nicht normal, Meister."
Meister? Shade sah ihn an. Cehren blickte auf den See und musterte seine rote Oberfläche. Er hatte den Druiden Meister genannt. So was war man von Dunkelelfen nicht gewohnt. Sie kannten nur Meister unter ihren eigenen Leuten. Ihr Stolz ließ sie im Normalfall nie vor anderen Rassen knien.
"Nein," antwortete der Druide.
"Etwas stimmt hier ganz und gar nicht."
Was hatten sie auch erwartet? In diesem Wald voller Finsternis stimmte überhaupt gar nichts.
Für einen kurzen Moment sah Shade aus den Augenwinkeln heraus wieder eine Bewegung. In der Erwartung, dass sie wieder in der Dunkelheit verschwinden würde, sah er in die Richtung. Doch was er erblickte, war alles andere als der bloße schwarze Hintergrund der Umbebung, an den sie sich schon fast gewohnt hatten.

Es saß auf einem Felsen. Starrte mit schwarzen, toten Augen auf sie herab. Eine Kreatur, dessen Herkunft Shade nicht bestimmen konnte, denn etwas dergleichen hatte er noch nie gesehen. Es war klein und mager. Die Knochen und die wenigen Muskeln, die den Körper formten, waren deutlich durch die blasse, tote Haut zu erkennen. An manchen Stellen war sie so dünn, dass man den Eindruck hatte, man könnte durch sie hindurch sehen. Narben und noch offene Wunden und Kratzer zeugten von Kämpfen und Auseinandersetzungen, die mit grober Gewalt geführt worden waren. Ein paar Fetzen schwarzen Felles bedeckten den Körper. Von irgendeinem erlegten Tier. Es kann noch nicht so lange her sein, dass Es das Tier gehäutet hatte, denn es hingen noch Fetzen von Fleisch an dem notdürftig gefertigtem Umhang und der Gestank nach Blut und Tod stieg der Gruppe in die Nase.
Etwas an diesem Wesen erinnerte an einen Menschen. Es hatte ein Gesicht. Abgemagert und stumm. Ohne einen Ausdruck. Doch es sah in irgendeiner Art und Weise... menschlich aus.
Und auch der Körper erinnerte an einen Menschen. Auch wenn es aussah, als würde sich das Wesen gebückt fortbewegen. Auf allen vieren.
So saß es dort. Wie eine Katze, die ihre Beute gefunden hatte, lauerte Es auf dem schwarzen Felsen am Wasser, nur wenige Meter von Shade und Cehren entfernt und seine starren, toten Augen starrten zu ihnen rüber.
"Was zur Hölle ist das?"
Im Busch hinter ihnen hatte sich etwas bewegt. Nur eine kleine Bewegung, ein leises kaum hörbares Geräusch war entstanden. Ein Geräusch, so leise, dass es nur die Ohren eines Elfen hören konnten und so waren es auch nur Shade und Cehren, die sich beide gleichzeitig vom Anblick des Wesens abwandten und sich zum Gebüsch hinter ihnen umdrehten.
Zwei weitere der Wesen waren erschienen. Sie schlichen scheinbar furchtlos aus ihren Verstecken. Und neugierig streckte eins von ihnen langsam und ohne ein Geräusch zu verursachen die Hand, die eher die Form einer Kralle hatte, nach Nareid aus. Dieser bemerkte, dass Shade in seine Richtung sah und verwirrt drehte er sich um. Das Wesen zuckte kurz etwas zurück und die drei Bauern, die nun alle die Situation realisiert hatten, liefen verschreckt ein paar Schritte vor auf ihre Gefährten zu.
"Das gefällt mir nicht!" hörte man Shade sagen. "Das gefällt mir gar nicht..."
Die Stimme eines der Bauern war zu vernehmen. Während am Rande der kleinen Lichtung immer mehr der Wesen zum Vorschein kamen:
"Sind das die Dämonen die in diesem Wald leben sollen?"
Shade zog sein Schwert. Die Tiere schien das nicht im Geringsten zu interessieren. Sie näherten sich langsam und schleichend auf allen vieren, und drängten die Gefährten so immer weiter in Richtung des blutroten Sees hinter ihnen.
Nun nahm auch Cehren seine Waffe in die Hand. Einen Kampfstab mit zwei schwarzen Klingen, eine an jedem Ende des Griffes, der sich in der Mitte der Waffe befand.
Immer näher kamen die finsteren Gestalten. Dann war ein Schrei zu vernehmen.
"Shade!!!"
Der Dunkelelf wirbelte herum. Rio? War das Rios Stimme gewesen?

Die roten Schneiden des Blutjadeschwertes in Shades Händen funkelten bedrohlich. Es war Rio gewesen, nur von wo die Stimme kam, konnte Shade nicht sagen. Seine Blicke suchten die Lichtung ab. Doch er konnte nichts finden. Es war teilweise auch einfach zu dunkel dort.
"Shade!"
Die ruhige und nüchterne Stimme stammte von Cehren. Er deutete auf den See hinter ihnen.
Etwas schien sich zu bewegen, in ihm emporzusteigen. Eine große schwarze Masse. Dann durchbrach es die Oberfläche und stieg langsam so weit empor, bis ein ganzer, hässlicher, stinkender Körper zum Vorschein kam. Die Füße, oder besser Hinterläufe, setzten auf dem Wasser auf und die Kreatur schien darauf zu stehen. Es war der Bulgarnit. Der, den sie suchten. Die Wunde auf seiner Brust verheilte recht schnell, man konnte ihr geradezu dabei zusehen. Der Dämon atmete tief und schwer, denn Shade hatte ihn anscheinend übel zugerichtet. Er hätte es wissen müssen, dass er hier in diesem Teich nistete, denn immerhin hatte er diese Art von Dämonen schon mal studiert. Es war nur schon viel zu lange her. Sie nisteten gerne unter Wasser, denn Flüssigkeit gab ihnen die Möglichkeit, ihre Körper neu zu formen und leichter zu reparieren. Und da war noch was, Shade wusste nur nicht was.
"Was tun wir nun?"
Shade sah zu den anderen rüber. Die Bauern sahen ihn fragend und verängstigt an.
"Wie wäre es mit kämpfen?" antwortete Cehren von der Seite.
Immer näher kamen die Biester und der Dämon hinter ihnen lachte auf. Dann versank er wieder im Wasser. Die Kreaturen wurden unruhig und sie schienen plötzlich eine ziemliche Angriffslust aufzubauen. Manche wippten mit dem Körper nervös vor und zurück und andere stimmten einen unnatürlichen Gesang an, dessen Töne tief aus der Kehle zu kommen schienen. Sie kamen näher. Ein ohrenbetäubender Schrei, dann stürzten sie auf die Krieger zu. Cehren schwang seinen Stab und erwischte einen, der ihn anspringen wollte. Er riss ihm die Brust auf und schwarzes stinkendes Blut spritzte in hohem Bogen heraus. Kurz stoppten die Anderen und sahen nach ihrem gefallenen Mitstreiter, doch niemand schien Gefühle zu zeigen. Dann fauchten einige von ihnen wütend auf und die ganze Meute stürmte vor.

Rio rannte wie verrückt. Oder besser gesagt, sie stolperte durch die engen dreckigen Gänge. Ständig hörte sie von irgendwo Geräusche. Schritte, Atem, Keuchen, hier und da ein Schrei, der aus einem der Gänge dieses grausamen Labyrinths zu ihr drang. Die Angst hatte sie zum rennen beflügelt, doch nun hatte sie sich hoffnungslos verlaufen. Hier und dort fielen ein paar Sonnenstrahlen in die Gewölbe, doch sie erleuchteten die Gänge nur zu einem sehr geringen Anteil. Der Dämon hatte das junge Mädchen hier unten hin gebracht. Sie wusste nicht warum, doch sie wollte hier raus. Diese Bestie machte ihr angst. Immer wieder schrie sie nach Shade. Er würde sie sicher nicht im Stich lassen, doch würde er sie finden? Sie wusste ja selbst noch nicht einmal wo sie hier war.
Plötzlich sah sie eine Gestalt vor sich im fahlen Licht der einfallenden Sonnenstrahlen. Sie stand nur da und starrte in die Dunkelheit, die sich durch die Gänge zog. Allerdings nicht in Rios Richtung, also ging sie davon aus, dass sie noch nicht bemerkt worden war.
Sie übersah den Schädel, der vor ihr auf dem Boden lag, und bei all der Vorsicht, mit der sie sich bewegte, trat sie trotzdem darauf. Ein Knacken hallte durch den Gang als der alte morsche Knochen unter ihrem Gewicht nachgab. Schnell und erschrocken drehte sich die Gestalt in der Dunkelheit um und trotz dem Schreck, den Rio in diesem Moment durchfuhr, war sie mehr als erleichtert, als  sie das Gesicht des Mädchens im schwachen Licht erkannte. Es war das Mädchen, das mit ihr entführt wurde. Sie hatte es nicht oft gesehen, aber ihr Gesicht war unglaublich hübsch und als sie beide zusammen in den Klauen des Dämons hierher gebracht wurden, hatte sie sie gesehen und ihre schönen Züge hatten die Panik gezeigt, die sie bei diesem Flug empfunden hatte.
"Du bist kein böser Dämon oder?"
Die Frage war eigentlich überflüssig, aber so verängstigt wie Rio war, musste sie sie einfach stellen. Das Mädchen lächelte etwas, trotz der Angst und der Gewissheit, sich hoffnungslos verlaufen zu haben, die auch sie fühlte.
"Nein, bin ich nicht. Du bist doch das kleine Mädchen, das mit diesem Dunkelelfen reist, oder?"
Kurz musterte Rio die junge Frau noch einmal misstrauisch, dann streckte sie ihre Hand aus.
"Ja. Mein Name ist Rio!"
Die Andere ergriff die Hand und sagte:
"Ich bin Leila. Freut mich, dich kennen zu lernen, auch wenn es unter so schrecklichen Bedingungen sein muss."
Als wäre das das Stichwort gewesen, griffen plötzlich zwei große Hände aus der Wand, als wären sie ein Teil des Gesteins, packten die Mädchen und zerrten sie unter irrem, wahnsinnigem Gelächter in den Fels.

Schwarzes Blut bedeckte den Boden und mit jedem Schlag kam ein Spritzer mehr dazu. Shade war in seinem Element. Diese Bestien waren äußerst schnell und wendig. Alleine sicher schwach, denn ihre einzigen Waffen waren ihre messerscharfen Klauen, mit denen sie versuchten, ihren Feinden die Kehlen aufzuschlitzen und die Gesichter zu zerreißen. Doch wenn sie in einem solch großen Rudel angriffen schienen sie unberechenbar und sehr gefährlich. Zwei der Bauern waren gefallen. Einer kniete bei ihnen und konnte sich vor Entsetzen nicht bewegen. Der Druide stand bei ihm. Er hatte eine Art Bannkreis um sie geschlossen, den die Kreaturen nicht durchdringen konnten, so stand nun fest, dass auch sie einen großen Anteil dämonischer Kräfte in sich trugen.
Von Zorn erfüllt stürmte Shade immer wieder vor. Führte sein Schwert mit beiden Händen und riss diese Biester in Stücke. Doch es kamen immer mehr aus den Schatten der Bäume und langsam aber sicher würden sie die kleine Gruppe überrennen. Ein Schrei von der Seite erweckte Shades Aufmerksamkeit und als er sich umdrehte sah er, dass der Bannkreis des Druiden durchbrochen war. Vier oder fünf der Wesen hatten sich sofort auf den Letzten der drei Jungen gestürzt und nun rissen sie ihm auf bestialischste Art und Weise die Haut vom Körper. Der Junge schrie und Strampelte mit allen Gliedmaßen seines Körpers, doch er würde keine Chance haben.
"Cehren!" schrie Shade rüber zu seinem Kampfgefährten, der mit den beiden Klingen seiner Waffe in einen ständigen Sturm von Hieben und Schlägen ununterbrochen rechts und links die Gestalten abwehrte, die ihn angriffen und ihre Körper zerschmetterte. Er sah kurz auf zu Shade.
"Wir müssen ihnen helfen! Alleine schafft der Druide es nie!"
Ein kurzes Nicken war die Antwort und mit einer Magie, die er in seine Klinge lenkte, holte der Krieger noch einmal zum Schlag aus. Zwei der Biester wurden von der Wucht des Schlages Meter weit durch die Luft geschleudert. Dann machte er einen Sprung nach vorne und rannte rüber zu Shade, der schon die anderen erreicht hatte.
Sie kamen zu spät.

Shade sah sich um. Er hoffte irgendwo einen Platz zu finden, der leichter zu verteidigen war. Ein Platz, an dem er sich nicht auf alle Seiten zu konzentrieren hatte, denn er musste nachdenken! Er und Cehren waren die einzigen, die noch aufrecht standen. Und irgendwie musste er Rio und die anderen Frauen dort unten raus holen. Schließlich fiel sein Blick auf einen Felsen, der im See stand. Auf drei Seiten war Wasser und von der vierten führte ein schmaler Steg aus Steinen und Erde zu ihm. Shade rief kurz durch das Kampfgetümmel zu Cehren rüber und gab ihm zu verstehen, dass er ihm folgen sollte. Schnell war er drüben, fegte auf dem Weg dahin noch ein paar der Kreaturen um und sprang flink auf den Felsen. Cehren folgte ihm und an der Art, wie er springend den kleinen Felsen erklomm, erkannte man, dass auch er aus dem Holz der Dunkelelfen geschnitzt war.
Die Wesen schienen Wasserscheu, sie kamen nur über den Steg, und das zu Beginn recht zaghaft. Der Andrang am Ufer vor dem Steg war gewaltig, so dass sich schnell ein Pfropfen von stinkenden, unheilvollen Kreaturen bildete, der ständig wuchs, denn zwischen den Bäumen krochen immer noch ständig mehr Wesen hervor und stürmten auf die kleine Lichtung. Die beiden Männer konnten auf dem kleinen Felsen gerade so gut stehen, dass keiner von ihnen hinunter fiel. Sie hatten zwar jetzt nur noch eine Seite zu verteidigen, doch nur wenig Platz zum Ausholen, so dass ihnen nur die Möglichkeit blieb, von oben auszuholen und die Klingen hinabschnellen zu lassen. Was wie ein stümperhaftes Gehacke auf rohem Fleisch anmutete, entpuppte sich als sehr nützlich. Plötzlich drehten die Kreaturen durch und kletterten übereinander, um auf den Felsen zu stürmen. Zum nachdenken kam Shade nicht, so wie er es gehofft hatte, und plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz im linken Arm, mit dem er sein Schwert führte. Eines dieser Biester hatte seine Krallen in den Unterarm gerammt und versuchte nun hinein zu beißen, doch bevor es so weit kam, stieß Shade einen Schrei aus und schleuderte mit der Rechten einen Feuerball, der das Wesen zerfetzte und schließlich in den Steg einschlug, auf dem sich die Kreaturen aneinander drängten. Eine Explosion, Körperteile, die durch die Gegend flogen und schließlich kippte der kleine Felsen von der Wucht um und die beiden Dunkelelfen fielen ins Wasser.

Cehren sah sich um. Die Wände dieses Raumes waren rot und sahen aus, wie aus Fleisch. Schade stand etwas weiter rechts und untersuchte ebenfalls die Umgebung. Der Boden war mit Knochen übersäht und mit Blut getränkt. Manche Knochen schienen von Menschen zu sein, oder zumindest von Elfen oder Orks. Tiere waren auch dabei. Diese Dämonen fraßen einfach alles was lebte. Aber was hätte man erwarten sollen, war es doch schließlich die natur eines Dämons, Leben auszusaugen und Chaos zu verbreiten. Ein Dämon würde in einer Umgebung kosmischen Gleichgewichts ungefähr so lange überleben, wie ein Fisch in der Wüste. Und so sollte es auch nur eine Frage der Zeit sein, bis sie hier, in dieser unwirklichen Umgebung auf den Übel bringenden Vater der Dämonischen Brut treffen würden. Und Shade hoffte, Rio bei ihm zu finden, bevor es für sie zu spät sein würde!

Rio wurde durch eine unfassbare Dunkelheit geschleppt, immer weiter und weiter von dem kleinen Licht weg, welches ihr Körper in der Ferne noch ausstrahlte. Kalte Krallen umfassten sie und ihr Verstand schien in dieser Hölle zu erfrieren. Von weitem hörte sie plötzlich einen verzweifelten Hilfeschrei. Ein Licht kam in Reichweite. Es war Leilas Körper. Auch ihre Seele schien den Körper verlassen zu haben und schrie nun in der Tiefe dieses ungreifbaren Raumes um Hilfe. Sie begriff nun wo sie war. Der Dämon hatte diese Höhle zu seinem Reich erklärt, also war er nun körperlos. Das heißt er hatte einen Körper, doch dieser war überall und er hatte sie eingesogen. Er trennte ihre Seelen von ihren Körpern, doch es wollte Rio nicht in den Sinn, was nun mit ihr geschehen sollte! Sie konnte, nein, sie wollte es sich nicht vorstellen!
Plötzlich erklang ein weiterer Schrei im Dunkeln. Ein Schrei, der so unreal wie schmerzend war, denn er kam nicht von einem Menschen oder sonst einer lebenden Rasse sondern von etwas unwirklichem, etwas übermenschlichem. Es war der Dämon, der schrie, und mit diesem Schrei zerriss eine Welle von Licht und lebendiger Energie die Finsternis.

Das Schwert hatte die Wand aufgerissen und Blut quoll aus ihr hervor, welches die Jade der Klinge zum Glühen brachte. Die Wände um Cehren und Shade begannen zu zittern und zu beben. Ein Unmenschlicher, alles durchdringender Schrei erklang.
Etwas bewegte sich in der Wunde der Wand und als Shade das Schwert zurückzog, um die vermeintliche Bedrohung zu beseitigen, fielen zwei Körper aus den Eingeweiden des Dämons, dessen Körper nun die gesamte Umgebung in Besitz zu nehmen schien.
Es waren die Körper der Mädchen, die der Dämon entführt hatte. Rio und dieses Mädchen, welches die Bauern begleitet hatte! Ihre Körper, wenn auch von Blut besudelt, schienen unverletzt zu sein. Sie zitterten, als wenn es eiskalt im Raum wäre und Rio versuchte sich aufzurichten.
Voller Zorn stieß Shade das Schwert erneut in die klaffende Wunde und trieb die lange Klinge bis zum Griff in den weichen Berg aus Fleisch und dämonischem Gedärm. Der ganze Raum zuckte und wieder erklang dieser grausame Schrei, doch diesmal veränderte er sich und wurde zu einem grausamen Lachen das noch schlimmer als der Schrei an der Seele nagte. Dann formten sich Lippen aus dem Fleisch, welches die Wand bildete, und eine verzerrte Stimme, die in den Ohren schmerzte, sprach Worte in einer fremden widerwärtigen Sprache. Es klang mehr wie eine Aneinanderreihung tierischer Geräusche, immer wieder durch knurren und gurgeln unterbrochen, doch irgendwie merkte man, dass hinter diesen Geräuschen ein Sinn stecken musste. Eine Botschaft. Und plötzlich hörte es auf. Es hörte alles auf. Die Wände wurden zu Stein. Die Decke zerfiel zu Staub und die unwirklichen Geräusche verstummten. Alles Blut, das dem Dämon entsprungen war, wurde nun zu Wasser. Die kosmische Ordnung an diesem Ort war wieder hergestellt und der Dämon war fort. Nur die Knochen am Boden zeugten noch von seiner Anwesenheit. Shade konnte es nicht begreifen. Mit einem kräftigen Ruck riss er das Schwert aus dem nun massiven Fels und sah sich um. Der Dämon war so mächtig gewesen und er war noch längst nicht besiegt, doch er hatte sich zurückgezogen. Weit zurück, denn nun brach das Sonnenlicht durch das Dach der Blätter über der großen Mulde, wo der See einmal war, und Leben fuhr wieder in den Wald.
 

© V.Geist
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Und schon geht es weiter zum 4. Kapitel: Nefarat (1. Teil)

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