Sterben ist nicht genug (2) von Peter Lässig

Don Draghone kam sich verloren vor in dieser fremden Stadt. Zwar wollte ihn sein engster Mitarbeiter Ryandhol, ein schwarzer Pferdedämon, begleiten, doch der Silberdrache brauchte einen fähigen Stellvertreter. Schließlich musste das Unternehmen auch in seiner Abwesenheit ordentlich geführt werden. Abgesehen davon würde es schwierig genug sein, auf sein eigenes Leben aufzupassen, da waren Begleiter eher hinderlich als nützlich. Aus diesem Grund hatte er auch keine Einwände gehabt, als Kiseki kategorisch abgelehnt hatte, ihn zu begleiten.
Das war nur allzu verständlich, denn abgesehen davon, dass er gerade hier in Hong Kong in allergrößter Lebensgefahr schweben würde, hatte das Kirin noch einen anderen triftigen Grund: Kiseki befürchtete, im entscheidenden Augenblick nicht stark genug zu sein, wenn es darum ging, Nero zu eliminieren. Doch genau diese Skrupel würden die gesamte Mission zum Scheitern verurteilen.
Der Silberdrache stand schon eine gute Stunde vor dem Spiegel in dem kleinen, schäbigen Hotelzimmer und kämpfte mit seiner Krawatte. Allmählich wuchs sein Groll auf Nero ins Unermessliche. Nicht genug, dass dieser verbrecherische Spaghettidrache ihm immer wieder bei seinen Geschäften in die Quere kam oder wegen ihm nun in seinem Körper sich das Drachenbanngift befand, nein, dieser Drache hatte die Stirn, für sein Casino einen strengen Dresscode zu haben: Einlass nur in Abendgarderobe. Da Don Draghone noch nie einen Sinn für solche Äußerlichkeiten hatte, musste er sich nun extra einen Smoking und eine Krawatte besorgen. Für einen Drachen seiner Statur kein leichtes und vor allem auch kein kostengünstiges Unterfangen. In diesem Outfit fühlte er sich absolut lächerlich, wie ein Pinguin sah er aus und der Schlips trieb ihn in den Wahnsinn. Er machte sich eine Gedankennotiz, nach erfolgreicher Rückkehr Professor Ragnarok um eine entsprechende Erfindung zu ersuchen, die ihm das Krawattenbinden erleichtern sollte.

"Der Rest ist für Sie", knurrte Don Draghone und gab dem hünenhaften Chauffeur das vereinbarte Entgelt. In dieser Stadt war es alles andere als einfach, ein Taxi aufzutreiben. Anscheinend war der Beruf des Taxifahrers hier ausschließlich den Menschen vorbehalten und diese waren alles andere als erpicht darauf, einen Drachen zu befördern. Dazu kam, dass nur wenige Fahrzeuge geeignet waren, einen Drachen als Fahrgast aufzunehmen. Nach einer knappen Stunde vor dem Hotel im strömenden Regen hatte er jedoch Glück und ein Van hielt an, dessen Fahrer sich nicht vor Don Draghone zu fürchten schien. Im Gegenteil, der Taxifahrer war ein wahrer Riese und der Silberdrache hatte das Gefühl, dass dieser zudringlich werden wollte. Zumindest wollte er dem Drachen immer wieder in die Kehle beißen und das mitten unter der Fahrt. Warum, konnte Don Draghone nicht sagen, er kannte diesen Mann ja nicht einmal und er glaubte nicht, dass er im Dienste Neros stand. Schließlich würde kein Drache einen solchen Menschen in seine Dienste nehmen, obwohl so ein Metallgebiss natürlich schon seine Reize hatte, wenn es darum ging, jemanden zu liquidieren. 
Der Silberdrache zuckte die Schultern, wahrscheinlich war das hier einfach nur so ein dummer Brauch, dass man Touristen in den Hals beißt, wenn sie Taxi fahren. Er nahm sich vor, auf dem Rückweg auf der Rückbank Platz zu nehmen.
Es regnete immer noch und die Luft war drückend warm. Er blickte sich um. Schon am Vortag hatte er das vage Gefühl gehabt, dass ihn jemand verfolgen oder beobachten würde. Allerdings sahen in diesem Teil der Welt alle Geschöpfe irgendwie gleich aus mit ihren geschlitzten Augen. Daher konnte es recht gut sein, dass er sich das nur einbildete.
In einer großen Wasserlache spiegelte sich der grell blinkende Schriftzug der marmornen Gebäudefront vor ihm: Imperial Casino. Der Schriftzug war in eine stilisierte Perle geschrieben, die ein schlangenartiger Drache zwischen seinen Vordertatzen hielt.
Don Draghone blickte auf seine Uhr. Eigentlich müsste um diese Zeit sein Zielobjekt bereits anwesend sein, um seine Gäste persönlich auszunehmen - natürlich nur die sogenannten Highgambler, versteht sich, also Spieler, die um sehr hohe Einsätze zockten.
Er sah sich noch einmal um und betrat dann voller Erwartung das Casino.
Sofort fühlte er sich heimisch: Der Ruch von Illegalität und Sittenverfall gab ihm seine Selbstsicherheit zurück, die ihm in dieser Stadt abhanden gekommen zu sein schien.

Die vermummte Gestalt auf der anderen Straßenseite nickte zufrieden und winkte dem Taxifahrer, der eben Don Draghone befördert und gerade gewendet hatte. Er nannte dem Hünen das Ziel und tippte, kaum dass das Taxi losgefahren war, eine Nummer in sein Handy.
"Er ist unterwegs und ich mache mich nun auch auf den Weg", sagte er kurz angebunden in den Hörer und trennte ohne auf eine Antwort zu warten die Verbindung.

Die Gerüche von Tabak und Drogen vermischten sich mit den Düften exotischer Speisen und den Ausdünstungen der Leiber der zahlreichen Anwesenden. Alle Spezies waren vertreten, anthropomorphe Equide und Canide, Drachen und Füchse, sogar einige Menschen waren da. Kurz, das Publikum war bunt gemischt, nur eines hatten sie gemeinsam: Sie schienen alle aus den höheren sozialen Schichten zu stammen. Die Croupiers und auch die übrigen Casinoangestellten waren jedoch ausnahmslos alles Drachen und Tiger. Offensichtlich umgab sich Nero nur mit erstklassigem Personal.
"Häppchen gefällig?" schnurrte ein katzenhafter Kellner und hielt ein Silbertablett Don Draghone unter die Nüstern.
"Was ist denn das ekliges?" erkundigte sich der Drache, als er einen Blick auf die wabbligen, zuckenden Dinger auf dem Tablett warf.
Vermutlich hatte er einen schrecklichen Fauxpas begangen, denn der Angestellte zischte wütend: "Das sind ganz frisch gefangene, rohe Oktopusse." Dann machte er auf seinen Absätzen kehrt und verschwand zwischen den Gästen, wobei es Don Draghone so war, als ob noch Worte wie "barbarisches Ausländergesindel" oder so ähnlich fielen. Der Silberdrache beschloss, sich davon nicht seine Laune verderben zu lassen und blickte sich munter in dem Casino um.
Auf einer Bühne tanzten unbekleidete, aber dafür vollständig mit Gold überzogene Gogogirls, auf einer anderen Bühne versuchten sich mehr oder hauptsächlich weniger talentierte Gäste beim Karaokesingen.
Zornig zischte Don Draghone auf, als ihn drei Blinde ohne sich zu entschuldigen anrempelten und mit ihren Blindenstöcken auf seine Schweifspitze schlugen. Zielstrebig durchquerten diese Blinden den Raum und schienen dann gar nicht mehr so sehbehindert zu sein, als sie von einem eigenartig aussehenden Menschen einen schwarzen kleinen Kasten mit Haltegriff entgegennahmen. Der Silberdrache lächelte. Er selbst hatte so etwas bei sich in seinem Büro stehen, aus Sentimentalitätsgründen; ein altes Familienerbstück, eine sogenannte Dechiffriermaschine, von der aber niemand so genau wusste, wozu man sie überhaupt brauchte.
Diese Angelegenheit interessierte ihn nicht weiter und er sah sich weiter um. An einer Bar hatte er sich ein gut gekühltes, nicht geschütteltes Weißbier-Cola servieren lassen, nur die Cocktailkirschen, die man ihm gegeben hatte, schmeckten widerlich.
Neben den üblichen Glücksspielen wie Black Jack, Roulette oder Poker gab es noch zahlreiche andere Spiele, die seine Aufmerksamkeit erregten.
An einem Spieltisch spielte ein Einhorn gegen einen Pegasus, es ging um einige hunderttausend Dollar. Das Spiel selbst war eine 3D-Projektion auf dem Tisch und man musste mit Laserstrahlen Spaceshuttles des jeweiligen Gegners abschießen. Der Pegasus stieß einen schmerzerfüllten Laut aus, als sein Shuttle getroffen wurde. Kein Wunder, denn damit wechselte gerade das Geld seinen Besitzer. Der damit verbundene Stromschlag war hingegen gerade noch so zu verschmerzen.
Don Draghone fiel auf, dass man bei nahezu allen Spielen irgendetwas mit Laserstrahlen treffen musste, waren es nun virtuelle Ölplattformen, Unterseeboote oder irgendwelche Kontinente. Obwohl der Silberdrache gerne selbst einmal seine Geschicklichkeit getestet hätte, besann er sich seines eigentlichen Anliegens und suchte den Raum auf, in dem die besonders potenten Spieler ausgenommen wurden. Denn schließlich galt in diesem Casino die gleiche Regel wie in seinen eigenen: Es ist stets die Bank, die gewinnt.

Bei dem dritten Geldschein, den er dem rotgeschuppten Drachen unter einem warnenden Knurren in die Tatze drückte, verbeugte sich dieser und sagte höflich: "Vielen Dank, Sir. Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Abend, Sir."
Auf einem Messingschild stand dezent vermerkt, dass in diesem Saal der Mindesteinsatz bei jedem Spiel bei zehntausend Dollar liegen würde.
In einer Ecke des Raums hatten sich viele Gäste um einen der Spieltische versammelt. Don Draghone bahnte sich seinen Weg durch die Menge und wählte seinen Platz so, dass er das Spielgeschehen genau beobachten konnte, ohne dabei selbst gesehen zu werden.
Auf dem Spieltisch lag ein groß dimensioniertes Backgammonspielbrett. Es war aus Mahagoni und hatte edle Einlegearbeiten aus Perlmutt. Die Spielsteine schienen aus Elfenbein zu sein.
Der Silberdrache war enttäuscht - er hatte gehofft, Nero höchstpersönlich am Tisch sitzen zu sehen, doch hier spielte nur ein weißfelliger, sehr großer Wolf gegen einen goldgeschuppten Drachen, der von Statur und Größe her Don Draghone recht ähnlich war. Offensichtlich war der Drache gerade am Gewinnen, denn mit einem souveränen Lächeln deutete er auf den Sechser-Pasch, den er gerade gewürfelt hatte. Der Wolf stieß ein unterdrücktes Winseln aus. "Wie machen Sie das nur immer?" fragte er, als er mit frustriertem Blick den letzten beiden schwarzen Spielsteinen nachsah, die der Goldene vom Spielfeld nahm.
"Der arme Kerl", flüsterte ein schwarzes Einhorn Don Draghone zu. "Das geht schon seit Stunden so, Sir Rone zieht ihm schon seit Stunden das Fell über die Ohren. Fast Dreißigtausend hat der Wolf nun schon an den Drachen verloren."
"Tatsächlich? Kennen Sie die beiden Spieler?" fragte Don Draghone.
"Wer der Wolf ist, weiß ich nicht, aber Sir Rone ist der Inhaber des Cas..."
"Wie bitte?!"
Offensichtlich verlieh der Silberdrache etwas zu lautstark seiner Verwunderung Ausdruck, denn augenblicklich wandten sich die anderen Gäste ihm zu, schüttelten die Köpfe oder legten einen Finger an den Mund. "Pssst." "Unerhört."
"Verzeihung", murmelte Don Draghone und versuchte, möglichst beschämt dreinzublicken. Seine Gedanken überschlugen sich. Weshalb hatte Kiseki ihm gesagt, dass dieser Laden Nero gehören würde?
"Sind Sie sicher?" vergewisserte er sich.
"Womit?" gab das Einhorn zurück.
"Na, dass dieser goldene Drache hier der Boss ist."
Das Einhorn bedachte den Silberdrachen mit einem abfälligen Blick. "Wenn ich es Ihnen sage, aber Sie können gerne einfach hier einen der Angestellten fragen, wenn Sie mir, einem Einhorn, schon nicht glauben. Sir Rone ist der Inhaber dieses Casinos. Überhaupt gehören ihm zahlreiche Spielcasinos im ganzen Land, er ist einer der angesehensten Bürger dieser Stadt, nicht zuletzt, da er sozial sehr engagiert ist. Haben Sie beim Eingang nicht das Schild gesehen? Alle Erlöse, die heute Abend hier an den Slotmaschinen erzielt werden, gehen zugunsten eines Waisenhauses."
"So, wirklich?" schnaubte Don Draghone. "Nun gut, dann werde ich beim Hinausgehen noch ein wenig Kleingeld zu Gunsten der Kinder verspielen. Man kann ja für die lieben Kleinen nicht genug tun."
Damit wandte sich der Silberdrache ab und ging zur Bar hinüber. Er musste erst einmal diese neu gewonnene Information verdauen. Bei einem weiteren Weißbier-Cola würde ihm vielleicht eine Idee kommen.

"Na, so ganz alleine hier?" Ein kehliges Schnurren riss Don Draghone aus seinen Gedanken. Er blickte direkt in ein Paar smaragdgrüne Augen. "Na, hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Ich bin Sweet Kitty."
"Natürlich bist Du das", erwiderte der Drache und ihm war klar, dass er sich gerade nicht von seiner charmantesten Seite zeigte. Er musterte sein Gegenüber und dem einen oder anderen hätte sich der Eindruck aufgedrängt, er würde eine Zuchtstute auf einem Viehmarkt begutachten.
Sweet Kitty war überaus attraktiv, ihr goldenes Leopardenfell glänzte seidig und ihr Körper war schlank aber dennoch durchtrainiert. Eine dämonische und tödliche Schönheit. Ihren Silberfuchs hatte sie lässig um die Schultern gelegt und sie trug trotz der stickigen Luft in dem Casino einen wertvollen Pelzmantel aus Hermelin. Don Draghone durchschaute sie sofort: Sie mochte Männer, aber mehr noch deren Kreditkarten. So verwunderte es ihn nicht weiter, als sie fortfuhr: "Ich bin ein Glückskätzchen, beim Spiel und bei der Liebe. Sie können mich gerne prüfen, Mister, Mister..."
"Draghone. Don Draghone", lächelte der Silberdrache. Normalerweise hätte er sich auf ihr Spiel eingelassen, doch heute war er nicht auf Raub aus. Er hatte hier eine Mission zu erfüllen und diese Leopardin konnte er dazu gar nicht gebrauchen. Andererseits, eine kurze Auszeit, ein harmloser Flirt, das konnte nicht schaden. "Darf ich Ihnen einen Drink bestellen?" fragte er höflich.
"Sie scheinen fasziniert vom Backgammon zu sein", hauchte sie ihm nach einigen Minuten des fast schon peinlichen Schweigens ins Ohr. Don Draghone war noch nie ein großer Charmeur gewesen.
"Wie? Ja, oh ja. Backgammon ist meine Leidenschaft. Sagen sie, kennen Sie die Spieler?"
Mittlerweile hatten der Wolf und der Golddrache eine neue Partie begonnen und tatsächlich sah es nun so aus, als ob sich diesmal das Blatt zugunsten für den Caniden gewendet hatte. Zumindest konnte er gerade einen entscheidenden Spielstein seines Gegners nehmen.
"Wenn Sie den Wolf meinen, den mein Vormund gerade ausnimmt, nein!"
Klirrend fiel das Glas zu Boden und sofort war eine Casinoangestellte da, die Scherben aufzuräumen und das Weißbier-Cola aufzuwischen. "Was sagen Sie da? Dieser Golddrache ist Ihr Vormund?"
"Onkel Ronny? Ich meine, Sir Rone? Ja, er hat mich vor ein paar Jahren adoptiert, als meine Eltern bei einem Großbrand ums Leben gekommen sind."
"Was ist passiert?" Don Draghones Interesse war geweckt. "Das heißt, falls Sie darüber sprechen wollen."
Die Leopardin lächelte und zeigte auf ihr leeres Glas. Der Silberdrache errötete leicht und bestellte ihr umgehend einen neuen Drink.
"Ich war damals noch ein ganz kleines Kitty. Ich war damals so enttäuscht, weil meine Brüder und ich das Haus nicht verlassen durften. Die halbe Stadt war damals Sperrgebiet. Ich glaube, es ging um irgendeinen Superverbrecher, der zum Tode verurteilt werden sollte. Danach erinnere ich mich nur noch an einen grellen Blitz und eine große Feuerwand. Was dann passiert ist, weiß ich nicht, ein totales Blackout. Ich erinnere mich erst wieder an den Zeitpunkt, wie mich starke Arme aus den Trümmern zogen und mich der große goldene Drache aufhob und mit zu sich nach Hause nahm. Seitdem ist er mein Vormund und..."
"Und was?" platzte Don Draghone heraus. Doch er verstummte sofort, als er ihren leicht rötlichen Teint bemerkte. "Verzeihen Sie", murmelte er verlegen.

Welch merkwürdige Zufälle. Sie hatte ihm ihr Alter nicht verraten, doch seiner Schätzung nach konnte es zeitmäßig hinkommen. Angenommen, Nero hatte damals die unglaubliche Frechheit besessen, in dem Inferno auszuharren - mit Hilfe von mächtiger Magie, es musste nicht einmal schwarze sein, wäre dies sicherlich zu bewerkstelligen gewesen - und wäre dann seelenruhig durch die zerstörte Stadt marschiert. Kiseki hatte er für tot gehalten, darum hatte er sich nach Ersatz umgesehen. In einer Ruine entdeckte er Kitty...
Es würde passen, aber es war zu einfach. Vor allem: Nero war ein silber-schwarzer Spaghettidrache, während Sir Rone ein westlicher Golddrache war. Es sei denn...
"Entschuldigen Sie mich, Kitty!"
Ihm war eine Idee gekommen. Weshalb hatte er nicht früher daran gedacht?
"Ich habe gerade, das Gefühl, dass ich kurz vor einer Glückssträhne stehe. Wie sieht's aus, Kitty, darf ich Sie beim Wort nehmen? Wollen doch mal sehen, ob Sie wirklich so ein Glückskätzchen sind."

"Das gibt's doch nicht", meinte der Wolf resigniert. "Dabei hat's doch so gut noch für mich ausgeschaut."
"Nun, ich war schon immer ein Glückskind", lächelte der Golddrache, als er zwei seiner Steine herausnahm. "Aber gar so schlecht sieht es ja immer noch nicht für Sie aus." Sir Rone deutete auf die drei weißen Spielsteine seines Gegners. "Würfeln Sie einfach einen Vierer-Pasch und Sie haben gewonnen."
Der Wolf winselte leise auf: "Vierer-Pasch! Das sagen Sie so leicht. Andererseits, bei dieser Runde scheint wirklich Madame Fortuna an meiner Seite zu stehen."
"Dann, mein Guter, haben Sie doch bestimmt nichts dagegen...", der goldene Drache lehnte sich mit einem entwaffnenden Lächeln nach vorne und griff nach dem sogenannten Verdoppelungswürfel, "das ganze für uns beide noch ein wenig interessanter zu machen."
Langsam stellte der Canide den Würfelbecher ab und holte tief Luft: "Das wären dann Hunderttausend. Tut mir leid, da muss ich passen. Bei Ihrem Glück."
Er erhob sich wortlos und verließ den Saal. Wieder hatte sich jemand um Haus und Hof gespielt.
"Wenn Sie gestatten, ich würde gerne den Platz meines Vorgängers einnehmen."
Die dunkle Stimme ließ Sir Rone überrascht aufblicken. Er verengte seine Pupillen zu engen Schlitzen, als sich Don Draghone nonchalant auf dem freien Platz niederließ.
"Und, ich habe die Ehre mit... mit...?" fragte der Goldene steif.
"Mein Name ist Draghone. Don Draghone." Jetzt erst bedachte der Silberdrache sein Gegenüber mit einem direkten und konzentrierten Blick. Sofort verschwamm die Silhouette des Goldenen und vor seinen Augen erschien die Gestalt eines silber-schwarzen Ostdrachens. Wie Don Draghone es vermutet hatte, verwendete Nero einen sehr einfachen, kaum wahrnehmbaren Tarnzauber. Stark genug, um die Casinogäste zu täuschen, jedoch gerade noch so schwach, um nicht aufzufallen. Neben dem Spielfeld hatte er seine weiße Perle liegen. Der Silberdrache fragte sich, weshalb sich der Spaghettidrache nie von ihr trennte. 
Natürlich hatte Nero bemerkt, dass er jetzt einem Spieler gegenüber saß, der ihn durchschaut hatte. Was ihn noch mehr irritierte, war, dass Don Draghone seinerseits einen leichten Schutzzauber anwandte, um seine Gedanken vor Nero zumindest zu verschleiern. Der Ostdrache hätte natürlich ohne weiteres diesen Schutzschild durchdringen können, aber dazu müsste er ein wenig mehr Magie anwenden und er befürchtete, dass dies von den übrigen Casinogästen bemerkt werden würde. So beschränkte er sich auf die Bemerkung: "Nun gut, Don Draghone. Ich nehme an, dass Sie wissen, dass Sie nur mit einem Vierer-Pasch gewinnen können? Wollen Sie bar bezahlen? Es geht um hunderttausend Silberdollar."
"Mit Bargeld kann ich leider nicht dienen." Der Silberdrache griff in eine große Reisetasche, die er mitgebracht hatte, und die umstehenden Gäste murmelten, als er langsam eine neuartige Waffe neben das Spielfeld legte. Was sie freilich nicht sehen konnten, war, dass Don Draghone sie justament so postierte, dass ihr Lauf auf die weiße Perle gerichtet war. Keiner der Zuschauer bemerkte den Rauch, der sich aus Neros Nüstern kräuselte. Am liebsten hätte er diesen Eindringling an Ort und Stelle in eine Steinstatue verwandelt. Stattdessen warf er einen tadelnden Blick auf sein Mündel, das sich neben Don Draghone gestellt hatte.
"Kitty hatte schon immer einen erlesenen Geschmack, was meine männlichen Gäste anbelangt. Nun, wollen Sie also diese Waffe einsetzen? Eine Werner QQL.  Selbstverständlich ist mir Ihr Name ein Begriff. Aber Sie sind doch nicht gekommen, nur um an mich dieses herrliche Instrument zu verlieren?"
"Nein", erwiderte Don Draghone und griff nach dem Würfelbecher. "Ich bin hier, um zu gewinnen, und weil ich mich für Ihr neu entwickeltes Waffensystem interessiere. Sozusagen als Kunde."
"Nun denn, dann lassen Sie uns diese Partie zu Ende bringen." Nero entspannte sich wieder ein wenig, obgleich es ihn natürlich wurmte, dass man ihn durchschaut hatte. Aber er konnte sich hier keinen Skandal leisten. Dessen war sich auch Don Draghone bewusst, als er seinen Würfelbecher gemessen absetzte und freundlich sagte: "Hunderttausend und ein Vierer-Pasch. Wenn Sie gestatten, dann mache ich von meinem Gastrecht Gebrauch und verwende Ihre Würfel. Sie gestatten?"
Noch bevor Nero irgendetwas einwenden konnte, griff der Silberdrache nach dem Würfelbecher seines Gegners und schüttelte diesen besonders auffällig. Selbstverständlich spürte er durch das elegante Leder des Bechers hindurch den Zauber, der über diesen Würfeln lag. Es war der gleiche Illusionszauber, der den Casinogästen einen goldenen Westdrachen vorgaukelte.
"Ich glaube, Ihre Kitty ist tatsächlich ein Glückskätzchen! Sehen Sie?" Lässig lüftete Don Draghone den Würfelbecher. "Vierer-Pasch."
Ein Raunen ging durch die Gäste und Nero erhob sich würdevoll. Er winkte einen Casinoangestellten heran und reichte ihm einen blaugoldenen Jeton. "Lassen Sie sich bitte dafür am Paydesk Bargeld geben für Sir Don Draghone."
Er griff nach seiner Perle und warf dem Silberdrachen einen langen Blick zu. "Ich pflege nicht, in meinem Casino Geschäftliches zu besprechen. Das Backgammonspiel dient mir zur Erholung. Kommen Sie doch morgen Mittag zu mir zum Lunch, da kann ich Ihnen dann gerne unser Sortiment vorführen. Und nun wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Abend. Genießen Sie Ihren Gewinn. Kommst Du, Kitty?"
Mit einem zufriedenen Brummen nahm Don Draghone sein Geld entgegen. Alles klappte wie am Schnürchen. Morgen würde er seinen Plan verwirklichen können. Als er die Waffe aus der Reisetasche genommen hatte, war ihm sehr daran gelegen, dass Nero auch den übrigen Tascheninhalt zu sehen bekam, das von Ragnarok präparierte Geld. Offenbar war der eingearbeitete Drachenbann tatsächlich unwahrnehmbar, nicht einmal für diesen mächtigen Magierdrachen. Zumindest gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass dieser Verdacht geschöpft hätte.
Nun gab es nichts weiter zu tun, als in das Hotel zurückzukehren und abzuwarten.

.
Nero bebte vor Zorn. "Was bildet sich der Kerl eigentlich ein?" Wie aus dem Nichts manifestierte sich zwischen seinen Vordertatzen ein blauer Feuerball und er schleuderte diesen zornig auf einen seiner Butler. Dieser hatte nicht die geringste Chance auszuweichen und so traf ihn der Zorn Neros mit voller Wucht: Unter einem schmerzerfüllten Aufschrei verbrannte er augenblicklich zu einem Häufchen Asche. Angewidert brüllte er den anderen Tiger an, der entsetzt daneben stand. "Was gaffst Du so blöd? Räume die Überreste Deines Bruders weg und dann bring mir meinen Zögling. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht rausbekomme, was Don Draghone von mir will."

Die Türen zu Neros Büro waren aus schwerer Bronze gegossen und sie waren geschlossen. Dennoch ließen die schrillen Schmerzensschrei, die immer wieder nach draußen drangen, den Angestellten des silber-schwarzen Drachens das Blut in den Adern gefrieren.
Nach gut drei Stunden schien das Martyrium des unglücklichen Opfers endlich beendet zu sein, denn Nero schoss wie eine Furie aus seinem Büro.
"Kümmert Euch um ihn und macht drinnen wieder sauber. Und dann bereitet alles vor, es gibt eine kleine Planänderung aufgrund der momentanen... Unpässlichkeit meines Zöglings."

.
Don Draghone wartete vor seinem Hotel, die Reisetasche stand neben ihm. Sein Instinkt mahnte ihn, besonders vorsichtig zu sein sein, denn es roch geradezu nach einer Falle: Gerade als er sich gestern auf dem Weg zu Neros Büro machen wollte, um der Einladung zum Lunch nachzugehen, hatte man ihm an der Rezeption ein an ihn adressiertes Telegramm gegeben. Darin wurde ihm mitgeteilt, dass Nero einen wichtigen Termin hätte und dass er das Treffen um vierundzwanzig Stunden verschoben hatte. Er würde Don Draghone vom Hotel von einem seiner Chauffeure abholen lassen.
Der Silberdrache schnaubte ungeduldig. Pünktlichkeit schien keine Stärke von dem Fahrer zu sein, jedenfalls wartete er nun schon eine geschlagene Stunde. Don Draghones Hand tastete nach seiner Werner QQL, die er vorsichtshalber mitgenommen hatte. Besonders gab ihm zu denken, woher Nero wusste, in welchem Hotel er abgestiegen war.
Er hatte das Hotelzimmer noch vor seiner Abreise im Internet gebucht und da war eigentlich niemand dabei gewesen, zumindest konnte er sich nicht mehr daran erinnern, ob er wirklich ganz alleine gewesen war.
Ein Hupen ließ ihn aufblicken. Eine große, dunkelblaue Limousine kam an der Hotelauffahrt zum Stehen. Ihre Scheiben waren getönt.
"Sir Don Draghone?" Eine in einem Kapuzenmantel eingehüllte Gestalt war ausgestiegen und öffnete die Tür zur Rückbank. Das Fahrzeug war geräumig genug für einen ausgewachsenen Drachen. Der Silberne versuchte, seinen Blick auf den Chauffeur zu heften, doch offensichtlich wirkte auch hier eine Art Zauber, denn er konnte sich nicht auf die Person vor ihm konzentrieren. Die Kapuze ließ das Gesicht in einem undurchdringlichen Schatten verschwinden. "Wollen Sie bitte einsteigen? Sir Nero wartet nicht sehr gerne", drängte der Fahrer ein wenig zur Eile.
Etwas ließ Don Draghone zögern, doch er war sich nicht in Klaren darüber, was es war. Irgendwie lag in der Stimme des Chauffeurs etwas Vertrautes. Doch auch Angst schwang darin mit und unsäglicher Schmerz. Wer immer dieser Fahrer war, er musste erst vor kurzem unendliches Leid erfahren haben.
Der Silberne nickte schließlich und nahm auf der geräumigen Rückbank Platz. Die Reisetasche wurde von dem vermummten Chauffeur sorgfältig im Kofferraum verstaut.
Das Fahrzeug nahm an Fahrt auf und fädelte in den fließenden Verkehr ein.
Ein ganz leises, unterschwelliges Zischen drang an Don Draghones empfindliches Gehör. Im ersten Augenblick tat er das als Geräusch der Klimaanlage ab, doch als er den beißenden Geruch wahrnahm, wusste er, um was es sich handelte. In diesem Augenblick verlor er sein Bewusstsein.

"Schön, dass Sie wieder bei uns sind." Die metallisch klingende Stimme drang von der Ferne an seine Ohren. Als er seine Augen öffnete, blendete ihn ein greller Lichtstrahl und er konnte nur undeutlich vor dem schwarzen Hintergrund des bis auf die eine Lichtquelle vollständig abgedunkelten Raumes eine Gestalt erkennen. Sie schien eine Maske zu tragen und die Stimme war offensichtlich elektronisch verzerrt.
Ketten klirrten und zu seinem Entsetzen bemerkte Don Draghone, dass man ihn kopfüber an seinen Vorder- und Hinterfüssen etwa einen Meter über den Fußboden an die Decke gehängt hatte.
"Sir Rone ist Ihr auffallendes Interesse an seiner Person nicht entgangen. Leider ist er heute aus geschäftlichen Gründen verhindert, aber er hat uns gebeten, sich angemessen um Sie zu kümmern und Sie vor allem danach zu fragen, womit er Ihre geschätzte Aufmerksamkeit verdient hat?"
Die Wucht des Schlages in seinen durch die Fesselung freiliegenden Bauch ließ ihn Sternchen sehen. Eine vermummte Gestalt mit einem Baseballschläger in der Hand trat wieder ein paar Schritte zurück, während der Silberdrache hilflos an den Ketten schaukelte.
Ein weiterer Schlag, diesmal direkt auf seine Schnauzenspitze, ließ ihn sein eigenes Blut schmecken.
"Das ist nichts gegen Sie persönlich", höhnte die Metallstimme, "Sie sollen nur wissen, dass wir es ernst meinen. Ich denke, dass wir uns nun vernünftig unterhalten können. Also, was wollen Sie von Sir Rone?"
"Ich verstehe nicht, was Sie meinen", keuchte Don Draghone. "Ich bin als Kaufinteressent..."
Der Silberdrache fühlte seine Vorderzähne splittern, als ein erneuter Baseballschlägerhieb seine Schnauze traf. Er spuckte Blut.
"Don Draghone. Ich bitte Sie. Überdenken Sie Ihre Situation. Reden ist doch für uns alle viel einfacher und vor allem für Sie weniger schmerzhaft. Dieser Raum hier ist übrigens schalldicht. Niemand wird Sie brüllen hören können."
Drei weitere Schläge trafen ihn an Brust, Bauch und Rücken.
"Ich bin Don Draghone und wollte von Ne... Sir Rone das neue Waffensystem..."
"Das bringt so nichts", sagte die Metallstimme und wandte sich an die Person mit dem Baseballschläger. "Wir müssen zu subtileren Mitteln greifen. Ich bin sicher, dass unser Gast das Ganze gleich als sehr schockierend empfinden wird."
Der Silberdrache fühlte, wie man an seinem entblößten Hals, an seinem Bauch und in dem empfindlichen Bereich zwischen seinen Hinterbeinen etwas Kühles, Feuchtes anbrachte. Es waren kleine Schwämme mit einem Metallkern, von denen Drähte zu einer Konsole führten, an der sich nun die vermummte Gestalt zu schaffen machte. Sein schmerzerfüllter Schrei hallte durch den Raum, als durch seinen Körper Strom floss.
"Sie glauben gar nicht, welch erstaunliche Resultate man erzielt bei der kombinierten Anwendung der guten, alten Elektrizität und den neuesten Erkenntnissen im Bereich der Chemie." Die maskierte Gestalt trat an den hängenden Drachen heran und er spürte den Einstich einer Nadel. "Sind Sie auch schon gespannt, wie das Gift der Tollkirsche in einem Drachenkörper wirkt?"
Ein weiterer Stromstoss durchzuckte den Silberdrachen, gefolgt von ein paar weiteren Hieben mit dem Schläger. Don Draghone schien in einen Strudel wilder Farben und Formen zu fallen und seine Sinne ließen ihn die zugefügten Schmerzen in einer nie gekannten Intensität spüren. Übelkeit überkam ihn und er verlor sich in einem Meer aus Qualen und Albträumen.

.
Der Schädel Don Draghones drohte zu zerspringen. Jeder einzelne seiner Knochen schmerzte, er fühlte, wie getrocknetes Blut, Erbrochenes und Urin an seinen Schuppen klebte. Man hatte, wie es ihm schien, stundenlang mit dem Baseballschläger auf ihn eingeschlagen und ihn mit Elektroschocks gefoltert. Er war ihnen hilflos ausgeliefert gewesen.
Er roch frisch geschnittenes Holz. Offensichtlich hatten man ihn nun an einen Ort gebracht, an dem man sich seiner endgültig entledigen wollte, irgendwo in dieser fremden Stadt, in diesem fremden Land. Die Schmerzen in seinen Flügeln waren unerträglich, sie brannten, als ob er stundenlang gegen den Wind geflogen war. Mit Entsetzen erkannte er, weshalb sie so schmerzten: Bis zu ihrer Überdehnung waren sie gespreizt und befestigt worden. Auch seine übrigen Gliedmaßen waren überdehnt, man hatte ihn rücklings auf eine große Holzplatte gefesselt, schwere Eisenbänder hielten ihn in dieser unbequemen Position. Nur seinen Kopf konnte er ein wenig heben und bewegen. Aus den Augenwinkeln heraus sah er eine in einem Kapuzenmantel verhüllte Gestalt. Sie kam ihm seltsam vertraut vor, als sie an ihn herantrat. Leichter Pferdegeruch drang in seine Nüstern, überlagerte den allgegenwärtigen Duft des Holzes. Langsam glitt der Mantel zu Boden...
"Kiseki!" entfuhr es ihm. "Schnell, mach mich hier los, ich glaube, wir haben nicht viel Zeit. Ich weiß zwar nicht, wie Du hierher gekommen bist, aber Dich schickt der Himmel. Ich..."
Das Drachenpferd schüttelte den Kopf und legte einen Finger an seine Lippen. Dann trat das Kirin an ein Kontrollpaneel und augenblicklich setzte Motorenlärm ein. Don Draghone schrie auf, als er einige Meter von sich entfernt das gewaltige Sägeblatt erblickte, das in Rotation gesetzt wurde. Ein Ruck lief durch das Brett, als sich das Förderband in Bewegung setzte - in Richtung Verderben, mit seinen Hinterläufen voran. Holzbalken, Platten und Baumstämme unterschiedlicher Größen und Stärken bewegten sich in stetem Tempo auf das Sägeblatt zu, das bereits in das erste Stück Holz schnitt.
"Tut mir leid. Ich kann nicht anders. Ich muss meinem Ziehvater gehorchen und dienen, selbst wenn es meinen eigenen Tod bedeutet."
"Bist Du übergeschnappt? Kiseki, Du verdammter Verräter, Du Bastard, Du Ar..."

"Aber! Aber!" Die donnernde Stimme übertönte sogar den Lärm der Kreissäge. "Doch nicht solche Kraftausdrücke. Was sollen denn meine Mitarbeiter in diesem Sägewerk denken? Etwa, dass wir Drachen unkultivierte Barbaren sind?"
Der schlangenhafte Drache war buchstäblich aus dem Nichts erschienen und er blickte aus spöttisch gelben Reptilienaugen auf den Silberdrachen herab. In seiner linken Vordertatze hielt er die große weiße Perle, die er mit seiner rechten Pranke zärtlich liebkoste. Die langen, antennenartigen Schnurrhaare, die so charakteristisch für diese östliche Drachenart sind, zitterten.
"Schade um einen solchen brillanten Backgammonspieler, Don Draghone. Auch wenn ja unsere Partie gestern eher etwas kurz geraten ist. Aber ich habe von Ihren Talenten auf diesem Gebiet gehört. Warum sind Sie mir in die Quere gekommen? Ich habe Ihnen nie etwas getan, Sie leben in einem ganz anderen Teil der Welt. Gut, vielleicht habe ich Ihnen ein wenig Konkurrenz gemacht, aber wir sind schließlich beide erfolgreiche Geschäftsleute und wir wissen, dass das nun einmal zum Leben eines Unternehmens gehört. Ich habe viel von Ihnen gehört, Don Draghone. Auch Ihr geruchsneutrales Rauschgift ist mir ein Begriff. Wir hätten zusammenarbeiten können. Aber nein, Sie kommen in mein Land und wollen mich töten, obwohl ich ihnen niemals ein Leid angetan habe. Warum? Ich frage Sie, warum?"
Don Draghone schwieg.
"War es etwa wegen ihm?" Der schwarze Drache blickte verächtlich in Richtung des Kirins. "Wegen einem dummen Drachenpferd riskieren Sie ihr Imperium, Ihr Leben? Nur, weil Sie mein Schüler aufgehetzt hat? Sie glauben gar nicht, wie bereitwillig er sein Gewissen erleichtert hat, nachdem ich ihn zur Beichte ermuntert habe."
Nero schüttelte den Kopf: "Sie enttäuschen mich, Don Draghone. Ihnen hätte ich wirklich mehr Intelligenz zugetraut. Nun ja, es war Ihre Entscheidung."
Der Ostdrache wandte sich dem Kirin zu: "Kiseki, komm her!"
"Ja, mein Lehrer?"
"War diese Tasche alles, was er bei sich hatte?" Nero zeigte mit einer Krallenspitze auf die Sporttasche, die man in einiger Entfernung auf einem Stuhl abgestellt hatte. "Bring sie her."
Kiseki gehorchte und der schwarze Drache schnurrte erfreut auf, als zahlreiche Geldbündel herausfielen, nachdem er mit einer lässigen Krallenbewegung die Tasche kurzerhand in Stücke gerissen hatte. Behutsam legte Nero seine Perle zur Seite und griff mit beiden Pranken in die Notenbündel. "Das ist ja mal was Erfreuliches. Ich denke, davon kann ich unserem verehrten Don Draghone eine ordentliche Trauerfeier spendieren."
Übermütig wühlte Nero in dem Geld herum und ließ lachend die Banknoten auf sich herabregnen. "Sterben Sie wohl, Don Draghone!"
"Einen Moment noch." Die Stimme des Silberdrachens war ruhig und gefasst, obwohl er, der Geschwindigkeit, mit der sich der Tisch vorwärts bewegte, nach zu urteilen, vielleicht nur noch zehn Minuten zu leben hatte. "Weshalb dieser Aufwand, mich auf diese Weise zu töten? Ihr Schüler hat mich doch bereits vergiftet mit dem Drachenbann, das er mir gespritzt hat. Ich bin ohnehin dem Tod geweiht."
"So, hat er das tatsächlich?" Nero lachte dröhnend. "Davon weiß ich ja gar nichts. Aber ich bin immer schon der Meinung gewesen, dass Sterben nicht genug ist. Ein uraltes Gildenmotto bei uns Schwarzmagiern. Glauben Sie mir, es hat für mich einen größeren Unterhaltungswert, wenn sie fein säuberlich zerteilt werden. Das Sägeblatt wurde übrigens gerade erst geschliffen. Sie sehen, auch in Sachen Sterben bin ich stets bemüht, meinen Kunden nur das Beste zu liefern. Leider habe ich nun aber zu tun. Ich werde also Ihr Ende nicht live erleben können, doch ich bekomme die Bilder und auch Ihre Schmerzensschreie direkt in mein Büro übertragen. Ach ja, vielleicht interessiert Sie das ja: Dieser dämliche Fuchs, der meinen Dealern in die Quere gekommen ist, der hat beinahe zehn Minuten durchgehalten. War doch einer Ihrer Leute, oder? Dann sollten Sie als Chef mit gutem Beispiel vorangehen und die Zehn-Minuten-Marke durchbrechen. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe noch zu tun! Obwohl, hierbei möchte ich jetzt doch noch rasch dabei sein."
Er legte eine schwere Pranke auf das Kirin: "Sag ihm die Wahrheit, mein Schüler. Das bist Du ihm schuldig, bevor er stirbt."
Kiseki schluckte schwer und er blickte auf den Boden.
"Schau ihm gefälligst dabei in die Augen!" herrschte Nero das Kirin an. "Denn diese Tat ist wahrlich eines Schwarzmagiers würdig."
"Es war kein Drachenbann", sagte Kiseki leise. "Ich habe Dir nur ein harmloses Vitaminpräparat gespritzt."
"Aber..." setzte Don Draghone an, verstummte jedoch. Was sollte er noch sagen? Ein Gefühl tiefster Enttäuschung machte sich in ihm breit. Doch in wenigen Augenblicken würde ihm das gleichgültig sein.

"Siehst Du, war doch gar nicht so schwer, Deine letzte Beichte." Neros Augen verengten sich zu Schlitzen. "Zu dumm nur, dass ich schon Ersatz für Dich gefunden habe. Aber Du kannst ja Deinem neuen Freund Gesellschaft leisten."
Kiseki schrie entsetzt auf, als er von einer unsichtbaren Hand hochgehoben und unmittelbar vor Don Draghone rücklings auf das Förderband gelegt wurde. Ein Lähmungszauber lag über dem Kirin.
Ungeachtet der angsterfüllten Schreie seines Schülers und Vertrauten verließ Nero die Werkhalle, nachdem er das Geld achtlos in eine große Kiste umgefüllt hatte. Beim Herausgehen stieß er seine Schnauze in die Geldscheine und nahm einen tiefen Atemzug. "Nichts besseres als der Geruch von Geld, dessen früherer Besitzer gerade am Sterben ist", murmelte er zufrieden vor sich hin.

Don Draghone schloss die Augen. Er versuchte, die Hilfeschreie Kisekis und das Dröhnen der Säge aus seinem Bewusstsein zu verbannen. Er konzentrierte sich auf sich selbst, zog sich immer tiefer in sich zurück. Auf diese Weise würde er den Todesschmerz nicht fühlen. Doch schlimmer war der andere Schmerz, der Schmerz des Verrates. Ihm wurde bewusst, dass ihm in der ganzen Zeit der Planung dieses Kirin immer mehr ans Herz gewachsen war. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass Kiseki ein Judas sein könnte.
Langsam konnte er auch diesen Dorn aus seinem Bewusstsein verbannen; es war alles unwichtig geworden, in Kürze würde er mehr wissen, als alle Wissenschaftler der Welt zusammen. Seine Muskeln entspannten sich.

.
Nero stand vor seinem Büro. "Alles in Ordnung, Sir?" fragte ein Butler besorgt, als er ihm die Tür öffnete. Der Drache schnaubte ungeduldig und schob seinen Leib in das Zimmer. Ihm war schwindlig, außerdem überkam ihm ein übermächtiges Verlangen nach frischer Luft. Doch so sehr er auch an der Klimaanlagenregulierung hantierte, in seinen Nüstern hatte er stets einen eigenartigen Geruch.
Sein Blick trübte sich.

.
Der Silberdrache hatte sich soweit in sich zurückgezogen, dass er den vorbeihuschenden Schatten nicht bemerkte und auch nicht, dass mit einem plötzlichen Ruck das Transportband und die Säge zum Stehen gekommen waren. Das Sägeblatt befand sich keine fünf Zentimeter mehr entfernt von Kisekis Beinen.
Er wimmerte und zitterte am ganzen Leib.
"Es ist vorbei", sagte Higure und versuchte, seinem Freund aufzuhelfen. Doch immer noch stand das Kirin unter dem Lähmungszauber. "Ich kann mich nicht bewegen. Higure... Oh, Higure, was habe ich nur getan, ich..." Er begann hemmungslos zu schluchzen und der Kitsune tätschelte beruhigend die Kirinschnauze.
"Schhhh.... Alles wird gut", flüsterte Higure und richtete sich auf. Er warf einen Blick auf den gefesselten Silberdrachen, der sich immer noch nicht regte. "Und was ist mit dem?"
"Ich habe ihn verraten", schluchzte Kiseki. "Es tut mir so unendlich leid. Mach ihn los."

Higure mühte sich mit den schweren Eisenfesseln ab, doch bevor er Don Draghone befreien konnte, schreckte ihn ein gequältes Stöhnen auf. Alarmiert eilte er zu seinem Freund und prallte entsetzt zurück. Die Augen des Kirins waren in die Ferne gerichtet, man konnte nicht sagen, ob er noch etwas wahrnahm oder nicht. Higure legte seinen Kopf auf die Brust des Drachenpferdes, doch konnte er den Herzschlag kaum noch spüren. Auch Kisekis Atmung schien zum Erliegen gekommen zu sein.
"Um Himmels Willen!" rief Higure entsetzt auf. Ihm war es in diesem Augenblick völlig gleichgültig, ob ihn jemand hören konnte oder nicht. Sein bester Freund lag im Sterben.
Als er zufällig den reglos daliegenden Drachenpferdkörper berührte, bewegte sich dieser leicht.
Higure stutzte. Eben noch war das Kirin unter dem Lähmungszauber gestanden und auch der Fuchsgeist hatte seinen Freund nicht bewegen können. Doch aus irgendeinem Grund war dieser Zauber nun gebrochen.

.
"Drachenbann!" röchelte Nero entsetzt, als sein Körper von Krämpfen gemartert wurde. "Aber wie?" Sein Blick fiel auf die Banknoten, die vor ihm lagen und langsam dämmerte es ihm. Er versuchte, seine Kräfte zu sammeln und sich auf einen starken Gegenzauber zu konzentrieren. Doch mit jedem Atemzug schwanden seine Kräfte und er sank nieder. Über seinen Pupillen lag ein milchiger Schleier.

.
Don Draghone zuckte zusammen. Etwas hatte seine Konzentration gebrochen und war an sein Bewusstsein gelangt.
"Wach endlich auf, Du verdammter Drache!" schrie jemand und der Silberdrache öffnete langsam seine Augen. Allmählich wurde ihm klar, dass das Förderband gestoppt worden war.
"Bin ich schon im Himmel?" fragte er. Eigentlich wollte er einen kleinen Scherz machen, dennoch schwang Unsicherheit mit in seiner Stimme. Kurz darauf erblickte er Higure, der sich über ihn gebeugt hatte, um die letzte Kette zu lösen.
"Du elender Bastard, Du Verräter, Du und Dein verdammter Freund!"
Obwohl sich Don Draghone mit seinem geschundenen Körper kaum bewegen konnte, verlieh ihm sein Zorn ungeahnte Kräfte. Er hatte nur den Wunsch, diesem Fuchsgeist den Kragen umzudrehen und das Drachenpferd in Stücke zu reißen.
"Halt! Warte!" rief Higure und wich der etwas plumpen Attacke geschickt aus. "So hör doch mal zu. Es ist nicht so wie Du denkst!"
Don Draghone war in seiner Wut nicht zu bremsen. "Du kannst mir alles erklären, nachdem ich Dir den Hals umgedreht habe!" brüllte er und stürzte sich erneut auf den Kitsune. "Und dann werde ich das Pferd erledigen!"
"Aber, Kiseki ist doch schon tot! Zumindest hat es den Anschein!" Die Verzweiflung und der Schmerz in der Stimme des Kitsunes ließ Don Draghone mitten im Sprung innehalten.
"Was sagst Du da?" fragte der Drache und folgte Higures Blick zum Förderband. "Was ist passiert?"
"Nero hat ihn umgebracht, glaube ich, zumindest atmet er kaum noch", schluchzte Higure.
Langsam beruhigte sich Don Draghone und trat zu Kiseki. Er legte eine Tatze auf die Schnauze des Drachenpferdes und brummte: "Noch atmet er. Wir müssen ihn hier rausbringen. Was ist mit Nero?"
"Das weiß ich nicht", wimmerte der Kitsune. "Ich hatte mich hier versteckt gehalten und beobachtet. Ich hatte solche Angst um meinen Freund. Nero hat ihn ganz furchtbar gefoltert. Dann wollte er Euch beide zersägen, aber als er das Geld genommen hat und dann gegangen..."
"Hör auf, so unzusammenhängendes Zeugs zu faseln", grollte Don Draghone. "Erzähl der Reihe nach, was passiert ist." Er hielt inne. "Warte mal, sagtest Du eben, Nero hat das Geld an sich genommen?"
"Ja."
"Das Geld aus meiner Reisetasche?"
"Ich glaube, ja."
"Das reicht nicht. Ich muss es genau wissen! War es das Geld aus meiner Reisetasche, die ich auch im Casino bei mir hatte?"
"Das weiß ich doch nicht! Ich war nicht mit im Casino. Ich habe hier auf euch gewartet, nachdem ich gehört habe, was Nero zu Kiseki gesagt hatte, nachdem er ihn gefoltert hatte. Nero hat mich in seinem Zorn überhaupt nicht bemerkt, aber ich konnte meinem Freund nicht helfen!"
Don Draghone blickte sich um. Sein Gesichtsausdruck hellte sich deutlich auf, als er sich nach etwas bückte. Unter einer Werkbank zog er umsichtig mit einer Krallenspitze ein Notenbündel hervor, das Nero offensichtlich übersehen hatte. "Es war das Geld!" rief er erfreut aus. "Ich erkenne es an der Nummerierung der Scheine. Und er hat es ganz sicher angerührt?"
"Naja, ich habe halt nur gesehen, wie Nero die Tasche aufgerissen hat und in dem Geld herumgewühlt hat. Er hat die Scheine auch auf sich herabregnen lassen."
"Phantastisch. Das heißt, Nero sollte demnächst verenden. Die in den Scheinen eingearbeitete Dosis Drachenbann sollte ihn mittlerweile getötet haben!"
Don Draghone war froh darüber, dass er vor seiner Abreise nicht allzu viel von seinen Plänen an Kiseki preisgegeben hatte. Das war eine Lektion, die er schon als Jungdrache gelernt hatte: Nie jemanden vollständig ins Vertrauen ziehen, nur gerade so viele Informationen, wie gerade nötig. Die Richtigkeit dieser Vorgehensweise hat sich gerade betätigt: Unter der Folter hätte das Kirin auch die Sache mit den präparierten Scheinen gestanden.
"Nero ist tot? Das erklärt einiges."
"Was genau?"
"Mein Gefährte stand unter einem Lähmungszauber, als ich ihn gefunden habe. Ich konnte ihn auch nicht von der Stelle bewegen. Plötzlich aber war es möglich - genauso plötzlich, wie er in diesen Zustand geraten ist. Der Grund dafür ist wohl der Tod Neros."
"Ich verstehe nicht ganz", brummte Don Draghone, als er sich anschickte, den schlaffen Körper Kisekis aufzuheben. "Wir sollten ihn in Sicherheit bringen. Und dann muss ich mich vergewissern, dass Nero wirklich erledigt ist. Er war schon einmal tot, wenn Du Dich erinnerst. Sterben ist nicht genug, ich glaube, bei keinem passt dieses Motto besser als bei ihm."
"Bitte?"
"Oh", lächelte Don Draghone, "das ist angeblich das Gildemotto der Schwarzmagier. Zumindest hat mir das der Spaghettidrache so gesagt. Ob’s stimmt, weiß ich nicht. Ich werde Kiseki fragen, wenn er wieder zu sich kommt."

.
"Langgesuchter Terrorist bei Schießerei mit Sonderkommando ums Leben gekommen."
Es gab kein Entkommen von dieser Schlagzeile. Internet, Presse, Radio und Fernsehen, alle Medien überschlugen sich mit Eilmeldungen zum Ableben Neros.
"Jetzt hör Dir das an", knurrte Don Draghone und ließ die Zeitung sinken. "Die schreiben, dass sie aufgrund eines anonymen Hinweises die Wohnung des Spaghettis gestürmt und ihn mit einer Überdosis Drachenbann zur Strecke gebracht haben. Naja, immerhin haben sie dafür gesorgt, dass Nero nun wirklich erledigt ist."
"Wie haben sie das gemacht?" fragte Higure leise. Er war, schon seitdem sie in den Flieger nach Europa eingestiegen waren, sehr schweigsam gewesen.
"Sie haben sofort aus seinem Leichnam sein Herz herausgeschnitten und verbrannt, vor Zeugen. Danach hat man den restlichen Körper feinsäuberlich zerlegt. Kein schwarzer Zauber kann Nero wieder zum Leben erwecken."
"Oh!"
"Was mich nur so ankotzt ist, dass ich mein Leben riskiert habe! Ich habe die ganze Arbeit gemacht, aber von mir schreiben die kein einziges Wort. Die heimsen den ganzen Ruhm für sich selber ein. Ich...", Don Draghone hielt inne und verstummte, als er Higure verstohlen sich eine Träne von seinem Gesicht wischen sah.
Der Kitsune hatte ihm alles erzählt: Von dem Treueeid eines Kirins, der bis zur Selbstopferung führen kann, von den Gewissensbissen, die Kiseki befallen hatten, sowohl in Bezug auf Nero, den er im Begriff war zu verraten, als auch bezüglich des Silberdrachens, den er benutzt hatte.
Kiseki hatte zunächst bewusst darauf verzichtet, Don Draghone nach Hong Kong zu begleiten, denn er hatte Angst, seinem Meister und Mentor zu begegnen. Davon abgesehen hätte er es niemals übers Herz gebracht, sich aktiv an der Ermordung Neros zu beteiligen.
Als dann Don Draghone schließlich unterwegs war, plagten das Kirin massive Zweifel und aufgrund der daraus resultierenden Aufgewühltheit konnte sich Nero sogar über die große Entfernung hinweg mental mit Kiseki in Verbindung setzen. Er beherrschte dessen Gedanken und beorderte ihn selbst nach Hong Kong, damit er dort den Silberdrachen observierte. Als das Kirin schließlich gezwungenermaßen Nero gegenübertrat, folterte dieser ihn auf besonders brutale Weise, um ihn für seinen Mordversuch zu bestrafen. Er hatte ihn gezwungen, den Silberdrachen in die Falle zu locken.
Don Draghone empfand tiefes Mitgefühl für den Kitsune: Sein Gefährte lag im Koma im hinteren Teil des Flugzeuges und niemand konnte sagen, ob Kiseki jemals wieder daraus erwachen würde. Die Verbundenheit des Kirins zu seinem Meister bestand sogar noch nach dessen Tod.

Der Silberdrache stand seufzend auf, nahm sein gut gekühltes Weißbier-Cola, in dem drei Cocktailkirschen schwammen, und begab sich damit in das Flugzeugheck, das man in ein provisorisches Krankenlager umfunktioniert hatte. Das Kirin lag festgeschnallt auf einer Bahre, Schläuche und Kabel verbanden ihn mit verschiedenen lebenserhaltenden Maschinen.
Don Draghone bückte sich und zog unter der Bahre einen Gegenstand hervor, platzierte ihn zärtlich auf Kisekis Brust und verschränkte dessen Hände darüber. Dann prostete er dem Kirin zu.
"Auf Dein Wohl! Ich verzeihe Dir, mein Freund", flüsterte er. "Ich verzeihe Dir auch den gemeinen Trick, mich glauben zu machen, ich hätte Drachenbann in mir. Ich verspreche Dir, dafür bekommst Du noch eine Abreibung - sobald Du wieder aus dem Koma erwacht bist. Und mach Dir keine Sorge um Deinen kleinen Fuchsgeist, ich werde mich um ihn kümmern, vielleicht habe ich in meinem Konzern einen Posten für ihn frei."
Er hätte noch einiges loswerden wollen, was ihm auf der Seele lag, doch eine Stewardess forderte ihn auf, an seinem Platz zurückzukehren, da man bereits mit dem Landeanflug begonnen hatte.

Die Perle in Kisekis Händen schillerte in munteren Regenbogenfarben, als ein Sonnenstrahl durch eines der Kabinenfenster drang und das Kirin beleuchtete.
 

© Peter Lässig
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
.
www.drachental.de