Die dünne Gestalt des Chinesischen Kochs
tapste mit kleinen eifrigen Schritten hinter Chirtines Haushaltsperle hervor
und legte, über beide Ohren grinsend, den Kopf etwas schief.
"Oh, seid mil geglüßt", nuschelte
er leise, ohne seine Lippen dabei zu verziehen, während er seinen
Kopf rauf und runter bewegte.
Moordrache war gerade in Versuchung gekommen,
zurück zu lächeln, als ihm das merkwürdige Verhalten der
Drachin komplett ablenkte. Langsam schob sie ihren Kopf vor und blähte
ihre Nasenlöcher auf, schnüffelte ein paar Mal und schüttelte
den Kopf.
"Was ist denn, meine Liebe?" fragte er, bemüht
freundlich zu klingen.
Mathilde riss die Augen auf, lächelte
ihr schönstes Lächeln, wobei sie eine Reihe wunderschöner
flacher und abgekauter Backenzähne freilegte, und klimperte verdächtig
mit den Wimpern, bzw. den Lidern, denn Wimpern waren etwas, was sie schon
seit langer Zeit nicht mehr besaß.
"Öhm ... nix, lieber Drache!" Sie stemmte
eine Pranke in die Hüften, während sie mit der anderen den Eimer
nebst Inhalt eifrig hin und her schlenkerte.
"Bitte?" fragte Moordrache.
Souf-Lee wand sich an Chirtine und fragte,
ob sie für den heutigen Tag schon irgendwelche Menüvorstellungen
hätte.
"Ach nein, das überlasse ich dir. Du
zauberst uns doch bestimmt was ganz kööööstliches,
nich? Hier", sie nahm Webolo an der Hand und zog ihn zu Souf-Lee, "nimm
den Kleinen mit und verrate ihm ein paar Geheimnisse der Fantiastischen
Küche, darüber freut er sich bestimmt, gell?" Sprach’s und schickte
sie beide in die Küche, während sie sich bei Ya Coo Sa unterhakte
und ihn zu einem kleinen Spaziergang aufforderte. Canerio betrachtete sich
den knorrigen Körperbau der Drachendame, schüttelte sanft sein
Haupt und entschuldigte sich mit den Worten: "Ich werd' mal nach Rosinante
und Orhima sehen, sonst machen sie nur wieder dummes Zeug." Fadenscheinig
zwinkerte er Moordrache zu und lief dann mit quietschenden, fast hastigen
Schritten zu den Ställen hinüber. Sylveria entschuldigte sich
als nächste, sie wolle sich ein wenig hinlegen, da ihr die brütende
Hitze hier doch ganz schön zusetze und ein bißchen dösen
um diese Zeit einfach perfekt wäre. Mathilde lächelte verzeihend,
doch schien sie dabei nicht in der Lage, ihren Blick von Moordrache zu
lösen, der so langsam sichtlich nervös wurde. Was zur Folge hatte,
daß er sich, eigentlich so ganz belanglos und nur um nicht völlig
tatenlos herumzustehen, hinter dem linken Ohr kratzte. Nur ganz kurz. Kaum
zu bemerken. Doch ein stumpfes, trübes Augenpaar verfolgte diese Bewegung
mit solch einer Hingabe... Mathilde sog Luft ein, kam sofort näher
und begutachtete sorgfältig und mit dem Blick eines Kenners die so
eben bekratzte Stelle an Moordraches Ohr.
"Habt Ihr das öfters?" fragte sie mit
einem sehr ernsten Unterton.
"Was denn?" Moordrache wußte, daß
er soeben einen Fehler begangen hatte, nur in welchem Ausmaß, das
wußte er nicht. Noch nicht.
"Na, dieses Jucken!"
"Jucken? Nein, nein ... nicht doch, da habt
Ihr bestimmt nicht richtig hingesehen."
"Mein Lieber, ICH sehe immer richtig hin!"
Sie griff in ihren Eimer und zog eine kleine, unscheinbar wirkende Sprühdose
heraus, zupfte ihn am Ohr und hielt dann das herausgezogene Objekt angeekelt
gegen das Licht.
"Aha ... wußt' ich’s doch! Drachenmilben!"
Ehe er sich’s versah, umhüllte ihn eine
Wolke aus feinstem Nebel, deren penetranter Duft ausgereicht hätte,
um sämtliche Dschungel-Insekten zu vertreiben.
"Hey, was soll das, bist du denn bekloppt?"
rief er entsetzt und mußte furchtbar niesen.
Staub wirbelte auf und Mathilde schrie entrüstet
auf: "Tölpel, du machst ja alles schmutzig! Sieh dir das an, oh...
die ganze Arbeit, neeee...!"
"Pff, was interessiert mich deine Arbeit,
hä? JETZT juckt's mich überall, wegen deinem blöden Spray!"
Moordrache kribbelte es an allen möglichen Stellen, er wußte
überhaupt nicht, wo er zuerst kratzen sollte und, er gestand sich
ein, in Gegenwart dieser wandelnden Waschanlage traute er es sich auch
nicht so recht. Doch der Reiz wurde zu stark, es kribbelte und zwackte,
biß und juckte und schon...
"Na, kribbelt wohl, wie? Warte, ich werde
dir helfen." Mit einer Geschwindigkeit, die der Moordrache noch nie bei
einer Laufdrachin gesehen hatte, raste Mathilde zur Wasserpumpe, griff
sich den Schlauch, stöpselte, steckte und hantiere mit seltsam anmutenden
Verschlüssen herum, lief, den nach allen Richtungen Wasser verspritzenden
Schlauch zwischen den Klauen, wie eine Furie zurück zum Moordrachen
und begann mit gnadenloser Härte ihr Werk.
Wie die Rachegöttin der Spülbürsten
umkreiste sie ihn und hielt den Wasserschlauch immer schön auf ihn,
auch sein lautes nach Luft Japsen stoppte sie in keinster Weise. Am Eimer
angekommen, griff sie flink nach einer kleinen, giftgrünen Flasche,
schüttelte sie kurz und verpaßte ihm dem Inhalt als volle Breitseite.
Kurz aufgespült, bildete sich jetzt eine wunderschöne, glitzernde
Schaumdecke, unter der alsbald der ganze Drache verschwunden war. Gelassen
warf Mathilde den Schlauch in den Sand und griff zu ihrem Schrubber.
"Gleich wird’s besser, Süßer",
flötete sie ungeachtet dessen, daß der Moordrache unter der
dicken Schaumdecke kein Wort von all dem verstand und gerade mit seinem
Leben abschloß. Rauf und runter rubbelte sie mit den harten Borsten
über den - ihrer fachkompetenten Meinung nach - restlos vermilbten
Schuppenpanzer des armen Drachen, während sie fröhlich ein Liedchen
zu trällern begann. Sie kletterte auf ihn rauf, schrubbte kräftig,
wieder herunter, schob und drückte, Moordrache lag absolut regungslos,
denn er wußte, nichts, rein gar nichts würde dieses Seifenmonster
in seinem Treiben aufhalten können, bis es sein Werk vollendet hatte.
Zudem kam, und das nahm er etwas erstaunt zur Kenntnis, daß er diese
"Abreibung" so schlecht gar nicht fand. Es tat eigentlich sogar sehr gut
und er hätte fast schon angefangen, es etwas zu genießen, als
ihn ein erneuter eiskalter Strahl Wasser aus seinen Gedanken riß.
© by Sylvia
"Gleich sind wir fääärtig....
schön, neee? Man fühlt sich so sauber doch gleich viel besser,
nich?"
Mathilde vollzog genüßlich den
letzten Spülgang, stellte das Wasser ab und räumte zuerst sorgfältig
alle Utensilien aus dem Weg, bevor sie ihr Werk begutachtete. Vor ihr lag
ein riesiger, tropfnasser Berg Drache, der sie ansah wie ein geprügelter
Hund.
Jedoch mit solch spiegelblanken Schuppen,
deren Oberfläche derart strahlten, daß sogar Sylveria vor Neid
erblaßt wäre.
"Schon fertig?" murmelte er leise.
"Na, mein Drachelchen, nich traurig sein.
Wenn du möchtest, können wir das doch jederzeit wiederholen!"
Moordrache hörte nur ein Wort: Wiederholen
...
"Wiederholen? Oh... nein, das wird nicht nötig
sein, vielen Dank, war ganz ausgezeichnet, völlig ausreichend...",
langsam schob er seinen nun spiegelblanken Körper rückwärts,
Stück für Stück, und lächelte Mathilde dabei an.
"Ich geh dann jetzt, war wirklich schön,
vielen Dank...", bloß weg hier, dachte er, drehte sich schleunigst
um und hob ab. "Und ich dachte immer, ich kenne schon alle Verrückten",
murmelte er leicht erstaunt und sah mit Freuden, wie Mathildes Erscheinung
unter ihm immer weiter verblaßte, bis sie schließlich ganz
verschwand. Er flog eine kleine Runde über die dichte Blätterdecke
des wilden Dschungels unter ihm, um den Rest Feuchtigkeit aus seinen Schuppen
zu vertreiben, ja, und wenn er auch nur annähernd geahnt hätte,
was dort unter ihm gerade geschah....
Crosideria saß auf einem dicken Ast
und ließ gemütlich ihre Beine baumeln, während Bääärtram
schnurrend und glucksend auf ihrer Schulter saß und sich an sie kuschelte.
"Dieser drachige gemain, er glückt mir
nicht ein bisschen gönn! Aber mir ein was fällt, ich küche
dich in die Versteckt, beim vermuten kocht dich keiner. Komm schnell, wir
eilen uns bemüssen, sonst späte ich noch zu komm und das fallte
aufwürden!" Schnell packte sie Bääääärtram
wieder in ihre kleine Tasche und lief zurück.
Später am Abend, als sich alle bis auf
Crosideria wieder eingefunden hatten, setzten sie sich draußen an
einen großen Tisch, den Chirtine zusammen mit Mathilde liebevoll
gedeckt und geschmückt hatte, und bestaunten das köstliche Essen
das Souf-Lee und Webolo zusammen gekocht hatten. Es gab gebackene Bananen
im knusprigen Kokosmantel, Kokosnüsse, randvoll gefüllt mit gewürztem
Bananenmark, Bananenpizza mit Kokosstreuseln, Banane auf Eis, sogar Salat
aus gestiftelten Bananen und Walnußkernen. Nur Ritter Canerio sah
ein wenig unglücklich aus, anhand dieses fruchtigen Angebots. Sein
Blick fiel auf Webolo, der mit vor Stolz und Freude glänzenden Augen
neben Sylveria saß und überaus glücklich war. Er liebte
Bananen und Souf-Lee war so begeistert darüber, mit welchem Geschick
ihm Webolo in der Küche zur Hand ging, daß er ihm die Auswahl
des Menüs überließ. Er wollte gerade etwas wenig Nettes
zu seinem Knappen sagen, doch da kam Crosideria aus Richtung Küche
angelaufen, nickte kurz allen zu und setzte sich charmant lächelnd
neben Ya Coo Sa.
"Wieso kommst du denn aus der Küche gelaufen?"
fragte Chirtine Crosideria erstaunt.
"Och, ich dachte, ich könnte vielleicht
ein bißchen zur Hand gehen, tut mir leid, daß ich so spät
gekommen bin, aber..."
"Schon gut, das macht wirklich nichts", unterbrach
sie Chirtine, "jetzt bist du ja da und das ist doch die Hauptsache, nicht?"
Souf–Lee kam auf Canerio zu und fragte, ob
er vielleicht einen speziellen Getränkewunsch hätte, und mit
einem leichten Seufzen bestellte sich Canerio einen kräftigen Weißwein.
"Paßt doch zu Banane, meint Ihr nicht auch?" fragte er .
"Abel gewiß, weltel Littel, sogal sehl
gut! Ich welde ihn sofolt holen." Mit kleinen, eifrigen Schritten tippelte
der Koch zurück zur Küche, wo er nur ein paar Sekunden später
wieder heraustrippelte mit drei bauchigen Flaschen im Arm. Er schenkte
zuerst Canerio ein, lächelte und fragte dann die anderen Anwesenden:
"Noch etwein Was?"
"Sagt er was gehat?"
"Neiß wicht ..... Drooochmaare, hat
du was er weißt?"
Moordrache, der neben dem reicht gedeckten
Tisch sein Lager aufgeschlagen hatte und dem von all dem süßlichen
Bananen- und Kokosgeruch schon ganz anders war, wurde nun noch eine Nuance
weißer, viel weißer als es eigentlich nach Mathildes Behandlung
noch möglich war, und biß sich auf die Krallen. Nicht reden,
nein, nicht, bloß nicht antworten... krampfhaft schluckte er aufkeimende
Satzbildungen wieder hinunter, würgte... oh nein, sie bahnten sich
ihren Weg nach draußen und schon brüllte es hinaus: "Niiiiiiiitte
bicht, negug, nicht ich mill mer. Waaaaaaaaaaaaaaahhhhhh....." Schluchzend
warf er seinen massigen Körper auf den Boden und begann in den Sand
zu beißen. Crosideria stand auf, flitzte um den Tisch und wollte
sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen, doch Moordrache,
der das bemerkte, rappelte sich sofort wieder hoch und versperrte ihr den
Weg: Sand rieselte ihm von Nase und Kinn als er zu sprechen begann und
verlieh seinem Äußeren jetzt einen sehr krätzigen Ausdruck.
Mathilde griff sofort zu ihrer Bürste, doch ein Blick aus den wild
lodernden Augen des Moordrachen genügte, um selbige sofort wieder
verschwinden zu lassen.
"Bliebgehieren! Oh ... du himmste aller Schlexen!
Dieh sir das an! Alles durchgebracht einander hast du!" Crosideria trat
aufmüpfig einen Schritt vor und blaffte genauso aufgebracht zurück:
"Und schenn won? Dracheliger dusse du, Bäääääärtram
looo sieb ist, noooo siedlich, niel viedlicher als du!"
Canerio sah erschrocken Chirtine an. "Wir
enden dem ein müssen bereiten! Wo kerlt der steck?"
Chirtine knabberte an ihrer Unterlippe und
zuckte verzweifelt mit den Schultern.
"Stebimmt beim Koch, mit ihm fang alles angehatten!"
warf Ya Coo Saa ein und bedachte den Koch mit einem scharfen Blick. Souf-Lee
erschrak entsetzlich und rief: "Kein Bääääältlam
mil bei, ich unbin schuldig!"
"Unbin schuldig? Ha, das bealle haupten!"
rief Canerio dazwischen.
"Mithört da auf, das ist ja halt zum
ausnichten!" Chirtine rollte mit den Augen und preßte sich beide
Hände auf die Ohren.
"DROSICERIA", brüllte Moordrache, "wo
hast du ihn diessteck vermalt?"
Crosideria duckte sich etwas und verzog beleidigt
das Gesicht.
"Ich halt ihn aber bewillen!" murmelte sie
ganz geknickt. Moordrache blickte auf sie hinab, nahm all seine Geduld
zusammen und flehte: "Verdoch mich steh... er gehert hier nicht hör.
Auch magst du ihn wenn, er durchbringt alles einander und wir können
uns nicht stehn vermehr, hm? Mir ihn gib, ich wege ihn bring wo er hört
gehin. Sorgt unbesei, es schieht ihm nichts gewerden, mein wohrenehrt!"
"Er kücht in der iste", antwortete sie
schniefend und ganz leise, während kleine Tränchen sich langsam
einen Weg über ihre Wange bahnten.
"Wicht neinen", flüsterte Moordrache
und stupste sie leicht mit seiner Pranke.
Crosideria schnüffelte heftig vor
sich hin und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht.
"Ga nuut, muß es sein wenn", schluchzte
sie. "Aber ich komm mitwillen, Angstram behat stimmt Bääärt
vor dir!"
"Hol, wir kommen ihn und zücken ihn zubring",
meinte der Moordrache aufmunternd.
Sie marschierten gemeinsam zu Chirtines Hütte,
woraufhin sich Crosideria schnurstracks in die Küche begab, um ihren
heißgeliebten Bääärtram an sich zu nehmen. Ihr fielen
beinahe die Augen aus dem Kopf, als sie sah, wie der Koch ihr Lieblingstierchen
gerade auf den Hackstock fesselte.
© by Sylvia
"SOUF-LEE!!" schrie sie entsetzt. "Bääärt
sofort den Lassram los!"
Wie eine Furie stürzte sie sich auf den
chinesischen Koch, der völlig ahnungslos mit Bäärtram herumhantierte
und ihn ausschimpfte, weil er nicht stillhalten wollte und verzweifelt
fiepte. "Luhig, du Schleihals! Kleines glässliches Monstel!"
Bei Crosiderias schriller Stimme fuhr Souf-Lee
herum und sah erstaunt, wie die Hexe mit fliegenden Gewändern und
zornfunkelnden Augen auf ihn zurauschte.
"Walum Ihl so schleit?" wollte er wissen,
"Bääältlams gute Suppe geben! Sehl nahlhaft!
"Ich spinn, du glaubst!" rief sie wutentbrannt
und versuchte, dem Koch das arme Tierchen zu entreißen, doch der
wieselflinke Souf-Lee schnappte sich Bääärtram und flitzte
mit ihm durch die Küche.
"Her ihn gib! Aber stell der Aufe!"
"Nein, el topft in den Einkomm!"
Er war so schnell, daß die Hexe ihn
nicht erwischte. Sie schrie Zeter und Mordio, so laut, daß der Moordrache
draußen vor der Hütte schon ganz nervös von einem Bein
auf das andere hopste. Aber er war viel zu groß, um sich in das kleine
Häuschen zu zwängen, so klebte er nur mit dem Gesicht an der
Scheibe und versuchte, mit einem Auge durch das winzige Küchenfenster
zu spähen. Drinnen sah er die wildgewordene und mit einer Bratpfanne
bewaffnete Crosideria hinter dem Koch hersausen, der den quietschenden
Bääärtram an sich gepreßt hielt, als hinge sein Leben
davon ab.
"Guckdrache, moor nicht", brüllte die
Hexe, die das riesige Drachengesicht hinter dem Fenster auftauchen sah,
"hilf lieber Hole! Er will Bratram zum Abendessen bääärten!"
"Zum Abendessen?" Moordraches schuppige Augenbrauen
schnellten freudig in die Höhe, "hehehe, guuute Idee!"
Aber ein heftiges Schubsen und Drängeln
brachte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Webolo hüpfte
neben ihm auf und ab wie ein Gummiball und versuchte, den riesigen Drachen
wegzuschieben, damit er in die Hütte gucken konnte. Auch Chirtine,
Ya Coo Sa und der Ritter fanden sich schnell ein, um nachzusehen, woher
das Geschrei stammte - gefolgt von Mathilde, die mit dem Besen zwischen
ihren Füßen herumkehrte und dabei mißmutig vor sich hin
grummelte.
"Mit ihren riesigen Schmutzen machen sie alles
füßig", brummte sie, "kehrig darf ich ihnen hinterher dauernd,
keine Hab manieren die! Stauben nur Mach und Dreck! Und ich putz das wieder
wegmussen..."
"Oooch", piepste Webolo und versuchte dabei,
den riesigen Drachen beiseite zu schubsen, "breit doch mal und mach dich
nicht so rutsch - ich seh auch was willen!"
"Was vort denn hier geh?" wollte Canerio wissen
und setzte eine gestrenge Miene auf. "Wer schreit da so ein Gemacht? Crost
das Isideria?"
"Oh, die Fahre ist in Gehex!" mischte sich
noch der Schwarzmagier ein, als er Crosiderias Hilfeschreie aus der Küche
vernahm. "Ich rett sie mussen!"
Er wußte ja nicht, daß es eigentlich
der Koch war, der Schutz vor einer wütenden Tierschützerin bedurfte,
und warf sich heldenhaft in die Brust, doch bevor er zur Rettung der holden
Hexe schreiten konnte, schob ihn die resolute Chirtine beiseite und quetschte
sich an ihm vorbei durch die Tür.
"Souf-Lee!" sagte sie streng, "wenn du stell
auf der Nichte den Gibram herbääärtest, kannst du dir eine
neue Suche arbeiten!"
Und tatsächlich: der kleine Koch blieb,
sichtlich erschüttert von der Aussicht, sich eine neue Stelle suchen
zu müssen, stehen und sah betreten zu seiner zornroten Chefin hoch.
Die Gelegenheit nutzte das Fellknäuel in seinem Arm und hieb ihm kräftig
seine nadelscharfen Zähne in den Finger.
"Au!" kreischte Souf-Lee, während die
aufgelöste Crosideria schnell den kleinen Bääärtram
in Sicherheit brachte. "Galstiges Untiel! Eine lichtige Bestie, del ist
ja schlimmel als ein Gloßel! Ich sollte dil sämtliche Blüllaffen
aus dem Ulwald auf den Hetz halsen! Duuuu kommst mil nicht in meine Suppe!"
Beleidigt verzog er sich, von Bääärtram,
der sich wieder in Crosiderias Arme kuschelte, mit bitterbösen Blicken
bedacht.
"Oooch, Rambääärt", seufzte
die Hexe bedauernd, "ich besser, es ist glaube, wenn wir dich wieder in
den Bring walden." Tröstend kraulte sie ihm das Kinn.
Dann wandte sie sich schniefend zur Tür.
"Gehdrache, komm wir mooren!"
Mit argwöhnischen Blicken beobachtete
Mathilde, die gerade den gedeckten Tisch mit einem kleinen Handfeger entbröselte,
wie Crosideria und der Moordrache einträchtig nebeneinander her Richtung
Wald stiefelten und zwischen den Bäumen verschwanden. Mißmutig
runzelte sie die Stirn.
Nicht genug, daß dieser ungebetene Besuch
auf dem Fanti-Hof alles durcheinanderbrachte und in ein heilloses Chaos
stürzte und sie den Gästen ständig hinterherräumen
mußte - jetzt seilte sich der Drache auch noch in den dichten Wald
ab, wo er unweigerlich wieder alles mögliche und unmögliche Viechzeug
aufgabeln würde, das nichts Besseres zu tun hatte, als sich in seinem
frischgeputzten Schuppenpanzer festzusetzen.
Wie hatte sie sich angestrengt! Porentief
rein war er nun, mit aprilfrischem Duft und blitzsauberen Schuppen, an
die sich höchstens noch lebensmüde oder putzmittelsüchtige
Drachenmilben herangewagt hätten. Und was tat er? Spazierte ohne nachzudenken
einfach in den Wald, wo er sich natürlich wieder schmutzig machen
würde.
Aber Mathilde würde sich ihre Arbeit
nicht von diesem dahergelaufenen Drachen ruinieren lassen! Sie seufzte
tief und sammelte eilig ihre Utensilien in den Putzeimer. Besser, sie ließ
ihn nicht aus den Augen, damit sie gleich einschreiten konnte, sollte der
Drache von gemeinem Ungeziefer angefallen werden. So klemmte sie sich entschlossen
ihren Schrubber unter die Achsel, packte den Eimer und schlich den beiden
leise nach.
Der Drache und Crosideria merkten gar nicht,
daß sie von einer sauberkeitsfanatischen Laufdrachendame beschattet
wurden, sondern wanderten arglos unter dem dichten, grünen Blätterdach
dahin.
"Da stelle ist die Vorne", Crosideria deutete
den schmalen Waldweg entlang und blickte fragend zum Moordrachen hoch.
"Auf hab ich ihn dortgelesen. Setzen wir ihn hier absollen?"
Grübelnd musterte er die Umgebung.
Währenddessen klammerte sich Bääärtram
am Ärmel der Hexe fest und fiepte jämmerlich.
"Has wast du denn?" erkundigte sie sich besorgt.
"Gut's dir nicht geht?"
"Hallolo", hörte sie Bääärtrams
Piepsstimmchen stottern, "niiiiiicht zurück!"
"Uii ..." Crosideria staunte nicht schlecht.
"Du sprechst ja kannen!"
"Niiiiicht zurück .... da sind .... da
sind ...."
"Seine Korge", beruhigte sie den Kleinen,
"hier nie istmand, der dir Tutes böst."
Aber Bäääärtram hing an
ihr wie ein Klammeraffe und schlotterte am ganzen Leib, mit seinen dünnen
Fingerchen zeigte er aufgeregt in den dichten Wald abseits des Pfades.
"Da ... da ... da ..."
Moordrache und Crosideria tauschten einen
verständnislosen Blick und die Hexe zuckte hilflos mit den Schultern.
Was war nur mit dem Kerlchen los?
"Bäääärt, kleiner Ruhigram",
tröstete sie das Tierchen, "mein uns, was du zeigst." Sie schritt
entschlossen auf den Rand des Unterholzes zu, um zu demonstrieren, daß
dort keine Gefahr lauerte, während sie beruhigend auf Bääärtram
einredete.
Doch dann erstarrte sie.
"W...w...was das ist??"
Mit spitzen Fingern zeigte sie ins Gebüsch.
Als Moordrache sich daraufhin umdrehte, sah
auch er, was Crosideria zum Stottern brachte: im Unterholz hockten Dutzende
von diesen Bääärtrams, kleine haarige Viecher mit spitzen
Ohren und ebensolchen Zähnen, und musterten sie aus schwarzen Knopfaugen
neugierig.
"Wasram", flüsterte die Hexe, "bäääärt
ist das?"
"Brüüüüüüder",
hörte sie den Kleinen fiepen, "und Schweeeeestern - die sind ja sooooo
gemein zu mir!"
"Deine Geschwister?"
Bääärtram nickte und zeigte
auf die einzelnen kleinen Wesen:
"Bäääärta, Hubääääärt,
Bäääärthold, Bääääärbel, Camembäääärt
..." Die Namen sprudelten nur so aus ihm hervor, und die Reihe der Geschwister,
die er aufzählte, wollte schier kein Ende nehmen.
Crosideria war entzückt - ein ganzer
Streichelzoo tat sich da im Unterholz auf – lauter niedliche kleine Tierchen,
die so aussahen, als könnten sie es gar nicht erwarten, gekrault zu
werden.
"Guckdrache, moor doch mal!" flüsterte
sie hingerissen. "So bääärte kleine Vielrams!"
Als keine Reaktion erfolgte, warf sie einen
schnellen Blick zum Drachen hinüber. Er stand völlig erstarrt
und mit schreckgeweiteten Augen da und gaffte fassungslos die Horde kleiner
Pelztiere an. Ein heftiger Atemzug ließ seine Schuppen erzittern,
dann stieß er einen Schrei aus, der Crosideria in die Knie gehen
und sich die Ohren zuhalten ließ:
"WEEEEG HIIIIER!"
Doch es war schon zu spät...
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