Der Ruf des Käuzchens durchschnitt die
Stille der Nacht. Trügerisch ruhig und friedlich wirkte der Mantel
der Nacht.
Am Firmament zog ein sterbender Stern zum
letzten Mal am Himmel entlang, ehe seine Überreste in der Stratosphäre
verglühten.
Leise raschelt es im fauligen Stroh des dunklen
Verlieses, scharfe Krallen huschen über den moderigen Boden ... nagen
spitze Zähne an den Knochen jener, die seit zu langem hier "Gast"
sind.
Müde blickt ein paar grüner Augen
gen dem verglühenden Stern.
Wieder und wieder vollzog sich jede Nacht,
bevor Luna ihre volle Pracht erlangte, das gleiche.
Erst diese unglaubliche Anspannung... und
doch auch Müdigkeit.
Dies Verlangen, jetzt den Geruch des Waldes
einatmen zu können.
Das Moos des Waldes unter der blanken Fußsohle
verspüren... mit den... Die Haarmähne wird wie trotzig nach hinten
geworfen. Was ging denn nur in ihren Gedanken vor?
Die junge Frau sah traurig auf die eisernen
Fesseln an ihren Handgelenken und den Fussknöcheln. Nein... auch diesesmal
wird sie nur in Gedanken frei sein... ja... ihre Gedanken sind frei.
DAS zumindest hatte sie noch. Sich und ihre
Gedanken.
Ein heisser, stechender Schmerz, wie ein heisses
Eisen, das man ihr ins Rückenmark stiess, liess sie leise wimmern...
doch es vernahm man eher wie ein leises Knurren.
"Oh nein... nein... nicht..." Verzweifelt
zerrte sie an ihren Fesseln. Doch sie hielten ... hielten sie ab, liessen
keine Regung zu. Nicht mal an den Teller mit der sauer gewordenen Milch
und der undefinierbaren Pampe darauf kam sie heran. Ein dumpfer Ton, als
sie ein neuer Schmerz in die Knie zwang. "Hil..rrrhhhhh..." Panisch registriert
sie, dass ihre Gedanken zu verschwimmen beginnen... sich etwas anderes
dazwischen schiebt.
Je mehr sie sich dagegen wehrt, um so schmerzhafter
wird es. Doch woher soll sie es wissen.
Jetzt in diesem Moment weiß sie nichts
mehr... denn der Schmerz bringt sie wörtlich um den Verstand.
Ein Schmerz, so heiß wie das Feuer,
das sie gestern noch im Innenhof lodern sah.
So sehr sie sich zusammenreissen will, es
geht nicht mehr.
Guturale Schmerzenslaute gellen durch das
enge, kalte Verlies, als die Strahlen des stillen Trabanten ihren Körper
Restlos in das silbrige Licht einhüllen.
Längst kann sie sich nicht mehr auf den
Beinen halten. Die Krämpfe und Zuckungen zwingen sie längst in
die Knie.
Schwer hört man den Atem der noch kindlich
wirkenden Frau durch die ansonstene Stille rasseln... dazwischen immer
wieder etwas wie ein trockenes, aber doch unendlich gequält verlautendes
Knurren... das Scheuern eines sich auf dem Boden windenden Körpers...
Nägel, die sich vergeblich nach Halt suchend in die Platten des steinigen
Bodens krallen...
Sie bekommt nicht mit, dass ein paar gestochengelber
Augen sie aufmerksam beobachten... sich ein bleiches Gesicht zu einer grausamen
Maske des Genusses an ihrer Qual zu einem Lächeln verzieht... sich
weidet an dem, was es sieht. So hört sie auch nicht, wie eine rauhe,
widerlich fistelige Stimme wispert: "Jaaaaaaa... so ist es recht, mein
Wolfskind... zeig Dich endlich... zeig mir, was in Dir steckt... lass die
Jahre meines Schaffens und Versuchens endlich einen Erfolg werden. Sei
mein Stolz, meine Gründerin der gefährlichsten Vorboten des dunklen
Reichs, welches ich erschaffen will."
Eine grauenvolle Gestalt blickt immer wieder
in das Verlies.
Krumm, wie verwachsen, gelbliche Haut, schuppig
teilweise. Lange, knochige Finger umschliessen die Stäbe des Verlieses,
rutschen unruhig rauf und runter.
Der schwarze Umhang vermag nicht die ledrigen
Auswüchse auf seinem Rücken zu verdecken... faltige Schwingen.
Hechelnd hängt eine bläuliche Zunge
zwischen widerwärtigen schwarzen Lippen hervor, sprüht schleimiger
Speichel hervor bei der Betrachtung, immer wieder ein Murmeln.
Das Reissen und Knirschen von Stoff lässt
die widerliche Kreatur vor dem Verlies verstummen... nur noch ein genüssliches
"Aaaah..." ist zu vernehmen, als er erneut zwischen den Stäben hindurchspäht.
Er beginnt sich noch mehr an dem Anblick zu weiden, nun sichtlich erregt
beobachtet er das Geschehen, als die Schreie kaum noch erträglich
werden in der Pein, welche die Kreatur dort drinnen zu erleiden scheint.
Ein grauenvolles Knirschen und reissen vermischt
sich mit dem der Kleidung, als Gliedmaßen beginnen sich unnatürlich
zu verformen... Muskeln sich dehnen wie unter kleinen Explosionen. Die
Hände, die sich haltsuchend in den steinigen Untergrund krallen, verformen
sich zu riesigen Pranken... die Nägel wachsen in unglaublichem Tempo,
sich dabei schwarz verfärbend, gefährlich scharf und lang.
Muskulöser der Körper, doch so unförmig...
spriessen silberne Haare am gesamten Rumpf entpor, legen sich über
alles.
Mit einem satten Klirren fallen zersprengte
Ketten zu Boden. Der Kopf fällt nach vorn, verbiegt sich scheints...
blitzen aus einer spitz zulaufenden Schnauze gefährlich lange Reißzähne
hervor, stemmt die Kreatur sich auf Pfoten ab... zitternd am ganzen Körper
unter der unmenschlichen Anstrengung.
Die Schreie werden abgehackter, dann endlich
verstummen die Geräusche... Nur das mühsame Atmen von etwas,
das eben noch eine zierliche Frau war. Rote Augen im Feuer der Wut und
der Grenze zum Wahnsinn glühen im Dunkeln. Aus dem Atmen wird Hecheln...
dann ein dumpfes Grollen, das zottige Haupt ruckt zur Verliestür.
Die Kreatur dahinter fährt zusammen, als die Augen des Wesens im Verlies
hasserfüllt zu glimmen beginnen... dann unvermittelt erbebt die Tür
in ihren Angeln... wirft sich immer wieder der massigeKörper mit voller
Kraft dagegen, kratzen messerscharfe Krallen daran entlang.
Mit einem Wutschrei setzt der Dämon zurück,
als die dolchartigen Zähne des Werwolfs mit wütendem Grollen
die Gitterstäbe umschliessen. Die Tür erbebt, wackelt...
Fassungslos und doch gespannt wartet der alternde
Dämon. SEINE Dienerin ist erwacht... endlich... so lang schon hatte
er daran gearbeitet. Nein... sie war nicht herkömmlich entstanden
wie die anderen schwachen Geschöpfe. Sie war SEIN Werk... und SEIN
unsterbliches Blut floss durch ihre Adern... Sie war eine grauenvolle Schöpfung,
nicht nur Wölfin. Sie würde, wenn ihre Kräfte einst voll
entwickelt waren, alles andere in den Schatten stellen, das je dem ähnelte,
was sie war.
Eine Silberwölfin... kontrollierbar...
nicht den Gezeiten des Mondes unterworfen... doch für die erste Wandlung
noch musste es sein... Heute endlich wurde es vollbracht.
Die Söldnerin des Teufels ward geboren.
Er rieb sich die schuppigen Hände, keuchte dann doch auf, als ein
Ächzen durch das alte Holz der Verliestür lief... und jäh
zur Seite sprang.
Staub und Dreck wirbelte durch den Erker...
die Fackeln an der Wand verloschen zischend, als hätte jemand sie
in einen Eimer Wasser getaucht. Eiseskälte zog wie wabernder Nebel
zu ihm... Selbst einem hartgesottenem Dämonenfürsten wie ihm
wurde jetzt mulmig. Warum reagierte sie so? Unsicher trat er einen Schritt
zurück, obgleich seine Stimme harsch zu ihr klang: "Was soll das,
Garafhên... geh zurück wohin Du gehörst! Ich habe Dir nicht
erlaubt..." Wütendes Kläffen... drohend unterbrach den Redeschwall...
das silbergraue Haupt der Wölfin schüttelt sich... Verschwommen
noch sieht sie... Das ärgert sie noch mehr... Dieser Schmerz noch
dazu, er will nicht vergehen... Sie will reden... doch erneut nur ein Grollen...
zunächst... und verdammt... warum...
Warum bin ich auf allen vieren... Wo bin ich...?
Mein Blick irrt durch diesen merkwürdigen Keller, den ich so oft sah
in den letzten vierzehn Jahren... Seit ich ein Kind war hielt er mich hier.
Immer wieder diese Tortour... diese Schmerzen...
angekettet... Ich konnte mich seit Jahren nicht bewegen. Warum jetzt? Und...
oh Luna... warum... Jetzt sehe ich... und ich fühle... Du verdammter
Kerl... was hast Du mit mir getan... WAS... Ich versuche mich aufzurichten,
stur ihn dort anstarrend... Hach, er hat ANGST... ich kann sie fast schmecken...
Der Dämon dort hat ANGST vor mir... ja... komm... dich hol ich mir...
Ein merkwürdiger Hunger treibt mich an... meine Hinterläufe...
Oh Gott. Ich kann es nicht fassen, WAS aus mir wurde...
Blutige Nebel hindern mich an meinem weiteren
Denken... ich schmecke metallische Flüssigkeit... es ist kein Wasser...
und frisches Fl... Dunkelheit... dann...
Hier... auf einer Lichtung. Ein zierlicher,
wie zerbrechlich wirkender Leib zusammengekrümmt.
Ein Schrei und das Wesen sprang am ganzen Leib
zitternd hoch.
Wo bin ich? ...und um der... ja wer... was...
und wer bin ich??
Was... wie... wie komme ich hierher? Warum
habe ich Angst... und doch... warum zieht es mich dorthin...
Ich... ich spüre... ich rieche... fühle...
dort, hinter den Stämmen... ein Weg... ein Pfad... eine... Stadt?
© TaShiRa
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