Krushnak und Nemo standen, beziehungsweise
flatterten auf der Stelle im rosa getünchten Wartesaal von König
Heleos in Rosenbusch. Die Honda hatten sie im Wein geparkt.
Fussli, oder Dussli, es hätte aber genauso
gut Schussli gewesen sein können, stellte eine Schale getrockneter
Marzipanzwiebeln auf den einzigen Tisch.
"Lasst es euch schmecken. Ihre Majestät
ist sofort fertig mit seiner Maniküre", informierte dieser.
Nemo nickte.
* * *
Dethonas fuhr hoch. Er war wieder wach. Trotz
des vielen Kaffees, den er getrunken hatte, war er wohl eingenickt, vor
der Palastmauer. Er hatte vorgehabt, den Schuh sogleich wieder suchen zu
gehen, aber er war dann doch zu erschöpft gewesen.
Was war eigentlich passiert?
Vaelyinia, sie liebte ihn noch! Dethonas grinste
und stand auf. Das trockene Sommergras knirschte unter seinen großen
Füßen (Größe 62). Verwundert nahm der Alb das Motorrad
im Fluss wahr.
'Nicht mal Garagen haben die hier!' Und dann
das riesige Loch dahinter in der Schlossmauer. 'Irgend so ein Idiot ist
mit der Honda wohl voll in die Mauer gerast!', vermutete er und schwamm
durch den neu geschaffenen Eingang.
Er musste nicht einmal mehr tauchen. Wie geschickt!
Er rannte quer durch den Palastgarten und hielt vor einem niedrigen Fenster
in der rosa Palastwand. Kraftvoll zog er sich auf den Sims. Welch ein Glück!
Das Fenster war nur angelehnt. Mit seiner schlanken Hand griff er nach
dem Fenstergriff und öffnete das Fenster sperrangelweit, damit er
problemlos einsteigen konnte. Leise, mit einem dumpfen Geräusch landete
er auf dem gebohnerten Parkettboden.
Dethonas wusste wo er war. Dieser Gang führte
in die Gemächer des Riesenkönigs, zuvor allerdings in einen Warteraum.
Plötzlich hörte er eine Tür aufgehen. Panisch verschwand
Dethonas hinter einer Marmorsäule. Einer der Wächter, dieser
Transvestiten, stolzierte vorbei und pfiff "Alle mein Elblein!".
Dethonas atmete erleichtert auf, als der Wächter
vorüber gezogen war. Vorsichtig näherte er sich dem Raum, aus
dem die Transe gekommen war. Er legte seine Hand an den Türgriff,
hörte auf einmal Stimmen, stoppte und atmete schneller.
* * *
"Ihr könnt jetzt hereinkommen!", brüllte
Heleos.
Nemo und Krushnak folgten dem Gebot nur zu
gerne, denn der Warteraum stank nach getrockneten Marzipanzwiebeln. (Woher
das nur kam?) Nemo riss seine Augen weit auf, als er das Zimmer des Königs
erblickte. Es glich einem Schlachtfeld, überall lagen Federn und Kissen
und Kissen und Federn.
"Entschuldigt die Unordnung, ich habe das
Zimmer seit dem Verlust meines Pantoffels nicht wieder richten lassen,
deshalb ist es immer noch so ... durchwühlt. Also, Vögelchen,
was hast du zu erzählen?"
Dethonas wagte es, die Tür zu öffnen,
doch in dem Zimmer war ... niemand! Aus dem Gemach des Königs drangen
Stimmen. Neugierig trat Dethonas an die Tür heran und lauschte.
"Also, Piepmatz. In deiner E-Mail hast du
verlauten lassen, dass du etwas über die geheimnisvollen Attentäter
und Terroristen erfahren hast", versuchte der König Nemo zum Reden
zu stimulieren.
Nemo nickte.
"Ja... und? Berichte!"
"Ja, nämlich: der Drache Huildo Gorn,
von dem niemand weiß, wo er seinen Sitz hat, ist der Anführer
dieser seiner Schergen, deren Befehl lautet, Euren 'Schuh der Erleuchtung',
was auch immer das darstellen soll, zu stehlen. Deshalb töteten sie
Eure Nichte beim Versuch ihn Euch zu entwenden, und darum wurde Euer Schlafgemach
so durchwühlt. Nur um dieses Schuhs Willen."
"Aha", König Heleos kratzte sich am Kinn.
"Ich glaube im Testament meines Vaters Solarium stand etwas von einem 'Schuh
der Erleuchtung'. Ich meine mich zu erinnern, dass er unter dem königlichen
Kopfkissen liegt..."
Dethonas fuhr hoch. Unter dem Kopfkissen?
Warum war er darauf nicht gekommen?
"... hier!" Der König zog einen kleinen
weißen Babyschuh unter dem himmelblauen königlichen Kopfkissen
hervor. "Das ist er."
"Das... das - nein - das ist er?",
wunderte sich Nemo.
"Nun ja... zumindest steht das auf dem rechten
Schnürsenkel geschrieben."
Schweigen.
"So. Und was machen wir jetzt?", wollte Krushnak
wissen.
"Hier ist der Schuh jedenfalls nicht sicher.
Irgendwann finden Huildos Leute ihn, oder sie schaffen Euch aus dem Weg,
wenn sie mit einer Übermacht kommen, und nehmen den Schuh einfach
mit. Ihr gefährdet Euer Leben und den Schuh, wenn Ihr ihn in Rosenbusch
lasst", fasste Nemo weitsichtig zusammen.
"Aber wo sollen wir ihn denn hin verstecken?",
fragte König Heleos ohne jede Spur eines rettenden Einfalls.
"Ha!", schrie Krushnak plötzlich auf.
"Was 'Ha!'?", entgegnete Nemo.
"Ich weiß was!"
"Was weißt du?"
"Na die Lösung!"
"Welche Lösung?"
"Na, die Lösung unseres Problems!"
"Na, und welche Lösung?"
"Dass wir den Schuh verstecken!"
"Grandioser Einfall!" Nemo seufzte auf.
"Aber nicht einfach irgendwo!"
"Ach nein, wo denn?"
"In einem Ball! Einem Fußball!"
"Wie bitte?"
Heleos sprang auf. "Aber das ist ja genial!"
"Was?" Nemo stutze.
"Ja! Wir sponsern der WM in Owei den Ball
fürs Endspiel, und in diesem Ball verstecken wir den Schuh!", erklärte
Heleos.
"Aber, dort ist der Schuh vollkommen ungeschützt!",
warnte Nemo.
"Nein! Wir schleusen nämlich jemanden
in die WM ein - Krushnak!"
"Ich???" Krushnak riss die roten Orcaugen
weit auf.
"Ja! So bist du immer zur Stelle und kein
Teil der Stadien ist für dich unzugänglich. Nemo kommt natürlich
mit. Aber Fußball spielen wirst du. Wie sollte sich ein Papagei auf
dem Platz schon anstellen?" Heleos grinste. Sein Wort war beschlossene
Sache.
Dethonas juchzte. Er hatte es gehört,
hatte alles gehört. Er würde sich den Schuh zwar jetzt noch nicht
krallen können, dazu war ihm der Orc zu... nun ja... zu grün?
... aber dafür würde er nun nach Owei fliegen und dort den Schuh
holen, damit Vaelyinia endlich wieder die Freiheit zurückbekam. Glücklich
hüpfte der Alb aus dem Fenster und sprang quer über die königlichen
Gartenanlagen in den Fluss.
* * *
Fussli wunderte sich. War da nicht gerade ein
viel zu groß geratenes schwarz-lila-farbenes Kaninchen über
den Rasen gehoppelt und in den Wein gesprungen? Er könnte sich aber
auch getäuscht haben, nach fünf Flaschen hochwertigem Singwälder
Tollkirschenschnaps, die er mit seinen Brüdern in der Mittagspause
geleert hatte, wusste er das nicht mehr so genau zu sagen. Deshalb torkelte
er weiter...
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