Zwergengold
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Ich kann nicht sehen, Kann nicht fühlen, Nicht erkennen, woran es liegt. Ich kann nur hoffen - Nur immer hoffen! Dass - letztendlich - das Gute Siegt. Es ist meine Liebe,
Und dennoch find ich -
Ehe die Nacht vergeht, Der letzte Wind verweht, Dunkelheit sich senkt, Und mir den Atem schenkt!
Nichts; Benedikt J. Behnke
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Vertrauen |
Der Mond stand hoch, weiß, und schattenhaft wie Gespenster zeichneten sich die Krater auf seiner Oberfläche ab. Er prangte inmitten eines weiten, dunklen Sternenhimmels, erhellte die Nacht und sandte sein geisterhaftes Licht auf das Tal der Dämmerung hinab. Die Hallen von Arathel wurden von Fackeln erhellt, deren Flammen wie Feuergeister vor den bleichen Mauern tanzten. Zwerge hatten an langen Tafeln Platz genommen und genossen das ausschweifende Mahl, das König Hathorn festlich auftischen ließ. In großen Schüsseln wurde Obst, Brot und gut gewürztes Fleisch gereicht. Hühner und Gänse brutzelten auf Spießen und ihr betörender Duft erfüllte die Halle. Devin leckte sich hungrig über die Lippen, und nahm schließlich einen tiefen Zug von seinem Bier. Das Lik - wie das Hausgebräu der Zwerge genannt wurde - schmeckte vorzüglich. Nicht ganz so bitter wie das Bier der Gnome, und auch nicht ganz so süß wie das Met der Menschen. Devin schmatzte, schmeckte und kostete erneut. Nein, fand er, es gab kein besseres Bier als Lik. Denn Lik schmeckte nach tiefen Minenschächten und Baumharz. Das kam daher, dass man es in Rauchfässern aus Kiefernholz lagerte und Geschmack annehmen ließ. Im ganzen Lande wurde es deswegen hoch geschätzt, auch wenn beinahe keiner den genauen Zubereitungsprozess kannte. Es war ein gut gehütetes Geheimnis, das Väter an ihre Söhne und Enkel weitergaben. Fleisch und Gemüse mundeten Devin. Es war warm und gleichzeitig frisch, triefte vor Saft und war dennoch knackig. Erneut trank er einen Schluck Zwergenbier, rülpste und wischte sich mit einer Hand den Schaum vom Mund. Ein kleiner Rest hatte sich in seinem bis zum - mittlerweile geöffneten - Gürtel reichenden Bart verfangen, doch das störte ihn nicht. Er biss gerade herzhaft in einen Schenkel, als das Wiehern eines Pferdes erschallte. Alarmiert blickte er auf, sah sich im Raum um. Bis auf einige Wachen des Königs, deren Hände sich etwas fester um die Lanzen schlossen, ließ sich keiner stören. Devin senkte den Blick und aß weiter, blieb jedoch wachsam. Schließlich klapperten Hufe, ein Gaul schnaubte und jemand sprang aus dem Sattel. Devin lauschte angestrengt. Dann pochte jemand starker Hand gegen die Tür. Zuerst rührte sich niemand, doch beim zweiten Klopfen kehrte Ruhe in die Halle ein, und König Hathorn rief mit tiefer Stimme: "Lasst ihn herein!" Sofort sprangen die Wächter herbei und ergriffen die schmiedeeisernen Ringe, zogen an den Türgriffen. Knarrend schwang die Tür auf, und einen Augenblick war nichts als ein schwarzer Umriss vor dem sternübersäten Nachthimmel zu erkennen. Alles verstummte, während die Soldaten nach ihren Waffen griffen. Doch bevor einer von ihnen sich auch nur von seinem Platz erhoben hatte, hob der Neuankömmling abwehrend die Hand. Zögernd trat er ins Fackellicht. Er war groß, überragte die Zwerge um mindestens zwei Köpfe und trug einen schweren Reitermantel, dessen Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. "Ein Mensch! Einer vom großen Volk!", erklang es vereinzelt unter den Feiernden, und aufgeregtes Getuschel erhob sich. Wütend winkte der König ab; auf seinem Gesicht zeigte sich Griesgrämigkeit. Er hatte den gesamten letzten Sommer in Thoronor - der südlichsten Bastion der Menschen - verbracht, um von dort aus die Verhandlungen zwischen den beiden Völkern zu führen. Schließlich hatten sie sich auf einen Nichtangriffspakt wie ein Handelsabkommen geeinigt. Hathorn war einigermaßen erbost darüber, jetzt noch durch Boten oder andere Mittelsmänner belästigt zu werden. Augenblicklich verfiel die Menge in Schweigen und der König winkte den Läufer zu sich heran. Nun schlug der Fremde die Kapuze zurück, enthüllte ein braungebranntes Gesicht, goldblondes Haar und zahlreiche Lachfalten. Seine Augen waren von einem warmherzigen Haselnussbraun. Unter dem dunkelgrünen Mantel trug er einen leichten Kettenpanzer, hohe Stiefel und eine eng anliegende Hose. Als er sich verbeugte und dabei seine Hand auf die Brust bettete, während die andere hinter seinem Rücken verschwand, konnte man einen großen Siegelring mit dem Wappen von Thoronor erkennen - ein goldener, sich aufbäumender Löwe. "Was wollt Ihr?", fragte Hathorn und schien dabei ein wenig gereizt. Der Fremde enthüllte ein schelmisches Lächeln. "Mein Name ist Darn Corna, ich komme aus der Stadt der Menschen und bringe Euch Kunde von Eurer westlichsten Garnison!" "Irion?" Hathorn schien etwas verwirrt. Seine schwarzen, buschigen Brauen zogen sich zusammen. Er unterzog Darn einer raschen Musterung. Irion gehörte zu jenen gemeinen Städten, die ihren Reichtum aus dem Handel mit Erzen verdienten. Dort gab es zahlreiche kleinere Diamantenminen, an denen die Menschen oftmals ihr Interesse gezeigt hatten, denn ihre Frauen und Herrscher schmückten sich nur allzu gerne mit diesen kostbaren Steinen. Kein Volk verstand es so die edlen Kristalle zu schleifen wie die Zwerge. Und das hatte seinen Preis. Zwar war Irion unbefestigt und bestand größtenteils aus Holz- und Lehmhütten, dennoch war die Arbeit seiner Bewohner nicht zu unterschätzen. "Mylord?" Hathorn schreckte abrupt aus seinen Gedanken hoch, blinzelte. "Was sind das für Nachrichten?", fuhr er sogleich umso barscher fort. "Glymrithil, Herr", erläuterte Corna und das spöttische Grinsen kehrte auf seine Züge zurück. "Man ist auf Zaubergold gestoßen!" Hathorn fuhr von seinem Thron hoch. Ohne zu zögern kreuzten die Ritter ihre Lanzen vor Darn. Jener lächelte nur. Verärgert winkte der König sie beiseite. Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig. "Wie ist das möglich?" Seine Blicke verloren sich im Nichts und seine Hand glitt an seine Stirn, während Gedanken des Schreckens und des Glückes dahinter einen Freudentanz veranstalteten. "Was ist..." Seine Augen suchten wieder den Boten. "Wie ist das geschehen?" Corna zuckte die Achseln. "Ein Erdbeben hat einen Gang zum Goldgräberfluss in den Felsen des Plateaus gerissen und die Zwerge wollten ihre Stollen stützen. Dabei sind sie auf Höhlen voller antiker Schätze gestoßen, unter ihnen auch jenes Gold, das womöglich aus Corath stammt!" "Corath?" Erneut schlich sich Verwirrung in sein Antlitz. Er schüttelte den Kopf, bis er wieder klar denken konnte. "Wir müssen sofort handeln", erklärte er. "Ich schicke zwanzig meiner besten Pioniere, die sich in den Kammern umsehen sollen! Wenn wir tatsächlich auf das verloren geglaubte Corath stoßen..." Er sprach nicht weiter. Alle Anwesenden wussten seit ihrer Kindheit, was dies für das Volk der Zwerge bedeutete. Denn mehr noch als Reichtum bedeutete es Macht. Und Wissen. Es bedeutete schier unendliches Wissen über die vergangenen Zeitalter und ihre Vorfahren. Dieser Schatz war unbezahlbar, denn er war magischer Natur. Es war bereits so dunkel, dass Murak nicht einmal sah, wie sich die Elfen durch den Wald näherten. Ihre Schritte waren ein Flüstern im Wind, ihre Bewegungen verschwommen und verhüllt von ihrer eigenen Magie. Plötzlich materialisierten sie sich, nahmen die Gestalten von schlanken, hoch gewachsenen Wesen mit menschlichen Zügen an. Doch wirkten sie feiner und kindlicher als die Hochländer, reiner und schneller. Ihr Anführer warf die Kapuze seines grauen Mantels zurück, enthüllte ein scharf geschnittenes Gesicht, das von langem, schwarzem Haar umrahmt war. Murak zögerte nur einen Augenblick, während sich seine fleischigen Hände fester um das rostige Breitschwert schlossen. In seinen Augen loderte ein Feuer des Hasses, und als er die Stimme erhob, klang sie harsch und brutal: "Ihr seid gekommen! Warum?" Über die Züge des Elfen huschte ein Lächeln. "Das Angebot Eures Meisters war einfach zu verführerisch!" Der breitschultrige Vyrn lachte schallend. "Also willigt Ihr ein?" "Zwar wünschen wir uns nichts sehnlicher, als dass ihr endlich vom Erdboden getilgt werdet, aber unter den gegebenen Umständen ist ein zeitweiliges Bündnis nur von Vorteil!" Murak verabscheute die spitze Zunge des Elfen. In seinen Ohren klangen die Worte verwirrend und heimtückisch. Deshalb zuckten seine gewaltigen Muskeln, als er das Schwert widerstrebend sinken ließ. Und nicht einmal das irre Grinsen vermochte seiner Fratze etwas Schönes abzugewinnen, denn es entblößte unregelmäßig stehende, faule Zähne. Trotz ihres äußerlichen Makels, waren sie jedoch stark genug, Muskeln und Knochen zu zerreißen. Mondlicht schimmerte auf seiner grünlichen Haut, enthüllte deformierte Körper von Hässlichkeit und Stärke. "Ihr seid einverstanden?" "Ja." Die Bestätigung schmeckte süß und betörend. Murak konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. "Die Nachricht wird meinen Meister freuen." Murak nickte bekennend. "Geht nun!" Die Elfen nickten ebenfalls und wandten sich zum Gehen. Der Vyrn-Häuptling sah ihnen nach, bis sie sich in der Dunkelheit aufgelöst hatten, dann verwandelte sich sein wohlwollendes Auftreten wieder zu der offenkundigen Abscheu. Er roch ihren Gestank, ihren süßen, wie Honig anmutenden Duft, der für ihn nichts weiter als ekelerregend war. Sein Hass wuchs und verkam zu einem Geschwür, das sein Herz befiel und es zu einem trostlosen Klumpen werden ließ. "Tod!", brüllte er in die Nacht, "Hass!" "Ich vermag Euch Rache zu geben!", flüsterte eine eindringliche Stimme. Der Vyrn wirbelte herum, die Klinge zum Schlag bereit erhoben. Vor ihm kauerte eine hagere Kreatur mit grobporiger, grauer Haut, spitzen Ohren und einem verkniffenen, verhärmten Gesicht. Ein zerschlissener, schwarzer Umhang verhüllte größtenteils ihren knochigen Körper. "Wie?" Plötzlich war er allein. Noch einen Moment lang versuchten seine gelben Glubschaugen die Düsternis zu durchdringen, forschten nach dem vermummten Geschöpf, das ihn so plötzlich aus der Fassung gebracht hatte. Doch um ihn herum war nichts als Schwärze. In diesem Augenblick wusste er nicht, was er tun sollte. Alles erschien ihm unangemessen oder fehl am Platze. Aber tief in seinem Herzen - das schwarz und grausam schlug - wusste er, dass diese Einschätzungen Lügen waren, vorgetäuscht, um seine eigene, tief sitzende Angst zu verbergen. Denn er hatte Angst. Große Angst. Furcht regierte das sonst so kompromisslose Denken, und sein Arm, der noch immer das schwere Breitschwert hielt, hatte zu zittern begonnen. Nun waren es nicht die Elfen, die ihn schreckten. Es war etwas viel Dunkleres und Geheimnisvolleres. Etwas, das selbst die Schatten seiner Seele bei Weitem übertraf. Er war ein Vyrn. Mehr als das, er war ein Krieger mit jeder Faser seines Körpers, ein Schrecken im Angesicht des Feindes, jemand, der nicht einmal mehr beweisen musste, dass er der Überlegene war. Jahre des Kampfes hatten seine Muskeln gestählt, sein Aussehen wie eine Klinge in Blut gehärtet und seinen Verstand zu etwas verkommen lassen, das nur noch fern menschliche Züge aufwies. Er war grausam und ihn dürstete nach Blut. Hatte nach Blut gedürstet, verbesserte er sich. Jetzt war ihm jeglicher Appetit darauf vergangen. Er war bleich. Totenbleich. Aus seinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Für einen Augenblick hatte er die Anwesenheit des Todes regelrecht riechen können und dieser Geruch hatte sich tief in seinen Verstand eingebrannt. "Ich sage es nur ungern, doch ich traue diesem Frieden nicht. Er
wirkt irgendwie... aufgesetzt!"
© Benedikt
Julian Behnke
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