Joro ging wieder in den Saal hinein und schloß die Tür.
Albrecht und Toldor sahen beide in seine Richtung. Der Leichnam gewohnt
ausdruckslos und Toldor zweifelnd.
"Ihr wißt aber, daß die meisten wittern werden, was
auf sie zukommt und Dinge mit sich nehmen werden, die ihnen nicht gehören,
oder?" sagte der alte Mann.
"Das ist mir bewußt, aber das, was die Kirche hier ihr 'Eigen'
nennt, ist nicht wirklich ihr Eigentum. Es ist mir einerlei, ob sie davon
etwas stehlen oder nicht. Ehrlich gesagt interessiert mich gerade etwas
anderes."
"Was denn?"
"Steht die Klostergarde hinter mir, wenn ich befehle, alle vor die
Tore zu treiben?"
Toldor zuckte mit den Schultern.
"Die werden bezahlt, die machen alles, wenn sie ihr Geld bekommen."
"Das gedenke ich auch zu ändern. Aber für den Moment
kann ich damit leben."
Die Tür hinter ihnen ging auf und die Wache brüllte im
Meldeton:
"Der Koch, Franz, Euer Eminenz."
Albrecht, Toldor und Joro drehten sich um und sahen einen sehr großen
und nicht gerade schlanken Mönch eintreten, der vor seiner Robe auf
der Brust eine ziemlich speckige Schürze trug.
"Ihr habt nach mir geschickt, Bischof?"
"Richtig, äh, Franz war der Name?"
"Ja."
"Ich möchte dir mitteilen, daß du auch in Zukunft ein
Zuhause haben wirst in diesen Hallen."
"Äh...", Franz sah hilfesuchend zu Toldor, der aber schwieg
und ihm aufmunternd zunickte.
"Gut, das freut mich", sagte der Koch, "und... äh..."
"Ganz recht, wir, das heißt in erster Linie ich, führen
hier gerade ein paar Änderungen durch. Ich wollte dir einfach nur
sagen, daß ich deine Anwesenheit, auch nach diesem Tage schätzen
werde", fügte Joro noch hinzu, dann sagte er zu Albrecht: "Würdest
du bitte den Fürsten einweihen? Ich gehe derweil zum Hauptmann der
Klostergarde und werde ihm Anweisungen geben... Ehm..."
Toldor sah ihn fragend an.
"Ja, was?"
"Wo finde ich den?" Joro wurde rot.
Die Anwesenden lachten, Albrecht ausgenommen, und Franz meinte:
"Den habe ich vorhin vor der Tür auf- und ablaufen sehen."
Joro trat hinaus auf den Gang. Die Eingangshalle war leer und außer
den zwei Wachen an der Tür und einem Mann in einer edel aussehenden
Rüstung war keiner zugegen.
"Seid Ihr der Hauptmann?"
Der Mann salutierte und sagte zackig: "Jawohl, Herr Bischof!"
"Dann macht mal eure ganzen Leute mobil und bringt sie rund um den
Hof zur Aufstellung. Und bitte zügig, wenns recht ist!"
"Jawohl! Darf ich fragen warum, Herr Bischof?"
"Weil Ihr, sobald die Garde angetreten ist, dafür sorgen werdet,
daß alle außer denen, die mit mir im Thronsaal sind, sofort
das Kloster verlassen."
Erstaunlicherweise schien das den Hauptmann überhaupt nicht
zu berühren. Stattdessen salutierte er noch einmal und ging dann schnellen
Schrittes davon.
"Halt, wartet, wie lange werdet Ihr brauchen?"
Der Offizier drehte sich noch einmal schnell um, knallte noch einmal
die Hacken zusammen und rief: "Es wird alsbald geschehen, Euer Eminenz!",
salutierte noch einmal und ging dann.
'Dann ist die große Stunde jetzt wohl gekommen... Und das,
obwohl es eigentlich schon zu viel auf einmal war heute', dachte Joro.
'Du machst deine Sache gut', erwiderte Celestus.
'Ich bin froh, wenn ich schlafen kann. Ich bin ja schon fast zwei
Tage lang wach.'
'Keine Sorge, ich glaube, daß du bald fertig bist für
heute.'
Joro wartete noch ein bißchen, dann trat er vor das Tor, in
den Innenhof.
Die riesige Menge war angetreten und er konnte sehr zu seiner Erleichterung
rund um den Hof ein Spalier aus Soldaten stehen sehen.
Nachdem er kurz überlegt hatte, was genau er sagen wollte,
entschied er sich, es kurz zu machen. Die Müdigkeit nagte an ihm und
er wollte es einfach hinter sich bringen.
"Hört mir gut zu!" rief er.
Die Augen der Masse vor ihm richteten sich auf ihn.
"Ich entlasse euch alle hiermit aus dem Dienst am Herren. Ihr seid
frei, zu gehen, wohin ihr wollt."
Stille. Keiner der Anwesenden bewegte sich.
Leicht verunsichert fügte er hinzu:
"Das ist völlig ernst gemeint, geht!"
Ein Mann in der ersten Reihe ergriff das Wort.
"Darf man fragen, warum?"
"Weil ihr alle keine echten Gläubigen des Herren seid. Daher
sehe ich keine Veranlassung, euch weiter hier zu behalten."
Die Menschen vor ihm begannen, teilweise recht laut, miteinander
zu reden. Er konnte Wortfetzen wie, "Was für eine Unverschämtheit"
und "Was bildet der sich ein" hören.
Der Mann in vorderster Reihe ergriff erneut das Wort.
"Ihr steht allein gegen über tausend von uns. Meint ihr wirklich,
daß wir uns einfach so verjagen lassen?"
Joro entschied sich, nicht weiterzudiskutieren, sondern gab dem
Hauptmann ein Zeichen.
Dieser blies in ein Horn und die Gardisten begannen, die Menge zurückzudrängen.
Der Protest der Menge wurde immer lauter, aber die schwer gerüsteten
und mit großen Schilden bestückten Soldaten schoben sie unaufhaltsam
auf das Tor zu und dann hindurch.
Eigentlich beeindruckte es Joro, wie schnell das vonstatten ging,
allerdings kamen ihm dabei seltsamerweise Gedanken, daß er die Leute
irgendwie von dort vertreiben ließ, wo sie sich vielleicht zuhause
fühlten.
Auf der anderen Seite war dies nicht ihr Heim. Es war ein Bau zu
Ehren eines Gottes, an den sie nicht einmal glaubten. Er war erstaunt über
die Diskrepanz seiner Gefühle, denn sich auf der einen Seite schuldig
zu fühlen und auf der anderen Seite den gerechten Zorn zu spüren,
diesen Ort von dem Ungeziefer zu befreien, hatte etwas seltsames an sich.
Er mußte jedoch innerlich zugeben, daß er das Gefühl
von Macht ziemlich genoß, wobei ihm nicht ganz klar war, ob das nun
etwas Gutes oder Schlechtes war.
Die Wachen hatten die letzten Menschen vor das Tor gedrängt
und schlossen dieses, währenddessen kam der Hauptmann der Garde zu
Joro, salutierte und sagte:
"Befehl ausgeführt, Herr Bischof!"
"Gut. Laßt bitte eine kleine Truppe an Wachen vor dem Tor
und stellt sicher, daß draußen nicht randaliert wird oder nicht
vielleicht einige von ihnen auf komische Ideen kommen. Wer weiß,
was geschehen könnte, wenn ihnen die Wut überkocht."
"Dafür ist bereits Sorge getragen, Herr Bischof. Ich habe draußen
zwanzig Männer abgestellt, die sie auf Distanz zum Kloster halten."
"In Ordnung. Gut. Sehr gut sogar. Dann werde ich einmal hineingehen
und mit denen, die noch da sind, etwas essen."
Auf dem Rückweg zum Thronsaal merkte Joro zusehends, wie die
Müdigkeit seinen Körper immer schwerer machte und er ertappte
sich dabei, wie er eigentlich nur noch die Rüstung ablegen und in
ein Bett fallen wollte. Aber der Tag, oder zumindest die Aufgaben des Tages
waren noch nicht erledigt, da war noch die Sache mit dem Essen, außerdem
war er sich sicher, daß sowohl Toldor als auch Albrecht garantiert
noch ein paar weitere Fragen an ihn hatten, was er sich wohl vorstellte,
was zu tun sei.
Dabei hatte er ja noch nicht einmal die geringste Ahnung von gar
nichts. Irgendwie fragte er sich auch, wie er überhaupt auf die Idee
gekommen war, sich zum Bischof wählen zu lassen. War es nicht in erster
Linie eine Reaktion auf Justins Person gewesen? Kaum einen Tag zuvor hätte
er sich nicht einmal fähig gefühlt, eine Rede vor den versammelten
"Priestern" zu halten und nun hatte er gerade über eintausend Menschen
vertreiben lassen und war mit einem alten Mann, einem dicken Riesen von
einem Koch, einem glatzköpfigen Fürsten und einem zynischen Knochenhaufen
allein in diesem Gebäudekomplex. Wenigstens spukte auch Dinin hier
noch irgendwo herum.
'Nur nicht nachlassen', meinte die Stimme in seinem Kopf.
'Das sagst du so einfach. Du bist ja nicht in meiner Situation',
gab Joro zurück.
'Was macht dich denken, daß dem nicht so ist? Wem ist dieser
Bau gewidmet? Wer hatte den Schaden von all dem, was hier vor sich ging?'
'Aber du machst wenigstens den Eindruck, als wüsstest du, was
man von dir erwartet, ich hingegen habe Schwierigkeiten damit, auch nur
den Anschein von Kompetenz zu vermitteln.'
'Sehr schmeichelhafte Worte von dir, Joro.'
'Du weißt genau, was ich meine, Celestus.'
'Ich glaube, daß du dir überlegen solltest, warum ich
gerade dich ausgewählt habe. Gestern sagte ich dir noch, daß
du dich auf den Boden wirfst und was hast du danach getan?'
'Mich noch tiefer in den Dreck geritten, als ich vorher schon darin
war.'
'Nein. Du hast auf deine Instinkte gehört und intuitiv eine
Position von Stärke eingenommen. Das hast du vorher auch schon oft
getan, erinnerst du dich an den Markt in Noth?'
'Ja... Das stimmt schon...'
'Na also', Celestus lachte leise. 'Dein Problem ist, daß du
zu viel nachdenkst. Vor allem über Dinge, die eigentlich gar nicht
wichtig sind. Stattdessen solltest du einfach nur die Situationen, in denen
du dich befindest, ansehen und darauf hören, was dein Bauch dir dazu
sagt. Das macht dich nämlich stärker, als den Großteil
der Menschen, denen ich in den letzten Jahrhunderten begegnet bin. Und
jetzt geh da rein und mach so weiter, wie du angefangen hast.'
Im Thronsaal stand Albrecht vor dem Stuhl, auf dem Toldor saß.
Daneben stand der Koch, Franz, und lehnte sich mit dem linken Arm auf die
Rückenlehne. Fürst Olgerich hatte sich auch einen Stuhl geholt
und saß darauf, direkt gegenüber von Toldor. Dinin stand an
einer der Säulen und pulte sich mit einem Dolch unter den Fingernägeln.
Toldor, Albrecht und Olgerich diskutierten leise miteinander und
es schien fast, als beteilige sich der Leichnam, der seine Maske wieder
aufgesetzt hatte, sehr angeregt an der Unterhaltung. Seine Körperhaltung,
die normalerweise eher darin bestand, daß er mit leicht auf der Seite
liegendem Kopf und vor der Brust verschränkten Armen dastand und zynische
Kommentare von sich gab, hatte sich in eine aufrechte Position verlagert
und er gestikulierte ausgiebig.
Als er sah, wie Joro wieder den Raum betrat, hielt er inne und winkte
den jungen Mann heran.
Joro schaute in die Runde und fragte:
"Und, worüber redet ihr?"
"Wir vier haben eben diskutiert, wie unsere Zukunft hier aussehen
könnte."
"Und was habt ihr für Ergebnisse?"
Franz nahm den Arm von der Lehne und rieb sich die Hände.
"Ich gehe jetzt erst einmal in meine Küche und sehe zu, ob
noch etwas von dem Bankett zu retten ist, das ich vorhin vorbereitet habe.
Glücklicherweise hatte ich keine Hilfsköche, sonst wäre
ich jetzt aufgeschmissen", fügte er noch mit einem schiefen Blick
auf Joro hinzu.
Olgerich stand auf und half Toldor ebenfalls beim Aufstehen.
"Laßt uns in den Speisesaal gehen, dort können wir alles
bereden, bis das Essen kommt."
Joro schüttelte den Kopf.
"Nein, ich werde erst einmal in die Küche gehen und Franz helfen.
Wir können ihn doch nicht ganz alleine alles herüberschleppen
lassen."
Toldor lachte fröhlich.
"Es gibt in diesem Kloster eine Grundregel, die auch Ihr nicht abschaffen
könnt, Euer Eminenz: Kommt niemals, und ich wiederhole: niemals
Franz in die Quere."
"Wie meint Ihr das?" fragte Joro überrascht.
"So, wie ich es sage", meinte der alte Priester, immernoch lächelnd.
"Franz haßt es, wenn man in seine Küche kommt und ihm im Weg
steht und Ihr könnt mir glauben, daß er schon die bloße
Anwesenheit anderer als "im Weg stehen" ansieht. Warum glaubt Ihr wohl,
daß er keine Hilfsköche hatte, obwohl es hier an Festtagen über
1500 Menschen zu versorgen gab..."
Sie gingen durch die Reliquienhalle zum Speisesaal, wobei Joro auffiel,
daß die Vertäfelung wieder vor dem Bild des Nuktu angebracht
war. Er hielt an und sah zu Albrecht hinüber, der den Blick gewohnt
stoisch zurückgab.
Joro dachte nach. Er sollte seinem Bauch folgen? Welche Gründe
auch immer Albrecht hatte, das Bild wieder zu verbergen, oder ob er gar
derjenige gewesen war, der ursprünglich dafür gesorgt hatte,
sein eigenes Werk zu verstecken, oder zumindest abzudecken, es fühlte
sich nicht richtig an, es so zu lassen.
Er trat vor und griff unter den Rand der Holzplatte.
"Das würde ich nicht tun", meinte Albrecht trocken.
"Und warum nicht?"
"Weil die Platte mindestens zweihundert Pfund schwer ist, wenn nicht
noch schwerer. Sie ist aus massivem Eichenholz."
Der Leichnam mußte über eine unglaubliche Körperkraft
verfügen, er hatte die Platte mit einer Hand abgenommen, als sei sie
aus Papier und sie auch mit dieser einen Hand einfach abgestellt.
"Wenn sie dir aus der Hand fällt, wird sie auf eine der Vitrinen
fallen", fügte Albrecht hinzu.
"Das ist deine einzige Sorge?"
"Du willst darauf hinaus, daß ich etwas dagegen haben könnte,
daß du sie abnimmst?"
"Das hast du gut erraten, Albrecht."
Der Leichnam zuckte mit den Schultern.
"Ich wüsste keinen Grund, warum das einen Sinn machte."
"Weil er ein Teil der Geschichte des Celestus ist. Es ist mir egal,
warum diese Platte davor hängt. Wir müssen uns an ihn erinnern,
ob diese Erinnerung nun gut oder böse ist."
Joro konnte aus seinen Augenwinkeln sehen, daß Toldor, und
überraschenderweise auch Olgerich, beide zustimmend nickten. Er drehte
sich wieder der Tafel zu und griff an seinen Gürtel.
"Wenn ich die Platte nicht heben kann und wenn sie bei einem Sturz
den Raum beschädigen würde, muß ich das Problem wohl anders
lösen."
Er hob den Hammer und schmetterte ihn gegen die Platte.
Nichts geschah.
Er hieb erneut darauf, aber wieder tat sich nichts. Albrecht hinter
ihm tappte spöttisch mit dem Fuß auf den Boden. Warum explodierte
der Hammer beim Aufprall nicht, so wie es bereits einige Male geschehen
war?
Joro faßte die Waffe mit beiden Händen, konzentrierte
sich und hob ihn dann langsam über den Kopf. Dann hieb er mit aller
Kraft, die er hatte, auf das Holz.
Der Schlag federte ein bißchen zurück und Joro taumelte
einige Schritte in Richtung Raummitte, während er sah, wie sich die
Tafel mit Rauhreif überzog. War er auf dem richtigen Weg?
Wieder stellte er sich davor, plazierte den linken Fuß ein
Stück vor dem rechten, so wie Nalfein ihm beigebracht hatte, wie ein
"stabiler Stand" aussah, und beugte beide Knie ein Stück weit. Dann
hob er den Hammer erneut und führte einen weiteren Schlag mit voller
Wucht gegen das schwere Holz.
Die einen Schritt mal zwei Schritte messende Holzplatte zerbarst
in tausende, kleine, gefrorene Splitter, als sich die eisige Macht der
Waffe auf sie entlud. Toldor und Olgerich hielten bei der Explosion schützend
ihre Arme vor die Augen, während Albrecht nur stoisch dastand und
die kleinen Holzgeschosse auf ihn einhämmerten. Joro wurde von einem
der Splitter an der Wange gestreift und fühlte nach einem stechenden
Schmerz, wie das warme Blut sein Gesicht herunterlief.
Er hängte den Hammer wortlos wieder an den Gürtel und
benutzte den Saum seines Piwafwi, um sich das Blut abzuwischen.
"Nicht formschön, aber effektiv", meinte Albrecht.
Irgendwie war Joro stolz auf sich und streckte die Brust raus. "So.
Und nun können wir uns in den Speisesaal setzen."
Auf der Tafel in der großen Obsidianhalle war für zwölf
Personen eingedeckt, aber die Aufstellung der Klostermannschaft hatte sich
ja nun ein wenig verändert. Also setzten sie sich alle rund um das
Ende der Tafel, wo der Sessel für den Bischof stand. Joro ließ
sich mit einem Ächzen darauf nieder und stellte fest, daß er
reichlich durchgesessen war. Bei der Leibesfülle des ehemaligen Bischofs
war das nicht sehr verwunderlich.
Er sah in die Runde und konnte nicht umhin festzustellen, daß
die Gruppe der anwesenden Personen ein reichlich seltsam anmutender Haufen
war. Irgendetwas sagte Joro, daß der Rest seines Lebens nicht gerade
sonderlich normaler sein würde.
Es dauerte auch nicht lange, da hörten sie ein Poltern und Klappern,
als Franz einen großen Servierwagen vor sich her den Saal entlangschob.
Essen hatte etwas sehr revitalisierendes an
sich, denn wie schon einige Male zuvor wich allein durch den Anblick dessen,
was dort auf den Tabletts lag, jede Müdigkeit aus Joros Knochen.[???]
Dementsprechend war, als sein Teller nun gefüllt vor ihm stand,
auch erst einmal regelrechtes Fressen angesagt.
Franz hatte in der Tat wohl eher für eine größere
Menge an Menschen gekocht, daher war die Menge auch alles andere als vertilgbar.
Zudem aßen ja auch nur vier der fünf Personen am Tisch, Albrecht
benötigte naturgebunden keinerlei Speisen.
Joro aß eine ganze Schweinshaxe und lehnte sich dann mit zufriedenem
Gesicht in seinem Sessel zurück.
Der Fürst, Toldor, Albrecht und Dinin sahen ihn erwartungsvoll
an.
"Äh, soll ich jetzt irgendetwas Interessantes sagen?"
"Es wäre ein guter Zeitpunkt", meinte Albrecht trocken.
Joro überlegte kurz, dann reckte er sich.
"Ich gehe gleich erst einmal schlafen. Nach all der Anstrengung
kann ich kaum noch geradeausgucken. Ich schlage vor, daß wir uns
morgen alle hier oder wo auch immer treffen und einen Plan ausarbeiten,
wie wir weiterhin vorgehen werden. Es wäre gut, wenn sich jeder ein
paar Gedanken machen würde, wie wir das Problem anpacken können."
Dinin grinste breit. "Ich auch?"
"Wenn du willst, klar." Joro zuckte mit den Achseln.
Die Anwesenden hatten sich mit Sicherheit mehr erhofft als eine
derartige Ankündigung, aber der neue Bischof wollte einfach nur noch
schlafen. Das mußte sein Gesichtsausdruck mehr als deutlich widergespiegelt
haben, denn keiner verlor noch ein Wort darüber. Stattdessen versuchte
Toldor aufzustehen, was Joro mit einer Geste unterband.
"Ich weiß, ich weiß. Dem Bischof stehen wohl besondere
Gemächer zur Verfügung, aber ich ziehe es vor, in der Zelle zu
schlafen, in die man mich gestern einquartiert hat. Sie ist irgendwie gemütlich
und ich habe ehrlich gesagt auch keine hohen Ansprüche mehr nach diesen
Anstrengungen."
"Wie Ihr wünscht, Eminenz. Seid Ihr sicher, daß ihr keine
Begleitung wünscht?"
Joro lächelte.
"Nein, ich gehe schon einige Jahre lang selbstständig ins Bett.
Und auch wenn Dinin mit Sicherheit gerade überlegt, wie er die Frage
nach einem Gutenachtkuß in einen Kommentar einbinden kann, ziehe
ich es vor, alleine zu gehen."
Der Drow machte eine Geste mit dem Arm, die offenbar seine Frustration
ausdrücken sollte, daß ihm Joro zuvorgekommen war, aber schwieg
lächelnd.
"Gehabt euch wohl, wir sehen uns heute nachmittag."
Die Anwesenden wünschten ihm alle eine gute Nacht und er ging
den Gang entlang Richtung Eingangshalle des Gebäudes.
In der Reliquienhalle blieb er noch ein weiteres Mal stehen und schaute
auf das Gemälde des Nuktu.
Der Kriegsherr hatte noch einige Jahrhunderte früher gelebt
als Albrecht, aber sein Gesicht wirkte auf dem Bild sehr lebendig und lebensecht.
Es war eine gute Entscheidung gewesen, die Tafel von der Wand zu nehmen.
Auf diese Art konnte dieses Portrait auf ewig als eine Ermahnung dienen.
Mit einem Gefühl der Zufriedenheit und einem halben Schweinebein
im Bauch kam er schlußendlich an der kargen Holztür im Nebenhof
des Klosters an, holte den Schlüssel wieder aus seiner Hose und schloß
die Tür auf.
Nachdem er sich aus der Rüstung gequält hatte, legte er
sich auf die harte Pritsche und während er noch sehnsüchtig an
Vierna dachte, schlief er fast sofort ein.
© Matthias
Wruck
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bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
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