Dracania von Tobias Wagner
IV
Absturz

Das grüne Licht wurde immer heller, das Flugzeug begann zu wackeln und zu vibrieren.
Der Pilot und der Copilot tauschten entsetzte Blicke. 
Aus dem Drachenstein zuckten Blitze. Murluck brüllte die Formel noch lauter und lauter.
Jetzt erschien wieder dieser Wolkenstrudel - direkt vor dem Flugzeug.
Die Vibration im Flugzeug wurde immer stärker. Thomas brüllte: "Alle anschnallen, wir haben ein Problem!"
Der Pilot funkte verzweifelt: "MAYDAY, MAYDAY, MAYDAY..."
Das Flugzeug wurde in den Wolkenstrudel hineingezogen. Immer weiter und weiter, bis es über dem Golf von Venedig vom Radarschirm verschwunden war.
Elsyria brüllte: "Hey, was machst du da!"
Murluck drehte sich um uns sagte lachend: "Es ist zu spät, ihr könnt IHN nicht aufhalten!"

Die Lichtblitze verschwanden wieder, aber Thomas und die Piloten im Cockpit trauten ihren Augen nicht. Ihr Flugzeug flog nicht mehr über der Adria, sondern in einer Vulkanlandschaft in Dracania. Lavabrocken, die aus den Vulkantrichtern unter ihnen hochgeschleudert wurden, hämmerten an das Flugzeug. Einer davon durchschlug die rechte Tragfläche. Kerosin lief aus dem fußballgroßen Loch wie ein Sturzbach heraus. Der Pilot blickte entsetzt durch die Frontscheibe und sah, wie ein fast ein Meter großer Felsbrocken direkt auf sie zugeflogen kam. "OH KACKE MANN - KÖPFE RUNTER!!!"
Der Copilot reagierten aber zu spät. Der Felsen knallte durch das Fenster und riss ihn mit samt seinem Sitz durchs ganze Flugzeug. Das halbe Cockpit wurde weggerissen. Der Höhenmesser zeigte Sinken an. Weitere Felsen und Lavabrocken durchlöcherten das Flugzeug.
Tuc, Tuc Tuc, Tu -
Der Steuerbordmotor blieb stehen.

Auf der Displayanzeige für den rechten Tragflächentank blinkte die Aufschrift "Empty"*.
Große Teile der Flugzeugverkleidung und der Verstrebung wurden durch den Fahrtwind rausgerissen. Unten im Frachtraum stürzte alles durcheinander. Eine Kiste prallte mit voller Wucht auf die Ladeluke. Diese wurde weggerissen und ein Wind jagte durch den Frachtraum, sodass Murlucks Schriftrollen aus dem Flugzeug gesaugt wurden. "NEEEEIIINN" brüllte er. Einige Außenwandteile des Frachtraumes flogen auch weg. Murluck klammerte sich gerade noch an ein Stahlseil, das aus dem Flugzeug hing, sonst wäre er in die Tiefe gestürzt. Der Drachenstein rollte Elsyria in die Hand. Auch sie wäre fast aus der Maschine gefallen.
In der Passagierkabine oben spielten sich dramatische Szenen ab. Das Flugzeug hatte vorne schon fast keine Außenhaut mehr. Daniel blickte entsetzt auf das Loch vor ihm. Er konnte direkt runter in den Frachtraum sehen. Dies war wohl auch das letzte, was er sah. Er wurde mit samt dem Sitz, einigen Trümmerteilen und zwei Gasflaschen aus dem Flugzeug gerissen und in das linke Triebwerk gesaugt, das noch auf vollem Schub lief. Die Folgen waren verheerend. Noch während Daniels Blut an die hinteren Fenster und an das Leitwerk spritzte, gab es eine gewaltige Explosion, die fast die Hälfte der linken Tragfläche wegriss.
Der Pilot versuchte mit allen Möglichkeiten, ein Abkippen des Flugzeuges zu verhindern, doch der Absturz war nicht mehr aufzuhalten.

Brennend stürzte das Flugzeug ins Drachental.

Dixon, Harry und Miles saßen im hinteren Teil des Flugzeuges.
Rafael brüllte zu Michael: "Los, weg hier, sonst gehen wir alle drauf!"
Sie rannten beide nach hinten und kletterten die Leiter runter in den Frachtraum. Sie schnappten sich ein Seil, banden sich an den Stahlverstrebungen der Flugzeugwand fest und warfen das andere Ende Elsyria zu, die sich daran von dem Loch im hinteren Flugzeugteil wegzog. Murluck klammerte sich an dem anderen Stahlseil fest und wurde wie ein Segelflugzeug mitgeschleppt.
Thomas war noch immer bei dem Pilot im Cockpit. Funken sprühten aus den elektrischen Geräten und das Variometer* zeigte Sinken bis zum Anschlag. "Das gibt ne Bruchlandung!" rief Thomas.
Der Erdboden, der an dieser Stelle stark bewaldet war, kam herangebraust. Mit aller Kraft zogen Thomas und der Pilot am Steuer, um mit dem letzten Schwung das Flugzeug abzufangen und einen Frontalaufprall mit der Erde zu verhindern. Der Wald streifte schon die Flügel, als das Fahrwerk verriegelte.
"OOH NEEEEIN!!" Murluck knallte in einen Baum und blieb zwischen den Ästen stecken.
Direkt dahinter kam eine kleine Wiese und das Flugzeug setzte krachend auf. Das rechte Fahrwerk brach weg wie ein Streichholz und die Tragfläche knallte auf den Boden.
Alle schrien, Metallteile flogen durch die Gegend. Das Flugzeug schlitterte über das Feld und rutschte direkt auf eine Felsenklippe zu, während es sich weiter zerlegte.
Kurz vor dem Abgrund kam der "Schrotthaufen" zum Stehen.

Stille  -

Sekunden...

Minuten...

"Alles in Ordnung?" Thomas schaute den Piloten an und erkannte gleich, dass er tot war. Ein herumfliegendes Metallteil hatte ihn enthauptet. Sein Kopf war nicht mehr zu finden.
Elsyria wühlte sich aus einem Trümmerhaufen im Frachtraum und hinkte zu Michael und Rafael. "Geht es euch gut?" fragte sie.
Michael zeigte auf einen Metallsplitter, der in seinem rechten Arm steckte "Sieht das etwa gut aus? - Häh? - Sieht das etwa gut aus?"
Elsyria packte es und zog es mit einer heftigen Bewegung aus Michaels Arm, wobei ein 
abartig hässliches Geräusch ertönte.
"AAAAH!! - SPINNST DU?!" brüllte er.
Rafael holte von der Wandhalterung einen Erste Hilfe- Koffer. Während Elsyria Michaels Arm verband, kletterte Rafael in die Passagierabteilung hoch.
Miles, Dixon und Harry ging es, soweit sie sehen konnte, recht gut. Auch Thomas, der aus dem zerfetzten Cockpit kam, hatte nichts abgekriegt.
"Ich kann nicht glauben, was da grad passiert ist! - Wo zum Teufel sind wir überhaupt?" fragte Dixon verblüfft.
Thomas zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung! Das GPS ist ausgefallen, kurz bevor dieser merkwürdige Lichtblitz kam und wir in dieses Wolken-Wurmloch gesaugt wurden."
Michael, Rafael und Elsyria kletterten aus einem Loch in der Flugzeugwand. Elsyria beobachtete, wie Murluck, der am hinteren Ende des Feldes von dem Baum, in den er reinkrachte, heruntergeklettert kam. Er rief einen Zauberspruch, ließ etwas vor seine Füße fallen, wodurch eine schwarze Rauchwolke entstand. Dann war er verschwunden.
"Ein Glück, euch geht es gut!" rief Miles.
Dixon zeigte auf die linke Flugzeugseite. "Daniel hatte wohl nicht so viel Glück. Er ist über das ganze Feld verteilt, der Rest von ihm hängt da hinten am Leitwerk.
Harry rannte an einen Baum und übergab sich.
Plötzlich tauchte am Himmel ein Drache auf. Er brüllte einen unbeschreibliches Geräusch und flog in etwa zehn Meter Höhe über das Flugzeugwrack. Alle spürten den Windhauch seiner Flügel und rannten in Deckung. Nur Elsyria stand wie angewurzelt da. Sie war fasziniert von seiner schöne Gestalt.
Thomas rief: "Bist du verrückt! Komm unter die Tragfläche, er wird dich zerfleischen!"
Der Drache wendete über dem Wald und kam direkt auf sie zugeflogen. Als er noch etwa fünfzig Meter vor ihr war, trafen sich ihre Blicke. Seine gelben Augen schienen sie magisch zu durchbohren.
Eine innere Stimme sagte ihr plötzlich: "Hab keine Angst vor mir!"
Sie blieb wie angewurzelt stehen.
Rafael packte sie und riss sie zu Boden. Der Drache donnerte über sie hinweg und verschwand wieder an der Waldgrenze.
"Haut ab, ihr seid in Gefahr!!" vernahm Elsyria plötzlich in ihrem Kopf.

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= engl. "leer"
Variometer = Flugzeuginstrument, das Steigen / Sinken in Meter pro Sekunde angibt

© Tobias Wagner
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Und schon geht's weiter zum 5. Kapitel: Angriff der Goblins

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