Die
Geschichte des jungen Drachen Servait
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Kapitel 3: Das Lied des Windes (1) |
Die Landschaft glitt langsam vorbei. Aus dieser Höhe wirkte es fast wie ein großer, grüner See. Es war eine friedliche Nacht. Eine sternenklare Nacht. In Nächten wie diesen wurde es ihr wieder einmal klar. Wer auch immer es einst war, der all dies geschaffen hatte, er oder sie muss ein Drache gewesen sein. Nur ein Drache hatte die Möglichkeit, sie in all ihrer Schönheit zu bewundern. Fechrigna? Ach, könnte sie doch ewig so dahin gleiten. Dort unten, auf dem Boden der Tatsachen quasi, fand er statt. Der ewige Kampf ums Überleben. Hier oben dagegen waren Drachen wie sie frei. Wer konnte schon diesen Frieden hier oben stören? Fechrigna! Nun gut, es gab sicherlich noch andere Drachen wie sie, doch waren sie nicht die Krone der Schöpfung? Waren sie nicht über all diesen kleinen Streitereien erhaben, welche Mensch und Tier in Schach hielten? Fechrigna!!! ...natürlich gab es auch andere Drachen. Solche wie den kleinen Servait, welcher sich just in diesem Moment an ihrer Schwanzspitze festkrallte. Nicht dass er ihr wehgetan hätte (dazu war er, leider, zu schwach), aber so langsam nervte es doch. Wollte sie ihm doch, nachdem er es nun geschafft hatte, über kurze Strecken zumindest zu gleiten, beibringen richtig zu fliegen. Hoch zu fliegen. Doch ach, in diesem Moment schien es fast so, als habe der kleine blau beschuppte Drache etwas, was die Menschen als Höhenangst bezeichnen würden. "Bitte, Fechrigna, können wir nicht etwas
niedriger fliegen? Weißt du, ich hab gehört..." begann er zu
erzählen.
"Hör zu" sagte sie, "ich sag’s dir nun zum letzten Mal, Kleiner. Wenn du nicht richtig fliegen lernst, wird nie ein richtiger Drache aus dir. Lass mich endlich los. Es wird dir nichts passieren, ich bin ja da." "Und wenn ich runterfalle? Immerhin ist es hier recht hoch, und meine Flügel sind doch sooo schwach..." Wie meist wenn er keine Lust nach derartigen Übungen verspürte, setzte er seinen Tränende-Augen-Blick ein. Jetzt reichts mir, dachte Fechrigna, und legte eine gekonnte Seitwärtsrolle hin. Nicht auf dieses plötzliche Manöver vorbereitet, ließ Servait noch einen kurzen Schrei von sich und ehe er sich versah, flog er durch die Luft gen Himmel. "Ich falle", schrie er, "so hilf mir doch..."
Nicht sicher, ob er dieser Aufforderung nachkommen
konnte, fing er an, unbeholfen seine Flügel zu bewegen...
Nicht sicher, ob er so ganz verstanden hatte, was sie sagte, versuchte er wenigstens so zu tun als ob. Immerhin, so hoffte er, würde sie seinen Versuch zu würdigen wissen und ihn so schnell nicht wieder mit so was belästigen. Also, wie sagte sie noch gleich? Entspannen. Tief durch die Nüstern einatmen und langsam durch das Maul ausatmen. Fühlen wie der Wind ihn berührte. Klingt leicht, ist es aber nicht. Wie sollten seine nun vom Körper abstehenden Flügel ihn tragen? So gestreckt wie sie nun waren? Sicher, momentan fühlte es sich an als würde er nur so dahinschweben... schweben? Mit einem mal begriff er: Ich fliege. ICH fliege! "Fechrigna, sieh nur, ich fliege! Es geht ganz
leicht!" rief er voller Freude aus.
"Vorsicht!" rief sie. "Vor dir!" Er blickte sie verwirrt an und schaute nach vorne... Er glaubte nicht, was er sah... Was hatte eine Bergziege hier oben verloren? waren seine Gedanken, bevor ihn Dunkelheit umfing... --- Es war so, als würde man nach einer längeren Strecke im Dunkeln endlich wieder Licht sehen. Man sah kaum etwas, alles verschwommen und undeutlich. Und mit dem Licht kamen die Schmerzen. Servait wusste nicht, was ihm alles weh tat, es gab quasi keine Schuppe, die nicht zu schmerzen schien. Benommen richtete er sich auf, nur um dies im nächsten Moment zu bereuen. Oh war ihm übel. Aufstehen konnte er nicht. Laufen oder gar fliegen schon gar nicht. Was konnte er nur machen? Sicher, er könnte hier liegen bleiben und auf Fechrigna warten. Sie würde sicherlich gleich hier sein und ihn abholen. Würde sie doch, oder? Und wo war "hier" überhaupt? Das Schwindelgefühl (so gut es ging) ignorierend rechte er seinen Kopf und begann sich um zu sehen. Er lag auf einem Felsen. Umgeben von Felsen. Aber... die Gegend kannte er nicht. Er hatte sie nie gesehen (und normalerweise kannte er die kleine Ecke seiner Welt genau) und wollte es auch nicht. Wenn es, neben dem Wasser, überhaupt noch etwas gab, was er nicht leiden konnte, so waren dies Felsen. Denn wo Felsen sind, gibt’s kaum Gras. Und im Gras versteckte sich sein Essen meistens. Klingt doch logisch, oder? Und... war es nicht Nacht gewesen als sie beide losgeflogen sind? Und jetzt war es... naja, taghell war’s nicht. Aber auch nicht Nacht. Wahrscheinlich früher Morgen, wo er am liebsten in der Höhle unten im Tal lag und darauf wartete, dass mit dem Morgentau die ersten kleinen Leckerbissen aus ihren Verstecken kamen. Oh Mann, war er hungrig. Er tapste los, seine Flügel dicht am Körper angelegt. So schnell würde er sie nicht wieder benutzen. Das war ihm viel zu gefährlich. Schon komisch, dass er ausgerechnet jetzt darüber nachdenken musste. Hier, wo die Felsen höher und unübersichtlicher waren als er es je gesehen hatte. Und dann dieser Wind. Als würde er ihm etwas sagen wollen... "Wo seid ihr?" ? Hatte er sich verhört? War da eine Stimme im Wind? "Hallo? Ist da jemand?" ... keine Antwort. Oder doch? Manch ein Ohr würde es für das Rauschen des Windes halten, aber das war falsch. Es hörte sich an wie... Gesang. Drachengesang. So ähnliche Laute gab Fechrigna von sich, wenn sie mal wieder einen anderen Drachen besucht hatte. Nur waren diese Laute... trauriger. Voller
Sehnsucht. Wer hatte solch eine schöne Stimme? Seine Schmerzen ignorierend
machte sich Servait auf, den Besitzer dieser schönen Stimme zu finden...
© Veritas
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