zwei tage und nächte warteten dinnuan
und peppe in ihrem versteck auf der steinwaldspitze.
peppe war nervös, und wenn er nicht gerade
am rand der felsterrasse sass und in die ferne schaute, lief er in der
alten drachenhöhle auf und ab. er machte sich sorgen um mjoki.
dinnuan und er wechselten sich ab mit ausschau
halten. auch dinnuan schien sich sorgen zu machen, während peppe draussen
wache hielt, sass er meist am höhleneingang und blätterte in
einem der bücher, welche er in seinem gepäck mitschleppte.
peppe warf manchmal einen blick auf die seiten,
aber er verstand kein wort, das buch war in einer fremden sprache geschrieben.
hin und wieder waren zeichnungen auf den seiten abgebildet, zeichnungen
von drachen.
"was lest ihr denn da?" hatte peppe gefragt,
als er es vor neugier kaum mehr aushielt.
"akios' enzyklopädie der drachenmagie",
lautete dinnuans antwort.
peppe fiel vor schreck beinahe vom felsen.
"akios' enzyklopädie der drachenmagie?
wie seid ihr denn an dieses buch gekommen? ich dachte, es gäbe nur
ein exemplar davon, an der akademie in mianna?"
"das hier ist eine kopie davon", erklärte
dinnuan, wollte aber nicht sagen, wo er es herhatte.
"wenn akios davon erfährt, seid ihr so
gut wie tot", sagte peppe.
"ihr kennt ihn? ach richtig, ihr wart ja an
der akademie", sagte dinnuan.
"ich war nicht lange dort, aber lange genug,
um zu wissen, dass akios dieses buch hütet wie sein augapfel."
"ich habe ihn nie kennengelernt, aber das
buch ist sehr faszinierend. allerdings verstehe ich, dass er es verschlossen
hält, dieses wissen sollte wirklich nicht in falsche hände geraten."
"genau wie das schwert", sagte peppe.
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am morgen des dritten tages hielt peppe wache,
dinnnuan schlief noch.
da tauchte über dem horizont im osten
ein kleiner schwarzer punkt auf, der schnell näherkam.
peppe schaute durch sein kleines fernglas,
das er dabeihatte, und sah, dass es ein drache war, der direkt auf sie
zuflog.
schnell weckte er dinnuan, der wie jede nacht
bereits in drachengestalt schlief.
"er sieht euch wirklich sehr ähnlich",
sagte peppe, der durchs fernglas schaute. dinnuan musste mit seinen eigenen
augen vorlieb nehmen, peppes fernglas war für ihn viel zu klein.
aber als drache hatte er sehr gute augen,
und bald sah er den näherkommenden drachen ziemlich deutlich.
der andere hatte die beiden noch nicht entdeckt.
"das ist tatsächlich kein echter drache",
sagte dinnuan nach einer weile,
"ich spüre so was, wisst ihr", erklärte
er.
"ist er gefährlich?" fragte peppe.
"je nach dem... die frage ist, ob er akios'
buch kennt oder nicht."
"wie meint ihr das?"
"magier, die sich in drachen verwandeln können,
gibt es viele, aber ohne das wissen über die drachenmagie sind sie
harmlos, sie könnten lediglich mit den flügeln schlagen und ein
bisschen aus den ohren qualmen."
"und wenn sie sich mit drachenmagie auskennen?"
"dann könnten sie mir sogar überlegen
sein, ich bin ja nur ein halbdrache."
"hoffen wir, dass hier nur ein solcher stümper
angeflogen kommt..."
"allein die tatsache, dass er fliegt, lässt
mich das gegenteil vermuten. er beherrscht seine gestalt ziemlich gut."
der fremde drache landete auf der lichtung
unter ihnen.
"warum hat er uns nicht gesehen?" flüsterte
peppe.
"ich verstehe auch was von drachenmagie",
gab dinnuan leise zur antwort.
da sah peppe erst, dass dinnuans schuppige
haut die farbe gewechselt hatte, er hatte sie perfekt den felsen rundherum
angepasst.
"die wölfe sind noch nicht aufgetaucht,
wir haben noch etwas zeit, kommt, steigt auf, wir klettern ein paar meter
nach unten, damit wir auch was hören können", sagte dinnuan.
vorsichtig machten sie sich an den abstieg,
möglichst ausser sichtweite des drachens unten auf der lichtung.
sie fanden, vom anderen drachen unbemerkt,
ein felsband, von dem aus sie die lichtung gut überblicken konnten,
und gleichzeitig in hörweite waren.
die wölfe, denen dinnuan schon begegnet
war, traten aus den höhlen unten ins freie.
"ihr seid immer noch zu früh, aber sie
müssten bald zurücksein, wenn alles geklappt hat", begrüssten
die wölfe den drachen.
"was heisst hier immer noch zu früh?"
fragte der drache. dinnnuan zuckte zusammen. daran hätte er eigentlich
denken müssen, dass die wölfe ihn auf diese weise verraten könnten.
glücklicherweise ignorierten die wölfe
die frage und zuckten nur mit den schultern.
peppe dagegen erschrak noch viel heftiger.
flink kletterte er auf dinnuans kopf, um ihm
etwas ins ohr zu flüstern.
"das ist akios! ich erkenne seine stimme wieder",
sagte er.
"ich ahnte es, schon seit gestern, als ich
sein buch in den händen hielt. nun haben wir ein problem", flüsterte
dinnuan zurück.
"und was tun wir jetzt?" fragte peppe.
"abwarten", sagte dinnuan.
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die wölfe, auf die alle gewartet hatten,
trafen etwa nach einer stunde auf der lichtung ein. der anführer,
leicht zu erkennen, da er einen kopf grösser war als die anderen wölfe,
hielt sternenlicht fest in der einen vorderpfote. er konnte auch auf drei
beinen problemlos laufen.
peppe lief es eiskalt den rücken hinunter.
"wo ist mjoki?" fragte er.
"da seid ihr ja, und wie ich sehe, hattet
ihr erfolg", sagte akios unter ihnen.
"war eine kleinigkeit", sagte der grosse wolf.
"was ist mit dem zauberer?" fragte akios.
"er ist uns nicht gefolgt, bis jetzt. wir
haben eine elfe, die für ihn auf das schwert aufpasste, als geisel
mitgenommen. leider ist sie auf dem weg hierher in eine schlucht gestürzt."
"in eine schlucht? elfen sind doch nicht so
ungeschickt, die ist bestimmt auf diese weise geflohen."
"ich habe mit eigenen augen gesehen, wie sie
ertrunken ist. sie konnte nicht schwimmen", sagte der wolf.
peppe zitterte, vor trauer und wut gleichzeitig.
"bleibt jetzt bloss ruhig, wir werden der
sache schon nachgehen", flüsterte dinnuan ihm zu.
"na, dann ist ja gut", sagte der drache unter
ihnen. "und jetzt gebt mir das schwert", fügte er hinzu.
"habt ihr die belohnung dabei?" fragte der
wolf.
akios hielt etwas kleines, glitzerndes in
die höhe. ein ring, mit mehreren funkelnden edelsteinen besetzt.
"hier habt ihr eure belohnung", sagte akios
und überreichte dem wolf den ring.
der wolf legte das schwert vor dem drachen
nieder.
"es ist sehr scharf, habe ich bemerkt, ich
würde gerne erfahren, wozu es sonst noch gut ist."
"das werdet ihr noch früh genug erfahren",
sagte akios.
"früher, als euch lieb ist!" sagte dinnuan
laut und stürzte sich von seinem versteck herunter.
peppe hatte er schon vorher neben sich auf
dem fels abgesetzt.
akios und die wölfe erstarrten, nur für
eine sekunde, aber das reichte dinnuan aus. blitzschnell packte er das
schwert und schleuderte gleichzeitig einen feuerball in akios' richtung.
dann erhob er sich wieder in die lüfte.
das feuer schien akios nichts auszumachen,
er hob ebenfalls ab und nahm die verfolgung auf.
dinnuan kreiste über der lichtung und
empfing seinen gegner mit einem strahl drachenfeuer, das er aus seinem
rachen spuckte.
aber er war eben nur ein halbdrache, und sein
feuer reichte nicht aus, um akios' magische panzerung zu durchbrechen,
die flammen prallten von ihm ab.
akios stieg höher auf und verharrte dann
regunglos in der luft, nur seine flügel schlugen, um die position
zu halten.
"keine schlechte leistung für einen menschen,
akios", sagte dinnuan, der ebenfalls in der luft stillstand.
"wer seid ihr, wurm, dass ihr es wagt, mir
mein eigentum zu stehlen!" erwiderte akios.
"euer eigentum? sternenlicht gehört euch
nicht."
"ihr wisst also... na gut, dann verratet mir
wenigstens euren namen, damit ich weiss, wen ich gleich töten werde!"
akios starrte dinnuan wütend an.
"mein name ist dinnuan."
"ach, ihr seid das also?" sagte akios, und
fing an, mit seinen vorderpfoten kreisförmige bewegungen in der luft
zu machen. gleichzeitig murmelte er leise etwas vor sich hin.
eine hell leuchtende kugel bildete sich vor
ihm, erst nur klein, dann wurde sie rasch grösser.
dinnuan hob sternenlicht in die höhe
und rief ein paar laute worte. die kugel zerplatzte lautlos.
akios fluchte und stürzte sich dann selber
auf dinnuan, der sich mit dem schwert wehrte.
aber akios war sehr geschickt in seiner drachengestalt,
und es gelang ihm, dinnuan das schwert aus der hand zu schlagen.
peppe, der den kampf von unten beobachtete,
sah das schwert weit entfernt zwischen die steinernen bäume fallen.
dinnuan stiess den angreifer zurück und
spuckte erneut feuer. aber es half immer noch nichts, akios' panzerung
hielt.
erneut stand akios still und bildete eine
magische kugel vor sich. diesmal gelang es, und er schleuderte das geschoss
richtung dinnuan.
dieser versuchte, der kugel auszuweichen,
aber sie wechselte überraschend die richtung, schien ihr ziel selbständig
zu verfolgen, und traf mit voller wucht.
peppe schrie leise auf, als er dinnuan abstürzen
sah. der halbdrache fiel mitten in die bäume, die steinernen äste
zersplitterten bei dem aufprall, und dinnuan schlug unsanft auf dem boden
auf, von einem steinhagel begleitet.
regungslos blieb er liegen.
akios landete wieder auf der lichtung. die
wölfe waren während des kampfes ruhig geblieben, wie peppe hatten
sie atemlos zugeschaut.
einen moment verharrte akios regungslos, fing
an, seine gestalt zu ändern. seine drachengestalt schrumpfte zusammen,
und die wahre gestalt des magiers kam zum vorschein.
ein hagerer, kleiner mann. er trug einen langen,
grauen umhang mit kapuze, unter der er sein gesicht halb versteckte.
"was steht ihr hier herum, sucht mir das verdammte
schwert!" herrschte er die wölfe an.
"wie ihr befehlt!" sagte der grosse wolf,
und verschwand mit dem gesamten rudel zwischen den bäumen.
peppe schaute ihnen nach, bis sie nicht mehr
zu sehen waren. unweit der lichtung konnte er dinnuan sehen, der immer
noch regungslos dalag.
akios lief auf der lichtung herum und fluchte
leise vor sich hin.
plötzlich war aus der ferne lärm
zu vernehmen, es klang, als ob ein kampf stattfinden würde.
akios wandte sich in die richtung, aus der
die geräusche kamen. es war dieselbe richtung, in der auch das schwert
liegen musste.
er verwandelte sich wieder in einen drachen
und hob ab, um nachzusehen, was da vor sich ging.
das geschrei war bereits nähergekommen.
ein paar der wölfe tauchten auf der lichtung auf, blutüberstömt,
und verschwanden in den höhlen.
"der drache, da ist der drache!" konnte peppe
jetzt sogar einzelne stimmen rufen hören. hohe, kreischende stimmen.
goblinstimmen.
pfeile schwirrten zwischen den bäumen
nach oben, prallten aber wirkungslos von akios ab.
akios spuckte feuer richtung boden. auch wenn
sein imitiertes drachenfeuer es nicht mit dem von einem echten drachen
aufnehmen konnte, für goblins reichte es allemal aus.
ein kreischen und heulen war zu vernehmen,
aber der pfeilhagel brach nicht ab.
es war ein ungleicher kampf, kein geschoss
konnte akios etwas anhaben, während er den boden unter sich immer
wieder in ein flammendes inferno verwandelte.
dann aber flog mit einem mal etwas helles,
glänzendes durch die luft, und durchbohrte den drachen mühelos.
es war sternenlicht.
eine fontäne schwarzen blutes schoss
aus der wunde, akios wankte einen moment in der luft und stürzte dann
ab. noch während dem fallen wandelte er seine gestalt, wurde wieder
zu einem menschen.
die goblins am boden brachen in lautes jubelgeschrei
aus, als akios' körper leblos in die bäume krachte.
peppe sprang auf.
sollte er um hilfe rufen? aber es waren doch
goblins, mit denen wollte er eigentlich nichts zu tun haben. er beschloss,
erst einmal abzuwarten.
einige reiter erschienen auf der lichtung,
goblins. sie ritten auf wildschweinen, trugen rüstungen, die mehr
schlecht als recht zusammengebastelt schienen. sie waren mit allerlei keulen,
schwertern und äxten bewaffnet.
sie stiegen von ihren reittieren und verschwanden
in den höhlen der wölfe. bald waren kampfgeräusche aus dem
innern des berges zu hören.
peppe sah eine weitere gruppe goblins auf
die lichtung zukommen. einige zu fuss, andere beritten. sie trugen lange
bögen mit sich, und viele von ihnen hatten brandwunden. es mussten
drachenjäger sein, peppe erkannte die dunklen, in gift getränkten
pfeile in ihren köchern. nur mit solchen geschossen konnte man einen
drachen, wenn überhaupt, vom himmel holen.
schliesslich erschienen noch zwei weitere
reiter, der eine schien ein anführer zu sein, er trug eine verhältnismässig
intakte, prunkvolle rüstung.
der andere reiter, peppe traute seinen augen
nicht, war mjoki. sie trug eine goblinrüstung, daher hatte er sie
zuerst gar nicht erkannt. aber es war mjoki, da bestand kein zweifel.
in der hand hielt sie sternenlicht, die klinge
vom blut des magiers verschmiert.
peppe sprang auf.
"mjoki! ich bin hier!" schrie er und hüpfte
vor freude auf und ab.
die goblins wollten schon ihre bögen
erheben, aber ein befehl von mjoki hielt sie zurück.
peppe kletterte nach unten, so schnell er
konnte.
"ich bin ja so froh, dass es dir gutgeht",
sagte peppe, als er endlich wieder auf mjokis schulter sass, und zupfte
an ihrem ohr.
"hier oben ist es einfach am schönsten",
sagte er.
mjoki lachte.
"ich hatte mir auch sorgen gemacht, deshalb
sind wir hier. übrigens, darf ich dir wubbel vorstellen, der fürst
der östlichen goblinberge", sagte mjoki und zeigte auf ihren begleiter.
"der wubbel? sehr erfreut, mjoki hat mir viel
von euch erzählt."
"ihr seid dann bestimmt peppe", sagte wubbel,
"freut mich ebenfalls, euch kennenzulernen."
"wie habt ihr denn hierhergefunden?" fragte
peppe.
"das ist schnell erklärt," sagte wubbel,
"mjoki hatte mir von den wölfen erzählt, und die beschreibung
passte genau auf die steinwaldwölfe. wir goblins haben mit diesen
ungeheuern schon lange unsere probleme, immer wieder überfielen sie
unsere siedlungen. also beschlossen wir, ihnen ein für allemal den
garaus zu machen. die drachenjäger nahm ich vorsichtshalber mit, weil
vor einigen tagen ein drache in unseren bergen gesichtet wurde, der ebenfalls
richtung steinwald flog."
"und ich begleitete ihn, weil ich dachte,
dass ihr vielleicht ebenfalls hier anzutreffen wärt", sagte mjoki.
"wo ist eigentlich dinnuan?" fragte sie dann.
peppe erschrak, er hatte den halbdrachen schon
beinahe vergessen, vor lauter freude über mjokis rückkehr.
"da drüben", sagte er und zeigte zu der
stelle, wo dinnuan zwischen den bäumen lag.
"dinnuan ist eigentlich ein halbdrache, weißt
du", sagte peppe.
mjoki stieg von ihrem reitwildschwein und
eilte zu dinnuan.
wubbel folgte ihnen.
"akios hat ihm das angetan!" sagte peppe.
"wer ist denn akios?" fragte mjoki.
"der andere drache", erklärte peppe.
mjoki untersuchte den regungslos daliegenden
halbdrachen.
"ich weiss nicht recht", sagte sie, "ich habe
keine ahnung von drachen, aber ich kann keinen puls fühlen."
einer der drachenjäger, den wubbel herangewinkt
hatte, bestätigte ihren verdacht.
"drache ist tot", sagte er.
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sie begruben dinnuan so gut es ging, gleich
an der stelle, an der er abgestürzt war. einen halben tag verbrachten
sie damit, steine um den leichnam aufzuschütten. zuletzt wollte mjoki
das schwert dazulegen, aber peppe hielt sie zurück.
"das dürfen wir nicht tun, dinnuan hätte
das bestimmt nicht gewollt", sagte er und erzählte mjoki alles, was
er über das schwert wusste.
"wenn das so ist, werden wir an seiner stelle
das schwert zerstören", sagte sie.
"ja, ich denke, das sind wir ihm schuldig."
"hast du eine ahnung, wohin er wollte?"
"zu einem echten drachen, nehme ich an."
"klingt nicht gerade einfach, aber wir werden
schon einen finden, denke ich."
"ich hoffe es", sagte peppe, aber er klang
nicht sehr begeistert.
"kopf hoch, peppe, die sache wird schon gut
ausgehen", sagte mjoki.
sie nahmen abschied von dem toten drachen
und schlossen das grab.
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© Balz
Strebi
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