Diese Geschichte ist ab 2008 am Drachentaler Wettbewerb leider nicht mehr teilnahmeberechtigt,
da sie in den vorherigen Jahren zu wenig Punkte erhalten hat.
 
 
Der Schatten der Wälder von Talandriel

Es war eine finstere, kalte Nacht über den Wäldern des Nordens. Ein gewaltiger Gewittersturm wühlte die Kronen der Bäume auf, brach Äste ab und riss Blätter von den Bäumen, um sie dann in die Ferne zu tragen. Der Wind peitschte die Regentropfen über den schlammigen Pfad, der durch den Wald führte und aufgrund des Sturmes in einem Sumpf zu zerfließen schien. Der Mond war von Wolken verhangen und das Mondlicht drang an keiner Stelle durch die Wolken. Nur die Blitze, die ab und zu vom Himmel zuckten, erhellten die Nacht.

In dieser stürmischen Nacht fuhr ein einzelner Planwagen, vor den zwei sichtlich verstörte Pferde gespannt waren, über den Weg und bei jedem Meter, den er fuhr, schien er im Schlamm des Weges zu versinken, doch die Pferde befreiten den Wagen jedes mal wieder. Auf dem Kutschbock des Wagens saß eine Person mit einem schwarzen, vollkommen durchnässten Kapuzenumhang, das Gesicht im Finstern der Kapuze verborgen. Die Person hielt ihr Haupt gesenkt. Zahlreiche verladene Waren schlugen jedes Mal aufeinander und erzeugten Lärm, wenn eines der Wagenräder über einen Stein fuhr und der Wagen ruckartig angehoben wurde. Der Mann war also ein Händler, der den Weg durch die Nordwälder als kürzer erachtet und diese statt der sicheren Pflasterstraße gewählt hatte. Weiter hinten im Wagen kauerte seine Frau und versuchte sich mit einer Decke vor Kälte und hineingewehtem Regen zu schützen.

Plötzlich richteten sich die Pferde panisch auf und im Schein eines grellen Blitzes sah der Händler die Silhouette eines mit Kapuzencape und Lederrüstung bekleideten Mannes, der mitten auf der Straße stand. Im nächsten Augenblick war es wieder dunkel, doch beim kurz darauf folgenden zweiten Blitz konnte man sehen, dass die Gestalt zwei gekrümmt Dolche gezogen hatte. In der Finsternis hörte der Händler nur das Reißen der Plane und das helle Kreischen seiner Frau, dann den Ruck, der durch den Wagen ging, als die Pferde in wildem Galopp flohen.

Dieser nächtliche Überfall war das erste Auftauchen der Gestalt, die von furchtsamen Waldbewohnern, die die Geschichte des Händlers gehört hatten, von nun an nur 'der Schatten der Wälder' genannt wurde. Er verbreitete Angst und Schrecken auf den Pfaden der Nordwälder und schien immer genau dort zu sein, wo Händler mit ihren Wagen entlangfuhren. Doch seltsamerweise wurden nur Händler vom Volk der Waldelfen Opfer seiner Angriffe. Bald schon hatten sich die wildesten Gerüchte über einen vom Dämon besessenen, einen Werwolf oder sonstige Monster in der Gegend verbreitet und der Weg geriet außer Benutzung, da die Leute ihn zu sehr fürchteten. Dann blieben die Leute eine Zeit lang unbehelligt.

Schon glaubten sie sich wieder in Sicherheit, doch der Schatten, der seinen Schrecken zu verlieren begann, schlug wieder zu. In einer Siedlung der Elfen erfolgte sein erster Angriff: Des Nachts war er gekommen und hatte einen Elfen im Schlaf getötet. Als ihn ein Dorfbewohner fand, lagen seine Hände auf der Brust und darüber war eine kleine Rune gelegt worden. Sie leuchtete in einem unheimlichen schwarzen Licht, das erlosch, sobald die Rune den Körper des Toten verließ. Als der Stammesälteste den Toten untersuchte, entdeckte er, dass der kleine Schnitt am Hals des Elfen, der diesen getötet hatte, sich schwarz verfärbt hatte, was auf eine dunkelelfische Attentäterklinge hindeutet. Vier Nächte hintereinander griff der Schatten nochmals an und abermals verbreitete sich sein Schrecken, doch dann hatten die Waldbewohner abermals Ruhe. In dieser Zeit begannen die Dorfbewohner, ihre Häuser zu versiegeln und keiner der Elfen konnte in den folgenden Nächten Schlaf finden. Was ihnen doch zu denken gab, war, dass nur Elfen hohen militärischen Ranges den Tod gefunden hatten.

Keiner von ihnen kannte sein eigentliches Ziel. Nach seinen fünf Attentaten zog sich der Dunkelelf in die Tiefe der Wälder zurück, um sich auf das vorzubereiten, was er eigentlich plante. Tagelang blieb er in der Wildnis und rührte sich nicht von einem Fleck. Er bereitete sich vor auf ein Attentat, das gelingen musste, auch wenn es sein Leben kosten würde.

Nach einer Woche der Vorbereitung fühlte er sich bereit und schlich sich nachts in das Lager, in dem die gut bewachte Holzhütte seines Opfers stand. An deren Eingang waren zwei gut gerüstete Waldelfen postiert. Einer brach zum Schreck des anderen plötzlich unter einem Stöhnen zusammen. Als die schockierte Wache zum leblosen Körper ihres Kollegen trat, sich zu ihm hinunter bückte und eine dreieckige Wurfklinge aus seiner Seite zog, sprang plötzlich der Schatten aus dem Dunkel und schaltete ihn mit einigen Tritten und Schlägen aus. Er schlich sich in die Hütte und mit zwei weiteren Wurfklingen lagen auch die zwei Wachen vor der Tür des Schlafgemachs reglos am Boden. Leise schlich der Schatten weiter und öffnete die Tür. Dort lag sein Ziel, der große Talandros Erandril, Anführer der Elfen, und schlief als ein nur allzu leichtes Ziel. Er war es, der damals die Waldelfenarmee gegen das Heer geführt hatte, in dem sein Vater Offizier gewesen war und unter einem Pfeil seiner Schützen starb er auch. Das hatte der Schatten diesem General nie verziehen und nach all seinen Befehlshabern sollte nun auch er sterben. Der Schatten trat an das Bett, zog seinen nachtschwarzen Attentäterdolch mit leicht geschwungener Klinge und stieß zu. Er hatte seinen Vater gerächt. Zufrieden steckte er den Dolch zurück in den Gürtel.

Erschrocken fuhr er herum, als er auf einmal die Schritte vieler Wachen hörte und kurz darauf ein halbes dutzend Wachen in das Schlafgemach gestürmt kam. Der Schatten zog seine beiden gebogenen Kampfdolche und mit Streichen, Stichen, Schlägen und Tritten streckte er drei Wachen nieder, dann stürmte er durch den Eingang hinaus. Im Lauf streifte ihn ein Pfeil an der Hüfte und hinkend erreichte er sein Reittier, einen schwarzen Hirsch mit glühend roten Augen. Auf ihm galoppierte er in die Nacht hinaus.

Aufgrund seiner Verletzung würde er vielleicht sein Leben als Attentäter aufgeben müssen, doch er hatte seinen Vater gerächt und das Zeichen der Attentäterrune unter den Waldelfen verbreitet.
 

© Talandriel
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