Achtung! Diese Geschichte ist nicht für Kinder geeignet!
Jens Eppinger legt besonderen Wert darauf, daß er weder necrophil veranlagt, noch dem Satanskult oder anderen okkultistischen Praktiken zugeneigt ist!
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Diese Story wurde von den Drachental-Besuchern
zur besten Fantasy-Story 2000 im Drachental gewählt!

Drachentaler in Gold 2000 für Jens Eppingers 'Von der Geburt des Unheiligen'

Von der Geburt des Unheiligen von Jens Eppinger

Nur langsam zog sich der überladene Karren durch die schlammige Straße. Die beiden ausgemergelten Zugochsen unter dem schweren Joch schnauften empört. Ihre von Peitschenhieben zerfetzte, und von Schweiß durchnäßte Haut glänzte im Schein der untergehenden Sonne. Unzählige Fliegen surrten um die völlig erschöpften Tiere und nur das mühselige Fächern ihrer breiten Ohren wehrte den immer wiederkehrenden Ansturm der lästigen Insekten ab. Schaum tropfte von ihren offenen Mäulern auf den nahezu unpassierbaren Weg. Doch ihr Herr trieb sie gnadenlos voran.
Der kleine Karren besaß vier breite Holzräder. Mit Metall beschlagen, quietschten sie erbärmlich als sie sich mühsam um die eigene Achse drehten. Trotz des knöcheltiefen Morast, der jegliches Vorwärtskommen erschwerte.
Den Großteil des schaukelnden Wagens bildete ein kleiner Wohnraum. Behelfsmäßig hatte sein Besitzer aus dem ehemaligen Lastkarren eine fahrende Behausung geschaffen, die sogar mit einem Dach aus löchrigen Tierfellen versehen war. Eine schmutzige Öllampe baumelte an den Fellresten und schlug dumpf gegen die Seitenwand.
Die Gestalt auf dem schwankenden Bock hielt die ledernen Zügel leicht umklammert. Sie würdigte der eintretenden Dämmerung und der dschungelähnlichen Umgebung keinen Blick. Das faltige Gesicht unter der pechschwarzen Kapuze richtete sich stur geradeaus.
Allmählich rieselten die ersten Regentropfen von dem bewölkten Himmel auf den einsamen Reisenden nieder. Die rosigen Zungen der Ochsen leckten gierig ihre feuchten Nasen als der Regen immer fester auf die Erde prasselte. Rasch bildeten sich Pfützen und der unlängst matschige Weg verwandelte sich in einen schlammigen Sumpf.
Die großen Blätter der gewaltigen Dschungelpflanzen am Wegrand wogen seicht im leichten Wind. Träge platschten die dicken Wassertropfen auf ihre kelchförmigen Blüten. Der warme Sommerregen hatte seinen Höhepunkt erreicht.
Die Gestalt auf dem Kutschbock zog den Saum der dunklen Kapuze enger. Murmelnd verfluchte sie die feuchte Naturgewalt und spie angewidert in den blubbernden Straßengraben.
Fingergroße Libellen, gepanzert in ihren lila und gelb glänzenden Chitinpanzern, schwirrten vereinzelt vor dem Karren über die Straße und suchten Schutz unter den fleischigen Riesenblättern der mannshohen Pflanzen. 
Ein Wegschild materialisierte sich in einiger Entfernung und ragte warnend zwischen der Vegetation hervor.
Die blauen Augen der eingehüllten Gestalt nahmen nur kurz Notiz, dann senkte sich ihr Blick wieder auf die Straße. Noch drei Meilen bis Chrenopeiás. Im Vorbeifahren nahmen ihre Augenwinkel noch den kleinen Tierschädel wahr, der, mit geöffnetem Kiefer, auf das Schild genagelt war.

Die ersten Sterne funkelten bereits am klaren Himmel, als der holpernde Karren das kleine Dorf erreichte. Der abendliche Schauer war vorüber, die warme Erde dampfte. Bunte Laternen, aufgehängt an den Blättern der großen Berberopflanzen, beleuchteten den Weg ins Innere Chrenopeiás. Vereinzelte Pilze, einige so groß, daß sie den Ochsen bis zum Nacken reichten, drängten sich zwischen den zahlreichen Farnen und Orchideenstauden. 
Schnaufend zogen die gepeinigten Lasttiere den Karren an den vielen kleinen Bambushütten vorbei. Erst einige hundert Schritt später zügelte die Gestalt die Ochsen zum Halt. Niemand empfing sie. Kein Dorfbewohner hatte seine Hütte verlassen. Nur das heisere Rufen mehrerer Sumpfeulen erklang aus der eintretenden Finsternis. Blauschimmernde Leuchtkäfer surrten um die nasse Kapuze des Reisenden, der vorsichtig von seinem Bock herunter kletterte. Der Saum seiner schwarzen Robe landete unwillkürlich im aufspritzenden Schlamm, als er zielstrebig auf die Taverne Chrenopeiás zusteuerte. La Mico Scorpio stand auf einem vermoderten Banner geschrieben, das sich behäbig im abendlichen Wind aufblähte.
„Der Gelbe Skorpion„, flüsterte die Gestalt und nickte unmerklich.
Als hochintelligenter, gebildeter Magier war ihm die Landessprache des Namenlosen Reichs geläufig. Obwohl Bastahn in seiner Heimat dem Kaiserreich Nyrmillia weithin unbekannt war, so hatte er doch auf seinen Reisen die Sprache der Barbaren und der unabhängigen, selbsternannten Königsnation gemeistert.
Die Taverne war nach dem furchteinflößendsten Tier des Namenlosen Reichs benannt worden. Das gelbliche, faustgroße extrem giftige Tier war das tödlichste seiner Art. Ein Stich des gekrümmten Schwanzstachels reichte aus um einen Troll innerhalb von Sekunden in die Sphäre des Todes zu schicken.
Kaum hatte die Gestalt die Treppe zur Taverne betreten, als ein kleiner Junge ängstlich in die Dunkelheit tappte.
„S..S..Soll ich Eure Ochsen pflegen, Herr? Es kostet Euch nicht viel und im Stall ist eine Menge Platz.„
Die unterwürfige Haltung des verschmutzten Stallburschen ließen die faltigen Mundwinkel des Magiers zucken. Tonlos reichte er ihm einen Silberling und trat, an ihm vorbei, in die schwach beleuchtete Taverne.

Der Schankraum des Gelben Skorpions war spärlich besetzt. Fünf söldnergleiche Männer saßen grölend an einem stark abgenutzten Rundtisch in der Ecke. Ihre Helme hatten sie vor sich abgelegt. Im Schein des prasselnden Herdfeuers blitzten ihre an der Wand angelehnten Klingen auf. Die rauflustige Horde hatte sich dem Shak gewidmet. Jenem gewinnbringenden Würfelspiel, welches in nahezu ganz Amberlonia gepflegt wurde. Soeben würfelte der Lauteste von ihnen, ein grobschlächtiger, glatzköpfiger Hüne in abgetragener Lederrüstung, einen Kaiser. Alle fünf Würfel zeigten ihr höchstes Symbol. Den roten Feuerdrachen, die Rune Tod, sechs Schwerter, sechs Schädel, sowie sechs Sterne. Unter dem Protest seiner Mitstreiter langte der Riese nach seinem Gewinn. Zweiundzwanzig Silberstücke.
Als der Magier an ihm vorbeitrat blickte er kurz auf. Seine linke Gesichtshälfte war von einer schrecklichen Narbe entstellt. Seine linke Augenhöhle zugewachsen.
Mit einem fadenscheinigen Gruß in Richtung Theke gesellte sich der Magier zu einer abseits sitzenden Gestalt in der gegenüberliegenden Ecke.

Die ebenfalls mit einer uneinsichtigen, dunklen Kapuze verhüllte Gestalt sah bedächtig auf. Bevor sie einen Gruß aussprechen konnte, trat ein stämmiger Halbling an den Tisch heran und hielt seine kräftige Pranke vor die Nase des Magiers.
„Die Erzdämonen seien mit Euch, Meister Hakon. Wir haben Euch bereits vor Sonnenuntergang erwartet. Gab es Probleme? Die Barbaren sicherten uns freien Weg.„ 
Der Angesprochene ignorierte bewußt die ihm angebotene Hand. Sein stechender Blick richtete sich auf das bärtige Gesicht des muskulösen Dunkelzwergs. Der silbergraue Bart und das wallende lange Haar hatte er zu mehreren dünnen Zöpfen geflochten. Seine für Zwerge typisch große Knollnase und seine wachsamen großen Augen ließen den Magier unbeeindruckt. Lediglich die mit Runen versehene Mithrilplatte und das im Kampfgurt steckende Beil flößten ihm Respekt ein.
„Möge Euch Murandiel Kraft geben, werter Etox Eisenhaar.„ 
Verwundert über den förmlichen Gruß zog der Dunkelzwerg seine Hand zurück. 
„Ich hoffe Ihr hattet eine bequeme Reise„, räusperte er sich. Verlegen blickte er zu seinem Herrn, dessen Kopfnicken ihn entließ. „Ich gehe nach Eurem Wagen schauen, Meister Hakon.„
„Das ist nicht nötig, Hauptmann„, unterbrach ihn der Magier. Mit erhobener Hand ließ er den Dunkelzwerg verharren, der nun unschlüssig von ihm zu seinem Herrn hinübersah. 
„Warum vergnügt Ihr Euch nicht mit den Söldnern aus Gore?„, erklang die melodische Stimme des anderen. „Meister Hakon und ich haben noch einiges zu besprechen, bevor Großmeister Deggerdan zu uns stößt.„ 
„Wie Ihr wünscht, Meister Thorkar.„ Als dann ließ Hauptmann Eisenhaar die beiden Männer allein.

„Ich grüße Euch, Meister Hakon. Endlich begegnen wir uns wieder. Seid meiner Nachricht im vergangenen Herbst habe ich nichts mehr von Euch vernommen.„ Die weiche Stimme schien unpassend. Ebenso wie Meister Hakon, trug auch Meister Thorkar sein Gesicht unter einer schwarzen Kapuze verborgen. Thorkar war Hakon kein Unbekannter. Er kannte den dunkelhäutigen Meister des finsteren Ordens als dieser noch ein Adept der schwarzen Künste war. Sein kahles Haupt und sein jugendliches Aussehen hatte er noch im fortgeschrittenen Alter beibehalten.
„Ich grüße Euch, Meister Thorkar. Wie mir scheint habt Ihr Euch schon auf einen längeren Aufenthalt vorbereitet?„ 
Der Magier machte ein Zeichen mit seiner dunklen Hand. „Ihr braucht Euch um nichts zu sorgen, Meister Hakon. Hauptmann Eisenhaar hat bereits drei Zimmer reserviert. Proviant und Zugtiere stehen zum Abruf bereit. Wir warten lediglich auf den Erzmagier.„
Raul Hakon zog seine Kapuze zurück. Das runzelige, faltige Haupt wurde nur von einem spärlichen, weißen Haarwuchs geziert. Sein raubvogelartiges Gesicht wies einen dünnen Bart auf, der bis unter seinem Kinn zu einem Strang zusammenlief. Seine klaren Augen lugte unter den wulstigen Lidern hervor und sein nahezu zahnloser Mund verzog sich zu einem Grinsen.
„Ich freue mich, Euch so vorbereitet vorzufinden. Ich habe mich nicht in Euch getäuscht.„ „Wurdet Ihr jemals von einem unseres Ordens enttäuscht, Meister Hakon?„ 
Hakon schüttelte sein greisenhaftes Haupt. „Nein, niemals. Aber es freut mich, Euch mit der selben Begeisterung anzutreffen, wie ich sie verspüre.„ 
Nun entblößte Rune Thorkar sein kahles Haupt. Die dunkelbraunen Auges des Schwarzmagiers musterten Hakons leuchtenden Blick. Einem Neger, wie der Volksmund die Wilden Amberlonias bezeichnete, hatte Hakon sonst nie gegenüber gesessen. 

„Ich hoffe, Meister Hakon, daß Eure Vorbereitungen ebenso planvoll verlaufen sind. Euch obliegt es die seltenen Ingredienzen bereit zu halten.„ 
Hakon nickte. „Ich habe an alles gedacht.„ 
„Und das Opfer?„ „Bringt Großmeister Deggerdan.„ 
Thorkars Augen verzogen sich zu Schlitzen. „Falsch. Ihr wart damit beauftragt das Opfer zu wählen.„ 
Ein Räuspern löste die Spannung. „Euer Wein, werte Herren.„ 
Keril, der zwergwüchsige Wirt des Gelben Skorpions reichte ihnen ein Tablett. Obwohl er die Gemeinsprache akzentfrei sprach, störte Hakon etwas an ihm. Nickend griff er nach dem irdenen Krug und goß Thorkar und sich die blutrote Flüssigkeit ein. Als Keril sich empfahl, ergriff Thorkar wieder das Wort.
„Euch hatten wir die Wahl des Opfers anvertraut, Meister Hakon. Erinnert Ihr Euch?„
Der Alte schüttelte den Kopf. „Ich bedaure Euch enttäuschen zu müssen. Aber meine Pflicht bestand lediglich aus dem Sammeln der Kräuter, der Beschaffung der Ingredienzen, dem Stampfen des Pulvers und dem Destillieren und Brauen der Elixiere. Alles hat seine Zeit gedauert. Hätte ich mich um soviel mehr kümmern müssen, wo Euch doch nur die Wahl des Treffpunkts und die Auswahl der Sprüche zustand?„ 
Thorkars Miene verfinsterte sich. „Nun gut, Meister Hakon. Wir werden noch ein Opfer finden. Bis dahin hoffe ich, daß Eure Ingredienzen von Wert für uns sind.„ 
Das Gegröle der Söldner wurde lauter. Soeben widmeten sich der feiste Hüne und Hauptmann Eisenhaar dem Armdrücken, das unter großem Geschrei angefeuert wurde. Dem schwitzenden, stöhnenden Söldner verließ rasch die Kraft, als Eisenhaar lachend seine Faust auf den Tisch schlug. 
„Sieg„, brüllte er und griff nach dem gewonnenen Amulett aus Gold. „Mach´ dir nichts draus, Rome! Die nächste Runde geht auf mich.„ 
Sofort erklang der Jubel der angetrunkenen Männer und auch der geschlagene Rome stimmte lauthals mit ein.

„Es gibt hier bestimmt ein Bauernmädchen„, begann Hakon. 
Thorkars Augen schienen aus ihren Höhlen springen zu wollen. „Beim Namen des Unheiligen! Ihr wollt ein simples Weibsstück darbieten? Unser Opfer war von höchster Tugend, Schönheit und Unschuld gedacht. Ihr verspracht eine Klerikerin oder besser eine Geweihte des Ordens Golums. Selbst eine wilde Shey-Laya hätte unseren Erwartungen entsprochen.„ 
Hakon hob beschwichtigend seine knorrige Hand. „Beruhigt Euch! Wir finden schon ein geeignetes Opfer.„ 
Als hätten Raul Hakons Lippen einen lautlosen Spruch geformt betrat eine anmutige Schönheit den Gelben Skorpion. Langes, lockiges braunes Haar. Eine athletisch durchtrainierte Figur und ein wachsamer und zugleich schelmischer Blick manifestierte sich zu einer augenverzehrenden Person, deren kühnste Träume die beiden Schwarzmagier bei weitem übertraf.
„Beim Unheiligen, Meister Hakon seht!„ Thorkar deutete mit einem Nicken auf den neuen Gast, dessen Erscheinen Hakons Lippen teilten.
„Ein Geweihte. Apostolia, nehme ich an.„ Thorkars stummes Nicken ließ Hakon lächeln. 
Die blutjunge Geweihte der Liebesgöttin Apostolia, setzte sich aufmerksam an einen Tisch nahe der Theke. In ihren Locken trug sie den goldenen Stirnreif des Ordens der Ewigen Zuneigung. Ihre züchtige Kleidung bestand aus einer fliederfarbenen Tuchrüstung, einem hellen Reiseumhang und langen braunen Reiterstiefeln. Ein schmaler Dolch an ihrem Gurt schien ihre einzige Waffe. Doch wußte Hakon, daß sie zumindest einen Reiterspeer bei dem Pferd im Stall zurückgelassen hatte. Selbstsicher bestellte sie eine Karaffe Wasser und etwas Dörrfleisch. 
Doch nicht nur den Schwarzmagiern war die junge Frau aufgefallen. Als Hauptmann Eisenhaar, bepackt mit zwei Lederbeutel Silber, sich zu seinem Herrn gesellte, war einer der fünf Söldner schon aus der Taverne verschwunden. Die anderen vier, vor allem ihr Anführer Rome, lechzten und gierten bereits nach ihrem schönen Körper. Die Geweihte schenkte dem Gesindel keine Aufmerksamkeit. Nur Meister Thorkar gestatte sie ein flüchtiges Nicken.
„Geht nach oben, Hauptmann!„, wies dieser den Dunkelzwerg an, der selig seine erbeuteten Silberlinge in den Händen wog.
Minuten später kehrte der Söldner zurück. Der stämmige, rothaarige Nordländer mit der Augenklappe trat forsch an die Geweihte heran. Mit verstellter Stimme gesellte er sich neben sie und wartete höflich bis sie ihn ansah. 
„Verzeiht, Meine Dame, daß ich Euer Mahl störe. Doch Euer Pferd scheint verletzt zu sein.„ Sofort klärte sich die verächtliche Miene der jungen Frau. „Was, was sagst du? Was ist mit Jery?„ 
Der Söldner unterdrückte sein Grinsen nur schwer. „Ich glaube, meine Dame, ein Nagel hat sein linkes Vorderbein geritzt. Es blutet sehr.„ 
Noch bevor der ungelenke Mann zu weiteren Erklärungen ausholen konnte, war die junge Geweihte an ihm vorbei aus der Tür. Der rothaarige Nordländer warf Keril, dem Wirt, ein bösartiges Lächeln zu, dann hastete er ihr hinterher. Jubelnd schlossen sich die restlichen Söldner ihm an und ihr lautes Gebrüll dröhnte matt in Hakons Ohren wider.
„Das ist Eure Chance, Meister Hakon. Oder wollt Ihr dieses zarte Geschöpf diesem Pack überlassen?„ Thorkar nippte abwartend an seinem Wein, als der alte Magier sich langsam erhob. 
„Ich bringe Euch das Opfer. Doch erwarte ich, daß Eisenhaar sich ihrer danach annimmt.„ Thorkar nickte und übertrug eine telepathische Botschaft in dessen Geist.

Mit schnellen Schritten verließ Hakon den Gelben Skorpion. Aus den Augenwinkeln registrierte er, daß das Gesindel seine Waffen zurückgelassen hatte. „Wie selbstlos„, dachte Hakon und trat hinaus in den wieder einsetzenden Regen. Fluchend versuchte er die Tropfen zu ignorieren und im Laufschritt hielt er auf den langen Anbau der Taverne zu. 
Bereits von draußen konnte Hakon das lüsterne Geschrei der Söldner vernehmen. Bevor er seine benötigten Sprüche gesammelt und durchdacht hatte, rannte ihm der verängstigte Stallbursche entgegen.
„S...Sie, sie tun ihr weh„, stammelte er und riß sich von der wallenden Robe des Alten los. Hakon sah ihm nicht nach und betrat leise den geräumigen Stall. Mollige Wärme und der Geruch schwitzender Tiere empfing ihn. Hakons Augen sahen seine Ochsen, eingepfercht auf der linken Seite des rechteckigen Gebäudes. Mit großen Schritten überquerte er vereinzelte Strohballen und näherte sich der Box der weißen Stute. Das anmutige Roß der Geweihten wies keine erkennbaren Verletzungen auf. Schnaubend trat es auf der Stelle und warf Hakon einen anklagenden Blick zu.
Im hinteren Bereich des Stalls tobten die fünf Söldner. Zuerst glaubte Hakon die junge Geweihte könnte sich der feigen Brut erwehren. Lächelnd bemerkte er ihren entschlossenen Blick. Doch die Dienerin der Liebesgöttin stand mit dem Rücken zur Wand. Mit ihrem schmalen Dolch hielt sie die Männer auf Distanz. Ihr goldener Stirnreif lag vor ihr auf dem Boden. Ihr langes Haar war zerzaust und voller Stroh.
Die Männer hatten dem Magier den Rücken zugewandt, so daß sie seine Gegenwart nicht bemerkten. Schon stieß einer der heulenden Kerle vor und trat der Frau die Klinge brutal aus der Hand. Stöhnend torkelte sie nach hinten und schrie aus Leibeskräften, dann waren die Männer über ihr. 
„Komm zeig es uns, Mädchen. Das ist es doch wofür du betest. Wir sind willige Diener deiner Hurengöttin.„ 
Der bärtige, tätowierte Söldner schlug gierig seine muskelbepackten Arme um ihre zierliche Taille. Während der Rothaarige ihr den Reisemantel herunterriß, zogen Rome und ein anderer Raufbold ihr die leichte Tuchrüstung herunter. Der letzte Söldner, ein schwarzhaariger Streuner, ergriff ihr feines Gesicht und drückte ihr seine Zunge in den Mund.
Hakon breitete die Arme auseinander. Im Geist durchflog er die geeigneten Sprüche. Noch bevor er geendet hatte, unterbrach ein empörter Aufschrei seine Konzentration. 
„Bei Azzalur dem Gehörnten, was wollt Ihr hier?„ Rome baute sich bedrohlich vor Hakon auf. Die großen Fäuste angespannt. „Wollt Ihr zusehen?„, grinste er. „Meinetwegen, aber setzt Euch besser. Wir lassen uns Zeit.„ 
Ein brüllendes Gelächter erscholl aus Romes feisten Mund und endete in einem erstickenden Gurgeln. Hakons Kristalldolch ragte zitternd aus seinem breiten Hals. Bevor der lüsterne Söldner den Griff der tödlichen Waffe zu fassen bekam, war er blutüberströmt zu Boden gesunken. Die vier Männer hatten Romes Tod gleichgültig hingenommen. Der Tätowierte wies mit seinem Haupt in Richtung des Magiers und sofort ließ der rothaarige Nordländer von der Geweihten ab. Grinsend zog er ein schartiges Messer aus seinem Hemd und kam langsam auf Hakon zu. 
„Du Tattergreis willst sie alleine für dich, nicht wahr? Aber nicht mit mir.„ 
Unbeeindruckt verharrte Hakon auf seinem Platz. Mit der rechten Hand deutete er auf den schmierigen Söldner aus Kallgar und zitierte einen der fürchterlichsten Sprüche der verbotenen Chaosmagie. 
„Un ek tu! Bazo al ekh. Ecrimenix mortu su!„ Ein grüner Lichtblitz schoß aus seinem dünnen Zeigefinger und schlängelte sich in beängstigender Geschwindigkeit um den schmächtigen Körper des aufschreienden Mannes. Sekunden später war er völlig von der magischen Fessel umsponnen. Sein wimmernder Versuch Gnade zu erbitten, wurde von Hakon spöttisch abgetan. 
„Silekti tu. Brogay anar!„ Hakons Hand beschrieb einen Kreis. Als dann begannen die Schnüre der magischen Fessel sich zuzuziehen. 
„Nein, Gnade. Gnadeee.„ Das unmenschliche Gebrüll des Sterbenden ließ die übrigen Söldner innehalten. Gebannt sahen sie zu, wie der Strang gleißender Energie ihren Kumpanen unerbittlich zerquetschte. Blut sprudelte aus Ohren, Nase und Mund und verteilte sich im hohen Bogen auf dem dampfenden Stroh. Sekunden später war sein Todeskampf vorbei. Der zerdrückte, eingefallene Leichnam sackte geräuschvoll auf den Boden. Das Licht der magischen Fessel erstarb.
Der schwarzhaarige Streuner reagierte als erster. Flink langte er nach einer Heugabel und stieß sie fest in Hakons Richtung. Dieser ergriff den Stiel der hölzernen Waffe und setzte die Naturgesetze außer Kraft. Ein zuckender Lichtblitz durchfuhr den langen Stab und verteilte sich im bebenden Körper des verdutzten Mannes. Mit zusammengepreßten Zähnen ging der Streuner in die Knie. Noch schlugen hunderte von knisternden Stromstößen im Sekundentakt in ihm ein. Dann lag auch er still.
Die übrigen Männer wichen zurück. Der Tätowierte tastete nach dem Dolch der Geweihten und warf ihn ungelenk. Hakons Blick richtete sich auf den zweiten Söldner, in dessen Stirn das vermeintliche Geschoß einschlug. Stöhnend hauchte auch er seinen letzten Atemzug. „Bitte laßt mich gehen„, flehte der Letzte und hob bittend seine Hände. Da trat die Geweihte zu. Ihre spitzen Reiterstiefel gruben sich tief in den weichen Unterleib des Vergewaltigers und zerstörten seine Manneskraft. Für immer. Jaulend kippte er zu Boden und wand sich röchelnd vor unsäglichen Schmerzen hin und her. 
Mit Tränen in den funkelnden grünen Augen trat die Geweihte an den Schwarzmagier heran. Ihre entblößte Brust mit ihrem Mantel bedeckend, stotterte sie einen fast unhörbaren Dank. Hakon nickte und sein Herz erwärmte sich, als er ihrer üppigen Konturen gewahr wurde. 
„Du bist würdig, Kleines. Du bist auserwählt den Herrn der Finsternis zu erfreuen.„ 
Der Blick der Frau verschleierte sich. „Was sagt Ihr?„ 
„Wie ist dein Name, Kind?„, drängte Hakon unbeirrt. 
„Lavinia„, hauchte sie. „Lavinia Rosenherz.„ 
Hakon nickte. Seine Hand legte sich auf ihre Stirn. „So schlaf Lavinia Rosenherz! Schon bald wirst du den Sinn deines Daseins begreifen.„ 
Bewußtlos brach sie in seinen Armen zusammen. Hakon fing sie auf und legte sie behutsam in das warme Stroh. Hauptmann Eisenhaar würde sie auf ihr Zimmer bringen. So war es vereinbart.

Gegen Mitternacht saßen die drei Schwarzmagier im leeren Schankraum der Taverne. Hitzig diskutierten sie über ihr bevorstehendes Experiment und über die getroffenen Vorbereitungen. Der verräterische Erzmagier Egil Deggerdan, sonst Vertrauter und engster Ratgeber des Kaisers von Nyrmillia, thronte majestätisch auf seinem gepolsterten Sessel, den er eigens für dieses Treffen mitgebracht hatte. Sein schneeweißes langes Haar verlief sich mit seinem prächtigen Bart zu einer würdevollen Mähne des hohen Alters. Seine blauen Augen musterten jeden seiner Ordensbrüder intensiv, bevor er seinen Kommentar äußerte. Respektvoll nestelten seine knochigen Finger an dem silbernen Pentagramm, das er als Zeichen seines Status um den Hals gebunden trug. Auch er trug die schwarze Robe der schwarzen Magie und bekannte sich als Vorsteher und Fürsprecher des Ordens der Finsternis. 
„Und Ihr habt tatsächlich den Eingang des Verlieses Mulkor entdeckt?„, fragte er seinen ehemaligen Lehrling Meister Thorkar. 
„Sicher, Großmeister. Ich habe Karten, die den exakten Einstieg zur ehemaligen Schule der Magie enthalten.„ 
Rune Thorkar lehnte sich wichtig zurück. Sein selbstsicheres Lächeln verriet keine Regung in Deggerdans ausdrucksloser Miene. 
„Wird es bewacht? Wie ich hörte haben unsere Vorfahren Wächter positioniert.„ Sein Blick fiel auf Hakon der eiligst den Finger hob. 
„Laut unserer Kenntnis sind die gegebenen Fallen noch aktiv. Zahlreiche Ghule bewohnen die finsteren Korridore. Eine Handvoll Skelette bewacht das Machtzentrum. Wir vermuten zudem einige Riesenspinnen.„ Stolz lehnte sich nun Hakon zurück und schenkte Thorkar ein vielsagendes Lächeln. 
Der Erzmagier schwieg einen langen Augenblick. „Nun gut. Da wir alle Vorbereitungen getroffen haben, es uns weder an Zutaten noch Opfern fehlt, schlage ich vor legen wir uns zur Ruhe. Da es noch drei Tage bis zur totalen Mondfinsternis sind, sollten wir unsere Kräfte schonen.„ 
„Ihr meint wir begeben uns in den Tiefschlaf?„ Rune Thorkar überdachte den Vorschlag und nickte anerkennend. 
„Hauptmann Eisenhaar wird sich um alles andere kümmern. Er genießt unser vollstes Vertrauen.„ Für Egil Deggerdan war die Diskussion beendet. Mit einer Geste entließ er die beiden Meister der schwarzen Magie. Er selbst blieb noch einige Zeit nachdenklich im Schankraum sitzen. Das Herdfeuer prasselte noch, als der verruchte Erzmagier sich endlich erhob und auf sein Zimmer ging.

Am Morgen des besagten Tages trafen sich die drei ausgeruhten Magier vor dem Gelben Skorpion. Jeder hatte seinen Karren vorgefahren, beladen mit unersetzlichen Ingredienzen und Apparaturen. In Thorkars Wagen kauerte Hauptmann Eisenhaar und überwachte den unruhigen Schlaf der gefangenen Geweihten Lavinia. 
Der Erzmagier überflog noch rasch die Karte und gab dann das Zeichen zum Aufbruch. Laut Thorkars Karten verbarg sich das uralte Verlies Mulkor auf einer kleinen Lichtung des dichten Dschungels nahe der Stadt Fearsmoor. 
Großmeister Deggerdans Wagen fuhr vorweg. Er hatte neben seinen Geräten noch die Leiber der fünf getöteten Söldner geladen, die aufgeschichtet noch Platz in seinem Wagen fanden. Während der Fahrt sprach keiner der Schwarzmagier ein Wort. Erst gegen Abend, als die unscheinbare Lichtung erreicht war, gesellten sie sich zu einer gemeinsamen Pause. 
„Wie entledigen wir uns den untoten Wachen?„, fragte Hakon den Erzmagier bei einer Tasse heißen Keburintees. 
„Ich verfüge über einige Lichtsprüche der weißen Magie. Totenschreck wäre äußerst effektiv.„ 
Deggerdan schüttelte sein Haupt. „Warum die vernichten, die unserem Meister dienen? Die Söldner werden ihren Sinn und Zweck erfüllen. Laßt die Wächter meine Sorge sein.„ Geheimnisvoll ließ Deggerdan Hakon zurück. Bevor er weitere Fragen stellen konnte, veranlaßte der Erzmagier Hauptmann Eisenhaar die Toten aus dem Wagen zu heben. Eisenhaar legte sie kurz darauf auf das feuchte Gras. Beim Anblick des tätowierten Söldners wurde Hakon fast übel. 
„Ist innerlich verblutet. Grausamer Tod„, bemerkte der Dunkelzwerg und klopfte sich den Dreck von der verschrammten Brustplatte.
„Tretet zurück!„, warnte sie Deggerdans leise Stimme und die drei Männer entfernten sich von den stinkenden Leichen. Der Erzmagier Amberlonias hob beide Arme und begann einen monotonen Singsang. Mehrere Minuten dauerte es, bis ein Zucken die verrenkten Gliedmaßen der Toten durchlief. Als dann erhoben sich die geistlosen Söldner und trotteten stöhnend auf die Magier zu. 
„Ladet die Kisten von den Karren. Behandelt sie wie eure Augäpfel. Ich wünsche keine Schäden.„ 
Deggerdan deutete auf die Karren, deren Zugtiere beinahe durchgingen. Bevor der erste Zombie Thorkars Wagen erreicht hatte, trat Eisenhaar mit der schlafenden Lavinia auf den Schultern ins freie. 
„Loyal bis zuletzt„, lachte er und bettete die Geweihte auf den moosigen Untergrund. 
Beeindruckt beobachteten Hakon und Thorkar, wie die torkelnden Zombies mühelos die schweren Kisten auf der Lichtung stapelten. Trotz ihrer wackeligen Gangart trugen sie jede Kiste sorgfältig zu ihrem Platz. Nachdem das geschehen war, deutete Deggerdan auf die schwere Steintür, welche in die Felswand einer kleinen Anhöhe der Lichtung gehauen war. „Öffnet die Tür!„ 
Ohne jeden Laut zogen drei der Untoten die gewaltige, mit Runen versehene Tür nach außen. Dunkelheit und feuchte kühle Luft schlug ihnen entgegen.
Der Erzmagier trat an ihnen vorbei und betrachtete das Werk. „In lumina noctis. Tota flamir.„ Sogleich entzündeten sich die vor Jahrhunderten an den Wänden angebrachten Fackeln und bildeten einen hellerleuchteten Weg ins Innere des unheimlichen Verliese. „Nehmt eure Waffen und betretet die Schule!„ Die willenlosen Zombies taten wie ihnen geheißen war und wankten mit gezückten Klingen in die Tiefe.
„Hauptmann Eisenhaar, Ihr folgt ihnen in einiger Entfernung! Sollten sie aufgerieben werden, kehrt zu uns zurück!„ Der Dunkelzwerg griff nach seinem Beil und stapfte den fünf Untoten hinterher.

Es dauerte vier Stunden als er keuchend zu den wartenden Magiern zurückkehrte. Schweiß tropfte von seiner furchigen Stirn, als er dem Erzmagier Bericht erstattete.
„Es ist vollbracht. Das Machtzentrum ist in unserer Hand. Ich selbst war dort unten Zeuge des schaurigen Kampfs. Mehrere Salven Giftpfeile konnten sie nicht stoppen. Auch die Spinnen zogen sich bei ihrem Anblick schnell zurück. Eine Bodenfalle nahm uns einen Zombie, doch sonst sind alle Fallen ausgelöst. Mit der magischen Kreide von Meister Thorkar habe ich einen passierbaren Weg gekennzeichnet. Wir können hinunter.„ 
„Und die Ghule?„, fragte Hakon ungläubig. 
„Haben sich mit ihrem Mahl verdrückt. Es war eine gute Idee die Toten als Köder zu benutzen.„ 
Der Erzmagier lächelte zufrieden. „Faßt mit an, Hauptmann! Wir tragen die Kisten hinunter. Die Zeit drängt und wir dürfen uns keinen Fehler erlauben.

Zwei Stunden vor Mitternacht war die Vorbereitung des grausamen Rituals vollbracht. Das achteckige Machtzentrum der geheimen Schule war vierhundert Schritte unter der Erde errichtet worden. Nach scheinbar endlosen Korridoren und verwinkelten Gängen waren die fünf Verdammten endlich im Herzstück des längst vergessenen Verlieses angelangt.
Nackte, kalte Steinwände umschlossen sie wie eine erdrückende Fessel. Doch die drei verruchten Meistermagier störte das nicht. Hauptmann Eisenhaar hatte die elf gewaltigen Holzkisten behutsam verteilt, während Thorkar und Hakon summend den mit Symbolen und Runen verzierten Steinaltar in der Mitte des Raumes säuberten. 
Das große, rechteckige Steinbecken, welches zwischen der Nordwand und dem Altar in den Boden eingelassen war, wurde von Egil Deggerdan mit mehreren Tonkrügen Öl gefüllt. Als  das Becken bis zur Hälfte mit der brennbaren Flüssigkeit gefüllt war, legte der Erzmagier den schweren Krug beiseite. Sein Blick fiel nun auf Meister Hakon, der die säuberlich aufgereihten Silberschalen auf einem der beiden breiten Eichentische mit wertvollen Zauberzutaten belud. Rune Thorkar entzündete mehrere Dutzend schwarzer Kerzen, die er symmetrisch in dem geräumigen Gewölbe verteilt hatte. Als er fertig war, trat er an den Eichentisch auf der gegenüberliegenden Seite heran. Hier ruhten uralte Pergamente, Schriftrollen und Zauberbücher. Alle zusammen wertvoller als die zehn Schatzkammern des Kaisers von Nyrmillia. 
Den steinernen Altar hatte Hauptmann Eisenhaar mit zwei großen Kohlenbecken flankiert. Züngelnd zuckten die hellen Flammen, als der Dunkelzwerg mehrere Handvoll Kräuter in das Feuer gab. Der daraufhin süßliche Duft kitzelte in seiner knolligen Nase.
Prüfend wanderte Deggerdans Blick durch den perfekt eingerichteten Raum. Zu seiner Linken befand sich der Tisch mit den siebzehn Silberschalen der Ingredienzen. Aufgereiht nach ihrer Bedeutung, neben diversen Opferdolchen aus Kristall und Mithril. Eine prunkvolle silberne Handsichel, aufbewahrt auf einem blutroten Samtkissen bildete den Abschluß des magischen Dinners. 
Zu seiner Rechten lagen sämtliche Sprüche und Zauber. Spruchbereit waren sie in Form von aufgeschlagenen Büchern und aufgerollten Permanenten auf dem Tisch sortiert. Das Ölbecken hinter dem Erzmagier war gefüllt. Der Altar gesäubert, die Kerzen entzündet. Schnell überflog Deggerdans Blick die Sammlung kostbarer Elixiere im hinteren Teil des Machtzentrums. Aufgereiht, neben einer Wand aus nun leeren Kisten, warteten die undurchsichtigen Phiolen auf ihren Gebrauch.
Der Erzmagier nickte zufrieden. Soeben trug Hauptmann Eisenhaar den zeremoniellen Gong herein und stellte ihn neben dem Altar nieder. 
Rune Thorkar griff in eine seiner unscheinbaren Taschen seiner schwarzen Robe. Geschickt zog er zwei magische Kreidestifte heraus und reichte Hakon den längeren. 
„Ihr die Runen, ich das Pentagramm.„ 
Simultan traten beide Schwarzmagier an ein hüfthohes, kleines Becken in einer der Nischen heran. Das kreisrunde Becken war bis zum Rand mit dunklem Blut gefüllt. Dem Blut der Magier, das sie zelebrierend mit einem Schnitt des goldenen Opferdolchs ihren Adern entnommen hatten. Eine skelettierte Klaue ruhte als Rührstab am rechten Beckenrand. Thorkar ergriff ihren dünnen Knöchel und tauchte die Knochenspitzen in das Blut. 
„Ene mei, male tu sa„, flüsterte er andächtig und fuhr mit dem Knochen über die weiße Kreide. Ein dünner Blutfilm zog sich über das magische Utensil, als er die Klaue an Hakon weiterreichte. Dieser erwiderte das Ritual und murmelte leise: „Ene be, sicti tu ata.„
Im Gleichschritt traten die beiden Magier in die Mitte des Raumes und knieten vor dem Altar nieder. 
„Oh, Lucificus, du Herr der ewigen Finsternis. Du Geißel der Verdammnis und des endlosen Schmerzes, höre unsere Bitten und segne unser Opfer. Denn du bist unser Herr und Meister.„ Thorkars melodische Stimme hallte von den Wänden wider. Zügig zog er mit der blutgetränkten Zauberkreide ein gewaltiges, nahtloses Pentagramm auf den Boden. Als er geendet hatte, erhob er sich und betrachtete zufrieden sein Werk. Sogleich kniete der greisenhafte Hakon nieder und sang mit lauter Stimme: „Wir preisen dich, oh Ausgestoßener des Himmelreichs. Erlaube uns unwürdigen Dienern dir das Portal zu öffnen und dich aus deinem Bann zu befreien. Mögen Golums Kräfte schwinden, oh unheiliger Fürst der Dunkelheit.„ 
Zuerst zeichnete Hakon je eine Rune an jede der fünf Spitzen des Drudenfußes. Dann vervollständigte er die sechs inneren Flächen dutzendweise mit geheimnisvollen Schriftzeichen. Viele von ihnen für die menschliche Zunge unaussprechbar.
Deggerdans wachsamer Blick verfolgte jeden seiner Schriftzüge. Danach erhob sich Hakon und trat aus dem Pentagramm an die Seite des Großmeisters. Auf dessen Wink hin schlug Hauptmann Eisenhaar dreimal den tellergroßen Bronzegong. Unheimlich dröhnte der Klang in ihren Ohren wider, als Rune Thorkar das Opfer an das Pentagramm heranführte. Die mit Rauschwurzeln gefügig gemachte Geweihte wurde entkleidet und nackt in mitten des Drudenfußes gebettet. Ihre ausgebreiteten Arme und Beine, so wie ihr Kopf, bedeckte je einen Winkel des magischen Fünfecks. Sogleich kniete Thorkar neben ihr nieder und zeichnete ein weiteres Pentagramm auf ihren flachen Bauch. Ihre hübschen Wangen versah er mit mehreren verschnörkelten Zauberzeichen. Lavinias volle Lippen formten unverständliche Worte, als der schwarzhäutige Magier ihre üppigen Brüste mit weiteren Runen bedeckte.

Wieder erklang der dumpfe Gong dreimal. Raul Hakon entzündete das Öl im Steinbecken mit einer Fackel. Eiligst wich er von dem lodernden Inferno zurück und hob beruhigend die Hände.
„Oh, Fürst der Hölle. Ewiger Vater allen Schmerzes und Leids. Nimm dieses würdige Opfer entgegen.„ 
Mehrere Minuten vergingen, dann schlug der Dunkelzwerg fünfmal den dröhnenden Gong.
Egil Deggerdan und Rune Thorkar standen mit ausgerollten Pergamenten singend vor dem sich windenden Körper Lavinias. Wie in Trance warf die Geweihte ihren lockigen Kopf hin und her und schrie lauthals die unbekannten Worte einer längst vergessenen Melodie.
„Morta sul. Evecti si-tia ko!„ Thorkars weiche Stimme vermischte sich mit Deggerdans dunkler Baritonstimme. „Sile tuk, moha crelishek. Ah tu rial bene tok.„ 
Raul Hakon bückte sich nach den verkorkten Phiolen. Sorgsam wählte er vier Elixiere aus und wand sich der gewaltigen Flamme zu. Hitze versengte seine Haut und sein Haar, als er die erste Phiole singend entkorkte. 
„Oh, unheiliger Vater. Wir demütigen Diener wollen dich der endlosen Pein erlösen. Wir bitten dich, erhöre uns.„ 
So dann entleerte Hakon die erste Phiole und trat geblendet einen Schritt zurück. Ein purpurner Blitz durchzuckte das hell erleuchtete Machtzentrum und erstarb so schnell wie er erschienen war. Mit schmerzenden Augen goß Hakon die übrigen Elixiere in die zuckenden Flammen. Elfenblut. Einhornspeichel, Wyrmsäure, und Schwefelwasser ließen die Feuersbrunst höher schlagen.

Hauptmann Eisenhaar schlug den Gong erneut fünfmal. „Bereitet den Schlüssel zur Unsterblichkeit„, rief der Erzmagier mit energischer Stimme. 
Thorkar und Hakon traten geschlossen an den breiten mit den Ingredienzen bedeckten Tisch heran. Hinter ihnen hielt Deggerdan eine leere silberne Schüssel in den offenen Armen. „Valle, roar se tu dor! Zuerst die Gewächse des Schattens!„ 
Gebieterisch sah der Erzmagier auf die flinken Hände der Magier, die sorgfältig die kostbaren Zutaten den Schalen entnahmen. 
„Alraunen und Blutbeeren„, sagte Hakon demütig und legte die Pflanzen vorsichtig in die bereitgehaltene Schüssel. 
„Purpurpilz und Zwirbelkraut„, rief Thorkar. So ging es minutenlang. 
„Schwarzer Lotos, roter Lotos.„ „Gelber Lotos und Knoblauch.„ 
„Hexenpupille, Ginsterkraut.„ 
„Weiße Brandnessel und Teufelskralle.„ 
„Silbermistel, Todeslilie.„ 
„Nachtrose und Gelbmoos.„ 
Nickend durchrührte der Erzmagier die halbgefüllte Schüssel. 
„Yrakmilch und Sonnentee„, mahnte er und die beiden Schwarzmagier kehrten mit zwei Phiolen zurück. Die natürlichen Substanzen verloren sich in der Menge der Gewächse.
Der Gong ertönte nun siebenmal. Deggerdan lief der Schweiß von der Stirn. 
„Enetoc, roar se bestium! Nun die Kreaturen!„ Wieder sammelten die beiden Meistermagier bezeugend ihre Zutaten. 
„Spinnweben und Orkhaar.„ 
„Fledermausdung, Krötenschleim.„ 
„Zerstoßene Kinderherzen, Schlangengift.„ 
„Zwergenblut, zerstampfte Wyvernkrallen.„ 
„Einhornpulver, Krötenaugen.„ „Ogerspeichel, Spinnenbeine.„ 
„Fischschuppen, zerriebene Libellenflügel.„ 
Die volle Schüssel stellte Deggerdan auf einen Dreifuß auf den Altar. Ein brennendes Kohlenbecken schob er hinunter.
„Male mortu, sule bek.„ Der Erzmagier vernahm die sieben lauten Gongschläge. Hastig blickte er auf die kleine Sanduhr, die neben ihn auf dem Altar verrieselte. „Noch eine Stunde bis zur totalen Mondfinsternis„, rief er drohend. „Wir müssen uns beeilen. Noch sind die dreizehn Beschwörungsformeln nicht gesprochen.„ 
Mit zwei schnellen Schritten hatte Thorkar den Eichentisch erreicht. Seine vernarbten Hände hoben ehrfürchtig das rote Samtkissen mit der geweihten Sichel empor. Kniend hockte er sich vor den Erzmagier und reichte ihm die Opferschneide. Deggerdans dünne Finger umschlossen den schmalen Griff liebevoll. Singend ließ er sich neben Lavinia nieder und hielt eine flache Schale bereit. 
„So verstehe nun den Zweck deines Opfers, Lavinia Rosenherz. Deine Unschuld und dein Blut wird unserem Meister das Tor öffnen. Möge er Einlaß finden in unsere Welt und mögest du ewig in seinen Armen schlummern.„ 
Sanft ergriff er Lavinias feines Kinn und ein kurzer Ruck zerschnitt ihr säuberlich die Kehle. Regungslos fiel ihr Kopf zur Seite und Deggerdan fing das rinnende Blut mit der Schale auf. „Xeri, fir nua sol. Muti al eh ko la.„ 
Langsam goß der Erzmagier das frische Blut in die kochende Schüssel auf dem Altar.

Als er elf Schläge später das gewaltige Zauberbuch in den Händen hielt, knieten die beiden Meistermagier vor ihm nieder. 
„Die ist das Necronomicon, das Buch des Todes. Geschrieben in Menschenblut und gebunden in Menschenhaut vermögen es nur die willigsten Diener des Unheiligen zu lesen, ohne zu erblinden. Ich, Egil Deggerdan bin dazu auserwählt, die dreizehn Formeln der Beschwörung zu vollziehen. Ihr Rune Thorkar und Ihr Raul Hakon werdet Euren Willen dem Meister des Bösen verschreiben. Eure Seelen sollen sich formen und willig sollt ihr die Formeln sprechen, die ich Euch in den Mund legen werde.„
Hauptmann Eisenhaar beobachtete mit klopfenden Herz, wie der Erzmagier mehrere unverständliche Sätze sprach, die ehrfürchtig von den beiden Magiern rezitiert wurden. Nahezu ewig dauerte es, bis die drei Magier die unheimlichen Beschwörungen fehlerfrei ausgesprochen hatten. Das lodernde Feuer schien energischer zu brennen, als der Dunkelzwerg weitere Kräuter in die meterhohe Flamme warf. Hitze bereitete ihm keine Furcht, doch schien ihm das Feuer unnatürlich heiß zu brennen. 
„Beißender als Wyrmhauch„, murmelte er und bemerkte, wie der Erzmagier die dampfende Schüssel mit einer breiten Tiegelzange vom Dreifuß hob. Mit einem Knochenstab rührte er den kochenden Brei zu einer zähen Masse, die er sorgfältig auf drei silberne Schalen verteilte. Wieder erhob der Erzmagier seine Stimme. 
„Das Necronomicon besagt: Es bedarf der absoluten Willenskraft aller drei Erzdämonen das Portal der Finsternis zu öffnen.„ 
Mit einem durchdringenden Blick auf seine beiden Diener fuhr Deggerdan fort. „Bedenkt nun, welchen Erzdämon ihr wählt. Euer Körper soll sein Medium zur diesseitigen Ebene sein. Wählt mit Bedacht, denn es hat vielen schon den Tod gebracht!„
Gedankenverloren nahm er eine der drei Schalen und wand sich dem knienden Thorkar zu. Hauptmann Eisenhaar schlug den Gong dreizehnmal. 

„Eure Wahl Meister Thorkar?„ 
Der dunkelhäutige Magier sah ergeben auf. „Ich bin Azzalur der Gehörnte. Herr der Sphäre des Blutes.„ 
Nickend tauchte Deggerdan seinen Finger in die heiße Masse und strich ein gewinkeltes Symbol auf dessen Stirn. 
„So mögest du deinen Körper dem Erzdämonen Azzalur widmen.„
Der Erzmagier legte die Schale auf den Altar und kehrte mit der zweiten zu Hakon zurück. Sein verbrannter Finger zeigte auf den knienden Greis. 
„Und Ihr, Meister Hakon? Wem opfert Ihr Eure sterbliche Hülle?„ 
Der Meistermagier blickte starr geradeaus. Ein kurzes Zittern überflog sein faltiges Gesicht. „Ich bin Bargool der Zerstörer. Herr der Sphäre des Hasses."
 Hakon zuckte unwillkürlich als ihm Deggerdan die heiße Paste auf die Stirn zeichnete. 
„So mögest du deinen Körper dem Erzdämon Bargool widmen.„
Mit einer Stimme fragten die beiden Knienden: „Und Ihr, Großmeister Deggerdan? Wollt Ihr Euren Körper und Eure Seele dem Herrn des Todes verschreiben?„ 
Mit geschlossenen Augen sank der erste aller Magier auf die Knie. Sogleich erhob sich Rune Thorkar und nahm die dritte Schüssel in seine Hand. 
„Ich bin Murandiel der Wächter. Herr der Sphäre des Todes.„ 
Deggerdans inbrünstige Stimme verebbte, als Thorkar ihn zeichnete.

Siebzehn Gongschläge ertönten, als die drei Magier sich um das Pentagramm versammelten. Den leblosen Körper Lavinias zu Füßen ergriffen sie ihre Hände und sangen eine Litanei unmenschlicher Laute. Hauptmann Eisenhaar warf weitere Ingredienzen in die prasselnden Flammen, als das Ritual seinen Höhepunkt erreichte. Die Magier hatten die letzte Silbe der unheiligen Hymne gesungen, da erschien ein Leuchten im Inneren des Drudenfußes. Erst ganz schwach, dann immer stärker. Mit zusammengekniffenen Augen tastete sich der Dunkelzwerg näher und blieb hinter seinem Herrn Thorkar stehen.
„Wer wagt es?„, donnerte eine gewaltige, verzerrte Stimme, welche die Mauern des Machtzentrums erschüttern ließ. 
„Meister, Meister, Meister„, schrien die drei Magier so laut, daß Eisenhaar einen Schritt zurückwich. 
„Wer?„ 
Die Umrisse einer monströsen Kreatur formten sich im Leuchtkreis des Beschwörungszirkels. Zuerst sah Eisenhaar nur einen Schatten. Doch dann wurde sein schlimmster Alptraum Wirklichkeit. 
„Ein Balrog„, hauchte der Dunkelzwerg heiser und griff zitternd nach seinem Beil.
„Wer?„, polterte die körperlose Stimme erneut. 
Die Magier sangen unbeirrt weiter. Eisenhaar wog sein Beil in den Händen; und ließ es mutlos sinken als der Dämon die Ebene der Sterblichen betrat. Umgeben von züngelnden grünen Flammen personifizierte sich das absolute Böse in einer der gräßlichsten Kreaturen der tiefsten Hölle. Drei Schritt groß, mehrere Schritt breit, entfachte sich der beschworene Dämon inmitten der staunenden Magier. Seinem krummen Rücken entsprangen zwei gewaltige Schwingen, deren Enden, wie auch sein Unterleib, in einem Tunnel knisternden Feuers verschwanden. Sein muskulöser Oberkörper war nackt. Seine überlangen Arme endeten in schrecklichen Klauen. Doch das fürchterlichste war sein Antlitz. Mehrere gewundene Hörner ragten aus einer abscheulichen, entstellten Fratze, deren Kinn und Nase in gekrümmter Form widerwärtigen Auswüchsen gleichkamen. Ein Paar rotglühender Augen blickte suchend umher und blieb schließlich auf den Magiern ruhen. 
„Wer wagt es Sakul, den Boten der Hölle zu rufen? Sprecht Sterbliche!„ 
Hauptmann Eisenhaar hielt sich die Ohren zu. Die schreckliche Stimme tobte in seinem Geist. „Wir sind die Trinität des Bösen„, erwiderten die Magier furchtlos. 
„Wir Erzdämonen beschwören den Unheiligen, unseren Herrn und Meister.„
Der Flammen umgebene Dämon sah an sich herunter. 
„Ein Opfer?„, höhnte er. „Eine Geweihte der Göttin der Liebe?„ Seine rechte Klaue hob mühelos Lavinias schlaffen Körper empor. „Wisset sterbliches Gewürm. Den wahren Fürsten der Finsternis kann man nie beschwören und in einem Pentagramm gefangenhalten. Stark ist der Bann, den der verfluchte Göttervater über ihn gelegt hat. Doch gebe ich euch die Möglichkeit zu einem weiteren Versuch. Schenkt mir ein Opfer und eure Suche hat ein Ende.„ 
Thorkar reagierte am schnellsten. „Blut und Seele für Sakul den mächtigen Dämonenboten.„ Sein telephatischer Befehl drang tief in Eisenhaars Bewußtsein. Der Zwerg schüttelte sich. „Niemals, elender Magier. Keine Magie ist stark genug einen Dunkelzwerg zu verhexen.„ Doch der starke Wille Eisenhaars konnte sich den gewaltigen Strömen der Chaosmagie nicht entziehen. Thorkar brach ihn schneller als ein morsches Stück Holz. 
„Folge dem Feuer!„ 
Verzweifelt versuchte sich Eisenhaar zu wehren. Doch sein Verstand befahl ihm zu gehorchen. Wimmernd warf er sein Beil von sich und marschierte direkt in den offenen Arm des lachenden Dämons. Kurz darauf stand er lichterloh in Flammen. Sein markerschütterndes Geheul wurde von dem tosenden Lachen der Höllenkreatur übertroffen. 
„So seht den Preis für euer Gelingen, Sterbliche! Mögen eure Seelen den Fürst der Finsternis erfreuen.„ 
Sakul richtete seine monströse Klaue auf den Erzmagier. „Vor seiner unheiligen Majestät seid ihr alle gleich.„ 
Dann erstrahlten die drei Magier in einem blendenden Schein tobenden Feuers. Ihre wahnsinnigen Schreie hallten minutenlang durch das Verlies, bevor der Dämonenbote erneut zu ihnen sprach. 
„Nutzt euer neu erworbenes Wissen zum Wohl eures Meisters. Doch wagt es nicht ihn herauszufordern! Ihr gehört jetzt ihm, für alle Zeiten.„ 
Mit einem brüllenden Gelächter verschwand der Dämon mit seinen Opfern in einem bläulichen Feuerball. Erst später, als das Inferno verstarb, regten sich die zusammengekrümmten Gestalten am Fuß des rußgeschwärzten Altars. Verbrannte, skelettierte Hände kratzten über den steinernen Boden. Rote Augen leuchteten wie glühende Kohlen in der eingetretenen Finsternis. Stille. 
„Meister?„, krähte die unmenschliche Stimme eines Wesens, das sich gebeugt vor dem Becken aufrichtete. Dann explodierte das Ölbecken in einem tobenden Flammenmeer. Meterhohe Stichflammen wogen über die Köpfe der wimmernden Schattenkreaturen, die einmal die angesehensten Magier Amberlonias waren. 
„Seht!„, erklang die gewaltige Stimme Sakuls. 
Die drei Wesen gehorchten. Ihre schwarzen Kutten waren ihnen geblieben. Doch besaßen sie weder Haut noch Fleisch. Lediglich zwei skelettartige Hände lugten aus den wallenden Ärmel ihres Gewandes hervor. Anstelle eines Gesichts funkelte ein rötliches Augenpaar aus einer leeren Kapuze. Der Preis ihrer Beschwörung war schlimmer als der Tod. Hatte Deggerdan vor wenigen Stunden noch die Macht über Untote verfügt, so war er nun selbst zu einer willenlosen Kreatur der Dunkelheit geworden. Der Wille des Unheiligen hatte sie zu Liche gemacht. Jenen geistlosen Wesen, welche die Kräfte ihrer Magie begrenzt behalten hatten. 

Ein zwei Schritt langes Schwert materialisierte sich in dem leuchtenden Feuer. Von Flammen umzüngelt schwebte es vor dem Wesen, das einst den Namen Deggerdan trug. Gebannt starrte es auf die schwarze Schneide, die mit fremdartigen Zeichen und Symbolen versehen war. Der Griff der unheiligen Klinge endete in einer geöffneten Klaue. Ein Stöhnen dröhnte durch den Raum, als das brennende Schwert langsam in die Höhe fuhr. Als es die Decke erreicht hatte, löste es sich auf. Das Feuer erlosch. Die Wesen blieben in der Finsternis zurück. 
Noch einmal hallte Sakuls Stimme durch den Raum. 
„Der Bann ist gebrochen. Das Schicksal der Welt der Sterblichen besiegelt. Jahrtausende harrte seine Majestät auf Erlösung.„ 
Ein mattes Leuchten umschloß den steinernen Altar. Als es verblaßte sahen die Wesen die schattenhaften Konturen der gewaltigen Klinge. 
„Nehmt das irdene Gefängnis seiner Majestät und reicht es dem, der seiner würdig ist. Durch ihn soll der Fürst der Finsternis zu neuem Leben erweckt, die Welt der Sterblichen betreten. Aber wisset, wer einmal die Klinge des Bösen geführt, für immer seine Seele verloren ist. Der Herr der Verdammnis ist zufrieden. Es ist vollbracht.„

Die Klaue des ersten Lichs umschloß den Griff der Höllenklinge. Ein ächzendes Stöhnen erklang, als er das schwere Schwert vor sich in die Höhe hob. Zwei wuchtige Hiebe später lagen die beiden anderen Liche zu seinen Füßen. Beißender Rauch quoll aus ihren leeren Kutten und verteilte sich langsam um den Altar.
„Ich bin würdig„, schnarrte der erste Lich. „Ich mache mir den Himmel Untertan.„ 
Flammen schossen urplötzlich aus dem Boden hervor. Hungrig loderten sie um das lachende Wesen, daß sich augenblicklich in ein Feuer und Blut triefendes Etwas verwandelte. Zwei Schwingen formten sich auf seinem breiten Rücken. Zwei gewundene Hörner sprossen aus seiner flüssigen Stirn. Grobschlächtige Klauen bildeten sich an zwei sehnigen Armen. Zwei Hufe stampften auf den brennenden Boden, als der Herr aller Dämonen in die Welt der Sterblichen geboren wurde. Sein geschwungener Kiefer öffnete sich zu einem Brüllen, als ein feuriger Odem durch sie langen Zähne pfiff. 
„Frei„, brüllte der Verstoßene. „Endlich frei.„ 
Das Inferno schien zu eskalieren. Dutzende von grotesken Dämonen schwirrten feierlich um ihren wiedergeborenen Meister und ließen das Machtzentrum erbeben. Eine Kakophonie des Grauens sprengte die Wände des uralten Verliese als das Tor der Hölle aufgestoßen wurde. „Bald Vater ist es soweit. Bald wirst du vor mir knien.„ Der Fürst der Finsternis verschwand und mit ihm die Dämonen. 
Das Geschrei der sterbenden Ghule hallte noch in den einstürzenden Gängen, als die alte Schule Mulkor in sich zusammenbrach. Die Beschwörung war vollendet. Golums ewiger Bann gebrochen.