Nach vielen Ewigkeiten verspürte sie
die liebevolle Zuwendung einer Hand, die sie liebevoll streichelte, ihren
Körper mit kühlem Wasser wusch und ihr eine warme, brennende
Flüssigkeit einflößte, die wie flüssiges Metall ihre
Kehle hinab floss. Eine starke Hand. Eine zärtliche Hand. Eine tiefe
Stimme flüsterte ihr beruhigende, tröstende, aufmunternde Worte
zu.
"Mutti, Vater!" hauchte Lilly erleichtert.
"Ich wusste, dass ihr mich nicht im Stich lassen würdet. Ich liebe
euch!" Sie fühlte sich rundum geborgen.
Von nun an umgab sie eine wohltuende Schwärze.
Der Schmerz ging zurück. Das Fieber sank. Lilly schlief tief und fest.
Doch die Hand und die Stimme blieben. Streichelten sie und trösteten
sie. In ihrer Bewusstlosigkeit bekam sie von all dem nichts mit. Aber ihr
Unterbewusstsein nahm dies alles wahr. Es begann, diese Stimme zu lieben,
fühlte sich sicher und nahm den Kampf gegen das Gift im Körper
auf.
Als Lilly wieder zu sich kam, brauchte sie
einige Sekunden, um sich wieder zurecht zu finden. Sie erkannte den Bach,
den kleinen Wald und die Wiese wieder. Aber sie war nicht allein! Eine
Gruppe von sechs Männern hielt sich auch hier auf. Sie standen in
der Mitte der Lichtung um eine Feuerstelle herum und es hatte ganz den
Anschein, als untersuchten die Kerle ihre Habseligkeiten. Einer von ihnen
hielt Palo an seinem Halfter, als würde er ihm gehören. Lilly
erinnerte sich, dass sie den Schecken abgeschirrt hatte. Was fiel dem Kerl
ein?
Sie richtete sich auf, was ihr sehr schwer
fiel, denn sie war so schwach wie ein Säugling. Auf ihr Stöhnen
hin wurden die Männer auf sie aufmerksam. Einer von ihnen schritt
auf sie zu.
"Guten Morgen, junge Dame!" grüßte
er freundlich. "Ausgeschlafen?"
"Ich weiß nicht so recht," gab Lilly
zu. "Die Schlange war wohl doch giftiger, als ich dachte."
Sie schaute dem Mann ins Gesicht. Es war von
grobem Zuschnitt und wirkte nicht sehr vertrauenserweckend.
"Habt ihr mich gesund gepflegt?" wollte sie
wissen.
Der Mann antwortete zunächst nicht auf
ihre Frage, sondern hielt ihr den Körper der Schlange vor die Nase.
Oder vielmehr das, was inzwischen noch von ihm übrig geblieben war.
Die Verwesung war schon sehr vorangeschritten. Lilly musste lange krank
gewesen sein.
"War das die Schlange, die dich gebissen hat?"
fragte er.
Lilly nickte zustimmend.
"Wir haben dich nicht gepflegt," erklärte
der Mann nun. "Wir hätten auch nicht die notwendigen Kenntnisse dafür.
Dies hier war ein Buschmeister, die wohl giftigste Schlange der Welt. Wer
immer sich um dich gekümmert hat, muss entweder ein begnadeter Arzt
oder ein mächtiger Magier sein. Vom Biss des Buschmeisters gibt es
keine Heilung. Ich habe einst ein Schlachtross gehabt. Groß und stark
wie ein Felsen, das mit seinem Huf eine Eiche spalten konnte. Als es von
einem Buschmeister gebissen wurde, fiel es auf der Stelle tot um."
Er schüttelte bedauernd den Kopf, als
trauere er dem Ross noch heute hinterher.
"Doch nun zu dir," richtete er seine Aufmerksamkeit
nun auf Lilly. "Wie du bestimmt gemerkt hast, sind wir nicht zum Vergnügen
hier. Wir leben davon, Reisende auszuplündern."
Er grinste sie überlegen an. "Man könnte
uns also mit Fug und Recht als Wegelagerer bezeichnen."
Lilly unterbrach ihn.
"Ich besitze nichts, das für euch von
Wert sein könnte," gab sie alarmiert zurück. Dabei war ihr der
Mann schon fast sympathisch vorgekommen.
"Das habe ich schon gemerkt," gab der Bandit
zurück. "Du bist sehr klein. Selbst deine Kleidung ist nur für
Kinder geeignet. Ebenso dein Pferd."
Er seufzte und schüttelte den Kopf.
"Leider ändert das nichts daran, dass
wir bei der Ausübung unserer Tätigkeit keine Zeugen zurücklassen
dürfen. Wir müssen dich also töten."
Er winkte einem Kameraden zu, der gerade auf
dem Boden hockte und Lillys Packsack untersuchte. Dieser erhob sich und
kam heran.
"Dies ist Leo," erklärte der Räuber.
"Er ist ein Meister im Umgang mit dem Messer. Er wird dir die Kehle durchschneiden.
Du brauchst aber keine Angst zu haben, denn er wird das schnell und völlig
schmerzlos machen. Wir sind ordentliche Räuber und machen unseren
Job gut!"
Lilly schoss die Angst in das Herz. Es war
einfach unglaublich, wie nebensächlich der Sprecher der Bande sie
über ihren unmittelbar bevorstehenden Tod in Kenntnis setzte. Sie
versuchte aufzustehen. Es blieb bei dem Versuch. Wenn sie nur nicht so
schwach gewesen wäre!
Der Messermann ging an ihr vorbei drehte sich
um und drückte ihr ein Knie in den Rücken, so dass sich ihr Oberkörper
nach hinten bog. Er ergriff ihre Stirn und zog sie nach hinten, Dann setzte
er einen Dolch an ihre Kehle. Gleich musste der tödliche Schnitt kommen!
***
"Lass sie los! Auf der Stelle!" erklang vom
Waldrand her plötzlich eine tiefe Stimme.
Leo schnitt nicht, lockerte aber auch seinen
Griff nicht. Dennoch spürte Lilly, dass der Druck auf ihrem Kehlkopf
nachließ. Zitterte die Hand nicht ein wenig? Sie konnte sich auch
täuschen. Sie verdrehte die Augen, um zu sehen, wer sich da gemeldet
hatte.
Sie hatte einen guten Blick auf die Räuber,
die alles stehen und liegen ließen und sich ganz auf den neu hinzugekommenen
Sprecher konzentrierten.
Am Waldrand stand eine abenteuerliche Gestalt:
Auf einem hohen weißen Ross saß ein Reiter, dessen Gesicht
zum größten Teil durch die Kapuze eines purpurfarbenen Samtumhangs
verdeckt wurde. Nur die Augen, die in einem düsteren Rot leuchteten,
waren sichtbar. In der rechten Hand hielt er einen zepterartigen Gegenstand,
an dessen Spitze eine grünliche Flamme blass flackerte. Die Spitze
des Zepters hielt er auf die sechs Männer gerichtet.
Der bisherige Sprecher der Gruppe erhob auch
jetzt wieder seine Stimme. Sie klang aber lange nicht mehr so sicher wie
vorher. Von seiner eben noch zur Schau gestellten Abgebrühtheit war
nicht mehr viel übrig geblieben.
"Verzeiht, Herr! Wir konnten nicht ahnen,
dass auch Ihr ein Interesse an dieser kleinen Koboldin habt. Wenn Ihr einverstanden
seid, können wir unsere armselige Beute teilen."
"Hier wird nicht geteilt!" gab der Reiter
zurück und an Leo gewandt: "Wenn du sie nicht augenblicklich loslässt,
wirst du keine Zeit mehr haben, es zu bereuen!"
Leo ließ Lilly so plötzlich los,
als hätte er sich die Finger verbrannt.
Der Sprecher der Gruppe gab aber noch nicht
auf. Mit einem wütenden Seitenblick auf Leo sagte er:
"Vergesst nicht, Ritter, wir sind sechs kräftige
Männer!"
"Sechs tote Männer!" gab der Reiter zurück
und erhob sein Zepter.
Da kam Leben in das Gesindel. Die Räuber
schrieen auf und gaben Fersengeld, dass es eine Freude war, sie laufen
zu sehen. Innerhalb von Sekunden war die Luft rein.
Der Reiter stieg von seinem Ross und kam steifbeinig
auf Lilly zu. Sie war mächtig gespannt, ihn aus der Nähe zu sehen,
denn sie hatte seine Stimme erkannt. Er war der, der sie gesund gepflegt
hatte. Von ihm hatte sie nichts Schlimmes zu erwarten. Sie brannte darauf,
ihm zu danken.
Als er näher kam, gab die Kapuze einen
Blick auf sein Gesicht frei. Lilly stockte der Atem. Vor ihr stand der
schönste Mann, den sie jemals gesehen hatte.
***
"Wer bist du?" fragte sie. "Wie kommt es, dass
die Räuber so große Angst vor dir hatten? Hast du mich gepflegt?
Wie hast du mich gefunden?" Lilly war ganz durcheinander.
Ihr Retter schmunzelte.
"Das sind aber eine Menge Fragen auf einmal!"
stellte er fest. "Aber der Reihe nach. Du kannst mich Sucher nennen. Ich
habe dich zufällig gefunden, als ich hier vorbeikam. Ich habe mich
um dich gekümmert und freue mich, dass es dir wieder gut geht. Und
die Räuber? Räuber sind in der Regel feige. Darum hatten sie
solche Angst vor mir."
Er beugte sich zu ihr herunter, um mit einer
Hand über ihre Wange zu streichen.
"Gut!" freute er sich. "Dein Fieber ist weg.
In ein paar Tagen können wir weiterziehen."
Dann wandte er sich von ihr ab und ging zu
der Feuerstelle in der Mitte der Lichtung, die ihr eben schon aufgefallen
war. Er fachte die Flamme neu an und heizte damit dem Topf ein, der inmitten
der Glut stand. Bald begann sein Inhalt vernehmlich zu blubbern. Sucher
tunkte eine Kelle in das Gebräu, kostete vorsichtig und nickte zufrieden.
Er hob den Topf an und brachte ihn zu Lilly. Er hielt ihr die bis zum Rand
gefüllte Kelle an den Mund.
"Hier, Trink!" forderte er sie auf.
Lilly zögerte. Die grünliche Flüssigkeit
sah weder appetitlich aus, noch roch sie besonders einladend.
"Du kannst ruhig zugreifen!" beruhigte Sucher
sie. "In den vergangenen Tagen hast du eine Menge davon getrunken. Du kannst
nicht sagen, dass es dir geschadet hat, oder?"
Das war also das heißkalte Zeugs, das
ihr die Kehle hinuntergelaufen war.
"Was ist das?" wollte sie wissen.
"Ein Sud aus den Wurzeln der Schwarzen Alraune
und verschiedenen anderen Heilkräutern. Zusammen vermögen sie
selbst das stärkste Gift zu neutralisieren."
Lilly gab sich einen Ruck und trank. Wieder
rann die Flüssigkeit wie glühendes Metall ihre Kehle hinunter.
Kaum hatte sie ihren Schluck getan, schlief sie wieder ein. Diesmal aber
war es ein ruhiger, erholsamer Schlaf, aus dem sie erfrischt und gestärkt
erwachte.
***
Sucher war gerade dabei, ihre Sachen, die die
Räuber bei ihrer Flucht in alle Richtungen verstreut hatten, neu zu
ordnen. Er schaute sie an.
"Na, wie geht es dir?"
"Danke! Sehr gut. Ich bin kräftig genug,
um meine Reise fortzusetzen," gab Lilly zurück.
Sucher schmunzelte.
"Das meinst du nur. Der Biss eines Buschmeisters
ist nicht so schnell vergessen zu machen. Wo möchtest du denn so dringend
hin?"
"Nach Umbra!"
Sucher wurde aufmerksam.
"Nach Umbra? Was möchtest du denn da?
Ich glaube nicht, dass dies ein Land für ein Kind deines Alters ist."
"Ich bin kein Kind mehr!" gab Lilly wütend
zurück. "Ich bin schon erwachsen!"
Sucher neigte erwartungsvoll den Kopf.
"Dann erzähle mir doch mal von dir und
warum du nach Umbra willst."
Normalerweise war Lilly Fremden gegenüber
sehr zurückhaltend. Aber Sucher hatte ihr gleich mehrfach das Leben
gerettet und war darum, streng genommen, kein Fremder mehr. Es wäre
sehr unhöflich gewesen, zu schweigen. Darum berichtete sie ihm von
Anfang an, was es mit ihrer Reise nach Umbra auf sich hatte.
Sucher hörte ihr aufmerksam zu, ohne
sie ein einziges Mal zu unterbrechen.
"Das ist ja eine interessante Geschichte,"
meinte er, als sie geendet hatte. "Wenn die Weiße Alraune dir diesen
Weg befohlen hat, dann hat sie auch ihre Gründe dafür."
Er beugte sich zu ihr herunter und sah ihr
forschend in die Augen.
"Hmm!" brummte er. "Der weiße Fluchschimmer
ist kaum noch zu erkennen. Du müsstest eigentlich schon recht gut
sehen können."
Er entfernte sich von ihr, bis sie ihm mitteilte,
dass sie ihn nun nicht mehr sehen konnte. Sucher nickte befriedigt.
"Deine Sichtweite beträgt 50 Meter. Das
ist bereits sehr gut!"
"Wie kommt das!" wollte Lilly wissen.
"Ich tippe auf eine Wechselwirkung zwischen
dem Gift des Buschmeisters und meiner Medizin," antwortete Sucher.
"Ob ich noch mehr von deiner Medizin trinken
sollte?" dachte Lilly laut nach.
Doch Sucher winkte ab.
"Das wird nichts bringen. Ich halte es für
einen glücklichen Zufall, dass sich deine Sehkraft verbessert hat.
Gegen die Nachwirkungen eines berechtigten Fluchs kann dir auch mein Sud
nicht vollständig helfen. Da ist die Macht eines größeren
vonnöten."
"An wen denkst du dabei?"
"Entweder an einen Fürsten der Finsternis
oder einen Traumwächter. Aber auch von diesen wird keiner den Fluch
von dir nehmen, wenn er seinen Zweck noch nicht erfüllt hat."
Er dachte einen Moment nach.
"Ich glaube, ich komme mit dir und begleite
dich nach Umbra."
"Kannst du das denn so einfach tun?" fragte
Lilly. "Du hast doch bestimmt ein anderes Ziel."
"Ich komme von irgendwoher und gehe überallhin,"
sagte Sucher. "Ich bin auf der Suche nach der letzten Wirklichkeit und
mein Gefühl sagt mir, dass ich diese irgendwo in der Nähe von
Umbra finden werde. Wenn du nichts dagegen hast, dann komme ich mit dir."
Lilly hatte natürlich nichts dagegen.
Sucher gefiel ihr wegen seiner ruhigen Art sehr. Er schien auch sehr viel
zu wissen und sie war schon immer gerne mit gebildeten Leuten zusammen
gewesen. Außerdem fühlte sie sich in seiner Nähe sicher.
***
Die beiden lagerten noch vier Tage an dieser
Stelle. In dieser Zeit bestätigte sich Lillys gute Meinung von ihrem
neuen Begleiter: Sie konnte ihn fragen, was sie wollte – er wusste auf
alles eine Antwort, blieb dabei aber immer freundlich und nett, wurde nie
arrogant. Bald betrachtete sie ihn nicht mehr nur als ihren Retter, sondern
auch als ihren Freund.
Schließlich war auch Sucher der Meinung,
dass sie kräftig genug war, weiter zu reiten. Sie brachen auf. Lilly
warf noch einen letzten Blick zurück auf den schönen Platz, der
ihr fast zum Verhängnis geworden war.
Zuerst ritten sie schweigend nebeneinander
her. Dann hielt Lilly es nicht mehr aus.
"Warum suchst du die letzte Wirklichkeit?
Was meinst du damit?"
"Jedes Wesen lebt in seiner eigenen Wirklichkeit,"
gab Sucher zurück. "Sie umfasst alles, was es erlebt hat und was ihm
wichtig ist. Je komplexer ein Wesen ist, desto komplexer ist auch dessen
Wirklichkeit. Eine Kuh lebt in einer Wirklichkeit aus frischem Gras, Wasser
und dem Wunsch, regelmäßig gemolken zu werden. Mehr erwartet
sie nicht. Ein Mensch erwartet viel mehr, erlebt mehr und macht sich mehr
Gedanken. Darum ist die Wirklichkeit, die ihn umgibt, vielseitiger."
Lilly kicherte.
"Bei manchen Menschen ist die Wirklichkeit
nicht viel größer als die einer Kuh! Ich kenne Leute, die nur
an Essen, Trinken und Schlafen denken."
Sucher musste auch lachen.
"Das sind aber nicht die intelligentesten
Menschen und Kobolde, nicht?"
Lilly war noch nicht zufrieden.
"Und was ist die letzte Wirklichkeit, die
du suchst?"
"Das ist die allgemeingültige Wirklichkeit.
Die, die für alle Wesen gleichermaßen gilt. Ob arm, ob reich,
klug, dumm, gesund oder krank. Die letzte Wirklichkeit eben."
"Das hört sich aber sehr kompliziert
an!" meinte Lilly. "Das verstehe ich nicht. Woher willst du denn merken,
dass du sie gefunden hast?"
Sucher schaute sie ernst an.
"Wenn es soweit ist, werde ich es wissen."
Es war nicht das letzte Gespräch dieser
Art, das sie miteinander führten, und so wurden sie immer vertrauter
miteinander. Etwas aber irritierte die Koboldin: Immer dann, wenn sie der
Weg, auf dem sie ritten, an einer Ortschaft oder einem Gehöft vorbeiführte,
verschwand Sucher unter einem Vorwand und tauchte erst dann wieder auf,
wenn alle menschlichen Siedlungen und Behausungen weit hinter ihr lagen.
Auf ihre entsprechende Frage gab er nur ausweichende Antworten, die ihr
nicht weiterhalfen, aber auch ein Nachfragen nicht zuließen. Auch
die Mahlzeiten nahmen sie nicht gemeinsam ein. Immer dann, wenn die Essenzeit
gekommen war, zog er sich zurück und tauchte erst dann wieder auf,
wenn sie fertig war. Auch hier wich er ihren Fragen aus. Er habe keinen
großen Hunger und benötige außerdem andere Nahrung als
sie, war die einzige Antwort, die sie bekam. Schließlich gab sie
es auf. Sie wollte ihn durch ihre Neugier nicht verärgern.
Nach einem Ritt von einer Woche lag hinter
einer Wegbiegung plötzlich ein großer Bauernhof vor ihnen. An
einem Gatter arbeitete ein kräftig gebauter Mann. Er erblickte die
beiden Reiter und winkte ihnen, näher zu kommen. Lilly leistete der
Aufforderung Folge. Sucher dagegen drehte ab und verschwand in einem nahe
gelegenen Wald. Er würde einige Kilometer hinter dem Hof wieder zu
ihr stoßen.
"Wo ist denn Euer Begleiter hin?" fragte der
Farmer misstrauisch und stützte sich auf einen wuchtigen Hammer, den
er eben noch geschwungen hatte.
"Och, der ist schrecklich menschenscheu, müsst
ihr wissen. Er überlässt mir immer das Reden," gab Lilly zurück
und hoffte, dass der Mann ihre Ausrede schluckte.
Dieser musterte sie aufmerksam von oben bis
unten.
"Ich bin mir nicht sicher, ob ich Euch das
glauben soll," erwiderte er. "Eine Koboldin mag ja noch angehen. Aber mit
einem wie dem da möchte ich nichts zu tun haben."
"Wieso 'einer wie der da?'" fragte Lilly.
"Ach nichts!" wich der Bauer aus. "Ich kann
mich ja auch vertan haben. Kann ich etwas für Euch tun?"
"Ich bin auf dem Weg nach Umbra. Könnt
Ihr mir sagen, ob ich auf dem rechten Weg bin?"
"Ja, natürlich! Wenn Ihr geradewegs weiter
reitet, kommt Ihr direkt nach Umbra. Mein Hof ist sozusagen der letzte
'Ort' in Holledau."
Er schaute sie fragend an.
"Seid ihr sicher, dass Ihr nach Umbra wollt?
Seit Erzherzog Gerold vertrieben wurde, geht es dort nicht geheuer zu.
Euer Begleiter würde vielleicht dorthin passen. Aber Ihr? Jedenfalls
würde ich ihm nicht vertrauen. Ihr solltet das auch nicht tun!"
Lilly ging nicht weiter auf seine Worte ein,
dankte ihm und trieb Palo an. Sie wollte sich nicht verrückt machen
lassen. Bald würde sie wieder mit Sucher vereint sein. Sie vermisste
ihn schon. Und wirklich: Nach einigen Kilometern stand er am Wegesrand
und erwartete sie. Es ging ihr wie immer, wenn sie sich getrennt hatten
und wieder zusammenkamen: Irgendwie war die Sonne wärmer und die Luft
klarer. Das Grün der Bäume grüner und das Blau des Himmels
blauer.
"Schön, dass du wieder da bist, Sucher!"
rief sie immer schon von weitem, wenn sie ihn sah. Und er winkte ihr lächelnd
zu, wenn sie ihn rief - wie immer.
Sie berichtete ihm, was ihr der Bauer über
Umbra erzählt hatte. Natürlich nicht alles, denn sie wollte ihn
nicht verletzen. Schließlich war es gemein, was dieser über
ihn gesagt hatte. Auch sollte Sucher nicht glauben, dass sie den Worten
glaubte. Am Ende hätte er sie noch beleidigt verlassen! Nicht auszudenken,
wenn das passiert wäre.
Sucher setzte eine bedenkliche Miene auf.
"Hmmm, Erzherzog Gerold ist vertrieben worden?
Das hört sich nicht gut an," brummte er. "Gerold war bei seinem Volk
sehr beliebt. Wer immer dafür verantwortlich ist, hat sicher nicht
im Sinne der Umbraner gehandelt. Das gefällt mir nicht. Jetzt bin
ich mir ganz sicher, dass es richtig war, mit dir mitzukommen."
Sie ritten schweigend Seite an Seite weiter.
Beide in ihre eigenen Gedanken vertieft. Schließlich war es wieder
einmal Lilly, die die Ruhe beendete.
"Du hast mir noch nichts über deine Eltern
erzählt. Hast du noch welche?"
Sucher wandte sich überrascht zu ihr
um.
"Ehrlich gesagt, habe ich das vergessen. Wenn
ich jemals Eltern gehabt habe, dann ist das so lange her, dass ich mich
nicht mehr an sie erinnern kann."
"So alt siehst du gar nicht aus!" zweifelte
Lilly.
"Ich bin älter als du denkst. Viel älter.
Aber warum fragst du nach meinen Eltern?"
"Ich habe dir doch von meinen Problemen erzählt.
Mich würde interessieren, ob du ähnliche Sorgen hattest."
Sucher schüttelte den Kopf.
"Dazu kann ich dir nicht viel sagen. Nach
meinen Erfahrungen sind Eltern aber auch nur Menschen. Sie wollen immer
alles richtig und gut machen, wollen für ihre Kinder nur das Beste.
Da sie aber auch mit Fehlern behaftet sind, bleibt es oft bei diesem Willen.
Kinder sollten darum nicht zu streng über ihre Eltern urteilen. Deine
Eltern haben wohl manches falsch gemacht, aber nicht mit Absicht. Das Wichtigste
aber solltest du nie vergessen: Sie lieben dich."
"Bist du sicher?"
"Ja, da bin ich mir sicher. Ich wünschte,
ich könnte mich auch an die Liebe meiner Eltern erinnern. Letztendlich
ist diese Erinnerung das einzige, was uns von ihnen übrig bleibt.
Von ihnen und allen Menschen, die uns jemals etwas bedeutet haben."
Bei diesen Worten bekam sein Mund einen bitteren
Zug. Lilly lenkte Palo nahe an sein Ross und legte ihre Hand in die Seine.
Er warf ihr einen dankbaren Blick zu, der ihr durch und durch ging. So
ritten sie, Hand in Hand, in die Abendröte hinein.
Von nun an waren sie noch unzertrennlicher
als zuvor. Als sie die Grenze nach Umbra überschritten und die Richtung
zur Hauptstadt einschlugen, wurden die Ansiedlungen zahlreicher, ihre Trennungen
häufiger. Immer sah sie ihm nach, bis er ihrem Blickfeld entschwand
und ihr Herz wurde ihr dabei schwer. Sie durchritt die Orte so schnell
es eben ging, fragte, was gefragt werden musste, und kaufte nur das Nötigste.
Auch Sucher beeilte sich, den nächsten Treffpunkt so schnell wie möglich
zu erreichen. Dennoch vergingen Ewigkeiten, bis sie sich wieder trafen
und wenn sie wieder beisammen waren, umarmten sie sich, als hätten
sie sich wochenlang nicht gesehen und führten ihre Pferde so eng wie
möglich nebeneinander.
"Bald werden wir die Hauptstadt erreicht haben!"
flüsterte Lilly nach einigen Tagen.
Sucher antwortete nicht. Aber sein Gesicht
wurde hart.
Schließlich war es soweit: Sie erklommen
die letzte Bodenerhebung ihres Weges und blickten hinab in das Tal, in
dem sich Umbra, die Hauptstadt des Erzherzogtums, erstreckte. Lilly war
überrascht über die Größe der Stadt, denn sie hatte
bisher noch nicht viele echte Städte gesehen. Königswinter war
ihr schon groß vorgekommen. Umbra aber war bedeutend größer.
Die Stadt lag in einem großen Talkessel in dessen Mitte sich ein
etwa 200 Meter hoher Felsenhügel erhob. Auf der Spitze des Berges
reckte sich eine Burg aus schwarzem Gestein wie ein drohendes Geschwür
in die Höhe. Die Festung bedeckte den ganzen Gipfel. Bereits um den
Fuß des Berges wand sich eine breite Befestigungsmauer, die mit Wehrtürmen
und Brustwehren gespickt war. Fast schien es, als müsse sie den feindlichen
Kräften der ganzen bekannte Welt trotzen. Auch der Weg, der hinauf
zur eigentlichen Burganlage führte, war links und rechts von Mauern
umsäumt. Wer immer diesen Weg ohne die Erlaubnis des Burgherrn benutzen
wollte, würde keinen Meter weit vordringen können.
Der Bergfried in der Mitte der Anlage erhob
sich dick, schwarz und rund wie eine gewaltige Säule. Die ganze Burg
war unheimlich, erschreckend düster und passte gar nicht in das einladende
Bild, das die Stadt mit ihren hübschen Häusern bot.
"Du kannst alles erkennen?" wunderte sich
Sucher, der Lilly anmerkte, dass sie von dem sich ihr bietenden Bild in
den Bann gezogen wurde.
"Ja! Jetzt wo du es sagst, fällt es mir
auch auf. Ich erkenne die Ortschaft und die Festung ganz genau. Jedes Detail
kann ich sehen. Alles andere aber versinkt in dichtem Nebel. Wie immer!"
"Das ist ein Zeichen!" erkannte Sucher. "Der
Fluch hat dich nicht umsonst hierher geführt. Hier wartet eine Aufgabe
auf dich."
Lilly fror plötzlich. Sie sah ihren Begleiter
hilflos an: "Aber welche?"
Sucher zuckte mit den Achseln.
"Das weiß ich auch nicht, Lilly. Ich
kann dir nur sagen, dass ich vermute, dass deine Sehkraft nach einiger
Zeit wieder auf das schlechte Normalmaß, das du immer hast, zurückgehen
wird. Die Sichterweiterung ist nur ein Zeichen. Mehr nicht. Bekomme also
keinen Schrecken, wenn es soweit ist!"
Sie schauten beide noch eine Zeit lang auf
das sich ihnen bietende Panorama. Dann nahm Sucher die Zügel seines
Pferdes auf.
"Ich kann dich nicht weiter begleiten," bekannte
er bedauernd. "Du weißt, dass ich menschliche Siedlungen meide. Menschliche
Gemeinschaften sind nichts für mich. Ich werde mich aber immer in
der Nähe aufhalten und wenn du mich brauchst, werde ich dir helfen,
wo ich kann."
Lilly ergriff seine Hand.
"Ich brauche dich immer! Kannst du nicht bleiben?
Wenigstens einmal?"
"Leider nein," gab er zurück. "Du wirst
bald erkennen, dass ich nicht anders handeln kann und dann wirst du mich
verstehen. Bis dahin habe bitte Geduld!"
"Was ist mit deiner Suche nach der letzten
Wirklichkeit? Kann sie solange warten, bis ich hier fertig bin? Dann kann
ich dir helfen, so wie du mir geholfen hast."
"Die Lösung deiner Aufgabe ist mit meiner
Suche verbunden. Das Schicksal hat uns nicht umsonst zusammengeführt.
Du wirst sehen!"
Lillys Herz machte einen freudigen Hüpfer.
Die Vorsehung, die dafür gesorgt hatte, dass sich ihr und Suchers
Weg kreuzten, musste es gut mit ihr meinen. Und mit ihm!
***
Sie trennten sich wieder, wie sie es schon
so oft getan hatten. Lilly hoffte allerdings, dass es ihre letzte Trennung
sein würde. Sie ließ Palo im Schritt den abfallenden Weg hinunterlaufen.
Sie hatte Zeit. Als sie das Stadttor erreicht hatte, war es bereits später
Nachmittag und mit ihr strömte eine große Zahl von Menschen
in die Stadt hinein, um rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit sicher
hinter den schützenden Mauern zu sein.
Ein Torwächter sprach sie an.
"Halt! Wohin des Wegs, Koboldin?"
"Ich möchte in die Stadt!" antwortete
Lilly unbekümmert.
"Das sehe ich!" sagte der Wächter nicht
unfreundlich. "Da ich für die Sicherheit Umbras verantwortlich bin
und Euch nicht kenne, möchte ich mehr wissen. Seid Ihr allein? Was
für Geschäfte führen Euch her und wo werdet Ihr wohnen?"
Lilly sah ein, dass der Mann nichts Böses
von ihr wollte und gab bereitwillig Auskunft, wobei sie aber nicht ganz
bei der Wahrheit blieb.
"Ich reise allein und bin auf der Suche nach
einem Medikus, der mich von einer schweren Krankheit heilen kann."
"Dann habt Ihr gewiss viel Geld bei Euch,
denn gute Ärzte sind rar und teuer!"
"Nein, viel besitze ich nicht. Ich hoffe auf
die Güte des Arztes!"
Der Wächter lachte.
"Hier gibt es nur einen wirklich guten Medikus
und der hat bestimmt kein gutes Herz. Er ist nämlich gleichzeitig
auch der Magier unseres Fürsten Werfried von Umbra."
Ein anderer Soldat, der das Gespräch
verfolgt hatte, löste sich aus dem Schatten des Tores und stieß
seinem Kollegen in die Seite.
"Lass gut sein, Hanno! Es ist nicht gesund,
sich negativ über den Magier auszulassen. Lass sie durch. Sie ist
nicht gefährlich. Soll sie doch selbst sehen, was hier los ist."
Lillys Wächter verstummte sofort und
gab den Weg frei. Als sie an ihm vorbeimarschierte flüsterte er ihr
noch zu:
"Wenn Ihr eine Bleibe für die Nacht sucht,
dann empfehle ich Euch das Gasthaus zum Ochsen. Es ist sauber und ordentlich.
Außerdem ist der Wirt ein ehrlicher Mann. Sagt ihm, dass ich Euch
geschickt habe. Dann wird er Euch aufnehmen."
Lilly fragte sich, warum sie wohl eine Empfehlung
brauchen sollte, um in einem Gasthaus aufgenommen zu werden. Sie besaß
etwas Geld und konnte für ihre Unterkunft bezahlen. Jeder Wirt würde
sie nehmen. Warum sollte er auch nicht?
Als sie jedoch weiter voranschritt, stellte
sie fast, dass die Stadt voller Menschen war. Die meisten schienen Reisende
zu sein wie sie selbst. Wenn ihre Beobachtung stimmte, dann waren alle
Unterkünfte bis auf den letzten Platz belegt. Sie würde viel
Glück brauchen, um noch ein Bett für die Nacht zu finden - oder
eine Empfehlung.
In den Gassen wurde es bald so eng, dass Palo
sich zunehmend unwohl fühlte. Er wurde störrisch und schnaubte.
Lilly strich ihm beruhigend über das Fell und sprach auf ihn ein.
Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn das Pony um sich schlagen
würde! An einer der nächsten Ecken bog sie in eine stille Seitengasse
ein, in der es merklich ruhiger zuging. Sie atmete tief durch. Auch sie,
die sie ja gerade die Größe eines menschlichen Kindes besaß,
hatte sich beklommen gefühlt. Sie ging erleichtert weiter. Vielleicht
fand sie ja hier eine Unterkunft für die Nacht.
Eine Gruppe von drei Männern kam ihr
entgegen. Einer ritt auf einem knochigen Gaul voran. Zwei andere, von Kopf
bis Fuß in stählerne Rüstungen gehüllt, folgten ihm
auf mächtigen Schlachtrössern. Der Anführer der Gruppe war
von einem weiten Umhang umhüllt, der sie sehr an Suchers Samtcape
erinnerte, nur dass dieses hier schwarz war. Überhaupt war der Mann
komplett in schwarz gekleidet. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Zylinderhut.
Das Gesicht wurde von einer großen Nase beherrscht, die sich wie
der Schnabel eines Raubvogels nach unten bog und über einem schmallippigen,
verkniffenen Mund endete. Das Kinn lief spitz aus. Die Augen blickten schwarz
und stechend. Der Mann war Lilly sofort sympathisch. Er sah einfach klasse
aus, wenn er sich auch nicht mit Suchers Schönheit messen konnte.
Abgesehen von seiner Größe hätte er als Koboldmann eine
gute Figur gemacht. Fast schon wollte sie ihn ansprechen, scheute aber
wegen der Gerüsteten zurück, die ihr Angst machten.
Vor einem Haus blieben sie stehen. Der Schwarze
stieg nicht ab, sondern beugte sich nur vor, um mit einem dicken Knüttel
an die Tür zu schlagen.
"Aufmachen!" rief er. "Des Fürsten Steuereinnehmer
ist da!"
Jemand öffnete zaghaft die Pforte.
"Oh, Herr! Ihr wart doch erst im vorigen Monat
hier! Ich habe meine Steuern redlich bezahlt. Was wollt ihr denn noch von
mir?"
Der Schwarze zog die Brauen hoch und grinste
breit.
"Sondersteuer wegen des Jahresfestes. Jeder
Bürger dieser Stadt hat noch zehn Gulden zu entrichten. Heraus damit!"
Der Mann trat aus der Tür und griff nach
einem Bein des Steuereintreibers.
"Habt Erbarmen mit mir! Ich besitze keine
zehn Gulden mehr. Die Geschäfte gehen schlecht. Ich werde kaum über
den Winter kommen."
Er bekam einen Tritt, der ihn in den Straßenstaub
warf.
"Lass mich los, Jammerhahn! Wenn du morgen
nicht zahlst, wird dir einer meiner Begleiter den Kopf abschlagen. Außerdem
wird deine Habe konfisziert. Merke es dir!"
Jemand zupfte an Lillys Ärmel. Erschreckt
drehte sie sich um. Ein junger, ziemlich verschmutzter Bursche stand vor
ihr. Er legte einen Zeigefinger an seinen Mund.
"Psst! Lass uns von hier verschwinden! Mit
des Fürsten Steuereinnehmer ist nicht zu spaßen."
Lilly hielt es auch für richtig, das
Weite zu suchen. Sie ließen das Gezeter des Bürgers, der den
Schwarzen noch immer um Nachsicht anflehte, hinter sich. Der Bursche führte
Lilly um mehrere Ecken herum, bis sie nicht mehr wusste, wo sie sich befand.
Dann blieb er stehen.
"Ich habe mich dir noch nicht vorgestellt.
Ich bin Hermann, der Seifensieder. Niemand kocht bessere Seife als ich.
Du bist ein Koboldmädchen, nicht wahr?"
"Ich bin Lilly und komme aus dem Finsterwald.
Wer dich ansieht, kann gar nicht glauben, dass du für die Sauberkeit
dieser Stadt verantwortlich bist!" kicherte Lilly.
Hermann tat beleidigt.
"Die Herstellung von Seife ist ein komplizierter
Prozess. Ich arbeite dabei mit altem Fett und Asche. Schmutz ist keine
Schande! Es ist ehrlicher Schmutz!" Dabei grinste er sie verschmitzt an.
Die beiden mochten sich auf Anhieb.
"Kannst du mir sagen, wo ich die Nacht über
bleiben kann? Ich habe schon bei mehreren Herbergen nachgefragt, aber alle
sind bis auf das letzte Bett belegt. Ein Wachmann am Stadttor hat mir zwar
den Ochsen empfohlen, aber ich habe mir das Gasthaus angesehen: Es sieht
sehr teuer aus und teure Unterkünfte kann ich mir nicht leisten."
Der Junge nickte.
"Ja, ja. Der Ochse ist das beste Haus in der
Stadt und teuer ist es auch. Aber auch da wirst du trotz der Empfehlung
des Soldaten kein Bett mehr finden. Die Stadt ist voll von Leuten, die
an unserem Jahresfest teilnehmen wollen. Es findet zwar erst in drei Wochen
statt, aber es ist immer gut, schon frühzeitig hier zu sein."
Er schaute sie an.
"Du siehst ehrlich aus, Koboldin," stellte
er fest. "Ich mache dir ein Angebot: Ich kenne ein altes Ehepaar, das normalerweise
niemanden aufnimmt. Wenn ich für dich ein gutes Wort einlege, dann
darfst du bestimmt für ein geringes Entgelt bleiben."
Lilly war enttäuscht.
"Bei uns im Finsterwald gibt es das Gesetz
der Gastfreundschaft. Wenn ein Reisender kommt, ist er für eine Nacht
und einen Tag eingeladen. Er wird beköstigt wie ein Familienmitglied
und bekommt das beste Bett. In dieser Stadt gilt das wohl nicht?"
Hermann lachte.
"Diese Sitte gibt es bei uns auch. Aber nur
auf dem Lande. Hier in der Stadt muss man für alles bezahlen. Wie
soll man sonst auch die hohen Steuern bezahlen können, die unser Herrscher
verlangt."
Lilly grinste.
"Das kann ich verstehen! Mit dem schwarz bekittelten
Steuereintreiber möchte ich auch nichts zu tun bekommen. Was waren
das denn für zwei Ritter, die er dabei hatte? Die beiden sahen ja
fürchterlich kriegerisch aus!"
Hermanns Gesicht wurde ernst.
"Das sind die Ehernen Reiter des Fürsten.
Sie sind unbesiegbar. Einer von ihnen nimmt es mit zwanzig Bewaffneten
auf. Sie sind gnadenlos. Ich kann dir nur raten, nicht über sie herzuziehen.
Es würde dir nicht gut bekommen!"
Hermann führte sie zu einem unscheinbaren,
aber gepflegten Haus, das sich an einen Teil der Stadtmauer lehnte als
suche es dort Halt und Schutz. Auf sein Klopfen hin öffnete ein alter
Mann, dem die Jahre den Rücken krumm gemacht hatten. Seine Augen aber
straften seine gebeugte Haltung Lügen, denn sie wirkten jung und aufmerksam.
"Sei mir willkommen, Hermann!" begrüßte
er den Jungen. "Wen bringst du denn da mit? Eine Koboldfrau?"
Lilly stellte sich vor und bat den Alten,
sie aufzunehmen.
"Ich kann auch bezahlen!" sagte sie vorsichtshalber.
Der Alte sah sie lang und prüfend an.
"Ihr kommt aus dem Finsterwald und seid die
Tochter El Pitto Gnomos, das Häuptlings der Finsterwaldkobolde?"
"Ja."
"Dann bist du mir und meiner Frau Edlih willkommen.
Du sollst für die Zeit deines Aufenthaltes in dieser Stadt unsere
Tochter sein."
Lilly war so erstaunt über die Freundlichkeit
des Mannes, dass sie ihre angeborene Schlagfertigkeit vergaß. Ihr
blieb die Sprache weg. Doch ihr Gastgeber fuhr schon fort.
"Es wird sich aber nicht gut machen, wenn
allgemein bekannt wird, dass wir dich kostenlos beherbergen. Der Steuereinnehmer
wird misstrauisch werden und sich genauer mit dir beschäftigen. Das
müssen wir verhindern! Offiziell wirst du uns also bezahlen müssen.
Sagen wir fünf Heller pro Tag. Das ist der übliche Preis für
Kost und Logis. Um diesen Preis bezahlen zu können wirst du arbeiten
müssen. Hermann wird dich mit dem Wirt des Gasthofs Adler bekannt
machen. Er wird Arbeit für dich haben. Dein Pferd kannst du gleich
hier lassen. Ich werde es gut versorgen."
Er warf Hermann, der seinen Mund öffnete,
um etwas zu sagen, einen scharfen Blick zu.
"Nicht jetzt! Tut was ich euch gesagt habe,
ihr beiden. Ich weiß, was ich tue."
Dann wandte er sich noch einmal Lilly zu.
"Wundere dich über nichts und vertraue
mir."
Dann drehte er sich um, schnappte sich den
Zügel Palos und zog das Pony ins Haus hinein. Lilly und Hermann blieben
zurück.
"Puhh!" meinte der Junge. "Dass der Alte noch
so viel Schwung hat, das hätte ich beileibe nicht gedacht. Man lernt
eben immer noch dazu."
"Was wird hier eigentlich gespielt?" meinte
Lilly. "Das sieht ja fast so aus, als hätte er mich erwartet."
Hermann zuckte mit den Achseln.
"Davon weiß ich nichts. Dloreg hat mir
zwar schon seit einer Woche gesagt, ich solle die Augen aufhalten und nach
einer Koboldin Ausschau halten, die in die Stadt kommen wird, und sie ihm
so unauffällig wie möglich zuführen. Aber damit habe ich
nun wirklich nicht gerechnet."
Dloreg hieß der Alte also. Ein seltsamer
Name! Aber nett war er. Woher hatte er nur gewusst, dass sie kommen würde?
Und - warum hatte er sie erwartet?
***
Der Wirt des Adlers war ein kugelrunder, freundlicher
Mann, der zwar fast so schmutzig war wie Hermann, aber wie dieser das Herz
auf dem rechten Fleck hatte. Als sie das Lokal betraten, kugelte er gerade
von Tisch zu Tisch und sammelte leere Weinkrüge ein. Eine weitere
Bedienung trug die vollen. Das Lokal war gut besucht. Fast jeder Tisch
war mit schwatzenden und rauchenden Gästen besetzt. So dauerte es
eine Weile, bis der Wirt sie bemerkte. Er rollte heran.
"Hallo, Hermann, wieder auf der Suche nach
Asche oder Essenresten? Else hat bestimmt etwas da. Oder willst du etwa
zu mir?"
Hermann stellte ihm Lilly vor. Der Wirt musterte
sie eingehend.
"Also Arbeit sucht Ihr? Was könnt Ihr
denn?"
Lilly musste zugeben, dass sie von Gastronomie
wenig verstand. Ihr Koboldwissen war hier nicht gefragt. Nach einigem Nachdenken
meinte sie: "Singen kann ich. Wenn Ihr jemanden sucht, der Eure Gäste
abends unterhält, dann will ich es gerne versuchen!"
Der Wirt strahlte über sein feistes Gesicht.
"Ja! So etwas wäre gut. Im Ochsen gastiert
eine Musikantentruppe. Da ist die Bude immer voll bis unter die Decke.
So etwas würde meinem Adler auch gut zu Gesicht stehen. Außerdem
habe ich gehört, dass Koboldfrauen nicht nur phantastisch aussehen,
sondern auch sehr schöne Stimmen haben. Wenn Ihr so gut singen könnt,
wie Ihr ausseht, kann nichts schief gehen. Wann könnt Ihr anfangen?"
"Morgen?" fragte Lilly.
"Morgen!" bestätigte der Wirt. "Ab 6
Uhr abends bitte. Dann ist Vesperzeit."
***
Theron war alt. Uralt sogar. Er hatte Generationen
von Menschen kommen und gehen sehen und war seiner Aufgabe nachgegangen,
die für andere Wesen so erschreckend und Furcht einflößend
war, dass man nur hinter vorgehaltener Hand über ihn und seine Kinder
sprach. Er selbst fand seine Aufgabe gar nicht so schlimm. Einer musste
sie ja tun! Wie wäre es um die Welt bestellt, wenn es ihn und seine
Vasallen nicht geben würde? Ohne seine ordnende Hand würde sich
in der Welt das Chaos ausbreiten.
Selbst das langsame Vorrücken der aufgeklärten,
nichtmagischen Welt beunruhigte ihn nicht weiter. Wie er festgestellt hatte,
war auch diese angefüllt mit Sagen, Märchen und Aberglauben.
Nein! Seine Tätigkeit würde auch durch diese neue Welt nicht
in Frage gestellt werden.
Dennoch gab es da etwas, das ihn beunruhigte.
Der Kontakt zu einem seiner Geschöpfe war vor einiger Zeit abgerissen.
Das war ungewöhnlich!
Er rieb sich in einer menschlich anmutenden
Geste über das Gesicht. Aber er war kein Mensch. Vielleicht war er
in einer fernen Vergangenheit einmal ein Mensch gewesen. Doch das war schon
so lange her, dass er sich dessen nicht mehr sicher war. Er sah auch nur
entfernt wie ein Mensch aus, mit seinen lidlosen Augen, die wie düstere
Rubine in tiefen Höhlen lagen. Sein Mund besaß keine Lippen
und zwang ihn so zu einem ewigen Dauergrinsen, das einem Betrachter einen
Schauer über den Rücken jagen konnte. Das Fremdartigste aber
war der knochige Stummel, der statt einer Nase aus seinem Gesicht ragte
und es so endgültig entstellte.
Er kam zu einem Entschluss. Das Fehlen der
Verbindung zwischen ihm und seinem Geschöpf musste näher untersucht
werden. Es ging nicht an, dass sich eines seiner Kinder unerlaubt selbstständig
machte! Er würde 30 von ihnen zusammenrufen, um sich mit ihnen auf
den Weg zu machen. Es würde einige Zeit dauern, bis sich alle gesammelt
hatten, denn sie waren weit verstreut. Aber er hatte Zeit. Das erste Ziel,
das er aufsuchen würde, stand bereits fest: Es gab da einen Ort, an
dem die Irritation ihren Anfang genommen hatte!
***
Auf Schloss Drachenburg ging es hoch her. Jannie
feierte im Kreis ihrer Familie und ihrer Freunde ihre Verlobung mit Hieronto,
dem jungen Samurai. Hieronto hatte aus diesem Anlass von seinem Herrn Dommerjahn,
dem Traumwächter, dem er seit einigen Jahren diente, Urlaub bekommen.
In der Mitte des Schlosshofes befand sich die Festtafel: Eine ellenlange
Tischreihe mit Stühlen, an denen die Festgäste Platz genommen
hatten. Trotz ihrer massiven Ausführung bogen sich die Tische unter
ihrer Last, denn König Richard hatte sich nicht lumpen lassen und
alles auffahren lassen, was die Schlossküche zu bieten hatte: Schweine,
Ochsen, Fasane, Kapaune, Wildgerichte, erlesene Gemüse und Obst soviel
die Mägen fassen konnten. Damit die Festgesellschaft die Speisen auch
hinunterspülen konnte, hatte Richard seinen Weinkeller geplündert.
Dank der Verbindung zu Hüppes, dem Kaufmann, beherbergte dieser kostbare
Weine aus aller Herren Länder. Quatzkotl, Cillie, El Pitto Gnomo,
Lisa, Hieronto, Jannie, Merling (selbst er war gekommen! Freiwillig!),
Knurps und Quetzalkoatlus hatten keinen Grund zur Klage. Richard war normalerweise
für seine Bescheidenheit bekannt. Aber am heutigen Tage hatte er seine
sonstige Zurückhaltung aufgegeben.
"Was wird er erst veranstalten, wenn Jannie
ihren Knaben heiratet?" raunte Hüppes dem neben ihm sitzenden Koboldhäuptling
zu. Doch dessen Blick begann bereits glasig zu werden. Seit Lilly nach
Umbra aufgebrochen war, ertränkte er seine Sorgen regelmäßig
im Alkohol. Auch heute hatte er wieder fast den nötigen Pegelstand,
um das "Wer-von-uns-ist-gegangen-Spiel" zu spielen.
Richard klopfte an seinen Weinkrug, um die
Aufmerksamkeit seiner Gäste von den Speisen und Getränken auf
sich zu ziehen. Er stand auf und setzte zu einer Festrede an.
"Liebe Freunde!" begann er. "Als ich in meiner
Jugend als Bauernbursche das Vieh meines Vaters hüten musste, wäre
es mir nie in den Sinn gekommen, dass ich eines Tages zusammen mit Drachen,
Kobolden, Feen, Hexen und Zauberern die Verlobung meiner Tochter mit einem
echten Samurai feiern würde. Das Leben war bisher immer gut zu mir
und meiner Familie gewesen. Ich habe Freunde, um die mich jedermann beneiden
kann, eine wunderbare Frau und eine schöne Tochter, die allen, die
es verdient haben, Glück bringt. Ich möchte darum an diesem wunderschönen
Abend nicht nur euch, meinen Freunden, dafür danken, dass ihr meine
Freunde seid, sondern auch meinem Schicksal, das es mir ermöglicht,
eben diesen Abend mit euch zu verbringen. Jannie und Hieronto, meine Kinder!
Werdet glücklich miteinander und haltet immer zueinander, denn ..."
Ein donnerndes Klopfen am verschlossenen Schlosstor
hallte über den Platz. Fast klang es, als wolle sich jemand mit einem
Rammbock gewaltsam Einlass verschaffen. Richards Rede wurde brutal unterbrochen,
was nicht alle Anwesenden bedauerten, denn Richard war dafür bekannt,
dass er eine einmal begonnene Ansprache nur ungern beendete und darum endlos
auszudehnen pflegte.
Leicht irritiert nickte Richard dem Torwächter
zu, der sich daraufhin der Pforte zuwandte und laut rief:
"Wer begehrt Einlass zu dieser Stunde?"
"Theron, Fürst der Finsternis und Herr
der Todesritter, wünscht König Richard zu sprechen!" antwortete
eine abgrundtiefe Stimme.
Dem Wächter wich das Blut aus dem Gesicht.
Er wurde bleich wie ein Gespenst und zitterte am ganzen Leib. Richard und
seinen Gästen ging es nicht viel besser. Noch nie hatte ein leibhaftiger
Fürst der Finsternis in aller Offenheit das Schloss aufgesucht.
Richard nahm seinen ganzen Mut zusammen und
bemühte sich, eine feste Stimme zu bewahren, als er fragte: "Was wollt
Ihr, Theron?"
Die Formulierung war nicht besonders höflich,
aber einen längeren Satz hätte Richard nicht herausbekommen.
Theron schien das auch zu merken, denn er antwortete:
"Ihr braucht keine Furcht zu haben, König.
Ich bin in friedlicher Mission zu euch gekommen. Niemandem wird ein Leid
geschehen. Bitte lasst mich ein!"
"Die Burg ist uneinnehmbar!" erinnerte der
sonst so furchtlose El Pitto Gnomo zu Richard gewandt. "Wenn du ihn nicht
einlassen willst, kann er draußen warten, bis er schwarz wird!"
Richard schüttelte den Kopf.
"Nein, mein Freund! Er hat höflich um
Einlass gebeten und mir versichert, dass er nicht in feindlicher Absicht
gekommen ist. Es wäre eines Königs unwürdig, das Tor verschlossen
zu lassen. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob der Zauber dieser
Burg auch vor einem Fürsten der Finsternis bestehen kann."
Er winkte dem Torwächter, die Tür
zu öffnen. Der Doppelflügel der Pforte sprang auf und Theron
ritt an der Spitze seiner schauerlichen Gefolgschaft in den Schlosshof.
Der Fürst lenkte sein Ross bis dicht
vor die Festtafel und grüßte freundlich.
"Ich danke Euch dafür, dass Ihr uns eingelassen
habt, König. Ich betone noch einmal, dass ich in friedlicher Absicht
gekommen bin. Niemand hat etwas zu befürchten."
Seine Todesritter hatten in der Zwischenzeit
einen weiten Halbkreis um ihren Herrn und die Festgesellschaft gebildet.
Der ihnen typische Duft von Moder, Schimmel und feuchter Erde erfüllte
die Luft.
Alle saßen auf gewaltigen, weißen
Schlachtrössern und waren vom Kopf an in lange purpurfarbene Umhänge
gehüllt, die weit über die Kruppen der Pferde hinunterhingen.
An ihren Rändern waren die Umhänge mit seltsamen goldenen Symbolen
bestickt. In der einen Hand hielten jeder von ihnen einen zepterartigen
Gegenstand, an dessen Spitze eine grünliche Flamme blass flackerte.
Die andere Hand führte den Zügel. Geisterhaft langsam und dabei
völlig lautlos waren die Rösser über das Pflaster getrabt.
Doch die Tiere waren keine Schimmel. Der weiße Schimmer rührte
daher, dass die Pferde Skelett-Tiere waren, an denen kein Fetzen Fleisch
mehr hing. Dennoch wirkten sie wild, stark, ausdauernd und kräftig.
Kurz vor der Festgesellschaft standen sie und schauten sie mit blicklosen
Augen an. Die Hufe schwebten einige Zentimeter über dem Boden. Kein
Wunder, dass sie so lautlos herangekommen waren!
Die Reiter boten einen noch entsetzlicheren
Anblick als ihre Tiere. Mumienhafte Haut spannte sich wie schwarzes Pergament
über erschreckend dürre Gliedmaßen. Rotglühende Augen
beherrschten grausame Gesichter. Die Nasen fehlten, als seien sie schon
vor langer Zeit abgehackt worden. Die Münder waren eingefallen und
zahnlos. So standen sie reglos vor ihnen: Abbilder des Todes und des Schreckens.
Es waren dreißig Ritter und es gab keinen
Zweifel: Friedliche Absicht oder nicht – Schloss Drachenburg war fest in
ihrer Hand.
Quatzkotl hatte die Situation natürlich
sofort erkannt. Unwillkürlich verwandelte er sich von seiner goldenen
Menschengestalt in einen grünen Drachen. Der Boden erbebte, als der
große Drache aufstampfte und mit seinem Rachen den Fürsten anvisierte.
Auch Cillie und Quetzalkoatlus nahmen Drachengestalt an. Drei gereizte
große Drachen waren auch für einen Fürsten der Finsternis
ernst zu nehmende Gegner, vor allem, wenn sie wie Quatzkotl und sein Sohn
Königsformat hatten.
Doch Theron blieb gelassen.
"Immer mit der Ruhe, Drachenkönig!" besänftigte
er den grünen Riesen. "Die Fürsten der Finsternis mögen
ja einen schlechten Ruf haben und eure Erfahrungen mit Xusia und Janus
mögen dies noch unterstreichen, aber ich gehöre zu denen, die
ein gegebenes Wort niemals brechen."
"Warum kommt Ihr dann nicht allein, Theron,
sondern bringt noch dreißig Eurer Kreaturen mit?" grollte Quatzkotl,
immer noch bereit, seinem Gegenüber eine sonnenheiße Feuerfontäne
ins Gesicht zu speien.
Theron lächelte ein lippenloses Lächeln.
"Mir ist die Bezeichnung 'Kinder' lieber,
denn ich bin ihr Vater und Schöpfer."
Fast schien es so, als wollten die beiden
doch noch aufeinander losgehen. Richard aber entschärfte die Situation:
"Theron, seid mir willkommen in meinem Schloss.
Was kann ich für Euch tun?"
Der Fürst wandte sein verfallenes Gesicht
Richard zu.
"Vor zehn Jahren sandte ich meinen Sohn Saul
zu Euch, damit er Euch ihm Kampf gegen den Emporkömmling Laurin beistehe.
Erinnert ihr Euch an ihn?"
Richard und alle Anwesenden nickten. Wie konnte
man jemals das Zusammentreffen mit einem Todesritter vergessen?
"Ich habe vor einiger Zeit den Kontakt zu
ihm verloren," fuhr Theron fort. "Er gehorcht mir nicht mehr."
Richard hielt den Atem an. Ein Todesritter
war außer Kontrolle geraten? Nicht auszudenken, was er alles anrichten
konnte!
Theron hob beschwichtigend seine rechte Hand.
"Ich glaube nicht, dass er gefährlich
ist, möchte aber doch herausfinden, wie es zu diesem Ungehorsam kommen
konnte und vor allen Dingen, wo er sich herumtreibt."
"Wie wollt Ihr das erreichen?" fragte El Pitto
Gnomo, der wieder völlig nüchtern war.
"Mit Eurer Erlaubnis, Richard, würde
ich gerne den Raum Eures Schlosses aufsuchen, in dem Laurin sein Ende gefunden
hat. Ich bin der Ansicht, dass dort die Ursache für das seltsame Verhalten
meines Kindes zu finden ist."
Richard bekam eine Gänsehaut bei dem
Gedanken, dass dieses unheimliche Wesen frei durch sein Schloss wandeln
und seinen Nasenstummel in jede Ecke stecken durfte. Seine Gemahlin warf
ihm auch einen entsprechenden Blick zu. Vermutlich würden die Putzgeschwader
der Burg eine Woche lang jeden Winkel der Burg putzen müssen, um das
eigentümliche Aroma des Fürsten wieder hinauszuwischen. Dennoch
nickte er diesem zustimmend zu und schaute seine Frau hilflos an. Hatte
er eine Wahl? Einem Fürsten der Finsternis konnte er diesen leicht
zu erfüllenden Wunsch nicht abschlagen.
Theron stieg von seinem Ross. Im Gegensatz
zu seinen Vasallen, die fest mit ihren Pferden verwachsen waren, konnte
er den Rücken des Tieres verlassen. Seite an Seite schritten er und
Richard die Freitreppe hinauf und betraten die Gänge des Schlosses.
Der König, sichtlich bemüht, die Visite seines unheimlichen Besuchers
so kurz wie möglich zu halten, eilte sofort zu Jannies Zimmer, vor
dessen Tür Laurin getötet worden war. Theron gab sich nicht mit
der Inspektion des Flures zufrieden, sondern betrat auch den Raum. Sorgfältig
nahm er jeden Winkel des Zimmers in Augenschein. Sein Mumienkopf zuckte
dabei schnell hin und her. Schnüffelnd wie ein Bluthund atmete er
die Luft des Raumes ein. Sein knochiger Nasenstummel zitterte dabei wie
ein Zweig im Wind. Er legte sich auf den Boden und sog auch hier die Luft
intensiv ein. Anschließend robbte er, immer noch am Boden, in den
Flur, um hier seine Untersuchungen fortzusetzen. Richard konnte sich nicht
entscheiden, ob der ganze Vorgang mehr ekelhaft oder mehr lächerlich
war. Auf jeden Fall aber fand er das Benehmen Therons unbeschreiblich abstoßend.
Endlich war die Inspektion beendet.
"Ich weiß jetzt genug!" schnaufte Theron
befriedigt. "Wenn Ihr so nett wäret, mich nach draußen zu begleiten,
kann ich Euch die Ergebnisse meiner Untersuchung mitteilen, König."
Theron wartete die Reaktion Richards gar nicht
erst ab, sondern schritt eilends voran. Er legte dabei ein Tempo vor, das
Richard dem ausgemergelten Körper des Fürsten niemals zugetraut
hätte.
Wieder im Hof ließ Theron sich nicht
lange bitten, sondern setzte sofort zu einer Erklärung an.
"Ich habe lange darüber nachgedacht,
wie es kommen konnte, dass eines meiner Kinder mir plötzlich den Gehorsam
verweigert," sprach er mehr zu sich selbst als zu seinen Zuhörern.
"Im Zuge der Umwandlung eines lebenden Menschen zu einem untoten Todesritter
entsteht ein untrennbares magisches Band zwischen mir und meinem Geschöpf.
Man kann es auch so ausdrücken, dass es ohne diese Verbindung nicht
mehr aktionsfähig ist und sein Leben auf der Stelle beendet. Bei Saul
ist das Unmögliche aber eingetreten: Er agiert und lebt sein eigenes
selbstständiges Leben. Oder vielmehr - er ist dabei, ein eigenes Leben
zu entwickeln, eine eigene Persönlichkeit."
Die Anwesenden hörten Theron gebannt
zu. Bisher wussten sie lediglich, dass Todesritter extrem gefährliche
Wesen waren, die über unvergleichliche magische Kräfte verfügten.
Selbst für die mächtigen Drachen waren sie ernste Gegner. Man
ging ihnen besser aus dem Weg.
"Saul war über Jahrhunderte ein zuverlässiger
Vasall, wie es sich für ihn gehörte. Als er aber die Seele Laurins
aß, ging die geballte Magie des Zwerges auf ihn über. Nun stand
Laurin kurz davor, selbst ein Fürst der Finsternis zu werden. Entsprechend
stark und mächtig war die Magie, die bei seinem Tod frei wurde. Saul
konnte ihn zwar töten, aber die Magie Laurins verwandelte ihn dabei,
machte ihn frei von meinem Einfluss. Saul begann wieder der zu werden,
der er vor der Umwandlung war. Das ist ein Prozess, der nicht von heute
auf morgen vollendet wurde und der auch heute noch anhält. Aber inzwischen
ist ein Punkt erreicht worden, der ihn von mir unabhängig werden ließ.
Kurzum, ich muss ihn mir wiederholen, denn ich kann nicht zulassen, dass
sich mir ein Kind entfremdet."
"Vielleicht ist es sein Schicksal, wieder
er selbst zu werden," gab Jannie zu bedenken.
Theron verzog seinen Mund.
"Ihr meint, Prinzessin, dass ich der Vorsehung
nicht ins Handwerk pfuschen darf?"
Als Jannie stumm nickte und auch der Kobold
beifällig nickte, gab Theron trocken zurück:
"Ihr vergesst eins: Ich bin die Vorsehung.
Es ist meine Aufgabe, Menschen, die sich in extremer Weise gegen die Natur
und die Gerechtigkeit vergangen haben, zu strafen. Saul hält sich
zurzeit in Umbra auf. Ich werde ihn wieder zu dem machen, der er war und
der er zu sein hat: Zu einem Todesritter."
Die Zuhörer schwiegen. Saul war Therons
eigene Angelegenheit. Sie taten gut daran, sich nicht einzumischen. Richard
sagte ihm das auch. Doch Theron war noch nicht zufrieden.
"Ich werde diese Aufgabe nicht allein bewältigen
können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine gute Sache wäre,
wenn Ihr mich unterstützen würdet."
"Warum sollten wir Euch dabei helfen, Saul
wieder an die Kandare zu nehmen?" grollte Quatzkotl grimmig. "Ich kann
weder Euch noch Eure Kreaturen leiden!"
"Vielleicht hilft es Euch, wenn ich Euch sage,
dass Lilly, die Tochter El Pitto Gnomos, in Lebensgefahr schwebt?"
"Was wollt Ihr damit sagen, Fürst?" fragte
El Pitto Gnomo scharf und zog unwillkürlich sein Schwert. "Meint Ihr
etwa, dass Saul sich an Lilly heranmachen wird?"
"Nein, Kobold!" entgegnete Theron ruhig. "Die
beiden kennen sich bereits. Saul hat ihr nichts getan und er wird ihr auch
in Zukunft nichts tun. Im Gegenteil! Die Gefahr droht aus einer ganz anderen
Richtung. Ich glaube, dass ich selbst mit meinen dreißig Kindern
nichts für Lilly tun kann. Im Grunde ist mir Eure Tochter auch egal.
Sie ist Euer Kind, nicht meines. Aber ich bin bereit, Euch zu unterstützen,
wenn Ihr mich unterstützt. Es geht mir nämlich nicht nur um Saul."
Quatzkotl, Cillie, Quetzalkoatlus, El Pitto
Gnomo und alle anderen standen auf wie ein Mann.
"Wenn Ihr uns Euer Wort gebt, dass das, was
Ihr sagt, stimmt, dann werden wir mit Euch gehen!" rief Richard. "Ich werde
nicht zulassen, dass der Tochter meines Freundes ein Leid zugefügt
wird. So war ich der König dieses Landes bin!"
"Man kann von Theron halten, was man will,"
sagte darauf Merling. "Aber die Lüge ist ihm fremd. Wer so mächtig
ist, wie ein Fürst der Finsternis, der hat es auch gar nicht nötig,
die Unwahrheit zu sagen."
"So folgt mir denn nach Umbra!" rief Theron
und trieb sein Ross an. Die dreißig Todesritter folgten ihm. Auch
Hieronto, die Drachen und der Kobold machten sich auf den Weg. Lilly war
in Gefahr. Da wollte keiner hinten anstehen. Nur Richard und Knurps kamen
nicht mit. Knurps durfte seine Wächterrolle nicht vernachlässigen
und Richard fühlte sich inzwischen zu alt für solche Abenteuer.
***
Lilly hatte sich inzwischen in Umbra gut eingewöhnt.
Tagsüber streifte sie durch die Stadt und lernte so ihre Umgebung
kennen. In Hermann, den sie häufig sah, hatte sie einen ortskundigen
Führer, der auch die verstecktesten Winkel der Stadt kannte. Auch
mit ihrer Unterkunft konnte sie zufrieden sein. Ihr Zimmer war stets sauber
und das Essen in Ordnung. Als Kobold war sie es ohnehin gewohnt, mit einem
bescheidenen Komfort zufrieden zu sein. Dloreg und Edlih waren liebenswerte
Menschen. Sie waren nie mürrisch, sondern immer freundlich zu ihr
und halfen ihr dabei, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden. Nur
etwas war Lilly aufgefallen: Die beiden sprachen so wenig miteinander,
als hätten sie sich nichts zu sagen. Ihr kam das seltsam vor, konnte
sie selbst doch keine fünf Minuten ruhig bleiben. Wie zwei Menschen
ein Leben lang verheiratet sein konnten, ohne ständig miteinander
zu reden, war ihr unverständlich. Dloreg meinte auf eine entsprechende
Frage, sie seien so lange verheiratet, dass sie schon alles besprochen
hätten. Nur abends, wenn sie von ihrem Kneipenjob zurückkam,
fand sie die beiden schon einmal beisammen sitzend an einem runden Tisch
in der Wohnstube. Edlih legte dann immer Karten aus, um "die Zukunft zu
lesen" wie sie sagte. Wenn Lilly die beiden beim schwachen Licht einer
flackernden Kerze beobachtete, wie sie konzentriert die Karten betrachteten,
verspürte sie doch Heimweh nach ihren Eltern und ihrem Zuhause. Von
ihrer Sehnsucht nach Sucher gar nicht zu reden! Sie vermisste ihn schmerzlich.
Das Wiedersehen konnte sie kaum noch erwarten. Doch zunächst noch
musste sie sich in Geduld üben.
Abends verließ sie das Haus immer um
die gleiche Zeit und ging zum Adler, wo Erwin, der Wirt, sie immer freudig
empfing, als fürchte er, dass sie nicht kommen könnte. Lilly
konnte das gut verstehen, war sie doch Garant für ein gutes abendliches
Geschäft.
Erwin hatte in einer Ecke der Schankstube
eine kleine Bühne aufgebaut, auf der Lilly und ihre musikalische Begleitung
Platz fanden: Errol, der die Guitan zupfte, Ortwin, der die Gigan strich,
und Ottmar, der das Drumding, ein Rhythmusinstrument, bearbeitete. Ausleuchtung
und Positionierung der Gruppe waren von Ortwin vorgenommen worden. Mit
dem sicheren Gespür des Künstlers hatte er bestimmt, dass er
und seine zwei Partner im Hintergrund sitzen und Lilly in Form eines kleinen
Halbkreises umschließen sollten. Für Lilly war ein extra hoher
Hocker angefertigt worden, damit sie etwas größer wirkte. Eine
große Kerze im Hintergrund tauchte die Musiker in sanftes Licht.
Lilly wurde von zwei großen Vordergrund-Kerzen ausgeleuchtet, die
ihr Gesicht mit weichem Schein ausleuchteten und so ihre Schönheit
beeindruckend zur Geltung brachten. Wie bereits erwähnt, ist die Schönheit
der Koboldfrauen sprichwörtlich. Mit ihrer wohlgeformten Gestalt,
ihren ebenmäßigen, feinen Gesichtszügen und dem blassen
Teint, der von einer leichten Sonnenbräune überzogen war, verzauberte
sie jeden Menschenmann. Hinzu kamen ihre großen, in klarem Blau leuchtenden
Augen, in denen sich das Licht der Kerzen widerspiegelte. Und erst ihre
Stimme! Lilly hatte schon als Kind viel gesungen. Jetzt aber besaß
sie einen reinen, vollen Alt, der jeden Winkel des Raumes wie ein Sonnenstrahl
warm durchdrang. Wenn Lilly auf ihrem Hocker Platz nahm, um mit ihrer Darbietung
zu beginnen, erstarb jedes Geschwätz. Aller Aufmerksamkeit richtete
sich auf sie und die Gäste wussten nicht, was sie mehr bewundern sollten:
Ihre Stimme oder ihre Schönheit.
Die Kobolde des Finsterwaldes besaßen
ein reichhaltiges Repertoire an Liedern. Lilly kannte sie alle. Viele von
ihnen waren derb und beschäftigten sich intensiv mit Frauen und Männern
und was diese miteinander anfangen konnten. Doch es gab auch fröhliche
Trinklieder, sowie ernste Balladen. Lilly konnte singen, was sie wollte.
Aus ihrem Munde waren die zotigsten Sauflieder salonfähig. Und wenn
sie eines ihrer schwermütigen Liebeslieder vortrug, bekamen sie durch
ihre eigene Sehnsucht nach Sucher eine solche Tiefe, dass selbst dem rauesten
Haudegen Tränen über die Wangen rannen.
Mit leichtem Stolz konnte sie vermerken, dass
sie inzwischen der Star der Stadt war und dem Konkurrenzunternehmen des
Alders, dem Ochsen, viele Gäste abspenstig gemacht hatte. Die Leute
liebten sie und so mancher Mann, der morgens aufwachte, musste mit schlechtem
Gewissen feststellen, dass er in der Nacht von der kleinen Koboldin geträumt
hatte, warf seiner Frau einen schuldbewussten Blick zu und dankte dem Himmel,
dass seine Träumen nur ihm gehörten und seine ihm Angetraute
nicht an ihnen teilhaben konnte. Die Frauen wiederum sammelten sich häufig
in dichten Trauben um die geöffneten Fenster des Adlers, weil auch
sie Gefallen an den Liedern fanden. Die Schönheit der Koboldin nahmen
sie gelassen hin. Mit Naturereignissen muss man sich eben abfinden. Ihre
Ehen waren nicht in Gefahr, denn der seltsame Geschmack der Koboldfrauen
in Bezug auf Männer war ja ebenso sprichwörtlich wie ihre Schönheit.
Kurz und gut: Lilly war auf dem besten Wege, zu einer Kultfigur zu werden.
***
Eines Abends betrat der schwarze Steuereintreiber
den Alder. Er winkte Erwin zu sich und redete leise auf den Dicken ein.
Dieser reagierte ärgerlich und machte mit einer Hand eine wegwischende
Bewegung, als wolle er nichts mehr hören. Doch der Schwarze ließ
nicht locker. Mit erhobenem Zeigefinger fuchtelte er vor Erwins Gesicht
herum, deutete ab und zu auf Lilly und redete intensiv auf ihn ein. Schließlich
reckte der Wirt beide Arme in die Luft und verschwand eilends hinter dem
Tresen, wo er begann, Weinhumpen aufzufüllen. Dabei schüttelte
er seinen Kopf, der knallrot angelaufen war, als könne er die Welt
nicht mehr verstehen.
Am Ende des Abends leerte sich der Adler.
Schließlich waren nur noch Erwin, der Schwarzgekleidete und Lilly
anwesend. Lilly wollte den Weg nach Hause antreten, als der Steuereintreiber
sie anredete.
"Verzeiht bitte, wenn ich Euch anspreche,
Koboldin," eröffnete er das Gespräch höflich. "Ich habe
eine Frage an Euch."
Lilly blickte ihn stumm an und wartete.
Der Schwarze fuhr sich mit der Zunge unsicher
über die Lippen. Auch er konnte sich dem Reiz der Kleinen nicht entziehen.
"Wie Ihr vielleicht bereits erfahren habt,
feiern wir in den nächsten Tagen unser Jahresfest. Wie in jedem Jahr
suchen wir für diesen Anlass noch einen Ehrengast."
Er wartete gespannt auf Lillys Reaktion. Doch
die blieb zunächst aus. Der Mann fuhr fort.
"Im Namen des Fürsten von Umbra und des
Magiers dieses Reiches frage ich Euch, ob Ihr bereit wärt, dieses
Amt zu übernehmen."
Lilly zögerte. Mit einem solchen Angebot
hatte sie nicht gerechnet. Das Jahresfest war natürlich in aller Munde,
aber sie hatte sich nicht weiter mit ihm befasst. Sie ging davon aus, dass
es sich dabei um eine Art Volksfest, einen Jahrmarkt mit Artisten und Gauklern
handelte. Ganz nett, aber nicht weiter bemerkenswert. Und nun das! Eigentlich
hatte sie keine große Lust, aus ihrem bescheidenen Leben auszubrechen,
aber sie wollte es sich auch nicht mit dem Fürsten verderben. Es war
schließlich so etwa eine persönliche Aufforderung, der sie sich
besser nicht entziehen sollte. Aber sie war noch unentschlossen.
"Was muss ich denn als Ehrengast machen?"
fragte sie darum.
"Im Grundsatz nichts!" gab der Steuereintreiber
zurück. "Wir kümmern uns um alles. Wichtig ist nur, dass Ihr
dieses Amt aus freien Stücken übernehmt. Wir wollen Euch zu nichts
zwingen! Aber so eine Berühmtheit wie Euch würde sich als Ehrengast
sehr gut machen."
Lilly traute dem Mann nicht über den
Weg, dachte sich aber, dass sie mit ihrer Zustimmung nichts verkehrt machen
konnte. Was sollte schon passieren?
"Na, gut! Ich mach’s," sagte sie darum. "Muss
ich mich irgendwie auf meine Aufgabe vorbereiten?"
"Ach was!" winkte der Schwarze ab. "Seid einfach
Ihr selbst. Dann wird schon alles gut gehen!"
Dann ging er.
Lilly suchte noch nach Erwin, um ihm eine
gute Nacht zu wünschen. Doch dieser war im Moment nicht da und warten
wollte sie nicht mehr. Sie war rechtschaffen müde.
Als sie das Haus Dloregs und Edlihs betrat,
saßen die beiden wieder in ihrer Wohnstube und lasen aus den Karten.
Lilly schlich sich in ihre Kammer, hörte aber noch, wie Edlih zu ihrem
Mann sagte: "Habe ich es dir nicht gesagt? Sie ist es! Bist du jetzt endlich
überzeugt?"
...
© W. H.
Asmek
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