Schattenläufer von V.Geist
Kapitel 1: Shade (1)

Mühsam waren die Schritte geworden, mit denen er sich fortbewegte. Sein Atem war schwer und seine Füße brachten ihn fast um vor Schmerz. Selbst für einen wie ihn war es hier zu anstrengend geworden. Diese Gegend war der tödlichste Abschnitt seiner Reise. Das Gebirge war tückisch und der Schnee bedeckte die Gefahren, die unter ihm lauerten. Gletscherspalten konnten hier überall sein, bedeckt vom Schnee und für Shade unsichtbar. Hier sah alles gleich aus, so hoch  im Gebirge. Weit im Osten war eine Felswand zu sehen. Die Nistebene von Südlohn lag oben auf dem Gipfel, den sie trug, umhüllt von Wolken, doch immer noch drohend wie eine erhobene Faust hoch über dem Lande Berlau.
Shade sah kurz zurück und blieb einen Moment stehen. Er stützte sich mit den Armen auf seine Knie und atmete ein paar Mal tief durch. Die Wunde an der Schulter machte sich wieder bemerkbar. Das tat sie immer, wenn er zum Gipfel der Südlohn hinaufblickte.
Es gab in dieser trostlosen Ebene keine Stelle, an der man sich mal hätte hinsetzen können, um zu rasten. Alles war von Schnee und Eis bedeckt. Bis zu den Knien stand Schade in der weißen Pracht. Gut, dass er sich die Drakenbeinschienen in Valorien hat schmieden lassen. Sie sind zwar schwer und erschöpfen schnell, wenn man eine solche Reise antritt, aber sie halten warm und sind kaum klein zu kriegen.
Shade blickte wieder in Richtung Westen. Das Amulett um seinen Hals funkelte auf. Ja, weiter nach Westen. Dort muss er hin.

Es ging langsam Berg abwärts. Eine leichte Senkung. Dann endlich ein paar Felsen, die dicht beieinander aus dem weißen Meer ragten. Er hielt darauf zu und kletterte auf die niedrigeren Felsen. Dort setzte er sich und lehnte sich an. Ein wunderbares Gefühl nach so langer Reise. Shade wuchtete die von Schnee bedeckten, nass glänzenden Stiefel hoch und schlug die Beine übereinander. Die dunkelroten Drachenschuppen, mit denen die Stiefel vollkommen beschlagen waren, waren nur schwer unter der dicken Schneeschicht zu erkennen. Die schwarze, lederne Hose seines Gewands war völlig durchnässt. Shade nahm das lange, in schwarzes und graues Wolfsfell eingewickelte Schwert von seinem Rücken. Dann legte er die schwere schwarze Fellkutte ab. Das schwarze Seidengewand darunter kam zum Vorschein. Die dunkelroten Handschuhe zog er auch aus. Sie hielten zwar warm, waren gleichzeitig aber auch lästig und schwer, wenn man sich nicht gerade in einem Kampf befand, denn dafür waren sie geschmiedet worden. Sie waren aus dem selben Material wie die Stiefel. Genug war ja da gewesen.
Shade hatte damals sogar mit dem Gedanken gespielt, sich aus den großen Schuppen des Drachen einen Harnisch anfertigen zu lassen. Wann kriegt man schon mal die Chance, sich eine komplette Rüstung aus Drachenschuppen zu eigen zu machen. Doch das wäre zu schwer gewesen, um es auf dieser langen Reise zu tragen. So beschränkte er sich auf die Stiefel, die Handschuhe, und die Schultern seiner Kutte. Das war schon fast zu schwer.
Die Schuppen hatten sie dem Drachen abgenommen, den sie in Valorien getötet hatten. Sie. Shade dachte zurück. Dachte an die Anderen. Was sie wohl in diesem Moment machten? Kia würde sicher nach Süden wandern, um ihre Familie in Bewad zu besuchen, ein langer Weg, aber wenigstens über Strassen. Wahrscheinlich hat sie mit ihrem unglaublichen weiblichen Charme einen Händler dazu gebracht, sie mitzunehmen. Und Rowland, der würde sicher immer noch in irgendeinem Gasthof in Valorien sitzen und Mädchen an den Hintern grabschen. Er konnte es sich leisten. Jetzt, wo sie alle so viel Geld hatten. Shade lächelte bei diesem Gedanken. Rowland, der alte Weiberheld.
Und Rio. Was wird wohl Rio tun? Er wusste es nicht. Das kleine Mädchen, das so sehr zu allen aufsah in der Gruppe. Was wird sie tun? Wahrscheinlich hängt sie sich an irgendjemanden ran.
Kortas. Der Schweigsame. Er wird sicher auf dem Weg ins Nordgebirge sein. Zurück in die Wälder an den Hängen, zu seinen Leuten. Die Waldelfen werden ihn sicher schon vermisst haben.
Aber genug der Vergangenheit. Diese Leute. Shade wird sie vielleicht nie mehr wieder sehen. Gut, dass niemand von ihnen weiß, wohin ihn seine Reise wirklich führte. Sie wären ihm gefolgt, und hätten ihn dann nur behindert.
Mit dem Rücken an den Felsen gelehnt saß er da. Immer noch genoss er die Ruhe seiner Rast. Das Bündel Fell, welches sein Schwert einhüllte, lag an seiner Seite. Die lange Kette am Knauf der Waffe guckte oben am Ende des langen Fellbündels heraus. Shade hielt den goldenen Anhänger in der Hand, der an ihrem Ende befestigt war. Beidseitig waren darauf die Runen der Schmiede geprägt, aus der die Waffe kam. Schon lange gab es dieses Haus nicht mehr.
Er brach wieder auf. Die Rast war vorüber und der Weg war noch weit. Shade legte seine Kutte wieder an und nahm das Schwert. Dann schnallte er es wieder um und ließ es über den Rücken hängen. Die ersten Schritte fielen schwer. Der nächste würde ihn wieder in die Kälte des Schnees treiben. Doch plötzlich hielt er ein. War da nicht was?

Die Hand schnellte nach hinten und zog blitzschnell einen kleinen Dolch aus der schweren Kutte. Noch in derselben Bewegung drehte sich Shade um und sah auf seinen Gegner. Doch was er erblickte verwunderte ihn. Eine Kleine, unbewaffnete und ungefährliche Gestalt. In Fell eingewickelt und vor Kälte zitternd stand sie dort, am anderen Rande des kleinen Felsens.
Das junge Gesicht schon fast ganz blau gefroren. Shade ließ den Dolch fallen.
"Rio!!"

War sie ihm gefolgt? Das kleine, schwache Mädchen. War sie ihm den ganzen Weg gefolgt?
Shade zog die Kutte aus und warf sie dem Mädchen um die Schultern. Sie brach unter dem Gewicht zusammen und schlug unsanft mit den Knien auf dem Boden auf. Die kleine Gestalt des Mädchens verschwand fast komplett zwischen den Fellmassen der Kutte. Nur der Kopf guckte noch raus. Shade setzte sich vor ihr auf den Boden. Und sah ihr ins Gesicht.
"Wieso folgst du mir?"
"I-I-Ich wusste niemanden s-s-sonst."
Das Mädchen war wirklich durchgefroren. Kein Wunder, der Schnee hier reichte ihr an manchen Stellen fast bis zum Bauch.
"Aber was ist mit den anderen?"
"S-Sie wollten m-m-mich wieder zur-r-rück bringen ins Kloster." Sie schüttelte den Kopf. "Das w-wollte ich nicht."
"Wäre vielleicht besser so für dich."
"Nein. I-Ich werd da nicht wieder hin gehen, Shade. Niem-m-mals."
Shade sah ihr tief in die Augen. Dann schüttelte er mit einen leicht verzweifelt wirkendem Gesichtsausdruck den Kopf. Rio lächelte etwas, sofern die halbgefrorenen Muskeln ihres Gesichts so was wie ein Lächeln zuließen. Auch Shade musste nun etwas lächeln, als er das Mädchen ansah, obwohl er innerlich eigentlich eher wütend war. Sie hätte ihm nicht folgen sollen.
Er nahm das Mädchen kurz in die Arme und drückte sie an sich.
"Na, tau du erst mal wieder auf, dann erzähl mir alles!"

So dauerte die Rast etwas länger. Die Nacht war fast schon vorbei. Es hatte die ganze Zeit geschneit und es schneite immer noch. Dicke Flocken stürmten wie eine Armee der Kälte vom Himmel herab. Die kleine Feuerkugel leuchtete zwischen den weißen Schneefronten. Eine kleine Spalte zwischen zwei Felsen war zur Höhle geworden. Shades Kutte war als Dach über den kleinen Zwischenraum gespannt. Nur zu einer Seite war die Nische offen. Der Spalt ins Innere wurde durch die etwa faustgroße Feuerkugel, die ein paar Fuß über dem Boden schwebte, vorm zuschneien bewahrt. Shade bemühte sich, sie am brennen zu halten. Der Zauber war nicht schwer. Alle Dunkelelfen beherrschten ihn, so hatte es ihm sein Vater gelehrt. Aber so lange eine Kugel aufrecht zu erhalten war er nicht gewohnt. Doch der Schneesturm ließ langsam nach. Nicht mehr lange und es würde sicher aufhören.
Shade sah neben sich auf die kleine, zusammengekauerte Gestalt. Rio. Das Mädchen muss viel mitgemacht haben auf ihrer Reise. Sie war erschöpft. Sehr erschöpft. Sie hatte die ganze Nacht durchgeschlafen und noch immer schien es, als wäre sie tief im Reich der Träume versunken.
Nach ein paar Stunden hörte es auf zu schneien. Die Kugel aus Feuer und Hitze, die Shade beschworen hatte, war schon längst erloschen. Die Kutte über seinem Kopf hing weit nach unten durch. Eine Menge Schnee schien darauf zu sein.
"Hey!"
Shade stieß das Mädchen neben sich sanft an.
"Steh auf! Wir müssen weiter."
Nur ein leises hmm war zu hören. Dann richtete sich der kleine Körper etwas auf. Sie murmelte etwas, aber Shade konnte nicht verstehen, was sie sagen wollte. Schließlich ließ sie sich wieder fallen und wollte weiter schlafen. Ein weiterer, etwas festerer Stoß. Rio richtete sich wieder auf und sah verschlafen und mit halb offenen Augen zu ihrem Gefährten rüber. Sie war nicht wach genug, um auszuweichen.
Die Kugel aus Schnee zerplatzte in ihrem Gesicht. Ein Lauter Aufschrei war zu hören.
"Bist du denn Wahnsinnig???"
Shade stand schon vor der kleinen Höhle. Er sah durch den Spalt zu Rio hinab und klatschte sich mit einem hinterhältig wirkenden Lächeln auf den Lippen den restlichen Schnee von den Händen.
"Komm schon. Wir haben genug Zeit verschwendet!"
Mürrisch und leise Flüche flüsternd kroch Rio aus dem Dunkel der Höhle hervor. Shade packte den Kragen seiner Kutte.
"Pass auf!"
"Was?"
Mit einer schnellen, ruckartigen Bewegung riss Shade die Kutte von den Felsen herunter. Im hohen Bogen wurde der Schnee darauf durch die Luft geschleudert. Das lange Kleidungsstück wirbelte herum und erwischte Rio, die sich gerade den Schnee aus dem Gesicht wischte. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel von dem kleinen Felsen in die Schneefelder hinunter. Als sie sich wieder aufrichtete, sah Shade sie von oben herab an.
"Ich sagte doch, pass auf."
"Sehr witzig!!"
Schnell war die Kutte wieder übergestreift, und Shade ließ sich in das Schneefeld gleiten. Er kramte das Amulett unter den vielen Schichten seines schwarzen Gewands hervor und warf einen Blick darauf. Das kleine Mädchen sah hoch. Sie war damit beschäftigt, sich den Schnee von den Kleidern zu klopfen.
"Hast du das immer noch?"
"Ja natürlich."
"Und es zeigt dir immer noch den Weg an?"
Shade schob den kleinen Anhänger wieder unter das Gewand zurück und sah zu dem Mädchen runter.
"Ja. Wieso sollte es das nicht mehr tun?"
"Ich weiß nicht. Sachen gehen halt kaputt mit der Zeit..."
Shade wandte seinen Blick in Richtung Westen. Er war wieder ernst geworden. Die Tatsache, dass Rio nun hier war, hatte seinen ganzen Plan durcheinander gebracht. Aber was sollte er tun? Er konnte sie ja nicht hier erfrieren lassen.

Eine Weile waren sie gegangen. Shade vorne und Rio hinter ihm in der Furche, die er durch den Schnee zog. Gedanken schossen Shade durch den Kopf. Wo sollte er Rio lassen, wenn sie in Nefarat angekommen waren. Er konnte sie ja unmöglich mitnehmen ins Fürstenhaus.
"Du hast mir immer noch nicht erzählt, wieso du mir gefolgt bist."
Shade drehte sich bei diesen Worten nicht um. Er ging einfach weiter durch das Schneefeld.
Rio sah zu ihm auf. Den ganzen Weg hatte Shade kein Wort gesagt. Nun sprach er sie an und wandte ihr noch nicht mal den Blick dabei zu. Ihr Blick sank wieder auf den Boden. Das Gefühl, hier fehl am Platz zu sein, machte sich in ihr breit. Was war wohl los mit Shade? Was konnte ihm solche Sorgen bereiten?
"Nun?"
Rio erwachte aus ihren Gedanken. 
"Ich... Ich weiß nicht."
Sie wusste es wirklich nicht. Der einzige Grund, der ihr einfiel, war, dass die Anderen sie alle ins Kloster zurück bringen wollten. Das stimmte aber nicht. Sie wusste das, aber sie hatte es sich als Grund immer wieder eingeredet. Nach einer kurzen Denkpause sprach sie weiter.
"Ich wusste nicht, wohin in Valorien. Kia und Kortas, sie gehen zurück in ihre Heimat."
Shade zeigte keine Reaktion. Keine Antwort. Also redete Rio einfach weiter.
"Und ich habe keine Heimat. Nichts wo ich hin zurückkehren könnte. Keine Mutter, keinen Vater."
Sie sah wieder zu Shade hoch.
"So wie du, Shade. Vielleicht bin ich deswegen gerade dir gefolgt..."
Shade hielt an. Rio wäre fast mit ihm zusammen gestoßen. Er blickte starr in die Ferne und nach einer Weile sagte er:
"Jeder hat irgendwo einen Vater und eine Mutter, Rio."

Shade hatte seine Mutter nie gekannt. Er konnte sich zumindest nicht an sie erinnern. Sein Vater hatte ihn großgezogen. Hatte ihn vieles gelehrt. Doch auch er ist nun nicht mehr. Er starb in einer Schlacht um seine Heimatstadt. Gefallen im Kampf gegen Morgarads Armeen. Aber sie hatten es trotzdem geschafft. Sein Tod war nicht umsonst gewesen. Die Stadt ist nicht gefallen. Nach den Konflikten von damals war sie wieder auferstanden und ist nun zu großem Ruhm und Reichtum gekommen. Händler aller Rassen und Branchen ließen sich dort nieder. Gilden errichteten ihre Häuser und Tempel dort. Esgalia. Die Hauptstadt der Dunkelelfen. Irgendwann würde Shade dort hin gehen. Irgendwann. Dieser Traum flammte heute noch genauso in ihm auf, wie damals in seiner Kindheit.

Lang zog sich die Spur der beiden Reisenden durch den tiefen Schnee. Mehrere Stunden waren sie unterwegs gewesen. Nun lag ein kleiner Hang vor ihnen, den es zu bezwingen galt.
Shade sah hinunter auf die Ebene unter ihnen. Etwa ein Kilometer im Nordwesten sollte ein Pass über das Gebirge führen. Er konnte ihn noch nicht sehen, aber er musste da sein. Der Mann, der ihm den Weg beschrieben hat, sprach mit Furcht von diesem Pass. Aber es war der einzige Weg, der schnell genug ins Westliche Reich führte.
Es war leichter als erwartet, den Hang herab zu steigen. Auch Rio schien es keine Schwierigkeiten zu bereiten. Sie war zwar noch klein und jung, aber klettern konnte sie. Der Abhang war auch nicht so steil. Weiter unten konnte man schon fast wieder aufrecht laufen, ohne vorn über zu kippen. Und wieder trieb ihr Weg sie hinab in den Schnee. Nur war er hier nicht so tief. Es ging wieder etwas bergauf. Eine flache Erhöhung, die sich weit in Richtung Westen zog. An deren Höchstpunkt stellte sich ihnen eine niedrige Reihe Felsen in den Weg. Sie waren zu steil, als dass man ohne Hilfsmittel hätte darüber klettern können. Diese Hilfsmittel hatten die beiden nicht, also blieb ihnen nichts anderes übrig, als in Richtung Norden die Felswand entlang zu wandern.
Schließlich fanden sie eine Lücke. Ein wenig mussten sie klettern, dann konnten sie bequem über einen schmalen Pfad zwischen den Felsen entlang ihren Weg fortsetzen. Nach einer Weile kamen sie auf der anderen Seite der kalten Felsen wieder raus.
Shade sah sich um. Er stand auf einem Podest, etwa 20 Meter über dem Boden. Im Westen zogen sich noch höhere Berge entlang. Die Schneise zwischen diesen Felsen und denen, die die beiden durchwandert hatten, war etwa 70 Meter breit. In der Mitte verlief ein langer, dunkler Streifen, der die ganze Schneise entlang in Richtung Norden führte und schließlich in der Ferne hinter den Felsen verschwand. Das war er. Das war der Igarlatapass.

Von dem Vorsprung, auf dem sie standen, führte eine lange befestigte Steintreppe hinab auf den Boden. Sie war aus demselben Stein, wie die Felsen, aber natürlich war sie nicht. Jemand hatte sie hier hin gebaut. Keine Menschen. So viel war klar. Die Stufen waren viel zu groß und zu breit, als dass sie von Menschenhand gebaut sein konnten. Fast einen halben Meter hoch war jede Stufe. Sollte es etwa ein Pfad der Orks sein? Shade hatte gehört, dass es in dieser Region Weißhäute geben sollte, eine Unterrasse der Orks, die die Kälte des Nordens der Wärme im Süden vorzog. Man traf sie öfters in den Gebirgszügen dieser Region an.
Geschafft. Ein platt getrampelter Weg führte zwischen Felsen hinab in den Schnee. Hier war er nur noch knöcheltief. Zwischen den Felswänden kam nicht viel davon runter.
"He, Shade ich..."
Shade hielt seine Hand warnend hoch. Er sah Rio an und dann deutete er auf den etwa 30 Meter entfernten Pass. Schnell gingen die beiden im Schatten der Felswand in Deckung. Die Steinbrocken vor ihnen und um sie herum boten guten Schutz.

Auf dem Weg zogen ein paar Gestalten entlang. Große, geradezu hünenhafte Erscheinungen. Waren das die Orks? Nein. Sie gingen zu aufrecht. Und ihre Kleidung. Shade konnte es nicht genau erkennen, aber es sah nicht aus wie die lieblos zusammen genähten Fetzen Stoffs eines Orks. Das könnten Krieger des Nordreiches sein, dachte sich Shade. Packtiere. Erst jetzt sah er sie. Die drachenähnlichen, weißen Tiere, die sich neben den Leuten den Weg entlang schoben. Drei Stück waren es. Zumindest konnte er drei erkennen. Und dann sah er immer mehr Leute, die dazwischen entlang liefen. Alle waren in weiße Felle gehüllt. Es war schwer, sie zu erkennen.
"Woah..."
Rio schien sehr beeindruckt.
"Wie viele sind da?" fragte sie Shade leise.
"Ich weiß nicht. 12 sehe ich gerade."
"Gehen wir näher ran?"
Shade sah das Mädchen neben sich an.
"Bist du wahnsinnig?"
"Was, wenn die nur Händler sind, oder so was?"
"Glaub ich nicht."
Ein lautes Schnauben unterbrach die Diskussion und erweckte die Aufmerksamkeit der beiden Gefährten. Eines der Lasttiere schnaubte und schien zu schnuppern. Immer wieder drehte es den Kopf in die Richtung der beiden. Es schien, als hätte es sie entdeckt, aber der Mann, der das Tier zügelte schien es beruhigen zu wollen und er schaffte es auch. So zogen die Leute weiter.
"Puh"
Shade war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Was war das? Eine Kutsche erschien. Gezogen von zwei roten Lastdrachen. Prächtige Tiere. Größer als Pferde und über und über mit Muskeln bepackt. Sie zogen eine schwere, reich mit Schnitzereien und silbernen Skulpturen verzierte Kutsche den Pass entlang. Das Wappen auf der Kutsche war Shade wohl bekannt. Valenta Vilathia. Die Magiergilde des Nordens.

Shade und Rio warteten bis die Soldaten und die Kutsche vorbeigezogen waren. Dann setzten sie ihren Weg fort. Die beiden liefen auf den Pass zu. Der breite, von Schneematsch und kleinen Steinen bedeckte Weg war etwas rutschig, aber eine willkommene Abwechslung zu den Schneefeldern. Shade sah in Richtung Süden den Weg entlang. Dann richtete er seinen Blick in Richtung Norden. Die Geräusche der Tiere und der Krieger waren verklungen. Rio sah sich um.
"Meinst du, da kommen noch mehr?"
Shade zögerte mit seiner Antwort. Es konnte gut sein, dass noch mehr von denen diesen Weg nehmen könnten. Obwohl es nicht die klügste Taktik wäre. Schließlich könnten sich überall Räuber der Weißhäute versteckt halten. Da wäre es besser, in einer großen Gruppe zu reisen, als in vielen kleinen. Andererseits könnten die nordischen Menschen von den Orks im Gebirge hier gar nichts wissen und deshalb diese Gefahr überhaupt nicht wahrnehmen.
Shade wusste die Antwort nicht. Aber er wollte das Kind nicht verunsichern.
"Nein. Ich denke, sie werden in einer großen Gruppe reisen. Da sind sie besser gegen Räuber geschützt."
Rio nickte verunsichert.
Die zwei setzten ihren Weg fort. Anfangs gingen sie langsam, um der Reisegruppe des Nordens einen Vorsprung zu geben. Es war zwar nicht gesagt, dass sie feindlich gesinnt waren, aber man konnte nie wissen. Die nordischen Menschen waren sehr eigenartig. Und es beunruhigte Shade, das die Magiergilde sich anscheinend mit den Kriegern zusammen getan hatte. Gerade im Norden gab es hier eine strenge Trennung. Aber das war erst einmal nebensächlich.
 

© V.Geist
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Und schon geht es weiter zum 2. Teil des 1. Kapitels...

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