Schwarzer Tod von Andreas Schwarz |
Gestern noch war Primes Sicherheitschef auf Erides 3 gewesen, heute war er auf der Flucht, krank, ohne Freunde und ohne Hoffnung, gejagt wie ein Tier. Sein einziges Verbrechen, das er begangen hatte, war, dass er krank geworden war, der "schwarze Tod" hatte sich auch ihn geholt. Angefangen hatte alles vor vier Tagen, als er mitten in der Nacht durch einen unerträglichen Schmerz geweckt wurde, der zu kurz gewesen war, um ihn wirklich zu realisieren. Doch das brennen an seiner Schulter war nicht wie der Schmerz vergangen, als er nachsah, fand er eine kleine schwarze Flechte, die eine kleine Stelle an seiner Schulter bedeckte. Er wusste, was das bedeutete, sein Todesurteil, denn nun hatte auch ihn der "schwarze Tod" eingeholt, wie die Seuche auf Erides 3 genannt wurde, nach den schwarzen Flechten, die im Endstadium seinen ganzen Körper bedecken würden. Aber die Flechten waren nicht alles, denn mit ihnen würden starke Krämpfe und starke Schmerzattacken kommen, die mit Fortschreiten der Krankheit immer öfter und stärker würden. Primes liess sich auf seine Liege zurücksinken, er wusste, dass es keinen Ausweg gab, denn er hatte anfangs selbst die Ermittlungen über diese Seuche geführt, bis der Geheimdienst von Erides 3 ihm den Fall entzogen hatte. Er wusste auch, über sein eigenes Informantennetz, dass der Geheimdienst die Kranken nicht, wie sie es dem Volk weismachten, in Spezialkliniken eingelieferten, sondern sie wurden einfach "entsorgt". Doch Primes schwor sich, dass sie ihn nicht bekommen sollten. Er hatte einen Vorteil, er wusste, mit welchen Methoden der Geheimdienst arbeitete, denn er war selbst einmal beim Geheimdienst gewesen und hatte dort den besten Lehrer gehabt, den es in diesem Bereich gab. Er war Außendienstagent gewesen, bis er bei einem Einsatz schwer verwundet wurde und seinen Dienst nicht mehr ausüben konnte, durch einen Freund in der Politik hatte er den Job als Sicherheitschef bekommen. Er musste nun schnell handeln, bevor die Krankheit ihm deutlich anzusehen war. Nach vier Tagen hatte er alles für seine Flucht organisiert und alles Nötige auf dem Schwarzmarkt besorgt. Länger hätte er auch nicht warten dürfen, denn es wurde immer schwieriger, die Symptome des "schwarzen Todes" zu verheimlichen. Die Flechten würden sich bald nicht mehr verbergen lassen, auch die Krämpfe und die Schmerzattacken kamen nun immer häufiger. Er würde offiziell den Außenposten auf Evora inspizieren, was auch zu seinem Aufgabenbereich gehörte und deswegen nicht auffallen würde. Primes begab sich rechzeitig zum Startplatz der Raumfähre und vergewisserte sich, dass die ihn beschattenden Agenten - in dieser Zeit wurden alle wichtigen Personen vom Geheimdienst beschattet - hinter ihm waren. Sie sollten sehen, wie er in das Gedränge am Sicherheitsport verschwand, denn es war ein Montag und die Arbeiter der Außenposten, die sich auf Erides 3 vergnügt hatten, flogen nun wieder zu ihren Arbeitsplätzen zurück. Dadurch würde seine Flucht erst in ein paar Stunden auffliegen, wenn er nicht aus der Raumfähre aussteigen würde, in die er vermeintlich gestiegen war, doch da würde er schon einen großen Vorsprung haben. Nun kam der schwierigste Teil seiner Flucht, er musste die elektronischen Wachhunde, die unsichtbar, aber trotzdem überall vorhanden waren, ausschalten. Als er in das Röntgenportal hineintrat, aktivierte Primes den Hochfrequenzgenerator, um so die elektronischen Überwachungsgeräte außer Gefecht zu setzen. Der Hochfrequenzstoß würde sich für ungeschulte Ohren wie eine Rückkopplung eines Kommunikators anhören. Als er sich beim Bedienungspersonal entschuldigte, dass er wohl dummerweise vergessen hätte seinen Kommunikator auszuschalten, winkten ihn die gestressten Beamten durch und meinten nur, er solle doch gefälligst nicht den ganzen Betrieb aufhalten. Der Rest war nun einfach, er suchte sich eine ruhige Stelle und aktivierte das Tarnfeld, das er sich auf dem Schwarzmarkt besorgt hatte. Nun konnte er unbemerkt durch die Halle gehen und zu den Privatstartplätzen, wo ein Freund, der in seiner Schuld stand, ihm einen Planetenspringer, ein Raumgleiter mit kurzer Reichweite, bereitgestellt hatte. Als er in dem Raumgleiter war, schaltete er das Tarnfeld ab und untersuchte die Überlebensausrüstung, die es ihm ermöglichen würde, fast zwei Jahre auf der unwirtlichen Oberfläche von Erides 3 zu überleben. Unbeachtet startete er den Raumgleiter und raste über die schroffe Felsenlandschaft. Erides 3 war ein Felsenplanet mit geringer Vegetation, er hatte auch keine nennenswerte Bodenschätze und wurde nur so wichtig, weil er ein Knotenpunkt für die Raumfahrt zu weiter entfernten Teilen des Weltalls geworden war. Primes landete am Fuße eines Quarzgebirges,
das die Sensoren der Verfolger stören würde, denn späterstens
in zwei Tagen, eher noch früher, würden sie wissen, dass er sich
auf der Planetenoberfläche verborgen hatte. Er aktivierte den Selbstzerstörungsmechanismus,
den er zuvor mit Zusatzsprengstoff präpariert hatte, dass es nach
der Explosion keine zu ortenden Teile mehr geben würde. Als er die
Explosion des Gleiters hörte, war er schon ein großes Stück
des Gebirges hinaufgeklettert, er musste sich nun schnell einen Zufluchtsort
suchen, bevor er einen Anfall bekam, während er noch an den steilen
Hängen des Berges war und abstürzte. Sehr bald fand er eine geeignete
Höhle, keinen Augenblick zu früh, denn er spürte schon eine
große Welle von Schmerz, die auf ihn zuraste. Einen Augenblick später
brach der Schmerz in bisher unbekannter Stärke über ihn herein
und warf in zu Boden, er spürte noch, wie sich sein ganzer Körper
verkrampfte, bevor der Schmerz sein Bewusstsein vollkommen auslöschte.
Er wusste nicht, wie lange er so dagelegen hatte, als die Schmerzen langsam
zurückfluteten und sich sein Körper entkrampfte. Als der rote
Schleier vor seinen Augen sich lichtete, sah er die rauhe Felsendecke über
ihm. Doch irgendetwas stimmte nicht mit ihr, sie hatte zu viel Tiefe, als
würde er in den Berg hineinsehen können, er schloss seine Augen
so fest, dass es schmerzte, doch als er sie wieder öffnete, hatte
es sich nicht verändert. Er konnte die Struktur der Decke schon noch
erkennen, aber gleichzeitig sah er noch dahinter, die Verunreinigungen
des Felsen und sogar die Quarzadern tief im Gestein, doch bevor er sich
den Kopf darüber zerbrechen konnte, rollte schon eine neue Woge von
Schmerzen heran. Die Veränderung seiner Umgebung hörte nicht
auf, im Gegenteil, sie schritt immer weiter fort, wie er in den Pausen
zwischen den Anfällen bemerkte, die aber immer kürzer wurden.
Manchmal verschwand ein Teil der Felswand gänzlich und er sah eine
leuchtende Substanz, die auf unheimliche Art lebendig wirkte, dann sah
er wieder Winkel, die es in unseren drei Dimensionen nicht geben konnte,
manchmal geschah dann aber auch wieder nichts und er sah nur den ganz normalen
Fels vor sich. Er fragte sich, ob er durch die Schmerzen nun seinen Verstand
verloren hätte, doch blieb ihm nicht viel Zeit um nachzudenken, denn
die Schmerzen, die ihn durchfluteten, ließen im kaum mehr eine Pause,
auch war sein Körper nun ganz mit den schwarzen Fechten bedeckt und
jede Bewegung bereiteten ihm Schmerzen. Plötzlich überfielen
ihn Schmerzen, die stärker waren als jemals zuvor und sie steigerten
sich sogar noch immer weiter, sie hörten nun auch nicht mehr auf.
Doch als er dachte, er könnte die Schmerzen nicht mehr aushalten,
traten unerwartet die Schmerzen langsam in den Hintergrund, es war nicht
so, dass sie verschwanden, im Gegenteil, sie steigerten sich sogar noch,
sie wurden nur irgendwie immer unwichtiger. Es trennte sich langsam ein
Teil von ihm ab, es streifte den störenden, verunstalteten Körper
ab, bis der Körper nur noch eine tote, reglose Hülle war, auf
die er ohne bedauern zurückschaute. Es wurde ihm schlagartig klar,
dass der "schwarze Tod" kein Tod war, sondern ein Übergang in ein
neues Leben, ohne die Grenzen eines Körpers. Er erkannte auch, wie
sinnlos das Tun des Geheimdienstes auf Erides 3 war, denn Evolution ließ
sich nicht aufhalten und bald, in ein paar Jahren oder Jahrzehnten, würde
es keine Menschen auf Erides 3 mehr geben. Mit diesen Gedanken verschwand
das Energiewesen in seiner neuen Heimat, den unendlichen Weiten des Universums.
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