Die Zeit verstrich, und bald waren fast alle gegangen, bis auf
ein paar Betrunkene, die noch ihre letzten Schlücke nahmen und dann
unter den Tisch fielen, diese wurden dann in die Gästezimmer des oberen
Stockwerkes gebracht. Hier sollten sie ihren Rausch ausschlafen, am nächsten
Morgen gehen, bezahlen und am Abend wieder kommen. Diese Taktik benutzten
die Eszentirs schon lange, doch nicht alle Leute fielen auf ihren Trick
rein, doch bei denen, die mitspielten, konnte man unter klitzekleinen Umständen
erreichen, dass sie sich heimisch fühlten. Wenn man das erreicht hatte,
würden sie immer wieder kommen, wie der Kojote immer wieder zu seiner
Beute zurückrennt. Nun, da alles sauber war, wurde die Tür ohne
weiteres Anklopfen geöffnet und ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig
Jahren trat ein. Er hatte buschige Brauen, einen dichten Vollbart, welcher
das Kinn und den Mund umspielte und trug sein dunkelblondes Haar wild durcheinander
und etwa drei Finger - die man nebeneinander und nicht aufeinander hält
- lang. Fältchen an Augen und Stirn ließen ihn alt erscheinen,
doch er hatte nur zu oft in Schweiß gebadet oder war durch den Wald
gesprungen, sodass seine Haut wie gegerbt erschien. Er war etwas breiter
als Kelon und hatte von seinem Vater den Namen Shar bekommen. Seine Ohren
waren spitz, doch nicht so wie die eines Elfen, denn er war kein vollblütiger,
sondern zur hälfte ein Zwerg, trotzdem war er genau so groß
wie Kelon und kräftiger gebaut. Er trug einen ledernen Panzer mit
blauem Samt, seine Füße steckten in hohen Lederstiefeln, welche
mit einer ledernen Schnur zusammengebunden war, besaß lustige Augen
und hatte seinen Freund und Halbblutsbruder Kelon schon immer gerne auf
den Arm genommen.
"Und? Wie ist es gelaufen, Sohn?", fragte sein Onkel, der Wirt,
ihn.
Nachdem Shars Eltern, ein Zwerg und eine Elfe, bei einem Unfall
- so sagte man ihm jedenfalls - ums Leben gekommen waren, wuchs er bei
seinem Onkel, Billor Eszentir, und dessen Sohn auf. Billor sah ihn lächelnd
an. Als Shar noch ganz klein war, hatte er ihm das Schmieden beigebracht.
Er war erstaunt gewesen, dass der Junge das so schnell und so gut beherrschte
und nach einiger Zeit hieß es, Shar sei der beste Schmied in den
ganzen vier Ländern. Shar grinste breit und antwortete scherzhaft
mit einem angeberischen, leicht belustigten Ton:
"Sehr gut, heute ist mir mein größtes Meisterstück
gelungen. Ich werde es Drachenflügel nennen!"
Der Wirt lachte herzhaft und Shar fügte wieder großtuerisch
hinzu: "Heute Nacht werde ich damit losziehen und ein paar Ungeheuer erschlagen!"
Er konnte seine ernst gespielte Mine nicht mehr halten und brach ebenfalls
in lautes Gelächter aus. "Ach, Junge", seufzte der Wirt, setzte sich
neben Shar und legte väterlich den Arm um seine gut mit Leder gepolsterte
Schulter, "irgendwann wirst du einer der ganz Großen sein!"
"Der ganz Großen was?", erschrak Shar gespielt und versuchte
sich wieder das Kichern zu verkneifen. Der runde Wirt kniff die Augen zusammen
und lachte. Er trug einen grauen Wollpullover, lederne Hosen und darüber
eine weste aus dem gleichen Material.
"Schmiede!", bemerkte er kurz und gesellte sich wieder zu seinem
putzenden Sohn in die Küche. Extra für Shar hatte sein Onkel
eine kleine Freiluftwerkstatt eingerichtet, welche durch ein Dach aus Strohgarben
vor Regen geschützt wurde. Hinter der Werksatt begann ein großer
Nadelwald, der sich weit in alle Richtungen, außer bis nach Iles
Vieges, ausdehnte.
Zwischen den dunklen Tannen löste sich ein finsterer Schatten
von der fein gemusterten Rinde und gesellte sich in einen schattigeren
Platz. Sein Name war Allagan und er hatte die Reise zu seinem Freund sicher
überstanden. Der nette Mann hatte ihm ein Pferd gegeben, mit dem er
bis nach Valance reiten konnte. Es war ein ausdauerndes Tier und er hatte
deswegen nicht auf der Waldenburg halt machen brauchen. Auf dem Rückweg
würde er noch einmal nach seinem alten Lehrmeister sehen und ihn dort
um die erwünschte Sache bitten. Vom Bauern hatte er einen knorrigen
Wanderstab erhalten, den er ebenfalls als Waffe im Kampf einsetzen konnte.
Leichter Nieselregen, der aus einer eher schleierhaft schwarzen Wolke kam,
setzte ein und nässte die dunkelgrünen Nadeln der hohen Bäume.
Vorsichtig wanden sich milchiger Nebel über den mit Nadeln übersäten,
feuchten Boden und verhang sich zwischen den Ästen der Fichten. Die
Tropfen perlten wie Tau über die Zapfen und tränkten dann die
von Farnen und bemoosten Wurzeln übersäte Erde. Als der Schatten
weiter vor ins Mondlicht trat, wurden die Gesichtszüge eines von Wind
und Wetter gegerbten Mannes in blauen Schatten wahr. Sein dichter, schwarzer
Bart umrahmte den breiten Mund mit den rissigen Lippen und seine tiefdunklen
Augen, welche in weiten Augenhöhlen steckten, schienen starr und ruhig
auf eine Stelle geheftet, doch in Wirklichkeit hatte er alles und jeden
fest im Auge. Sein Haar war lang, schwarz, zerzaust, wie nach einem Kampf
und statt Falten hatte er grobe Einfurchungen in der Haut. Schnell und
doch lautlos lief die Gestalt zu dem großen Gasthaus mit der Werkstatt
und verschwand in einer der dunklen Ecken.
Es klopfte an der groben Tür des Gasthauses der Eszentirs,
doch keiner der Anwesenden rührte sich, statt dessen brüllte
Shar, der die ganze Zeit auf eine Stelle an der Wand gestarrt hatte, mit
dem Kopf leicht zur Seite geneigt, aber immer noch starrend:
"Wir haben geschlossen!"
Er hatte seine bestiefelten Füße auf den Tisch gelegt,
die Hände über der Brust verschränkt und genoss den Frieden
der Nacht. Seine Familie hatte sich schon in einen der anderen Räume
zurückgezogen und spielte vergnügt ein langweiliges - wie Shar
fand - Spiel der Elfen. Wieder klopfte es nervtötend, aber diesmal
mit gehörigem Nachdruck und der junge Mann rief etwas gereizt: "Versuch
keine Spielchen, Junge, komm Morgen wieder, dann kannst du dich betrinken!"
Für einen Moment kehrte Ruhe in den großen Vorraum
ein, Shar seufzte fast unhörbar auf und lehnte sich noch etwas mehr
zurück und schloss wieder glücklich die Augen, doch die bleibende
Stille währte nicht lange, denn nun war das Klopfen ohrenbetäubend
laut und er überhörte es einfach. Er hatte seinen Text gesagt
und wollte einfach nur noch seine Ruhe, doch schon kam der Wirt, sich gerade
eine Schürze umbindend, angerannt und schimpfte flüsternd zu
Shar hingewandt:
"Was fällt dir ein, willst du, dass er die ganze Nachbarschaft
wach klopft?" Shar überhörte ihn einfach, doch dann setzte er
etwas trotzig hinzu:
"Woher willst du wissen das es ein 'Er' ist?"
Erst sah der Breite ihn nur verständnislos an, dann winkte
er - leicht gereizt - ab und öffnete, sich vorher noch mit einem Lächeln
bestückend, die hölzerne Tür, indem er einfach die Klinge
herunter drückte. Freundlich stand er da und sah auf einen klatschnassen,
mit einem schwarzen Mantel überdeckten Bauch. Vorsichtig richtete
er seinen Blick höher und starrte den großen Mann mit einem
unsicheren Grinsen an.
"Haben sie noch ein Zimmer frei?", fragte dieser mit tiefer Stimme,
seine Augen waren unter der Kapuze verborgen, nur der dunkle Bart, die
bleichen, verschwitzten Wangen und der breite Mund waren zu erkennen. Der
angegebene Ton war hilflos, aber doch eindringlich und deshalb vermochte
der Wirt keinen Ton heraus zu bringen. Genau diese Zeit nutzte der Fremde,
um einen unmerklichen Blick auf die Leute zu werfen, die ihn umgaben. Um
den Bauch hatte er sich einen Gürtel gebunden, welcher mit silbernen
Gestalten verziert war und an ihm hingen ein langes Schwert, das ebenso
gemustert wie das Lederband war, und ein schwarzes, kleines Säckchen.
Shar reichte ein Blick, um den Unbekannten als merkwürdig abzustempeln
und so machte er keine Anstalten sich von seinem Platz zu erheben.
"Tretet doch ein, Fremder!", fasste sich Billor ein Herz, verneigte
sich, wies mit dem Arm in die Stube und versuchte dann dem Neuankömmling
Stock und Mantel abzunehmen. Mit gesenktem Kopf formte der Schwarze eine
abwinkende Geste in die Luft, der Gastgeber zog die Grabscher zurück
und kratzte sich dann verlegen am Kopf.
"Wünscht der Herr vielleicht noch etwas, bevor er sich zum
Schlafen begeben möchte?", versuchte er es erneut und diesmal klappte
es tatsächlich.
"Ein Bier!", gab der andere zurück, verzog sich in einen
Winkel im Raum, ließ sich auf die Sitzbank fallen und lehnte sich
entspannt zurück. Wie konnte der Kerl nur in so einer unbequemen Lage
sitzen? Kelon wusste es nicht und eigentlich wollte er es auch gar nicht
wissen, denn was gingen ihn seine Kunden an?!
"Na los,", trieb ihn sein Vater an, "worauf wartest du? Hast
du nicht gehört, der Mann braucht ein Bier und zwar sofort!" Widerwillig
sträubte er sich nicht, ließ diese Sache in Ruhe und marschierte
hinter die Theke, um eines der Gerstengetränke zu zapfen. Der Alte
setzte sich zu dem Wanderer und wartete auf dessen Reaktion. Als ihm keine
gewahr wurde, rückte er endlich mit seiner wohlüberdachten Frage
heraus:"Na, wie sieht die Welt da draußen aus?" Im Schatten unter
der Kapuze konnte man ein sich schwach abhebendes Grinsen erkennen.
"Du willst wissen, wie es in der Welt aussieht?"
Der Wirte nickte erwartungsvoll und fügte nach einigem Schweigen
noch hinzu: "Na ja, ich dachte, Ihr kommt bestimmt aus einem fernen Land
hierher und habt so manches er..." Weiter kam er nicht, denn der Fremde
machte eine stille Geste in die traurige Runde. Nun war nur noch das Feuer
im Ofen knisternd zu hören und auch Shar lauschte bereits angestrengt,
tat aber immer noch so, als würde er beruhigt ein Nickerchen halten.
Deshalb ließ er auch eine nervige Fliege, welche ihn unwahrscheinlich
stark kitzelte, auf seiner Nase ruhen. Das schwarze Insekt tat einen weiteren
Schritt, dann zuckte ein Muskel in Shars Gesicht, der Dunkle ließ
die Augen blitzschnell zu ihm wandern und er hörte sogar das leise
Summen des Tieres auf solch eine Entfernung. Endlich wollte der Fremde
die Frage Billors beantworten.
"Soll ich Euch wirklich von den grauenhaften, blutigen Obszönitäten
in den vier verdreckten und verwüsteten Ländern erzählen?
Nein, guter Mann, es wäre zu furchteinflößend für
Euch, die dunklen und finsteren Mächte, die hier in der Umgebung lauern,
in meinem Bericht zu erdenken. Ihr würdet sofort tot umfallen!", bemerkte
er locker, sofort spiegelte sich unangenehme Angst in den Augen des Wirts
und dieser hatte plötzlich kein Bedürfnis mehr davon zu erfahren.
"Wenigstens euren Namen!" Und nach einiger Zeit setzte er hinzu:
"Bitte!"
"Der tut nichts zur Sache!", donnerte der Dunkle und empfing
sein Bier, nahm ein paar Schlücke, dann setzte er ab und wischte sich
den schaumigen Mund ab. Später versuchte er etwas von seinen Gastgebern
in Erfahrung zu bringen, obwohl er bereits alles wusste, woher, konnte
er nicht sagen - noch nicht!
"Euer Sohn ist kein guter Schauspieler! Man soll ihm ansehen,
er schlafe, doch das tut er ganz gewiss nicht, dafür sind seine Muskeln
viel zu gespannt und er liegt zu ruhig!", raunte er dem Wirt halb über
den Tisch gebeugt zu. "Sieh da, jetzt lässt er sich sogar eine fette
Schmeißfliege übers Gesicht laufen, um nicht enttarnt zu werden!"
"Oh, Herr,", stotterte der Dicke, "er ist nicht mein Sohn...
und erst recht kein Schauspieler!"
"So? Was ist er denn?"
"Schmied, Herr!" Spinnt mein Onkel wieder mal, dachte Shar entsetzt
und kniff das rechte, für die zwei Betrachter unsichtbare Auge, auf,
wieso erzählt er das über mich? Ein Lächeln huschte über
das grob gezeichnete Gesicht des Dunklen:
"Und? Ist er gut?"
"Der Beste!", versicherte Billor und hatte bereits begonnen zu
zittern.
"Du darfst dich wieder deiner Arbeit zuwenden!", befahl der Fremde
und schüttelte den Gastvater mit einer merkwürdigen Geste von
sich weg. Er ließ seinen Blick noch mal zu Shar schweifen und beäugte
den Talbewohner ausgiebig, und das spürte der Junge. Die Wirtschaft
war wie leer gefegt und nur noch sie beide waren da. Die anderen hatten
sich wieder schallend lachend ihrem sehr interessanten Brettspiel zugewandt.
Plötzlich stand Shar wie aus der Ruhe geweckt auf, stakste
mit großen Schritten zu dem Fremden, schlug ihm mit voller Wucht
und der Flachen Hand ins Gesicht und rief erbost:
"Guck nicht so blöd, du..." Er brach mitten im Satz ab,
denn der Schattenläufer hatte sich bei seinem Angriff und bei der
Attacke selber nicht bewegt. Auch fiel ihm auf, dass seine Hand schmerzte
und der Fremde immer noch lässig saß, doch dann sprang dieser
ebenfalls auf, packte seinen Gegner an den Handgelenken und zog ihn zu
sich hoch in die Höhe. Der Fremde war viel größer als man
hätte vermuten können, denn er war die ganze Zeit gebückt
gegangen und hatte sich nun zu seiner vollen Größe aufgebäumt.
In dem Moment, als er hochgerissen wurde, konnte Shar in die Augen des
wahrscheinlichen Feindes sehen, und sofort lief ihm ein kalter Schauer
über den Rücken und er vermochte es nicht mehr sich zu bewegen.
"Spüre den Schmerz, Junge!", knurrte der Riese, drückte
die Hände zusammen und der Schrei blieb Eszentir im Halse stecken.
Die Blicke des Fremden bohrten, löcherten und gruben in ihm, suchten
nach dem bisschen Leben was noch in ihm steckte und ein eisiger Schatten
umklammerte sein Herz. Der Körper des Jungen begann vor ersticktem
Schmerz zu zucken, sein Gegner bog und drehte die Arme nach vorne, mit
der Innenfläche nach außen. Mit einem letzten Aufblitzen von
Hass beschimpfte er den Kerl:
"Armseliger Bettler!" Nun merkte er, dass er es längst zu
weit getrieben hatte, denn das Knie des großen bohrte sich unaufhaltsam
durch den Lederpanzer in seine Magengrube. Der Schmerz explodierte in ihm,
doch dann wurden seine Handgelenke losgelassen und die Sinne schwanden
ihm. Was war es gewesen? Vielleicht eine Stimmungsschwankung seines Gegners,
oder war irgendetwas gravierendes passiert? Keine Zeit zum Denken wurden
ihm gelassen, denn der helle Schatten der Unendlichkeit legte sich schleierhaft
über sein benebeltes Gehirn.
"Verzeiht mir, Meister!", stotterte der Schwarze, "Ich habe sie
in meiner Wut nicht erkannt... Ab heute werde ich gehorsam sein!", murmelte
der Fremde und verzog seine Mine zu einem ausdruckslosen, aber dennoch
besorgten Gesicht. Was meinte dieser Fremde? Etwas von Shars Bewusstsein
kehrte zurück und die wischenden Farben vor seinen Augen verloschen.
"Warum nanntest du mich Meister? Wer bist du überhaupt?",
fragte Shar trotzig mit über der Brust verschränkten Armen und
einer böswilligen Miene auf dem Gesicht. Sein Haar war zerzaust, struppig
und lichtete sich an der Stelle, an welcher eine dicke Beule protzte. "Bist
du mein Untertan?", murmelte er nach einem kurzen schweigen und grinste,
wobei ihm im Moment gar nicht danach war.
"Was glaubst du denn wer ich bin, Talbewohner?"
"Komm schon, mit mir kannst du keine Spielchen treiben, alter
Riese! Sag mir jetzt auf der Stelle, wer du bist!" Grimmig deutete er auf
den Boden und schnaubte.
"Ich sehe, man kann dir nichts vormachen!", schnaubte Allagan
und lehnte sich nicht weniger entspannt zurück. "Ich bin Senragor,
oder Allagan, wie du willst, denn ich habe viele Namen. Mindestens einen
kennt jeder!"
"Nie gehört!", gab Shar zum Besten und tat gelassen. Der
Dunkle seufzte und sagte dann mit fester, ehrfurchtverleihender Stimme:
"Ich bin Zauberer von Beruf und streife als wandernder Druide
durch die Wälder. Im Moment will ich den Kampf zwischen den Menschen
und den Wesen des Schattenreiches stoppen." Er sah auf, als ob er prüfen
müsste, ob er dem Jüngeren trauen konnte, und schließlich
fuhr er fort. "Das geht nur, wenn die legendären Schwerter der Macht
zerstört werden..."
"Ich dachte es gäbe nur eines!", fiel ihm Shar ins Wort,
Senragor räusperte sich und erzählte dann weiter:
"Dazu brauche ich dich! Wir müssen das zweite Schwert erst
schmieden, denn die Schwerter vom Volke der Menschen nützen nichts,
und erst dann kann der Auserwählte sich gegen Muragecht, den finsteren
Herrscher, stellen!"
"Ach, und ich soll Euch helfen, das zweite magische Schwert der
Macht zu schmieden?" Als Allagan nickte setzte er noch mal eins drauf,
um endlich ein Schütteln dessen Kopfes zu sehen. "Und die anderen
Schwerter sollen eingeschmolzen und in dem neuen vereint werden?" Es war
zwar aus dem Himmel gegriffen, doch der Druide nickte trotzdem und Shar
hätte beinahe laut losgelacht, wenn ihm der Zauberer nicht sofort
einen wütenden Blick zugeworfen hätte. "Und wann geht es los?"
"Jetzt!", murmelte der Fremde und begann sich aufzurichten.
"W... Was? Jetzt sofort?” Senragor nickte. "Aber ich muss noch
packen und alles..."
"Tu das!", befahl er ihm und reckte sich, während der Junge
in seinem Zimmer im dritten Stock verschwand.
Wenig später kam er wieder die Treppe heruntergeeilt, den
Rucksack auf dem Rücken, den Umhang um die Schultern gewickelt und
einen Wanderstock in der Hand.
"Keine Widerrede?", fragte der Große leicht verblüfft.
"Hat dein Vater 'Ja' gesagt?"
"Nun ja, weißt du, ich will hier weg, brauche Urlaub von
der Schmiede... Meinen Vater fragen brauche ich nicht, da ich ja schon
über achtzehn bin!" Er schüttelte den Kopf, schniefte und marschierte
voraus.
"Es ist ratsam eine Waffe bei sich zu tragen!", erklärte
der Magier weit ausgreifend und stellte sich vor Shar.
"Oh, gewiss, doch ich glaube nicht, dass uns jemand ausrauben
will!"
"Das bestimmt nicht!", versicherte er ihm und lachte schallend,
doch als der Junge wieder den Weg fortsetzen wollte, prallte er gegen die
Brust des Druiden.
"Hey,", fragte er wütend, "was soll das?"
"Wir werden zwar nicht ausgeraubt werden, doch bedenkt, was noch
passieren könnte..." Shar überlegte. "Wir könnten angegriffen
werden!"
"Ah!", machte dieser. "Das kann natürlich auch sein!" Wieder
wollte er weitergehen.
"Und?", tadelte Allagan gereizt und schrie dann fast: "Willst
du ohne Waffe aus dem Haus?"
"Natürlich nicht!", entgegnete Shar und hob abwehrend die
Hände. Sofort griff der Große unter seinen schwarzen Mantel,
zog einen dunklen Beutel vor und warf ihn dem Schmied zu. Dieser fing ihn
geschickt, löste die Schnur, mit welcher der Sack verschlossen war,
und spähte interessiert hinein.
"Was ist das?", fragte er und schüttete den Inhalt auf seine
Handfläche. Es kamen drei ovale, grüne Steine zum Vorschein,
welche unendlich weit in sich selbst zu versinken schienen. Für lange
Momente nahmen die Steine seine volle Aufmerksamkeit auf sich und Senragor
musste lachen.
"Das sind Runensteine!" Er stemmte die Fäuste in die Hüften.
"Sie besitzen Magie! Größere als du sie dir vorstellen kannst,
doch setze sie gut ein, denn wenn man sie zweimal hintereinander benutzt,
wird die Kraft des eigenen Körpers verbraucht und langsam zerfällt
man dann zu Asche." Geisterhaft fuchtelte er mit seinen Fingern herum und
versuchte dem Talbewohner Angst einzujagen, doch als dieser ihn nicht einmal
bemerkte, gab er es auf und ließ seine Miene wieder grimmig werden.
Er schwenkte den Mantel, drehte sich um, stolzierte mit gesenktem Kopf
der Tür entgegen, öffnete sie und verließ den Raum, dann
machte er sich wieder in Richtung Wälder zu seinem Gaul auf.
"Warte!", rief der andere ihm zu und versuchte ihn zurück
zu winken. "Ich muss nur noch schnell etwas aus der Werkstatt holen!"
Allagan nickte, verschwand aber dennoch in den Schatten des Fichtenwäldchens.
Von fern sah er Funken aus dem Arbeitsraum sprühen und vernahm das
Aufeinanderkrachen von erhitztem Metall, dann lief Shar mit einem langen
Säbel in der Hand auf den Druiden zu.
"Siehst du?", fragte er keuchend und hielt ihm das Schwert unter
die verschatteten Augen. Die Waffe glänzte silbern im Mondlicht und
es hatte längst aufgehört zu regnen. Die Klinge war etwa nach
einem und einem halben Meter gebogen und Zweischneidig. Der längliche,
mit einem blauen Band versehene Griff endete an einer runden Stelle, an
der einer der Runensteine eingelassen war. Ebenso waren die anderen Beiden
am Heft eingearbeitet und schimmerten grünlich im silbergrauen Glanz
des Mondlichts. Allagan erkannte die geschmeidigen Feinheiten der makellosen
Waffe und seine Augen glommen vor Erstaunen und ähnlichen Gefühlen,
die ihn in diesem Moment wie ein barmherziger Schock überkamen. Die
Klinger hatte einen magischen, blauen Schimmer und die grünlichen
Steine verliehen ihr an ihrem Platz einen helleren Glanz, als an den vom
Dunkel der Nacht getrübten Stellen.
"Noch keiner hat die Runensteine so benutzt wie du jetzt!", staunte
Senragor und hatte das Gefühl sich vor der Waffe verneigen zu müssen.
Es ist wirklich wahr, der Junge ist der größte und beste Schmied
aller Länder und ich werde gut daran tun, wenn ich ihm eine heilige
Waffe schmieden lassen würde. Gutmütigkeit spiegelte sich in
seinen Augen und vorsichtig strich er mit dem Zeigefinger über die
Klinge.
"Es ist..." brachte er heraus, "...unbeschreiblich! Wo hast du
das gelernt?"
"Von..." Shar verstummte und sah zu dem Druiden hoch, dessen
Blick immer noch wie gebannt auf der Waffe ruhte. "Man sagt, es wäre
Magie, die durch meine Hände in das Werkzeug fließen..." Genau
das war es, was Allagan nicht auszudrücken wusste, denn die Schmiedekunst
des Jungen war unglaublich, wie von Göttern gezaubert... Es war die
reine Magie der Götter.
"Darf ich?", fragte er ganz vorsichtig und versuchte so nett
wie möglich zu klingen, was ihm bei diesem Anblick wirklich nicht
schwer fiel. Shar überreichte ihm die Klinge und als der Zauberer
ihren Griff umschloss, spürte er wie eine lebendige Kraft in der Waffe
herrschte, wie als würde lebende Seelen in ihr hausen ihre geballte
Kraft auf die Härte und Leichtigkeit der Klinge spezialisieren. Behutsam
machte er ein paar Schwungübungen mit der Waffe und außer dem
rauschenden Geräusch, das sie tat, vernahm er eine leise Stimmen aus
ihrem Inneren, so als hätte man den heiligen Geist selbst darin gefangen.
Er ist es, dachte er, dieser Junge ist der, nach dem die Prophezeiung sucht...
Er kam ins Schwitzen und legte die Waffe weg, und mit einem Mal verstummten
auch die Stimmen und ungewohnte Ruhe kehrte ein.
"Vorhin hast du mich gefragt, warum ich dich 'Meister' genannt
habe, nun weiß ich es... Du bist der Meister der Waffenschmiede!
Deine Kunst ist nicht..." Er überlegte und entschied, den Jungen nicht
überheblich werden zu lassen, dann sagte er mit ruhiger, gefasster
Stimme: "...nicht schlecht!" Er rümpfe die Nase als ob es ihn geekelt
hätte diese Berührung gemacht zu haben, doch im Innersten wollte
er sie besitzen und so erschrak er selbst über seinen hinterhältigen
Charakter. "Lass uns aufsitzen!", meinte er dann nur streng mit dröhnender
Stimme, zog sein rabenschwarzes Pferd aus dem Gebüsch und schwang
sich sehr behände für seine große Gestalt in den ledernen
Sattel. Das Tier blähte die Nüstern und schnaubte, als es mit
dem Fuß im Sand herumfurchte und als es mit der Hufe gegen einen
Stein stieß, wieherte es laut auf und herrschte Shar an, ebenfalls
auf ihm seinen Platz einzunehmen.
"Warum hast du mich angegriffen?", fragte dieser plötzlich
und sah betrübt zu Boden, das Schwert hatte er in die Schwertscheide
auf seinem Rücken gesteckt, und sein dunkelblauer Mantel umwehte seine
Beine, als ein eisiger Wind aufzog. Ein Grinsen machte sich auf dem Gesicht
des Druiden breit und er überlegte, noch während er mit dem ungeduldigen
Pferd zu kämpfen hatte.
"Du musst noch viel lernen, junger Freund! Wäre ich einer
der Bösen gewesen, hätte ich dich sofort zerschlagen können!"
Shar erwiderte nichts auf die zu deutlich ausgedrückte Antwort und
stieg auf. Als er obern war, klammerte er sich an den Zauberer und krallte
seine Finger in den festen, samtigen Stoff seines Mantels. "Halt dich fest,
Talbewohner!", raunte er zu ihm, dann beugte er sich zu dem Rappen vor,
flüsterte ihm etwas ins angespannte Ohr und mit einem knallen Allagans
Zunge, sprintete das mächtige Tier mit donnernden Hufen über
den noch vom Regen nassen Asphalt.
© Benedikt
Julian Behnke
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