Trio Infernale von Sylvia und Cancelot
Die reale Drachental-Satire
Dämonische Reiserouten

Webolo fühlte sich, als würde er durch einen riesigen Fleischwolf gequetscht. Er war sich nicht klar darüber, ob der Rachen um ihn herum und mit ihm der Dämon ins schier Unermessliche zu wachsen schien oder ob er dagegen selbst zusammenschrumpfte - jedenfalls sahen die gelblichen Zahnreihen des Dämons auf einmal aus wie turmhohe Palisaden und die Zunge wie ein unüberwindbarer Berg, an dessen Ende zwei riesige Portale nur darauf warteten, sie in unheimliche Tiefen zu reißen. 

Zwischen den grässlich spitzen Zähnen hindurch sah er den Moordrachen wütend herangaloppieren, doch ehe dieser den Dämon erreichen konnte, zerrte plötzlich ein gewaltiger Sog an Webolos Armen und riss ihn nach hinten, vorbei an einem Paar überdimensionaler dämonischer Rachenmandeln in eine endlos erscheinende, hellrote Röhre. Wie eine Schlenkerpuppe wurde er umhergewirbelt, flog von einer der glitschigen Wände zur nächsten, prallte mit dem wild um sich tretenden Canerio zusammen - und das alles, während er verzweifelt versuchte, sich an Rosinante Schweif festzuhalten, um nicht abgetrieben zu werden und am Schluß vielleicht irgendwo zu landen, wo er gar nicht hinwollte.

"Hilfe!" kreischte er und wirbelte um die eigene Achse, "hilfe ... was ist das? Meister? Meeeeeeiiiiister!"
Waren sie vielleicht doch wieder in eines dieser unberechenbaren Dimensionstore geraten?
Webolo flog umher wie ein Gummiball, sah den Ritter armrudernd und mit weit aufgerissenen Augen an sich vorbeirasen, dann wurden sie abrupt um eine Kurve geschleudert. Von da an ging es steil nach unten, wie in einer Rutschbahn sauste der Knappe auf dem Hosenboden unaufhaltsam in die Tiefe, gefolgt von seinem röchelnde Hilfeschreie ausstoßenden Meister. Als Rosinante sie mit angelegten Ohren und gefletschten Zähnen überholte, stellte Webolo entsetzt fest, daß seine Hand nur noch ein paar ausgerissene Schweifhaare umklammerte.
"Rosinante - warte!" brüllte er, stopfte sich das Haarbüschel in die Taschen und beeilte sich, der Stute hinterherzukommen. Trotz aller Gefahren - so langsam begann die Sache ihm richtig Spaß zu machen und er wäre nicht seines Meisters Knappe gewesen, hätte er nicht noch etwas Gutes an ihrer misslichen Situation gefunden. Eigentlich war es nicht mal so schlecht, von einem Dämon verspeist zu werden ...

Verzückt legte er sich in die Kurven, um Rosinante wieder einzuholen, während alle drei in rasender Geschwindigkeit die sich windende und biegende Röhre abwärts rutschten. Er stellte fest, daß er sogar ein wenig steuern konnte, indem er das Gewicht von einer Seite zur anderen verlagerte und mit den Absätzen arbeitete - eigentlich war es ähnlich wie beim Schlittenfahren. Voller Begeisterung drehte er sich nach seinem Ritter um, den er direkt hinter sich scheppern und fluchen hörte.
"Hey, das ist cool!" gröhlte er, "seht mal, Meister, so müßt Ihr das machen!" 
Canerio aber hatte gar keine Zeit, irgendwohin zu gucken, denn er versuchte krampfhaft, seine letzte Mahlzeit bei sich zu behalten. Schweißtropfen glänzten vor Anstrengung auf seiner Stirn und er konnte nur ein gepresstes "Knappe, so nehmt Euch doch zusammen!" von sich geben. Webolo kümmerte sich nicht weiter darum, ließ seinen bleichen Meister schimpfen und setzte mit einem freudigen Jauchzer Rosinante nach, die gerade versuchte, ihre Hufe in die vorbeisausenden Wände zu stemmen.
"Jipppppiiiieee! Aus dem Weg!" johlte er. "Jetzt komme iiiiiiiiich! Platz da! Hier kommt der größte Rutschbahnrutscher aller Zeiten, hier kommt Webolooooooooo....."
Canerio blickte ihm seufzend nach, sah ihn ihr Streitross überholen und dann registrierte er nur noch, wie Webolo mit einem irrwitzigen Geschwindigkeitsüberschuß hinaus in eine riesige Höhle segelte, die sich auf einmal am Ende der Röhre vor ihnen auftat. 
Es mache "Wuuuuuusch" und einen Augenblick später war der Knappe auch schon verschwunden. Sein Kreischen verklang hallend in der Tiefe.
"Oh nein! Oh nein, nein, nein!" Canerio sah das Ende des Tunnels und dahinter ein bodenloses Nichts auf sich zurasen und versuchte verzweifelt, seine irrwitzige Fahrt zu stoppen, er grabschte nach den schmierigen Wänden, versuchte, die Absätze in den Boden zu rammen, schwitzte und kämpfte, doch vergeblich - einen Wimpernschlag später schossen auch er und Rosinante hinaus in die Leere der gigantischen Höhle. Für eine Sekunde schwebten sie geradeaus weiter - dann stürzten sie dem tief unter sich liegenden Boden entgegen.

Canerio kniff die Augen zusammen und betete zu sämtlichen Göttern, die ihm gerade in den Sinn kamen - doch der Aufprall, den er erwartete, blieb aus. 
Stattdessen fiel er auf weichen, federnden Untergrund, der ihn mit einem schmatzenden Geräusch zu verschlucken drohte. Mühsam kämpfte er sich frei, schob einige seltsame Gebilde zur Seite, die beinahe wie Tentakel aussahen und schaute sich nach seinen Leidensgenossen um. Rosinante saß mit tellergroßen Augen und völlig verwirrtem Gesichtsausdruck neben ihm und schien die Welt nicht mehr zu verstehen. Bräunlicher Matsch hing in ihrer Mähne und tropfte von ihrer Stirn. Sie schüttelte sich ein paarmal und blähte die Nüstern, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, doch die merkwürdige Umgebung, in der sie sich befanden, schien kein aberwitziger Traum, sondern Realität zu sein.

Canerios Blicke schweiften durch die riesige Höhle, während er versuchte, sich aus dem wabbeligen Boden zu befreien. Die Wände und die weit entfernte Decke sahen irgendwie glitschig und klebrig aus, ähnlich wie diese lange Röhre, durch die sie hier hereingepurzelt waren, und sie hatte seltsame Auswüchse, die wie Fetzen von ihrer Oberfläche hingen. Das Ganze leuchtete in einem unheilvollen roten Licht. Der weiche Untergrund war knöchelhoch mit einer undefinierbaren Flüssigkeit bedeckt, die brodelte und große Blasen schlug, an manchen Stellen kroch eine Art Nebel über den Boden und hüllte alles in ätzende Dampfschwaden. Und es stank bestialisch. Canerio kam sich vor, als würde er in einem überdimensionalen Kochtopf sitzen.

Aus den Augenwinkeln erfasste er Webolos Gestalt, der auf dem federnden Boden herumhopste wie auf einem Trampolin und übers ganze Gesicht strahlte, was Canerio zu einem unwilligen Stirnrunzeln veranlasste.
"Meister ...."
"Was ist?" fragte er genervt und versuchte, diesen ekligen Schleim von seiner Rüstung zu entfernen.
"Euer hinteres Ende glüht!"
"Mein was??"
"Na, Euer Hinterteil", feixte Webolo und deutete auf Canerios Rüstung, die eine ziemlich heftige Reaktion auf die ätzenden Flüssigkeit zeigte, die den Boden bedeckte und bereits begann, das Eisen der Rüstung in rotglühendes Wohlgefallen aufzulösen.
Mit einem Blick über die Schulter auf seine Kehrseite fuhr der Ritter hoch wie von der Tarantel gestochen.
"Ohjeohjeohje!" entfuhr es ihm und er begann wie wild mit der Hand herumzuwedeln, um die rauchende Rüstung zu löschen. "Knappe! Hierher, schnell... zu Hilfe!"
Webolo kam irritiert angehopst und besah sich den Schaden.
"Was soll ich denn tun?"
"Weiß ich doch nicht!" brüllte sein Herr und Meister. "Tu einfach was - und zwar schnell!"
Canerio fühlte sich, als würde er in der eigenen Rüstung gegrillt, aufgeregt lief er hin und her, sprang und hüpfte ... denn auch seine eisernen Stiefel begannen nun zu glühen und sich in der Flüssigkeit aufzulösen. Die Säure fraß sich bereits durch seine Stiefelsohlen.
"Bleibt doch mal stehen!" schimpfte Webolo und versuchte eifrig, mit Pusten den Brand zu löschen, während sein Meister von einem Bein aufs andere sprang. 

Webolo, die Feuerwehr in Person ;-)
© by Sylvia

Den Schuhen des Knappen und auch Rosinantes Hufen schien dieses brodelnde Zeug hingegen nichts anhaben zu können - Webolos Füße wurden nicht einmal nennenswert warm - und so entschied er sich, den Meister auf Rosinantes Rücken zu verfrachten, wo er und seine eiserne Bekleidung wohl vor dem Säurebad vorübergehend in Sicherheit waren.
Er versuchte, Canerio in den Sattel zu hieven, doch der stöhnte nur gequält auf, als sein inzwischen nur noch leicht bekleidetes, dafür heftig qualmendes Hinterteil auf das harte Leder traf. Stattdessen drehte er sich herum und legte sich bäuchlings quer über Rosinantes Rücken.
"Aahja, so ist das schon viel besser", ächzte er mit schmerzverzerrtem Gesicht. Ein wenig verlegen ob der heiklen Situation flüsterte er:
"In den Satteltaschen ist Heilsalbe... könntest du wohl...?"
Webolo pulte grinsend die Eisensplitter aus dem Allerwertesten seines Meisters.
"Wo sind wir denn hier eigentlich gelandet?" fragte er, während er die Salbe auftrug und sah sich in der rotleuchtenden Höhle um.
"In seinem Magen, vermute ich mal", nölte Rosinante. "Er hat uns gefressen, falls du's noch nicht mitgekriegt haben solltest!"
"Hmm", überlegte der Knappe, "das wird eine ganz neue Erfahrung werden, ich bin nämlich noch nie verdaut worden."
"Ich schon", grunzte der Ritter von Rosinantes Rücken herunter, "naja, zumindest beinahe."
"Eigentlich habe ich aber gar keine Lust, als Abendessen für einen wildgewordenen Dämonen zu dienen", grübelte Webolo. "Wir sollten den Ausgang suchen und verschwinden."
"Und wo soll der sein?" mischte sich die Stute ein. "Auf dem Weg, auf dem wir hergekommen sind, können wir nicht zurück - da müssten wir schon fliegen können!" Mit einem Kopfnicken deutete sie nach oben an die Höhlendecke, wo sie weit entfernt das Ende der dämonischen Speiseröhre erkennen konnten.
"Nö, da hast du wohl recht", gab Webolo kleinlaut zu. "Na, dann suchen wir eben das andere Ende."
Canerio verzog angeekelt das Gesicht.
"Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben..."

Der Knappe verpflasterte seinen Meister mit allem, was er in den Satteltaschen fand und für brauchbar hielt, so daß er wenigstens wieder aufrecht auf Rosinantes breitem Rücken sitzen konnte, dann stapften sie los ins Ungewisse. Webolo mußte einen Augenblick an seine Freunde denken, die sich irgendwo in Quons Weltenburg aufhielten, und eine heftige Sehnsucht überkam ihn - ob er sie jemals wiedersehen würde? Den mutigen Moordrachen, den Schwarzmagier, seine Freundin Orhima und nicht zu guter letzt die freundliche Eule... tapfer schluckte er den dicken Kloß hinunter, den er plötzlich im Hals hatte und starrte geradeaus. Wenn er sie wiedersehen wollte, dann durfte er jetzt nicht den Kopf hängen lassen, sondern mußte diesen verflixten Ausgang finden!

Sie kamen nur sehr langsam voran, denn der weiche, schmatzende Untergrund erwies sich als äußerst schwierig und schien beinahe ein Eigenleben zu führen. Bei jedem Schritt glaubte Webolo, es würde ihm die Schuhe ausziehen und immer wieder mußten sie stehenbleiben und Rosinante die Schleimbatzen aus den Hufen popeln, die ihre Beine wie Bleigewichte nach unten zogen, so daß sie kaum voran kam.
Die Höhle war so gigantisch groß, daß sie ihre Ausmaße immer noch nicht richtig hatten erfassen können. Während sie durch den graubraunen Schlamm stapften, kamen sie an halbverdauten Überresten undefinierbarer Wesen vorbei, hier und da ragten abgebrochene Speere und vergammelte Schilde aus dem Boden, und Webolo hatte nichts besseres zu tun, als sich mit diesen halbverrotteten Waffen einzudecken - er steckte alles ein, was er als nützlich erachtete und was noch nicht völlig auseinandergefallen war.
Canerio sah ihm eine Weile angewidert zu, dann meinte er kopfschüttelnd:
"Bei allen Göttern, was willst du nur mit diesem alten Zeugs? Das ist doch zu nichts mehr nütze!"
"Ooch, das können wir bestimmt gebrauchen", erklärte sein Knappe, "wir haben ja keine Waffen dabei und wer weiß, was uns hier noch alles begegnet!"
"Was soll uns denn hier schon begegnen?" entgegnete der Ritter. "Wir sind hier im Magen eines ausgebrochenen Dämons und nicht auf einem Schlachtfeld!"
Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, flatterte etwas Dunkles mit einem lauten quiekenden Geräusch an seinem edlen Haupt vorbei.
Canerio zog schnell den Kopf zwischen die Schultern und sah sich irritiert um.
"Was war denn das?"
"Fledermäuse vielleicht?" mutmaßte Webolo.
"Seit wann gibt es in Dämonenmägen Fledermäuse?" knurrte der alte Ritter verächtlich und ging flugs in Deckung, als ein weiteres dieser seltsamen Geschöpfe haarscharf an seinem Helm vorbeizischte.
Webolo grummelte etwas Unverständliches von "alter Besserwisser" und "Stammgast in Dämonenmägen" und versuchte, in der roten Düsternis der Höhle etwas zu erkennen, doch diese merkwürdigen Flugkreaturen schienen geradewegs aus dem Nichts zu kommen - immer mehr von ihnen tauchten unvermittelt aus den beißenden Nebelschwaden vor ihnen auf. Sie konnten nicht viel ausmachen, außer daß sie lederne fledermausähnliche Flügel und etwa die Größe von ausgewachsenen Adlern oder kleinen Greifen hatten.
"Achtung!" schrie Webolo, als wieder ein ganzes Geschwader dieser Biester pfeifend und kreischend auf sie zudonnerte. Schnell hopste er hinter Rosinante in Deckung und zog eines der zahllosen abgebrochenen Schwerter aus seinem Gürtel, das er kampfbereit auf die Flugtiere richtete.
Canerio, der von dem Ansturm beinahe von Rosinantes Rücken gerissen wurde, versuchte, die Kreaturen mit bloßen Händen abzuwehren und brüllte seinem Knappen zu:
"Gib mir auch ein Schwert! Schnell!"
"Ach, auf einmal?" kicherte Webolo triumphierend, "ich denke, wir brauchen das Gerümpel nicht?"
Aber er reichte seinem Herrn und Meister trotzdem eilig eines der gammeligen Schwerter, damit er sich wenigstens halbwegs verteidigen konnte. 
Gemeinsam und mit Hilfe von Rosinante schlugen sie die nächste Attacke nieder, Webolo drosch mit allem, was er in die Finger bekam, auf die anfliegenden Kreaturen ein, daß ihnen Hören und Sehen verging und sein Meister hoch oben auf Rosinante tat es ihm gleich - doch die verflixten Biester waren nicht abzuschütteln.
Canerio keuchte schon ganz asthmatisch vor Anstrengung und auch sein Knappe war fast am Ende seiner Kraft. Webolo hatte das Gefühl, an der Klinge würden Bleigewichte hängen, so schwer wog das Schwert auf einmal. Doch als er schon daran dachte, erschöpft aufzugeben, zogen sich die Flugkreaturen plötzlich aufgeregt quietschend und jaulend zurück, sammelten sich in der Mitte der Höhle und verschwanden dann eilig in den Dampfschwaden.
"Was ist denn jetzt los?" fragte Canerio verwirrt und drehte wild den Kopf hin und her auf der Suche nach den potentiellen Angreifern. "Haben wir sie in die Flucht geschlagen?"
"Hahaaa!" Webolo warf sich in die Brust, obwohl er kaum noch das Schwert in Händen halten konnte. "Die hatten doch sowieso keine Chance!"
Völlig ausgepumpt lehnte er sich an Rosinantes Flanken und verschnaufte einen Moment. In das Brodeln der Säure und das weit entfernten Quieken und Pfeifen der Flugkreaturen mischte sich auf einmal ein anderes Geräusch. Erst war es kaum wahrzunehmen.
Webolo lauschte angestrengt. Es klang wie ein Rauschen.
"Meister, hört Ihr das?"
Canerio legte den Kopf schief, aber er brauchte sich nicht einmal besonders anzustrengen, denn das Rauschen war nun nicht mehr zu überhören und wurde schnell lauter und lauter.
"Was ist das?" flüsterte sein Knappe mit angstvoll geweiteten Augen. "Es kommt von oben..."
Sie starrten an die Höhlendecke hoch über ihnen. Das Rauschen wurde zu einem Tosen und klang, als wäre ein gewaltiger Orkan im Anzug. Und dann sahen sie, was das Geräusch verursachte ...
Aus der Öffnung in der Decke, durch die sie in die Höhle gefallen waren, stürzte plötzlich eine wahre Sturmflut, ganze Sturzbäche einer dunkelroten Flüssigkeit ergossen sich durch die Speiseröhre und rauschten wie eine massive Wasserwand in die Tiefe und direkt auf sie zu.
"Waaaaaaaaaaah!!" kreischte Webolo entsetzt. "Lauft... laaaaaauuuuuft!"
Er rannte, was seine Beine hergaben, gefolgt von der augenrollenden Rosinante, auf deren Rücken der Ritter auf und ab hopste. Canerio seufzte und klammerte sich an die zauselige Mähne. Warum mußten ausgerechnet sie auch noch so ein Pech haben und von einem Dämonen gefressen werden, der sich scheinbar gerade in diesem Augenblick einer Rotweinorgie hingab?
Webolo keuchte und kämpfte sich hektisch durch den zähen, blubbernden Schlamm vorwärts, während er die Stute am Zügel hinter sich her zerrte - doch er war nicht schnell genug. Mit einem gewaltigen Schwapp erfasste ihn eine Rotweinwelle und riss ihn von den Füßen. Er wurde zu Boden geschleudert und verlor die Zügel. Hektisch paddelnd versuchte er, den Kopf über Wasser zu halten, wurde ein Stück weit abgetrieben, dann versank er in den Fluten.
"Knappe! Was tut ihr denn da?" brüllte der alte Ritter. "Kommt da sofort wieder raus!"
Webolos Kopf tauchte kurz auf, prustend, spuckend... dann versank er wieder, tauchte wieder auf... er kreischte und wedelte mit den Armen, dann bekam er endlich einen Tentakel zu fassen, der aus der Magenwand des Dämons herausragte.
Dort hing er erschöpft und klammerte sich fest, bis die Flutwelle sich beruhigt und die Oberfläche sich wieder geglättet hatte.
Canerio hätte ihm ja gerne geholfen, aber er wagte es nicht, von Rosinantes Rücken zu klettern, aus Angst, daß sich seine geliebte Rüstung im Säurebad noch vollends auflösen würde, und so brüllte er nur von oben Kommandos auf seinen Knappen herunter.
Völlig benommen richtete sich Webolo wieder auf, spuckte Rotwein und blickte seinen Meister aus glasigen Augen an.
"W... w...wieso ist Rosinante d... denn auf einmal zu zweit??"

Der Boden unter ihren Füßen, der bis jetzt immer relativ eben gewesen war, wurde allmählich abschüssig und sie hatten das Gefühl, einen langen, steilen Hügel hinunterzulaufen. Webolo hatte große Schwierigkeiten, auf dem glitschigen Untergrund nicht zu straucheln - zum einen weil er so rutschig war und zum anderen, weil ihn der unfreiwillige Rotweingenuss doch sehr zum Torkeln brachte, und auch Rosinante mußte sich gewaltig anstrengen, sich auf allen Vieren zu halten und ihren Reiter nicht versehentlich abzuwerfen. Der Abhang wurde immer steiler und sie schlidderten eine Weile weiter hügelabwärts, bis sie begriffen, daß sie geradewegs auf eine Art Krater im Höhlenboden zusteuerten.
"Mir ist schlecht", jammerte Webolo. "Ist das endlich der Ausgang?"
Canerio schüttelte resigniert den Kopf. "Ich glaube nicht", gab er zur Antwort. "Ich vermute eher, daß uns nun ein ziemlich ausgedehntes Labyrinth bevorsteht. So gut müßtest du dich in Anatomie eigentlich auskennen, Knappe!" schalt er. Webolo beschloß, seinen Meister einfach zu ignorieren. Er war viel zu sehr mit seinem Magen beschäftigt, als Widerworte zu geben und sich in eine Diskussion über dämonische Verdauungsorgane einzulassen.
Sie gelangten nun auf den Grund des Kraters, wo sich eine Art Pforte befand - er fand zwar eher, daß es aussah, wie eine überdimensionale lebendige Falltür, aber er hüpfte tapfer voraus und stocherte mit dem längsten Schwertüberrest, den er bei sich trug, in der Öffnung herum. Kaum, daß er sie berührt hatte, tat sich die Pforte wie von selbst auf und gab den Blick auf eine etwas kleinere Höhle frei.

Das Trio an der dämonischen Falltür... ääh Pforte ;-)
© by Sylvia

"Siehst du was?" bohrte Canerio, aber Webolo schüttelte den Kopf. Er spähte angestrengt hinein, konnte aber nichts entdecken, was irgendwie gefährlich wirkte. Die Höhle sah etwa genauso aus wie die Magenhöhle des Dämons, nur kleiner. In den seitlichen Wänden befanden sich Öffnungen, die sich zu bewegen schienen und ab und zu tropfte zähe, grünliche Flüssigkeit in kleinen Rinnsalen heraus, aber weiter konnte er nichts bedrohliches entdecken.
"Die Luft ist rein, glaub ich", verkündete der Knappe hoffnungsfroh, steckte das Schwert wieder ein und fasste Rosinante am Zügel. "Gehen wir!"
Als sie sich durch die Pforte gequetscht hatten, schloß sich der Zugang hinter ihnen wieder. In der kleineren Höhle war es viel dunkler als in der großen Haupthöhle und Webolo wünschte sich sehnlichst eine Fackel oder etwas ähnliches herbei - doch ihnen blieb nichts anderes übrig, als ihren Weg im Dämmerlicht fortzusetzen.
Eine Weile marschierten sie nebeneinander her und beobachteten mißtrauisch die Öffnungen in den Wänden, die, seitdem sie die Höhle betreten hatten, begannen, diese komische grüne Flüssigkeit in ganzen Schwallen auf sie abzuschießen.
"Iiiiih, wie das stinkt!" murrte Webolo und zog die Nase kraus.
Plötzlich blieb er abrupt stehen und brachte auch Rosinante zum Halten. Angespannt starrte er in die blubbernde Finsternis vor sich.
"Was ist?" wollte Canerio wissen.
"Da bewegt sich was!"
"Ja und? Hier bewegt sich doch dauernd etwas..." Der Ritter verstand nicht, was seinem Knappe solche Sorge machte. Er selbst konnte nicht viel erkennen - sein Sehvermögen war dem Alter entsprechend natürlich längst nicht mehr so gut wie das des jungen Spunds neben ihm. Doch auch die treue Rosinante stellte aufmerksam die Ohren und schien auf etwas zu lauschen.
Und nun bemerkte auch Canerio etwas riesenhaftes, helles, das sich langsam auf sie zubewegte.
"Lieber Himmel - was IST das?"
Ein gewaltiges, weißes Wesen wälzte sich auf die Gruppe zu - es sah aus wie eine riesige Schlange mit einem abgeflachten, platten Schädel, als wäre es gegen einen Felsbrocken gerannt. Das Ding schien blind zu sein, denn sie konnten nirgends Augen entdecken - dafür aber ein riesenhaftes, rundes Maul mit nadelscharfen Zähnen und darüber zwei sich aufblähende Riechöffnungen.
Es hatte alle möglichen komischen Auswüchse auf dem Rücken und an den Seiten, die fast wie riesige Schwingen wirkten.
Webolo stand da wie versteinert und gaffte das gigantische Wesen an, das da geradewegs auf sie zukam und just in diesem Moment ihre Witterung aufzunehmen schien.
"Ein... ein... ein...", stotterte er völlig perplex, denn ihm fiel so schnell gar kein passendes Wort ein, "ein... ein... Magendrache!"
Canerio rückte seinen Helm zurecht und fasste den Griff seines Schwertes fester.
"Ich würde sagen, das ist ein Bandwurm", seufzte er.
 

© by Sylvia
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Wie auf heißen Kohlen sitzend ;-) warten wir auf die Fortsetzung... *g*
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Denkt bitte daran: auch diese Geschichte nimmt am Drachentaler-Wettbewerb teil.
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