der steinwald, im östlichen teil des
grossen gebirges gelegen, bedeckte eine fläche von vielen quadratmeilen,
auf einer hochebene, rundherum von hohen bergen umgeben. in seiner mitte
erhob sich einsam ein spitzer, zerklüfteter berg, die steinwaldspitze.
der wald trug seinen namen zu recht, es war
ein versteinerter wald, kahl und grau waren seinen bäume. einst waren
es mächtige eichen, buchen und andere bäume gewesen, aber dann,
so erzählte man sich, hatte ein böser drache, der vor langer
zeit in einer höhle in der steinwaldspitze lebte, mit seinem giftigen
atem alles leben in seiner umgebung zerstört und die bäume versteinert.
jener drache lebte zwar schon lange nicht
mehr, dennoch setzte kaum ein mensch freiwillig einen fuss in diese gegend.
oft lag dichter nebel über dem wald, liess jeden eindringling im nu
die orientierung verlieren.
noch gefährlicher als der nebel aber
waren die steinwaldwölfe.
von diesen war allerdings nichts zu sehen,
als dinnuan in drachengestalt über dem wald kreiste. er und peppe
hatten, wie dinnuan gesagt hatte, nur zwei tage gebraucht, sie waren in
einem leichten bogen nördlich über die berge geflogen, weder
menschen noch die wölfe hatten sie zu gesicht bekommen, nur fels,
eis und schnee, und manchmal bewaldete, unbesiedelte täler.
zwischendurch hatten sie in einer höhle
übernachtet, die dinnuan kannte, hoch oben in einer felswand, nur
durch die luft zu erreichen.
"sicher ist sicher, es leben viele goblins
in diesen bergen", hatte dinnuan gesagt.
entsprechend schlecht hatte peppe geschlafen.
nicht nur wegen den goblins, sein erster flug auf einem drachen hatte ihn
sehr beeindruckt.
während des ganzen fluges hatte er die
wilde, unberührte landschaft unter ihnen bestaunt.
"wenn ich gewusst hätte, wie schön
es ist, zu fliegen, ich hätte es schon viel eher getan", hatte er
am ende des ersten tages gesagt.
dinnuan entdeckte schliesslich einen platz
zum landen, eine kleine lichtung am fuss der steinwaldspitze.
auf der lichtung lagen überall knochen
herum, einige von menschen, die meisten aber schienen von goblins zu sein.
in den berg führten mehrere eingänge zu einem höhlensystem,
in dem früher wohl der drache gelebt haben musste, das jetzt aber
von den steinwaldwölfen bewohnt wurde.
"ich glaube, hier sind wir richtig", sagte
dinnuan.
"woher kommen denn all diese knochen?" fragte
peppe und kletterte auf den boden hinunter.
"essensreste der wölfe", erklärte
dinnuan.
"oh... und ihr seid sicher, dass niemand zu
hause ist?" fragte peppe und deutete zu den höhlen.
"kann sein, dass noch einige hier sind, aber
die schlafen jetzt bestimmt", erklärte dinnuan.
im nu sass peppe wieder auf dem drachen.
tatsächlich hörten sie kurz darauf
aus einer der höhlen ein geräusch, tappende schritte näherten
sich.
einige wölfe erschienen im eingang und
traten hinaus ins freie. als sie den drachen erblickten, stutzen sie etwas,
schienen aber zu dinnuans und peppes erstaunen nicht sehr beeindruckt.
"was wollt ihr denn schon hier, ihr seid noch
viel zu früh", war der einzige kommentar, den einer der wölfe
abgab, dann verschwanden sie alle zwischen den steinernen bäumen und
waren so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht waren.
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etwa zur selben zeit, als dinnuan und peppe
im steinwald eintrafen, hatten mjoki und die wölfe erst die hälfte
des weges zurückgelegt.
natürlich wusste das mjoki nicht, sie
wusste weder, wer diese wölfe waren, noch hatte sie eine ahnung, wohin
sie unterwegs waren.
die wölfe schienen es eilig zu haben,
den ganzen tag und manchmal auch bis weit in die nacht hinein liefen sie,
machten nur selten eine pause. mjoki klammerte sich müde und erschöpft
am fell des anführers der wölfe fest, auf dem sie ritt.
es war ein warmer, sonniger spätsommertag
gewesen, aber jetzt, gegen abend hin, konnte mjoki zwischen den bäumen
einige dunkle gewitterwolken am himmel erkennen.
sie befanden sich immer noch in dichtem wald,
schon seit ihrem aufbruch in dinkelhain. allerdings war die landschaft
jetzt etwas schroffer geworden, hohe felsen erhoben sich manchmal vor ihnen,
zwangen sie zu mühsamen umwegen, und es ging oft steil bergauf oder
bergab.
als das gewitter losging, waren sie mitten
in einem steilhang, der von tiefen schluchten durchzogen war. die wölfe
schienen einer art pfad zu folgen, der parallel zum hang verlief, und die
schluchten an orten kreuzte, wo diese einigermassen passierbar waren.
es war dunkel geworden, und es regnete in
strömen, blitzte und donnerte.
die wölfe schien das nicht zu stören,
sie liefen einfach weiter. mjoki war in kürzester zeit klatschnass,
das lange nachthemd, ihr einziges kleidungsstück, klebte ihr am körper,
und sie fror.
nach einer viertelstunde liess der regen etwas
nach, und der himmel begann sich aufzuhellen.
sie kamen zu einer besonders breiten und tiefen
schlucht, ein langer, schmaler baumstamm diente als brücke auf die
andere seite. der anführer knurrte einen befehl, und die wölfe
hielten an. einzeln und langsam überquerten sie die brücke, das
holz war infolge des regens ziemlich glitschig geworden, und sie mussten
aufpassen, dass sie nicht herunterfielen. genau unter der brücke lag
ein tiefes becken, das der bach in den fels gefressen hatte, und das jetzt
nach dem gewitter zu einem kleinen see geworden war.
'jetzt oder nie!' dachte mjoki, und als der
anführer mit ihr in der mitte der brücke ankam, fing sie an,
wild zu kreischen und um sich zu schlagen.
"ich habe doch solche höhenangst!" schrie
sie, und liess sich vom rücken des wolfes hinunterfallen, versuchte,
im fallen tief einzuatmen, und gleichzeitig möglichst so im wasser
zu landen, dass sie sich nicht gleich alle knochen brach.
es klappte, auch wenn ihr das eiskalte wasser
fast das bewusstsein raubte. sie plantschte so wild herum, wie sie konnte,
schrie mehrmals um hilfe, sie könne nicht schwimmen, sie würde
ertrinken. über ihr konnte sie die wölfe erkennen, die zu ihr
herunterschauten.
'mal schauen, ob ihr schwimmen könnt',
dachte sie, machte noch ein paar erschöpfte bewegungen, holte noch
mal tief luft und liess sich dann bewegungslos im wasser treiben.
die köpfe der wölfe schauten noch
eine weile herunter, wandten sich aber schliesslich ab.
die wölfe zogen weiter.
'geschafft!' dachte mjoki und hielt den kopf
kurz über wasser, um luft zu holen. dann liess sie sich noch ein wenig
im wasser treiben.
als sie sicher war, dass die wölfe weg
waren, schwamm sie ans ufer. einige felsplatten lagen noch über der
wasseroberfläche, bildeten einen etwa einen meter breiten rand, bevor
die felswand der schlucht steil nach oben ragte.
erschöpft zog sie sich auf die felsen,
die vom regen noch nass waren. sie zitterte vor kälte.
sie zog das triefende nachthemd aus, wrang
es aus, so fest sie konnte, hüpfte auf dem felsen auf und ab, um etwas
wärme zu bekommen. es half nicht wirklich viel, aber sie fühlte
sich schon besser, zumal sie den wölfen entkommen war.
sie dachte nach, was sie jetzt tun sollte.
wenn sie den wölfen glauben schenken konnte, waren dinnuan und peppe
ihr nicht gefolgt, aber stimmte das wirklich? peppe würde sie nicht
einfach so im stich lassen, und dinnuan schien das schwert sehr wichtig
zu sein, das die wölfe ja immer noch besassen. sie beschloss, den
spuren der wölfe nach zurück nach dinkelhain zu gehen. wenn peppe
und dinnuan ihnen mit einigem abstand gefolgt waren, würde sie schon
auf die beiden treffen, und sonst könnten die dinkelhainer ihr sicher
weiterhelfen, dachte sie.
aber zuerst würde sie sich etwas ausruhen,
ein trockenes plätzchen suchen. und etwas zu essen.
und überhaupt, irgendwie musste sie zuerst
wieder aus der schlucht herauskommen.
klettern kam nicht in frage, die felsen waren
zu glatt und zu steil. also lief sie dem bachbett nach, talabwärts,
irgendwann würde diese schlucht ja schon aufhören, dachte sie.
sie hatte glück, schon nach wenigen hundert
metern fand sie eine stelle, wo sie hinaufklettern konnte, und kurze zeit
später war sie wieder auf dem weg, den sie mit den wölfen hergekommen
war.
nun galt es, einen trockenen ort zu finden,
wo sie die nacht verbringen konnte.
das kurze gewitter hatte alles durchnässt,
und erst nach längerem suchen in der umgebung fand sie einen grossen
fels, der auf einer seite stark überhing. der waldboden darunter war
trocken, es lagen sogar noch einige trockene äste herum. blätter
und reisig fand sie auch, es gelang ihr, ein feuer zu machen. endlich konnte
sie ihr nachthemd richtig trocknen, und bald hatte sie wieder einigermassen
warm. ein paar essbare wurzeln und beeren, die sie sich zusammensuchte,
bildeten ihr abendessen.
es war inzwischen dunkel geworden.
mjoki häufte noch den rest trockener
blätter zu einem primitiven nachtlager auf, legte ein paar grosse
äste, die sie neben dem feuer getrocknet hatte, auf die flammen, und
legte sich dann schlafen.
sie schlief sofort ein, erwachte aber schon
nach wenigen stunden wieder. äste knackten, laub raschelte, irgend
etwas näherte sich ihrem lager.
schnell sprang sie auf, huschte aus dem lichtkreis
des feuers, das noch immer brannte, und versteckte sich hinter einem gebüsch.
die geräusche waren jetzt dicht vor ihr, irgend etwas bewegte sich
ums feuer herum, trat dann hinter ihr versteck.
"hier ist es, hier ist es!" rief der goblin,
als er mjoki hinter dem gebüsch entdeckte. mjoki sprang auf, wollte
fliehen, aber plötzlich tauchten hinter ihr noch mehr goblins auf.
einige liessen drohend ihre keulen kreisen,
andere zielten mit schleudern auf sie.
mjoki hob die hände.
"lasst uns friedlich sein, ich bin allein
und unbewaffnet", sagte sie.
die goblins grinsten, dann traf eine der keulen
mjokis kopf, und sie verlor das bewusstsein.
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dicht unter dem gipfel der steinwaldspitze
lag die höhle des drachen, der hier vor vielen hundert jahren gelebt
hatte. dinnuan hatte den eingang schnell entdeckt, immerhin war er ein
halbdrache, und als solcher hatte er ein gutes auge für drachenhöhlen.
drinnen hatte er seine menschliche gestalt
angenommen, und er und peppe sassen auf dem rand der klippe, die vor dem
höhleneingang eine art terasse bildeten, und schauten hinunter.
einige hundert meter unter ihnen lagen die
eingänge zu den höhlen der wölfe.
"sagt mal, woher kannten euch diese wölfe?
warum sagten sie, wir wären zu früh?" fragte peppe nach einer
weile.
"diese frage beschäftigt mich auch schon
die ganze zeit. ich denke, sie haben mich mit jemand anderem verwechselt."
"aber warum? gibt es hier noch mehr drachen?"
"ich dachte nicht... und ich fürchte,
der andere drache ist derjenige, der die wölfe beauftragte, das schwert
zu stehlen."
"ihr meint, die wölfe dachten, wir wären
wegen dem schwert gekommen?"
"es kann natürlich sein, dass sie etwas
ganz anderes gemeint haben, aber irgendwie habe ich ein ungutes gefühl
bei der sache."
"aber sagt mal, wie konnte jemand die wölfe
beauftragen, euch das schwert zu stehlen, wenn ihr es ja erst gerade gefunden
habt? der andere drache müsste die wölfe doch schon viel früher
losgeschickt haben, zu einem zeitpunkt, als er noch gar nichts von dem
schwert wusste."
"ihr dürft nicht vergessen, ich suchte
schon seit vielen jahren nach dem schwert. ich dachte zwar, ich hätte
meine suche gut genug geheim halten können, aber es wäre doch
möglich, dass jemand dahintergekommen ist, warum ich das dinkelhainer
tal aufsuchte. dieser jemand hätte dann in aller ruhe die wölfe
aufsuchen können, schon kurz nachdem ich cessiar verliess. in der
zeit, die ich von cessiar nach dinkelhain brauchte, waren dann die wölfe
von hier ebenfalls nach dinkelhain unterwegs, und kurz nach mir eingetroffen,
gerade rechtzeitig, um mir das schwert abzunehmen."
"interessant, aber wenn dieser jemand ein
drache ist, weshalb hat er dann euch nicht persönlich aufgesucht?"
fragte peppe.
"vielleicht, weil er ein wenig feige ist?"
sagte dinnuan.
"ein drache, der feige ist? ihr scherzt!"
"oder es war kein richtiger drache, sondern
jemand, der nur die gestalt eines drachen angenommen hatte, um die wölfe
ein wenig zu beeindrucken", sagte dinnuan.
"und wer könnte das, einfach die gestalt
eines drachen annehmen?"
"das ist für einen magier durchaus möglich.
nur könnte er es in dieser gestalt nicht mit einem echten drachen,
oder meinetwegen halbdrachen, aufnehmen. also schickte dieser jemand mir
die wölfe auf den hals."
die sonne ging unter, und unter ihnen kehrten
die wölfe zurück. sie waren auf der jagd gewesen, denn sie schleiften
einige grosse hirsche mit sich. auf der lichtung machten sie sich über
ihre beute her, sie assen sie roh. zum glück konnten peppe und dinnuan
von ihrem erhöhten aussichtspunkt aus nicht allzu viel davon erkennen,
peppe grauste es bei dem anblick.
weit entfernt im westen ging ein gewitter
nieder. ansonsten war der himmel klar, von dem berüchtigten nebel,
der sonst oft über dem steinwald lag, war nichts zu sehen.
"ich habe eine idee", begann peppe, "wenn
die wölfe euch wirklich für ihren auftraggeber hielten, warum
spielen wir dann dieses theater nicht einfach zu ende? wenn die anderen
wölfe zurückkehren nehmen wir ihnen das schwert ab, befreien
mjoki und verschwinden, bevor der andere drache kommt. und wenn er schon
vorher auftauchen sollte, verjagt ihr ihn einfach, wenn er wirklich so
ein feigling ist, sollte das doch kein problem für euch sein, oder?"
"ihr seid ein kluger kopf, peppe", antwortete
dinnuan, "genau dasselbe hatte ich auch gerade gedacht."
und so bereiteten sie in der alten drachenhöhle
ein nachtlager, und richteten sich darauf ein, hier oben auf die ankunft
der wölfe zu warten.
dinnuan nahm zum schlafen seine drachengestalt
an, für alle fälle.
peppe war ganz aufgeregt, endlich würde
er mjoki wiedersehen! aber was, wenn ihr unterwegs etwas zugestossen wäre?
er konnte lange nicht einschlafen.
-------
mjoki kam wieder zu sich, als ihr jemand einen
eimer wasser ins gesicht schüttete. benommen schaute sie sich um.
sie war in einer höhle, einige fackeln erleuchteten den raum. es stank,
und überall lagen abfälle herum. mjoki lag auf einem strohsack
in einer ecke des raumes, und vor ihr stand ein goblin, der den wassereimer
in der hand hielt. in der anderen hand hielt er einen verrosteten morgenstern.
"du mitkommen, boss will dich sehen", sagte
er in der hochsprache, mit typischem goblin-akzent. der grund, weshalb
goblins die hochsprache scheinbar so schlecht beherrschten, lag allerdings
nicht etwa daran, dass sie dumm waren, aber ihr eigener dialekt hatte nur
einen sehr geringen wortschatz, und so etwas wie grammatik war ihnen nicht
bekannt. selten hatte ein goblin interesse daran, wörter in einer
fremdsprache zu lernen, die es in seiner eigenen sprache gar nicht gab.
mjoki richtete sich mühsam auf. ihr kopf
schmerzte. langsam erinnerte sie sich wieder, an die flucht vor den wölfen,
und dann der überfall der goblins.
"was will denn euer boss von mir?" fragte
sie.
"ist gesetz", erklärte der goblin, "boss
will alle elfen sehen, die wir fangen. erst dann dürfen essen."
"wie beruhigend. gilt das nur für elfen?"
fragte mjoki ironisch.
"nicht fragen, mitkommen!"
er zerrte mjoki von ihrem lager, und benommen
lief sie vor dem goblin her, der sie immer wieder schubste, wenn es ihm
zu langsam vorwärtsging.
die gänge erschienen ihr endlos, überall
waren abzweigungen, manchmal kamen sie auch durch grosse höhlen, in
denen waffen oder vorräte lagerten, oder die als wohnhöhlen dienten,
in denen es von goblins nur so wimmelte.
"sagt eurem boss, dass ich sehr schwerverdaulich
bin", sagte mjoki.
"wir gleich da, du können es ihm selber
sagen", erwiderte der goblin.
sie betraten einen grossen saal, in dessen
mitte ein gewaltiger thron aus stein stand. viele goblins waren hier versammelt,
die meisten waren bis an die zähne bewaffnet und trugen abenteuerliche
uniformen, bestehend aus allerlei rüstungsteilen, bei denen selten
ein teil auf das andere passte.
der 'boss', ein alter, grauhaariger goblinfürst,
sass auf dem thron. er trug eine glänzende rüstung, die an vielen
stellen etwas verbeult war, und stützte sich auf ein grosses zweihandschwert,
dessen griff mit totenschädeln geschmückt war.
mjoki erkannte ihn sofort wieder, auch wenn
er um einiges älter geworden war, seit sie ihn das letzte mal gesehen
hatte. nun glaubte sie auch zu wissen, wozu er dieses eigenartige gesetz
erlassen hatte. wegen ihr.
sie sagte nichts, sie war neugierig, ob der
alte goblin sie wiedererkennen würde.
der fürst stand auf und näherte
sich ihr, schaute sie lange an.
"mjoki!" sagte er endlich.
mjoki lächelte.
"hallo, wubbel", sagte sie.
die goblins in der grossen halle trauten ihren
augen nicht, als sich ihr alter fürst und die junge elfe lachend umarmten,
als wären sie alte freunde. aber genau das waren sie.
"schick siehst du aus, hätte nicht gedacht,
dich mal auf einem solchen thron zu sehen", sagte mjoki.
"und du siehst aus, als wärst du kein
jahr älter geworden, seit damals. sieh mich an, ich bin alt und hässlich
geworden", sagte der goblinfürst.
"alt bist du geworden, mein lieber wubbel,
aber hässlich?" sie kicherte. "das warst du doch schon immer!"
beide lachten schallend.
"unser boss hat verstand verloren!" flüsterten
sich einige der goblins zu und zogen ihre waffen.
andere, die ihren fürsten schon von früher
kannten, ahnten, was vor sich ging und beruhigten ihre kameraden.
"lasst uns ein grosses fest feiern, und dann
musst du mir unbedingt erzählen, wie es dir ergangen ist, in all den
jahren", sagte wubbel, der fürst.
mjokis gesicht verfinsterte sich.
"hab ich was falsches gesagt?" fragte der
goblin.
"nein, ist schon in ordnung, es ist nur...
meine geschichte wird dir nicht gefallen, schätze ich."
der fürst nickte nachdenklich.
"du siehst schon etwas heruntergekommen aus..."
sagte er.
mjoki schaute verlegen an sich herunter, auf
ihr verdrecktes nachthemd in dem sie immer noch steckte, und das inzwischen
ziemlich zerschlissen war.
"normalerweise laufe ich ja nicht so herum,
aber ich habe gerade ein paar turbulente tage hinter mir, und deine untertanen
waren auch nicht sehr höflich zu mir", erklärte sie.
"ich werde dir sofort neue kleider besorgen,
ausserdem werde ich alle köpfen lassen, die dich schlecht behandelt
haben!"
der goblin, der mjoki hereingeführt hatte,
erbleichte und suchte unauffällig das weite.
"nun lass mal, du kannst deine goblins nicht
ändern, sie können schliesslich nichts dafür. stell dir
vor, sie würden durch die wälder streifen und jeden höflich
grüssen, dem sie begegnen. die ganze welt würde über dich
und dein volk lachen!"
wubbel lachte.
"du hast recht. und nun lasst uns was essen,
du bist bestimmt hungrig."
"ist wohl nicht zu überhören", sagte
mjoki, deren magen schon eine ganze weile lautstark knurrte.
"darf ich dich vorher noch um einen kleinen
gefallen bitten?" fragte mjoki.
"sehr gerne", sagte wubbel.
"unweit der stelle, wo deine leute mich gefangen
haben, führt ein baumstamm über eine tiefe schlucht, kennst du
die stelle?"
wubbel nickte.
"ich bin mir nicht sicher, aber es kann sein,
dass da in nächster zeit noch zwei freunde von mir vorbeikommen, ein
alter zauberer und ein zwergkobold. sie suchen mich, und sollten irgendwie
erfahren, dass ich hier bin."
"ich werde die brücke tag und nacht bewachen
lassen."
"danke. aber vergiss nicht, es sind freunde
von mir", sagte mjoki und deutete auf die beule an ihrem kopf.
"ich garantiere dir, dass ihnen nichts passiert."
-------
es gab schweinebraten nach goblinart, nicht
unbedingt ein leckerbissen, aber für mjoki war es wie ein festessen.
mjoki und wubbel hatten sich in wubbels wohnräume
zurückgezogen, um sich in ruhe unterhalten zu können. auch wenn
es nur eine felshöhle war, so glich die einrichtung der eines königsschlosses.
wertvolle möbel und kunstgegenstände standen herum, prunkvolle
waffen hingen an den wänden, der boden war mit bärenfellen ausgelegt.
"hast du das alles erbeutet?" fragte mjoki,
während die sich umschaute.
"sind alles erbstücke. ich habe während
meiner ganzen zeit als fürst keinen einzigen grossen beutezug mehr
durchgeführt. du weißt ja, ich habe zu solch sinnlosen kriegen
eine etwas zwiespältige beziehung."
"oh ja, ich weiss", sagte mjoki, in erinnerungen
versunken. sie und wubbel hatten sich während des grossen goblinkrieges
vor etwa dreissig jahren kennengelernt, beide waren damals kriegsgefangene
gewesen.
es war eine chaotische zeit gewesen, eine
zeit, in der die goblins aus den westlichen bergen zu tausenden in die
täler der menschen strömten. angeführt von ihrem grausamen
und streitsüchtigen herrscher rakleglapp, hatten sie allem und jedem
den krieg erklärt, auch den benachbarten goblinstämmen. auf diese
weise waren sie beide in gefangenschaft geraten, mjoki bei einem überfall
der goblins in den wäldern von angomak, dem königreich der elfen,
und wubbel, sohn eines fürsten der östlichen goblins, als rakleglapps
horden seinen stamm überfielen.
wubbel, der schon damals sehr gebildet war,
was für einen goblin recht unüblich war und der daher als aussenseiter
galt, freundete sich schnell mit mjoki an, ihre gesellschaft war ihm lieber
als die der anderen goblins, die ihn oft verspotteten und ihm üble
streiche spielten.
dann endete der krieg so schnell, wie er begonnen
hatte. bis hinunter zur hafenstadt mianna kamen die goblins, konnten aber
die stadt nicht einnehmen. rakleglapp fiel in einer der schlachten um die
stadt, und seine armee floh, ihres anführers beraubt, hals über
kopf zurück in die berge, wo sie sich hoffnungslos zerstritten, wer
seine nachfolge übernehmen sollte.
wubbel wurde kurz darauf freigelassen, während
mjoki zurückblieb.
"und wie ist es dir ergangen? ich konnte damals
meinen vater nicht dazu überreden, auch für deine freilassung
zu sorgen, und als ich endlich selber an die macht kam, konnte ich nie
in erfahrung bringen, was aus dir geworden war", sagte wubbel.
"ich hatte weniger glück, meine eltern
und alle meine verwandten waren beim überfall auf unser dorf in angomak
ums leben gekommen", fing mjoki an zu erzählen.
"ich blieb als gefangene noch etwa ein jahr
bei den goblins, dann verkauften sie mich an einen zwielichtigen typen
aus mianna, mit dem sie offenbar schon lange solche geschäfte machten."
"ich dachte, bei den menschen sei sklaverei
nicht üblich?" fragte wubbel.
"es war ein ziemlich krummes geschäft,
das da lief. der kerl war besitzer eines grossen bordells in mianna."
"bei allen göttern!" entfuhr es wubbel.
"ich sagte ja, es wird keine angenehme geschichte..."
sagte mjoki.
"ich musste also einige zeit da arbeiten",
fuhr mjoki fort, wurde aber sogleich von wubbel unterbrochen.
"sag mir, wie der kerl heisst, und ich werde
ihm persönlich den kopf abreissen!" rief er aus.
"das ist nicht mehr nötig", sagte mjoki.
"du hast...?"
"erst viel später, aber ich habe mich
gerächt, ja." sagte mjoki.
"aber lass mich der reihe nach erzählen.
ich arbeitete also da, und eines tages kam ein schon etwas älterer
elf in das haus. ich kannte ihn nicht, aber er schien von adliger herkunft
zu sein. traurig aber wahr. als er mich erblickte, war er sofort feuer
und flamme, und wollte... na, du weißt schon..."
war wubbel zu beginn von mjokis erzählung
nur leicht errötet, hatte er jetzt die farbe einer reifen tomate angenommen.
"sag mir seinen namen, und...", fing er an.
"nicht nötig, du weißt ja..."
"mjoki!"
"doch, ich habe mich bei allen gerächt.
natürlich nicht wirklich bei allen, aber bei denen, die mir wirklich
wehgetan haben, habe ich mich gerächt."
mjokis stimme zitterte bei diesen worten.
"ich hatte dem elfen natürlich erzählt,
wer ich war und wie ich in dieses haus geraten war, ich hoffte, er würde
mir helfen. nun, er tat nichts dergleichen, im gegenteil, er nutzte die
situation aus. er behandelte mich in einer art und weise, die ich irgendwann
nicht mehr ertragen konnte, und so erschlug ich ihn eines tages mit einer
vase. danach floh ich, tauchte in der stadt unter, in ständiger angst,
entdeckt zu werden."
"warum bist du nicht aus der stadt geflohen?"
"die stadttore von mianna werden rund um die
uhr bewacht, und die meisten der wachen kannten mich, sie waren gute kunden
gewesen. die flucht gelang mir erst nach einigen wochen, mit hilfe eines
kleinen koboldes, den ich auf der strasse kennenlernte. sein name lautet
peppe, und er ist heute noch mein bester freund. das ist jetzt schon fast
fünfzehn jahre her, seitdem ziehen peppe und ich kreuz und quer durch
die gegenden, in denen wir nicht befürchten müssen, entdeckt
zu werden. wir haben uns auf das auffinden von besitzlosen gegenständen
spezialisiert."
einen moment lang schwiegen die beiden.
"ich wünschte, ich hätte früher
davon gewusst, ich hätte dir bestimmt helfen können", sagte wubbel
schliesslich.
"was geschehen ist, ist geschehen, und heute
geht es mir ganz gut. na ja, die letzten tage waren wie schon erwähnt
ein wenig chaotisch..." sagte mjoki und erzählte ihm die geschichte
von dem schwert, von dinnuan und den wölfen.
"du scheinst unglück richtig anzuziehen,
mjoki", sagte wubbel. "ich werde diesen wölfen, sollte ich ihnen je
begegnen, die köpfe abreissen!"
"das lass mal bleiben, ich glaube, die würden
eher dir den kopf abreissen", sagte mjoki.
"und überhaupt, kann es sein, dass du
hier eine vorliebe fürs köpfen entwickelt hast?" fragte sie und
grinste.
"das ist nur eine redensart unseres volkes,
bitte entschuldige", sagte wubbel.
"macht doch nichts, aber sag, jetzt bist du
an der reihe mit erzählen. was hast du in den letzten jahren so alles
angestellt?"
"ich schäme mich fast ein wenig, dir
nach deiner geschichte zu erzählen, wie gut es mir ergangen ist",
fing wubbel etwas verlegen an.
"ich verbrachte mein ganzes leben hier oben
in den bergen, trat vor einigen jahren die nachfolge meines vaters an und
bin jetzt ein reicher und mächtiger goblinfürst. viel mehr gibt
es da nicht zu erzählen..."
"entschuldige die dumme frage, aber ist dir
hier oben in deinem palast nie langweilig?" fragte mjoki.
"es gibt immer etwas zu tun, ich führe
einen sehr grossen stamm an. nein, langeweile kenne ich eigentlich nicht."
"na ja, ich sagte ja, dumme frage", sagte
mjoki.
"es könnte sogar alles andere als langweilig
werden in nächster zeit, gestern wurde im nördlichen teil meines
reiches ein drache gesichtet", sagte wubbel.
"ist ja irre, ich habe noch nie einen echten
drachen gesehen", sagte mjoki.
"ich auch nicht", sagte wubbel.
"lebst du eigentlich alleine hier?" fragte
mjoki.
"du meinst...?"
"bist du verheiratet? oder hast du eine freundin?"
"nein... ich habe nie geheiratet, ich lebe
alleine."
"das ist doch aber für einen fürsten
ziemlich ungewöhnlich, nicht?"
"mag sein..." sagte wubbel leicht verlegen.
"du warst doch damals mächtig in mich
verliebt, nicht wahr?" fragte mjoki.
"mjoki!"
"entschuldige, ich wollte dich nicht in verlegenheit
bringen."
"du siehst immer noch so jung aus..."
"ich bin eine elfe, ich bin unsterblich."
"...und ich bin alt und hässlich geworden."
"das ist doch quatsch", sagte mjoki.
"aber du hast recht, ich war damals in dich
verliebt. ich habe dich nie vergessen. ich liebe dich noch immer, mjoki."
"als elfe dürfte ich die liebe eines
sterblichen eigentlich nicht erwidern", sagte mjoki und lächelte.
"aber wenn du es bist..." sagte sie leise.
"mjoki!"
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© Balz
Strebi
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