"Kein Honig! Das gibt es doch nicht! Keinen
Honig! Zwei geschlagene Tage bekomme ich keinen Honig!"
"Beruhige dich, Rot. Wir haben noch genug
Wachtel am Spieß für alle.", sagte Imogen ruhig.
"Aber ohne Honig!", protestierte Rot und stemmte
trotzig wie ein kleines Kind die Arme in die Hüfte.
"Er will kein Prinz mehr sein, schön
und gut. Aber verwöhnt ist er, wie ein rotznasiger Bengel.", seufzte
Wai.
Riyonn zuckte mit den Schultern.
"Ich hätte auch gerne Honig."
"Aber du isst die Wachtel auch ohne."
"Obwohl, mit Honig..."
Imogen kniff ihn in die Seite.
"Fang du nicht auch noch an!"
Rot grinste.
"Ein Kuss von dir, Imogen, ersetzt jeden Honig!"
"Jetzt ist aber genug!" Riyonn sprang auf
und schubste Rot unsanft ins Gras. "Lass die Finger von meiner Schwester!"
Rot streifte das Gras von seinem weißen
Hemd.
"Ich will doch nur etwas Spaß haben."
"Wie alt bist du eigentlich, vier?"
Rot grinste.
"Nein, achtzehn, Kleiner!"
Riyonn seufzte. Dann setzte er sich wieder
vor sein Fleisch. Morgen würden sie den Weg durchs Gebirge Jildallan
antreten.
"Nur ein winzig kleiner?"
"Nein!", meinte Imogen in strengem Ton. "Iss
lieber, wir brechen gleich auf."
"Du hast wunderschöne braune Augen, Imogen!"
"Rot!" Imogen stieß den ehemaligen Prinz
zur Seite. "Du bist wie ein kleines Kind!"
"In jedem Mann steckt ein kleines Kind."
"Aber nicht jeder muss ständig an irgendetwas
herumspielen."
"Haha, Spielzeug Imogen!"
"Wehe!", kreischte Imogen und stand auf. Rot
kriegte sich kaum mehr vor Lachen.
"Schade."
Schließlich waren sie zum Weiterritt
bereit und stiegen auf die vier ausgeruhten Pferde. Rot hatte aus Kouwah
seinen Bogen mitgenommen, eine spezielle Anfertigung, für die man,
um den Bogen zu spannen, sehr viel Kraft brauchte. Rot hatte mehrfach bestätigt,
der geborene Meisterschütze zu sein, und dass er sein Ziel bisher
niemals verfehlt hatte. Aber nachdem Rot nachweislich in allen Eigenschaften
seinerseits so überzeugt und scheinbar meisterhaft war, beließen
es Wai, Riyonn und Imogen bei der Behauptung, zudem Rot bei der Jagd auf
die allmorgendliche Wachtel stets Feuermacher gespielt hatte. Nicht dass
sie ihm das Bogenschießen nicht zutrauten, aber Rot beherrschte die
Kunst maßlos zu übertreiben. Da wird man prinzipiell etwas vorsichtiger
bei solchen Behauptungen.
Der Weg stieg an. Kouwah war längst hinter
dem Wald von Hahmo aus ihrem Blickfeld verschwunden. Vor ihnen erstreckte
sich das spitzbergige Hochgebirge Jildallan. Von unten erkannte man die
schneebedeckten niedereren Gipfel, da die höheren hinter einer Wolkendecke
verborgen waren.
"Sieht nach Schlechtwetter aus.", bemerkte
Wai, der die Wolken näher umspähte.
"Kein Wetter der Welt kann uns robusten vier
etwas anhaben.", meinte Rot bescheiden und klopfte seiner Ember den Hals.
Riyonn rieb sich die Arme.
"Es kommt ein kalter Wind auf. Vielleicht
sollten wir den nächsten Wölfen, denen wir begegnen, das Fell
abnehmen."
"Keine schlechte Idee.", schloss Wai sich
an. "Wir sollten es nicht riskieren in Sommerkleidung ein Hochgebirge zu
passieren."
Ember warf den Hals zurück und wieherte.
"Ruhig, meine Süße." Rot verzwirbelte
mit seinen Fingern die feuerrote Mähne seiner Stute.
"Also weiter.", meinte Riyonn.
Nach einigen Stunden des Ritts gen Westen fing
ein starker Wind an um ihre Ohren zu pfeifen. Die wenigen Bäume, die
noch am Wegesrand standen, wurden von den starken Windstößen
beinahe mitgerissen. Zusätzlich trug der Wind eine Eiseskälte
mit sich. Imogen vergrub sich fröstelnd in der Mähne Cloudys.
Bald wurde der Weg steiniger und das Gebirge ragte vor der Gruppe empor.
"Wir sollten heute noch am Fuße der
Berge nächtigen.", entschied Riyonn und hielt Thunderblade an.
Als bald die Sonne hinter den hohen Gipfeln
verschwand entzündete Imogen ein Feuer hinter einem vor dem Wind schützenden
Felsen um das die Gruppe auch gleich Platz nahm und Murmeltiere verspeisten.
"Leider reicht das Fell nicht einmal für
einen Überwurf.", seufzte Imogen und strich über das graubraune
Murmeltierfell.
"Pech." Rot lehnte sich gegen den Felsen.
"Wir werden alle erfrieren und niemals auf der anderen Seite ankommen."
Plötzlich ertönte unweit von ihnen
ein Markerschütterndes Wolfsgeheul.
"Spannt die Bogen!", rief Wai auf.
"Es ist zu dunkel, Wai, wir werden die Wölfe
nicht einmal sehen.", entgegnete Imogen und starrte in die Richtung des
Geheuls.
"Doch.", warf Riyonn ein. "Kevion!"
In seiner rechten Hand bildete sich eine helle
Flamme.
"Ich bin eure Fackel. Der Wind kann mein Feuer
nicht ersticken."
Wai nickte und legte sich seinen Köcher
um.
"Wieso du, Wai? Rot wollte uns doch schon
längst zeigen, was er mit seinem Wunderbogen fertig bringt.", erinnerte
Imogen.
Rot blieb vor Überraschung sein Stück
Murmeltierfleisch in der Kehle stecken.
"I...ich?"
"Gibt es hier noch einen zweiten Rot Deus?
Oder traust du dich nicht?"
"Was ist das für eine Frage?" Rot ergriff
seinen seltsamen Bogen, der zweifach gebogen war und aus einem sehr festen
Holz bestand, nahm seinen Köcher und folgte Riyonn in die Dunkelheit.
Das Wolfsgeheul wurde immer lauter und hinter der dicken Wolkendecke lugte
der blasse Sichelmond hervor. Riyonns Flamme warf ihr Licht auf den weißen
Leitwolf.
"Schieß doch!", flüsterte Riyonn.
Rot legte den Pfeil an und visierte den Wolf
an. Er spannte den Bogen weit und ließ die Sehne schließlich
los. Der Pfeil traf zielgenau zwischen die Augen des Wolfs, der ohne einen
Ton auf die Seite kippte.
"Du bist wirklich gut!", lobte Riyonn, doch
Rot zielte schon auf den nächsten Wolf. Kaum hatte er diesen ebenso
souverän zur Strecke gebracht, näherten sich den beiden gleich
mehrere Wölfe, die die Eindringlinge nun als Feinde erkannt hatten.
"Jetzt wird’s gefährlich.", meinte Rot.
Riyonn hielt seine Flamme schussbereit, während
Rot drei Pfeile gleichzeitig abfeuerte und drei Wölfe in den Tod schickte.
Doch da stürmte das Rudel schon auf sie zu.
"Nahkampf, Riyonn!", rief Rot und zog seinen
Zweihänder. Riyonn erledigte die ersten Wölfe noch mit seinem
Feuer, griff dann jedoch auch zum Kampfsäbel.
Endlich war das Rudel besiegt und Riyonn betrachtete
im Schein seiner Flamme die Kadaver.
Auf einmal vernahm Rot ein klägliches
Winseln. Ohne Riyonn etwas zu sagen folgte er dem Geräusch in eine
Höhle im Berg. Dort entdeckte er drei kleine Wolfswelpen. Ohne zu
überlegen nahm er die drei auf den Arm und kehrte zu Riyonn zurück.
"Wo warst du?", warf Riyonn ihm sogleich vor.
Aber Rot wies nur auf die Welpen und Riyonn
verstand.
"Du willst sie behalten? Spinnst du? Das sind
doch keine Schoßhündchen."
"Sie sind noch klein, jung und unbeholfen.
Alleine verrecken sie nur. Schau sie doch einmal an. Richtig süß!"
Riyonn seufzte.
"Das sprechen wir mit den anderen."
Mit ihren Dolchen entfernten die beiden das
Fell der toten Tiere und gingen damit zurück zum Lager.
"Und? Meisterschütze?", wollte Imogen
sofort wissen.
"Er hat keinen verfehlt.", antwortete Riyonn
und warf seinen Teil der Felle vor Imogen auf den Boden. Rot folgte wortlos.
"Was willst du mit den Welpen?", meinte Wai
als er die jungen Wölfe entdeckte.
"Behalten!"
Imogen kraulte einem der Welpen das warme
Bauchfell.
"Sind die niedlich. Wie willst du sie nennen?"
Rot überlegte.
"Der kleine graue mit dem weißen Fleck
über der Nase und den gelben Augen... hm... vielleicht Ryo - so hieß
Tante Kathleias Kater früher einmal. Und die kleine Wölfin mit
dem aschefarbenen Fell und den blauen Augen könnten wir Neotry nennen,
das war der Name einer meiner Kindermädchen. Aber Vitani wäre
auch schön, so hieß meine Mutter."
"Ich finde Vitani schöner.", meinte Imogen.
"Und der kleine schwarze mit den orangeroten Augen? Wie soll der heißen?"
"Shano, wie das Dunkel.", schlug Riyonn vor.
Rot grinste.
"Ich dachte, dich interessieren die Welpen
nicht?"
"Das habe ich nie behauptet.", verteidigte
sich Riyonn und streichelte Vitani.
"Dann heißen die Wölfchen ab jetzt
Ryo, Vitani und Shano.", fasste Rot noch einmal zusammen.
Wai kaute unbeteiligt auf einem Grashalm herum.
Imogen begann mit einer knöchernen Nadel aus den Wolfsfellen Mäntel
zu nähen. Rot unterstützte sie dabei, indem er mit seinem Dolch
die Ränder zuschnitt. Nach getaner Arbeit legte die Gruppe sich schlafen.
Alle außer Rot und Imogen schliefen bereits.
Rot beobachtete die zufrieden schlummernden und zusammengerollten Welpen.
"Imogen?", meinte er. "Wenn du Ryo, Vitani
und Shano so ansiehst, bekommst du da nicht Lust auf einen eigenen Welpen...
äh... natürlich Kind?"
"Ich bin erst sechzehn! Und ich würde
meinen Erwählten sowieso zuerst heiraten. Glaub nicht, dass ich dich
nicht durchschaue."
Rot grinste.
"Wie kommst du denn auf diesen Gedanken, Imi-schätzchen?"
"Weil du an nichts anderes denkst."
"O doch. Ich denke zum Beispiel auch ans Essen,
Schlafen, an meine Ember, an die Gruppe... es gibt viele andere Dinge im
Leben. Es war ja auch nicht ernst gemeint."
"Ach, wirklich? Bin ich mir aber nicht so
sicher."
"Wenn es so wäre, wäre ich längst
über dich hergefallen. Wie ist er eigentlich so, dieser Jersey, der
mir so ähneln soll?"
Imogen lachte.
"Nicht einmal halb so eingebildet wie du.
Sein zweiter Name ist Kaimasu - also Wolf. Er hat grüne Augen und
braune Haare, nicht ganz so lang wie deine."
Rot grinste und öffnete demonstrativ
seine taillenlange schwarzrotbraunen Haare.
"Spinner. Ach, und was vielleicht noch ganz
interessant zum Vergleich für dich zu wissen wäre: Jersey fragt
nicht - er tut es."
"Was es?"
"Na, du fragst mich nach einem Kuss, er würde
es einfach tun, wenn ihm danach wäre."
"Ah, du magst direkte Menschen."
"Das hab ich nicht gesagt."
Aber Rot überhörte das, legte Imogen
seinen Arm um die Schultern und strich mit seinem Zeigefinger über
ihren Nasenrücken.
"Soll ich jetzt fragen?"
"Du sollst deine Finger weg lassen!"
"An die Finger denke ich jetzt momentan auch
nicht."
"Rot!"
Rot drückte ihr einen leichten Kuss auf
die Wange und ließ sie los.
"Was soll das?", empörte sich Imogen
und setzte sich einen halben Meter von Rot fort. "Ich bin kein Spielzeug!"
"Ich weiß.", grinste Rot und legte sich
zu Wai und Riyonn. "Aber das habe ich auch nie angenommen. Es ist sehr
reizvoll, sich an dich ranzumachen, weil du kein leichter Happen bist.
Aber mach dir keine Sorgen. Du hast deinen Bruder und deinen Vormund zum
Beschützer, und ich mag dich. Das heißt, wenn ich dich soweit
habe, werde ich dich nicht einfach fallenlassen. Solange können wir
Freunde bleiben, oder?"
Imogen schluckte.
"Wieso maßt du dir an, dass du mich
überhaupt soweit bekommst? Hältst du dich für den großen
Verführer? Dafür bist du zu... na ja."
"Danach habe ich dich nicht gefragt. Ich wollte
nur wissen, ob du mir böse bist, oder ob du mich noch leiden kannst."
"..."
"Was?"
"Ich kann dich schon leiden - natürlich...
aber bilde dir darauf bloß nichts ein. Ich mag meinen Bruder und
Wai ebenso, wenn nicht noch mehr."
"Du magst mich?"
Imogen seufzte und kuschelte sich in ihren
Mantel aus Wolfsfell.
"Sei still, schlafen wir lieber."
Damit legte sie sich hin und schloss die Augen.
Rot sah sie erstaunt an. Sie war ihm also nicht böse, trotz seinen
ständigen Annäherungen? Vielleicht war sie auch nur überzeugt
davon, dass er es nicht ernst meinte. Dennoch konnte Rot sich ohne Probleme
vorstellen, mit ihr alt zu werden und er mochte sie. Und sie mochte ihn
ja auch. Oder hatte sie das nur behauptet, damit er ruhig war? Rot wusste
es nicht. Er musste sich mit der Ungewissheit abfinden. Außerdem
könnte er sie auch noch fragen. Jedenfalls war jetzt nicht die Zeit
dafür, entschloss er, und machte die Augen zu und grinste zufrieden.
* * *
Wais Atem stieg in einer kleinen Dunstwolke
zum Himmel auf. Als Frühaufsteher wollte er fürs Frühstück
sorgen. Die Sehne seines Weidenbogens schnellte nach vorn und der Pfeil
bohrte sich ins Fleisch des Hasen. Ohne lange Schmerzen starb das Tier
und Wai nahm es an den Ohren hoch. Ein wenig fröstelnd ging Wai zurück
zum Lagerplatz. Imogen lag noch friedlich schlafend auf dem harten Felsboden.
Riyonn und Rot waren mittlerweile aufgewacht.
"Morgen.", grüßte Wai knapp und
warf Rot den Hasen zu. "Leider ohne Honig.", fügte er ein wenig grinsend
hinzu.
Rot erwiderte das Grinsen.
"Es gibt ja auch keine Wachtel."
Riyonn machte sich ans Entzünden des
Feuers, was für ihn eines der einfachsten Dinge der Welt darstellte,
seit seiner Begegnung mit Zed. Das Wort Kevion genügte und schon war
das Feuer hell entfacht. Bald schlug auch Imogen die Augen auf. Ohne ein
Wort setzte sie sich auf und griff wie die anderen nach einem Stück
Hasenfleisch.
"Heute werden wir den Aufstieg beginnen. An
diesem Berg." Riyonn deutete auf den Berg vor ihnen. "Etwa auf halber Höhe
beginnt ein Gebirgspfad, der auf den Pass der Westmark führt. Sollten
wir das Stück an einem Tag schaffen, wird der Rest ein Kinderspiel."
"Woher weißt du so genau, wie das da
oben aussieht?", wunderte sich Rot.
"Unterricht. Schon als kleine Kinder bekommen
die Kinder Revol Tarons Unterricht, vor allem über die nähere
Umgebung. Aber das mit dem Westpass weiß ich von Wai. Und er weiß
es von seinem Vater, der anscheinend sehr viel gewandert ist. Es steht
auch auf deiner Landkarte, aber man muss sie lesen können."
"Bekommen in eurer Diebesstadt etwa alle Kinder,
Bauern und Adel eine Ausbildung?"
"Bei uns gab es weder die Bauern, noch den
Adel. Revol Taron ist außerdem eine Ruine. Vergessen wir das Thema
also.", unterbrach Wai die Unterhaltung.
Dann stand er auf und ging zu Ninelives, der
zusammen mit Ember, Thunderblade und Cloudy an einen krummen Baum gebunden
war.
"Ist er eigentlich immer so... kühl?",
fragte Rot mit musterndem Blick auf den sich von ihnen entfernenden Wai.
Riyonn zuckte mit den Schultern.
"Manchmal kann er auch ganz humorvoll sein.
Wer weiß, vielleicht sieht er in dir eine Art Konkurrenz für
seinen Stand in der Gruppe. Als unser Vormund, weißt du, hatte er
oder hätte er einiges mehr zu sagen. Aber zu dir, als Neffe des Truchsesses?"
Rot rieb sich das Kinn.
"Oder er ist auf etwas ganz versessen und
fürchtet sich, ich könnte es ihm wegnehmen." Er blickte zu Imogen.
"Na ja, wir sollten trotzdem weiter. Es ist Zeit.", meinte er schließlich
und ging zu Ember.
"Ich wundere mich jedes Mal neu, wenn er von
einem Augenblick auf den nächsten seine Einstellung von idiotisch
auf ernst umstellt.", flüsterte Imogen und lachte, bevor sie sich
auch auf zu Cloudy machte, während Riyonn das Feuer ausmachte und
nachkam.
Bald ritt die Gruppe den Aufstieg des Jildallangebirges
hinauf, die Welpen auf Imogen, Riyonn und Rot verteilt. Wai lehnte es ab,
einen jungen, an den Händen knabbernden Wolf auf Ninelives Rücken
zu lassen. Als es für die Pferde zu schwer wurde, mit dem Gewicht
auf dem Rücken weiterzugehen, stiegen Wai, Riyonn, Imogen und Rot
ab und gingen vor ihren Reittieren her. Ryo, Vitani und Shano liefen neben
her. Gegen Abend erreichten sie den Pass. Erleichtert stiegen sie wieder
auf die Pferde und ritten noch bis Einbruch der Nacht. Dann rasteten sie.
Am nächsten Morgen ritten sie in aller
Frühe weiter, bis sie abends schon auf die weite Flur Callistos herabsehen
konnten. Die weiten trockenen heißen Ebenen waren charakteristisch
für das südliche Reich, es war größer und wärmer
als Randuin, lag jedoch nicht am südlichsten Fleck Valyars. Zudem
durchzogen das Reich Canyons und tiefe Schluchten. Einige Vulkane herrschten
an der Südgrenze zu Ganymed, dem ehemaligen Reich Kardrayn, welches
einst von Evorett selbst regiert worden war.
Bald wurde es wärmer, nur die kalten
Windböen erinnerten an die Eiseskälte Jildallans, als die Gruppe
das Ende des Passes erreicht hatte und den Abstieg begann. Eine letzte
Nacht verbrachten sie auf der Seite ihres Heimatreiches, bevor sie am nächsten
Morgen in Callisto eindrangen.
"Ab jetzt wird’s schwierig.", meinte Riyonn,
während er mit den grauen Augen über die Weite Callistos schweifte.
"Wir werden ab nun nur noch selten auf Quellen stoßen."
"Es wäre schlau sich über Dörfer
fortzubewegen, Riyonn. Wo Menschen sind, ist auch Wasser.", empfahl Wai.
"Ich fürchte, dass es nicht gerade leicht
wird, den Auserwählten aus Callisto zu finden.", gab Riyonn zu. "Außerdem
rechne ich damit, bald dem nächsten Dagora zu begegnen."
Imogen seufzte.
"Die Wirklichkeit holt uns wieder ein."
Den ganzen Tag ritten sie über den staubtrockenen
harten Wüstenboden Callistos. Die unerträgliche Hitze trocknete
ihre Körper sehr schnell aus, sodass sie es begrüßten am
späten Nachmittag im ersten Dorf, das sie erreichten, gleich zu rasten.
Im Dorf, das die fremden schwarzhäutigen Bewohner Unuz Debal - letzter
Halt - nannten, besuchten Riyonn und Imogen die hiesige Dorfkneipe, um
sich nach dem Auserwählten umzuhören. Vielleicht gab es jemanden
in diesem Kaff, der um den Auserwählten Callistos wusste.
Währenddessen versorgten Wai und Rot
im Schatten der Ställe die vier Pferde und die drei Wolfswelpen.
"Hast du Angst?", fragte Rot Wai auf einmal.
"Angst? Wovor?"
"Davor, dass du... stirbst, beim Versuch,
die Welt zu retten."
"Nein. In dieser Welt gibt es nur einen Weg
zu überleben. Man muss härter sein, als sie selbst."
"Macht das dich so verschlossen? Dein Überlebenswille?
Oder hast du Angst davor, deine Gefühle zu zeigen, weil es vielleicht
als schwach empfunden werden könnte."
Wai blickte auf den Boden und antwortete nicht.
* * *
"Einen Auserwählten? So ein Schwachsinn!"
Der vollbärtige Mann schüttelte
den Krauskopf.
"Hier gibt es nichts als Hitze, Staub und
Viecher! Alles andere ist Zufall."
"Aber einen... sagen wir Sonderling muss es
doch irgendwo geben.", versuchte Riyonn es weiter.
Der Mann legte den Kopf schief.
"Sicher! So was ham wir hier genug. Spinner,
Verrückte und Witwen, haha! Aber was ganz ausgefallenes ist der wilde
Dentarc."
"Erzählt von diesem Dentarc."
"Metlor heißt er, guter Mann, guter
Kämpfer. Er ist ungefähr Mitte zwanzig, ich glaube fast sogar
genau, wenn ich mich nicht irre. Jaja, Metlor Dentarc. Ein komischer Kauz.
Keine Weiber, keine Sauftouren. Lebt draußen in einem gottverlassenen
Canyon. Hat da ne kleine Bruchbude und lebt vom Schlachten für Geld.
Ich meine, wenn irgendwer ein Problem mit wem hat, geht er zum alten Metlor,
drückt ihm ein Pfund in die Flossen und der kappt demjenigen dann
die Halsschlagader. War früher glaub mal in einer Arena tätig,
bevor er Berufskiller wurde. Metlor hat da kein Problem mit, jemandem das
Leben zu nehmen. Der ist abgebrüht wie nichts. Von seinen richtigen
Eltern weiß man auch keine einzige Silbe. Ich hab immer gewusst,
dass so was nicht lange gut geht. Na ja. Metlor hat sich dann vor einigen
Jahren total von der Außenwelt abgeschnitten und hat eigenhändig
den Canyon mit einem riesigen Steinlabyrinth verbarrikadiert. Nur wer da
durchkommt, kann ihn sehen. Und ich schwöre, das ist ein Weg ohne
Wiederkehr. Ganz einfach verrückt ist er geworden, der Dentarc. Hat
auch nur noch mit seiner riesigen Axt trainiert, bevor er sich abgeschnitten
hat. Ich sag Euch, der hatte Muskeln aus Stahl, war größer als
ein Orc und konnte mit bloßer Hand einen Stein zu Staub zerquetschen.
Was allerdings heute mit ihm ist, weiß ich nicht. Hab schon ewig
nichts mehr von ihm gehört, seit er sich da im Canyon so abgeschieden
zurückgezogen hat. Er erzählte früher immer was von, er
sei zu besserem berufen und so einen Krampf. Vor einigen Wochen,
oder weniger, berichtete Courchak, der einzige, der noch zu ihm durchkommt,
davon, dass Metlor Dentarc von einer Art Engel geträumt hätte,
der ihm den Auftrag gab irgendwelche Toten zu besiegen."
"Untote?"
"Oder so. Größenwahnsinnig, sag
ich da nur. Abgeschiedenheit macht verrückt und größenwahnsinnig.
Das ist alles, was ich von ihm weiß. Außer wie er zu
seinem Namen kam: Courchak, der ihn vor 25 Jahren mitten in der Pampa als
kleinen, nulljährigen Hosenscheißer aufgelesen hatte, gab ihm
den Namen Metlor nach Courchaks früh verstorbenem Sohn. Er und seine
Frau Syenna haben den Kleinen damals adoptiert und bis zu seinem sechsten
Lebensjahr großgezogen. Der alte Courchak ist übrigens heute
Witwer und lebt nicht weit von hier in einem Dorf namens Ghonuc, der Name
ist orcisch, weil... nun... weil der Courchak nun mal ein Orc ist. Aber
er hat eines unserer Menschenweiber geehelicht. Ihr müsst wissen,
ich bin einer der wenigen, der zu den Orcs hier ihm Land freundschaftlichen
Kontakt hat. Orcs sind uns Menschen sehr ähnlich, haben sogar eigene
Kultur. Aber außer mir kapiert das kaum wer. Egal, zumindest ist
Metlor mit sechs Jahren von Ghonuc ausgerissen und in die Hauptstadt Lundar
gezogen. Ein weiter Weg, hehe, aber der Bursche war schon damals sehr zäh.
Hat die Wüste ganz allein durchquert. Dort ist er dann Arenakämpfer
geworden, hat damit seine Golodrin und Diodrin verdient. Weil er stark
wie kein anderer war verpassten seine Kollegen ihm ehrfurchtsvoll den Beinamen
Dentarc, was ja bekanntlich in Kalar Halborc bedeutet. Das ist alles."
Der Mann trank einen großen Schluck
von seinem Met, um seine vom Reden ausgetrocknete Kehle wieder zu benässen.
"Hm... danke. Dieser Canyon, wo Metlor Dentarc
wohnt, wo liegt der?", wollte Riyonn wissen.
"Im Südwesten, ganz in der Nähe
von Courchaks Dorf. Wenn Ihr dafür zahlt könnte ich Euch mit
Courchak zusammen hinbringen. Aber ich warne Euch: außer Courchak
findet keiner durch das Labyrinth, nicht einmal ich. Und Courchak führt
keinen durch. Der einzige halbwegs vernünftige Weg zu Dentarc ist
der Luftweg, aber wo wollt Ihr eine Wolke auftreiben, die Euch über
das Labyrinth fliegt?"
"Vielleicht ein Drache oder ein Greif?"
"Junge! So was wie Greifen oder Drachen gibt
es nicht und das kannst du mir glauben, ich muss es wissen. Ich war schon
in ganz Callisto unterwegs und habe noch keine gesehen. Das sind Ammenmärchen,
die die Mütter ihren kleinen Kindern erzählen. Eher werde ich
von einer Ameise aufgefressen, als dass Ihr einem Drachen oder Greifen
begegnet. So wahr ich Hildur heiße."
Riyonn seufzte.
"Wir werden es trotzdem versuchen zu Dentarc
zu kommen."
"Ich sag, für 30 Golodrin bring ich Euch
bis zum Canyon und wir treffen uns im Morgengrauen vor der Kneipe, einverstanden?"
"Einverstanden."
"Eine Frage noch, bevor ich’s vergesse: Ihr
habt doch Reittiere oder?"
"Natürlich."
"Dann ist ja alles geschmiert haha."
Hildur wandte sich wieder seinem Met zu. Riyonn
nickte Imogen grinsend zu und beide verließen das Gebäude. Draußen
fanden sie Wai und Rot auf dem Brunnenrand sitzend und sich unterhaltend
vor.
"Über was redet ihr?", fragte Riyonn
interessiert.
"Honig! Ich mag ihn am liebsten von den Bienen
und Wai bevorzugt den Selbsthergestellten!", meinte Rot mit ernster Miene,
Wai aber schlug sich an den Kopf.
"Sehr witzig!", sagte Riyonn.
"Was gibt’s?", erinnerte Wai an den Sinn des
Kneipenbesuchs.
"Wir haben ihn gefunden!", stieß Imogen
freudig aus. "Er heißt Metlor Dentarc. Ein Mann von hier, Hildur,
führt uns im Morgengrauen dorthin."
"Gut gelaufen." Wai klopfte Riyonn auf die
Schultern.
"Was war das eigentlich mit dem Honig?", konnte
Riyonn sich nicht verkneifen Wai zu fragen.
"Ach, Rot brauchte nur eine Ausrede, um davon
abzulenken, über was wir wirklich geredet haben."
"Und über was habt ihr wirklich geredet?"
"Unsere Eltern."
Imogen drehte sich überrascht zu Rot
um.
"Erzähl!"
"Das geht dich nicht wirklich etwas an."
"Aber Wai hast du es trotzdem erzählt."
"Hm... ich könnte mich ja überreden
lassen, aber dazu müsstest du..."
"Müsste ich was?"
Plötzlich stellte sich Riyonn zwischen
die beiden.
"Das möchtest du am Besten gar nicht
wissen. Das 'Übliche' meint er, logisch."
Mit einem warnenden Blick sah Riyonn auf den
breit grinsenden Rot.
"Pri-hinz! Ich darf das!", versuchte dieser
sich herauszureden.
"Kleinkind! Darf das nicht!", entgegnete Riyonn.
"Ihr seid alle drei Kinder.", unterbrach Wai
das Streitgespräch.
"Wegen dem einen Jahr, das du mehr auf dem
Buckel hast, als ich, bist du nicht automatisch erwachsener.", warf Rot
ein. "Ich mag mit Imi-schätzchen doch bloß ein wenig spielen!
Spielverderber! Allesamt Spielverderber!", lachte er.
Imogen sah ihn vorwurfsvoll an. Doch wieder
war es Wai, der vom Wortgefecht ablenkte.
"Haben wir vor im Stall zu schlafen?"
Riyonn zuckte mit den Schultern.
"Wäre immerhin bequemer als die Steine
der letzten Nächte."
"Also ja."
"Ach, übrigens, die Führung zu Dentarc
kostet uns 30 Golodrin. Ich hoffe du kannst so viel entbehren."
Wai nickte.
"Zuzüglich von Rots Reichtum dürfte
das unsere Finanzen nicht gerade belasten."
"Dann bin ich dafür, dass wir uns jetzt
aufs Ohr hauen."
Wai, Rot und Imogen waren einverstanden. Mit
einem Linseneintopf der Kneipe Unuz Debals gestärkt gingen die Freunde
in die Ställe, wo Ember, Ninelives, Cloudy und Thunderblade untergestellt
waren und Ryo, Vitani und Shano ungestüm im Stroh balgten.
"Er hat sie gedeckt.", meinte Rot und streichelte
seiner Fuchsstute zärtlich den Kopf.
"Wer hat wen gedeckt?", wunderte sich Riyonn.
"Wais Pony meine Ember.", klärte Rot
Imogen und Riyonn auf, die ihn und Wai völlig verblüfft anstarrten.
"Während wir sie im Stall versorgt haben",
fügte Wai hinzu.
"Ist das niedlich.", fand Imogen. Riyonn aber
blickte kopfschüttelnd auf Wais schwarzen Revolaner.
"Was gibt das dann? Dunkelrot?"
Rot grinste.
"Bei uns wären es vielleicht schwarzrotbraune
Haare und dunkelrotbraungrüne Augen.", meinte er zu Imogen.
"Blödmann. Spekulier hier nicht herum,
wie unsere Kinder aussehen würden!"
Müde legten sie sich schließlich
alle ins trockene Stroh und schliefen auch bald schon ein. Bis auf Wai.
Er saß an seinen Ninelives gelehnt im Stroh und dachte nach.
* * *
Plötzlich fuhr er auf. Hatte er nicht
von draußen Hufgetrappel gehört? Unwillkürlich stand er
auf und lugte durch einen Spalt der Holzwand nach draußen in die
mondbeschienene laue Nacht. Neben der Kneipe stand ein weißes Pferd,
ein Revolaner. Wai erschrak. Was machte ein weißes Zuchtpferd Revol
Tarons in dieser Gegend? Da erkannte er das Pferd. Es war Circle, der Schimmelwallach
Tarons. Er war hier. Taron war in Unuz Debal. Wai stieg der Schweiß
auf die Stirn. Was konnte Taron hier wollen? Hatte er also wirklich überlebt?
War es tatsächlich der Mutant gewesen, der sie auch schon vor Kouwah
verfolgt hatte? Wai konnte es nicht fassen. Es war zu unglaublich. Sollte
er die anderen wecken?
Nein, entschloss sich Wai.
Er wollte selbst herausfinden, was Taron hier
suchte. Leise schob Wai die Stalltür auf und schlich schattengleich,
wie er es als Dieb gelernt hatte, vor zur Kneipe. Als der Wallach ihn sah,
schnaubte er kaum hörbar auf. Kein Zweifel, es war Circle, war sich
Wai nun ganz sicher. Nun war höchste Vorsicht geboten. Taron sollte
ihn nicht entdecken. Vorsichtig spähte er durch ein angelehntes Fenster,
das direkt neben dem Wirt der Kneipe lag. Sofort entdeckten Wais geübte
Augen den spinnenbeinigen Elfen. Alle Leute in der Kneipe starrten auf
die seltsame Gestalt. Von draußen hörte Wai das Gespräch
von Taron und dem Wirt mit.
"Einen schwarzhaarigen Mann mit hoch stehendem
Zopf und klugen Mandelaugen, ein rotbraunhaariges Mädchen mit ebensolchen
Augen und einen jungen Mann mit schwarzen wild gewachsenen Haaren und steingrauen
Augen? Das könnten die von der Gruppe sein, die heute Nachmittag hier
angekommen sind. Aber da ist noch einer dabei - hat sehr lange schwarze
Haare mit einem Rotschimmer und braungrüne Augen im Dauergrinsen."
"Kann sein. Sie sind hier? Wo?", hörte
Wai die kalte Stimme Tarons.
"Sie wollten im Stall übernachten. Kann
ich Euch etwas anbieten, Herr?"
"Einen Becher Grog, wenn Ihr habt. Um meine
Freunde kümmere ich mich gleich."
Wai hatte genug gehört. Egal was Taron
von ihnen wollte, nach dem Fall von Revol Taron wollten sie ihm nicht begegnen.
Sie mussten sich sofort irgendwo verstecken. Lautlos lief Wai zurück
zum Stall. Dort rüttelte er Riyonn, Rot und Imogen unsanft wach.
"Aufstehen! Wir müssen hier raus und
uns verstecken!", trieb Wai die anderen zur Eile.
"Was? Wieso? Was ist denn eigentlich los?",
empörte sich Rot über den geraubten Schlaf.
"Keine Zeit für lange Erklärungen!
Taron ist hier und sucht uns. Raus hier!", erklärte Wai knapp.
Rot rieb sich den Schlaf aus den Augen.
"Euer Anführer aus Revol... äh Dingsda?"
Doch statt zu antworten zog Wai ihn hoch und
packte Ninelives Zügel.
"Nehmt eure Pferde und die Welpen und kommt
auf der Stelle mit!"
Imogen, Riyonn und Rot taten wie ihnen geheißen.
Schließlich führten sie im Freien die Pferde hinter die Kneipe.
"Wartet hier und sorgt dafür, dass die
Pferde und die Welpen still sind! Ich reiße Hildur aus den Federn
und wir brechen sofort auf! Seid aber um Himmels Willen leise!"
Damit schlich Wai sich wieder zurück
vor die Kneipe.
"Hast du gehört, Vitani? Schön leise
sein.", befahl Imogen einem der Welpen flüsternd.
Derweil war Wai bereits bei Circle angekommen.
Gerade noch rechtzeitig konnte er sich hinter einem Holzbalken verstecken,
als Taron aus der Kneipe kam. Hinter dem Mutanten schlich er sich in das
Gebäude. Als der Wirt Wai entdeckte, wollte er gerade den Mund öffnen,
um ihm zu erzählen, dass er gesucht wurde, da deutete Wai ihm schon
an still zu sein.
"Welches Zimmer hat Hildur?", fragte Wai den
Wirt im Flüsterton.
"Werdet ihr verfolgt? Zimmer eins, hier der
Schlüssel. Aber zurückbringen!"
Wai nickte und lief die Treppe hinauf. Auf
einmal hörte er Cloudy wiehern. Wai ballte die Fäuste und wünschte
sich fest, dass Taron das nicht gehört hatte. Hastig schloss er die
Tür zu Hildurs Zimmer auf. Der schwarzhäutige Mann schlief friedlich
schnarchend in seinem Bett. Schnell weckte Wai ihn.
"Wer...?"
"Ich bin der Gefährte des jungen Mannes
mit dem Ihr im Morgengrauen zu Dentarc aufbrechen wollt. 60 Golodrin, wenn
wir jetzt starten!", erklärte Wai.
"Das nenne ich Geschäftssinn.", meinte
Hildur und nahm das Geld freudig entgegen. Rasch zog er sich an und nahm
sein Hab und Gut zusammen. Dann hasteten er und Wai die Treppe hinunter.
Beide warfen dem Wirt im Vorbeirennen die Schlüssel zu. Draußen
hielt Wai Hildur an.
"Seid bitte leise. Ja? Wir treffen uns mit
Eurem Reittier hinter der Kneipe."
"Verstanden.", meinte Hildur bereitwillig.
Während Wai sich hinters Haus stahl,
ging Hildur Richtung Ställe, um sein Maultier Jessy zu holen. Auf
einmal stellte sich ihm ein Mann in den Weg, mit riesigen Spinnenbeinen.
"Zeigt Euer Gesicht!", befahl der Mann forsch.
Hildur hielt sein Gesicht ins fahle Licht des Mondenscheins.
"Entschuldigt!"
Der Spinnenbeinige ging an Hildur vorbei zurück
zur Kneipe. Hildur hatte das Gefühl, dass es nun sehr eilte. Bestimmt
war dieser Mann der Grund dafür, dass sie schon heute Nacht aufbrechen
sollten. So schnell es ging zerrte Hildur Jessy hinter die Kneipe, wo Riyonn,
Wai, Imogen und Rot schon auf den Führer warteten.
"Also los!", sagte Riyonn und schwang sich
allen voran auf Thunderblade. Als alle aufbruchbereit waren, ritten sie
los, südwestlich. Hinter ihnen erkannte Riyonn eine weiße Gestalt,
neben der Taron her lief.
"Er verfolgt uns.", rief er Wai zu.
"Ist sein Schimmel denn sehr schnell?", wollte
Hildur auf Jessy wissen.
"Er kann zum Glück nicht reiten. Mit
seinen Spinnenbeinen kann er sich auf keinem Pferd halten.", beruhigte
ihn Wai.
Hildur atmete erleichtert aus. Im Galopp bewegten
sie sich durch die Nacht.
"Ihr habt Schwein, dass auf diesem trockenen
harten Boden keine Spuren zurückbleiben. So kann euer Verfolger euch
nicht so einfach wieder aufspüren.", bemerkte Hildur grinsend.
© Itariss
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