"Schwarz?" Irritiert sah Ritter Canerio Webolo an, der mit weit
geöffnetem Mund da stand und auf dessen Gesichtshaut sich das Farbspiel
des Drachen wiederholte.
"Ja, schwarz." Morholt trat neben ihn und in seinem Gesicht war
ein nachdenklicher Ausdruck zu erkennen.
Khisi schüttelte sich missmutig und blickte Morholt beleidigt
an.
"Alchimist, wenn Ihr fertig seid damit, mich anzustarren, würdet
Ihr mir dann freundlicherweise verraten wie weit Ihr seid mit Euren Forschungen,
um diesen Zustand zu beenden??"
"Ähmm ... gewiß doch, Khisanth, gewiß."
Mit flehendem Blick drehte sich Morholt zum Moordrachen, der etwas
abseits stand und Mühe hatte, sich zwischen einem Ausdruck blanken
Entsetzens und purer Schadenfreude zu entscheiden.
"Hehe ... hm, ja, in der Tat, äußerst bedauerlich ...
und Ihr glaubt, dagegen hilft dieses Möhrenkraut?" fragte er.
"Nicht Möhrenkraut ... Goldmöhrenwurz. Und ich glaube
nicht, daß es hilft, ich weiß es. Und leider ist es die einzigste
Möglichkeit, Khisi von seinem farbprächtigen Leuchten zu erlösen.
Deshalb bitte ich Euch inständig ... helft uns."
"Warum wart Ihr nicht schon selbst dort, um dieses Kraut zu holen?
Oder eure beiden Freundinnen?"
Sylveria trat neben den Moordrachen und legte sanft ihre Hand auf
seine Schulter.
"Das würde nicht gehen, selbst wenn wir es wollten. Reigami
ist um ein vielfaches mächtiger als wir ... er hat seinen Turm sowie
seine umliegenden Gärten gegen Magie jeder Art abgeschirmt. Würden
wir oder Morholt dort erscheinen, wäre er sofort gewarnt. Ihr müsst
wissen, Goldmöhrenwurz ist für jeden Magier oder Alchimisten
so etwas wie für euch Menschen pures Gold."
"Ohjemine ..."
Webolo machte ein ängstliches Gesicht. "Sicher läßt
er es bewachen und verwandelt uns in Kürbisköpfe oder gesalzene
Heringe, in hässliche Putzlappen oder sogar ..."
"In Drachenfutter?" Moordrache sah Webolo, dessen Phantasie mal
wieder galoppieren ging , streng an. Beleidigt drehte Webolo sich um.
"Pfff ... oller Angeberdrache", schmollte er.
Morholt lachte. "Nun seid nicht beleidigt, kleiner Freund. Wenn
ihr meinen Anweisungen folgt und kurz nach Anbruch der Dunkelheit dort
angekommen seid, wird euch nichts geschehen."
"Nichts?" fragte Moordrache skeptisch.
"Nunja ... ähm ... also ich meine, nichts, was ihr nicht bewältigen
könntet, ja ... so meinte ich das."
Ritter Canerio sah abwartend und fragend zugleich in die kleine
Runde. "Nun?"
Moordrache verdrehte die Augen und Webolo war bereits zur Hälfte
wieder unter seinem Sombrero verschwunden, Morholt seufzte tief und selbst
die beiden Hexen hatten keine Antwort parat.
"Fein, wenn also niemand was dagegen hat, können wir uns ja
auf den Weg machen", stellte er grinsend fest.
*
Der Weg stellte sich als nicht allzu beschwerlich heraus und schon
kurze Zeit später gelangten sie vor den Turm des Magiers. Er war von
eher unauffälliger Bauweise, und wenn auch sehr hoch, so gab es an
ihm jedoch keine nennenswerten Verzierungen oder Schnörkeleien, bis
auf einen steinernen Drachen, der über der Eingangstür angebracht
war und schützend seine Schwingen darüber ausbreitete.
Canerio sah sich um. Rechts und links des Turms gab es nichts außer
dichtem Buschwerk, das sich auf beiden Seiten bis fast zum Waldrand hinzog
und somit schützend verbarg, was sich hinter dem Turm befand. Auch
schien es nirgends einen weiteren Einlass zu geben als jenen im Turm.
"Hm ..." Canerio stemmte die Hände in die Hüften.
"Hm ... hm"
Webolo kratzte sich nachdenklich am Kinn und legte seine Stirn in
Falten, als wäre er damit beschäftigt auszurechen, wie lange
sie wohl bräuchten, um sich durch die dichten Büsche zu kämpfen,
die ihnen so unbarmherzig den Weg versperrten.
"Vielleicht ist er gerade weg, ich sehe nirgends ein Licht brennen",
flüsterte Webolo tonlos.
"Ja", knurrte der Moordrache, "vielleicht ..."
"Hätten wir doch Seile mitgenommen!" entfuhr es Canerio unwirsch.
"Seile?"
"Seile? Natürlich Seile! Um auf den Turm zu klettern und auf
der anderen Seite wieder hinunter, dummer Drache! Wie wollen wir sonst
erfahren, was sich hinter dem Turm verbirgt?" Er schlug mit der flachen
Hand gegen seine Stirn, um seiner Fassungslosigkeit ob dieser blöden
Frage etwas mehr Nachdruck zu verleihen und sah den Drachen herablassend
an.
"Hi ... hi ... Hohohahhaahaahhaaahiiii ..."
Moordrache brach in tosendes Gelächter aus, warf sich zur Seite
und rollte sich auf dem Rücken hin und her. Die Erde erzitterte und
Webolo klammerte sich eilig am Ritter fest, dessen Rüstung aufgrund
der heftigen Erschütterung zu scheppern begann.
"Oooh, was tut Ihr ... was tut Ihr ... so seid doch leise ... psst,
psst ..."
Dem Ritter stand die Panik ins Gesicht geschrieben, er schüttelte
Webolo von sich ab und rannte um den Moordrachen herum, bemüht ihn
bei seinem fröhlichen Treiben aufzuhalten.
Webolo begann zu kreischen, als er sah wie der Oberkörper des
Drachen herum schwenkte und den Ritter fast unter sich begrub.
"Aufhören, sofort aufhööööööören!"
brüllte er lauthals.
Moordrache richtete sich schweratmend wieder auf, noch immer ein
breites Grinsen im Gesicht.
"Was sollte das eben, hä? Was gab’s denn da zu lachen?"
Canerio warf den Kopf in den Nacken, stampfte unwillig mit dem Fuß
auf und stemmte in gewohnter Weise die Hände in die Hüften. Fehlen
ja nur noch die Kastagnetten, dachte Moordrache fröhlich und wäre
beinahe wieder in Gelächter ausgebrochen, aber das noch immer in der
Dunkelheit weiß leuchtende Gesicht Webolos brachte ihn zum Schweigen.
"Steigt auf", knurrte er mit einem unterdrückten Grinsen und
legte sich ganz flach auf die Erde.
"Ahh ...." machte Webolo, "natürlich ..." und hopste, schon
wieder alle Sorgen vergessen, auf den Rücken des Drachen.
© by Sylvia
Zwei, drei Flügelschläge später standen sie in dem
kleinen Garten, der sich hinter dem Turm befand. Moordrache sah sich kurz
um und sagte dann: "Sucht ihr das Kraut, ich werde solange ein paar Runden
über dem Turm ziehen, ist ein bißchen eng hier ..."
Magier Reigamis Garten verschlug Canerio die Sprache. Er war ein
Traum, ein lebendig gewordener Traum aus Farben und Formen, eine Sinfonie
der Sinne, ein rauschendes Fest aus Blättern und Blüten in nie
gesehener Form. Er erkannte eine "Magnolia Desperato", deren dornenbesetzte
Kelche sich im gleichmäßigen Takt öffneten und wieder schlossen,
eine "Hydra Wasserkopf", die jenen köstlichen süßen Nektar
produzierte, aus dem man neben allen möglichen Liebestränken
auch Bonbons und Pralines herstellen konnte. Vorsichtig umlief er mehrere
kleine Beete, in denen der Magier wohl Schall-Pflänzchen aufzog. Neugierig
sahen sie ihm hinterher und wedelten aufgeregt mit ihren kleinen Stängelchen,
an denen erster zarter Blattwuchs zu erkennen war. Ihr hohes Pfeifen und
Wispern begleitete ihn bis zu den hohen Mauern, die das Ende des kleinen
Gartens markierten und deren einziger Durchlass, ein großes schmiedeeisernes
Tor,verriegelt und verrammelt war wie eine Kerkertür.
Ob sich dahinter das Goldmöhrenkraut befand? Er spähte
zwischen den eisernen Stäben hindurch. Ein schmaler Pfad, gesäumt
durch allerlei Unkraut, führte zu einem kleinen freien Platz in der
Mitte des kleinen Gartens, der sich hinter dem Tor erstreckte. Auf der
freien Fläche befand sich ein kleiner Brunnen, sonst konnte er im
Dunkel jedoch nichts weiter erkennen.
"Hab ich euch endlich erwischt, gemeines Gesindel. Aber das werdet
ihr mir bitter bereuen!"
"Was?" Webolo zuckte zusammen. Wer sprach denn da mit ihm? Und dazu
noch in so einem unhöflichen Ton!
Wuusch ... machte es und neben Webolo raste ein blauer Feuerball
in die Erde, gefolgt von einem weiteren, größeren, der ihn beinahe
zu Boden schleuderte.
"Hey ... Ihr hättet mich beinahe getroffen!" kreischte Webolo
erbost. Wütend bückte er sich, griff sich einen losen Erdballen,
der durch den Einschlag aus dem Erdreich herausgesprengt worden war und
warf in die Richtung, aus der die Stimme erklungen war.
Vorsichtig, mit laut pochendem Herzen, bewegte er sich langsam und
auf Zehenspitzen weiter.
"Oh ... nur beinahe?" ertönte die Stimme wieder. "Na, das tut
mir jetzt fast leid! Doch wartet, vielleicht hab ich ja jetzt etwas mehr
Glück!"
Es tat einen lauten Knall und plötzlich stand, in kleine blaue
Blitze gehüllt, Magier Reigami vor ihm. Er war sehr groß, und
der spitze Hut, den er trug, ließ ihn noch größer erscheinen.
Mit einem teuflischen Grinsen beugte er sich zu Webolo hinab, fasste ihn
am Kragen und zog ihn zu sich heran.
"Na, wer hat dich denn losgeschickt, du Würmchen? Du bist doch
sicherlich nicht alleine hier, oder?" fragte er freundlich, während
er sich aufmerksam nach allen Seiten umsah.
"Meister ... Meeeeeeister", fiepte Webolo ängstlich. Der Typ
war ihm nicht ganz geheuer. Wie der ihn schon ansah, direkt unheimlich
war das.
"Aha ... dachte ich es mir doch. Wollen doch mal sehen, ob dein
Meister herbei eilt, um dich zu beschützen!" bemerkte Reigami trocken.
Er zog den vor Angst schlotternden Webolo hoch und tippte einmal
mit dem Finger an seinen Hut, was bewirkte, daß plötzlich ein
geräumiges Fass angerollt kam. Gehorsam stoppte es vor dem Magier
und Webolo schwante Schreckliches.
"Ohhh nein ... tut das nicht, ich warne Euch ... mein Meister wird
Euch in Stücke reißen ..."
"Oh doch, das tu ich!"
Das Fass öffnete sich wie durch Geisterhand und völlig
ungerührt stopfte der Magier Webolo dort hinein und verschloss es
wieder.
© by Sylvia
Webolo tobte, fluchte und schrie, doch zu spät, polternd setzte
sich das Fass in Bewegung.
Ritter Canerio, der noch immer vor dem Tor stand und mühsam
versuchte im Dunkeln etwas zu erkennen, hörte die Hilferufe seines
treuen Knappen und rannte kurzentschlossen los.
Als er sah, was Reigami sich da heraus genommen hatte, wurde er
schrecklich wütend. So ein jämmerlicher Feigling, nimmt es nur
mit den Kleinsten auf!
"Na, warte ... dir werd ich’s zeigen!" knurrte er. Er griff nach
einer der Harken, die herumlagen und stürmte auf Reigami zu.
"Hier, nimm das, du mickriger Zauberer und hol sofort meinen Knappen
da wieder raus, aber dalli!" Unerschrocken klopfte er kräftig auf
des Magiers Haupt und plättete dabei dessen Hut.
"Ihr wagt es ...", knurrte Reigami erzürnt und versuchte, einem
neuen Schlag auszuweichen, doch der Ritter geriet regelrecht in Rage und
klopfte und schlug wie wild um sich.
Reigami wurde das zu bunt. "Herrgott", dachte er verzweifelt, "warum
muss mir das immer passieren?"
Er versuchte seinen Hut vor den Attacken des Ritters zu schützen,
konnte jedoch nicht rechzeitig ausweichen und mit Schwung fegte ihm Canerio
den ohnehin schon völlig verbeulten Zauberhut vom Kopf.
"Mein Hut, mein Hut ...!" brüllte Reigami auf und fasste sich
erschrocken dorthin, wo jetzt etwas sehr wichtiges fehlte.
"Ha, ohne ihn seid ihr wohl hilflos, wie?" Pure Schadenfreude stand
Canerio ins Gesicht geschrieben und flugs schnappte er sich den spitzen
Hut des Magiers.
"Gebt ihn sofort wieder her!" forderte Reigami, doch Canerio schüttelte
verneinend mit dem Kopf.
"Niemals!"
"Ihr Wurm, er hat für Euch keinen Nutzen, also gebt ihn her
... oder muss ich Euch erst Beine machen?" Des Magiers Stimme bekam einen
gefährlich klingenden Unterton.
Doch der Ritter hatte den Magier schon längst wieder vergessen
und fummelte statt dessen an dem spitzen schönen Hut herum. "Hm, wie
macht man das bloß?" murmelte er, während er versuchte, das
gute Stück wenigsten wieder etwas in seine ursprüngliche Größe
zu ziehen, doch der Hut stellte sich als äußerst widerspenstig
heraus. Er schob und zerrte was das Zeug hielt, doch der Hut wollte nicht
in seine ursprüngliche Form zurück. Zuerst verärgert, dann
mit wachsender Belustigung stellte er jedoch fest, daß der Hut an
einigen Stellen regelrecht kitzelig zu sein schien. Drückte er dort,
hob sich die Spitze empor, um gleich wieder zu verschwinden, drehte er
den Hut nach links, begann der schmale Rand sich wellenartig zu bewegen.
An einigen Stellen vibrierte es sogar , wenn er darüber strich.
"In der Tat ... seeehr interessant", flüsterte er verträumt
und probierte weitere Stellen aus.
Der Magier schüttelte resignierend mit dem Kopf. Was tat dieses
rostige Ding denn da?
"Seid Ihr hergekommen, um mit meinem Hut zu spielen?" fragte er
entnervt.
"Wie meinen? Hut? Ähh ..." Erschrocken blickte der Ritter auf.
"Oh, ich hätte es mir denken können ... Ihr habt diesen
Hut verzaubert! Damit er mich in die Irre führt, nicht wahr? Ha, aber
so leicht lass ich mich nicht täuschen, seid gewiss!"
Canerio schielte mit einem Auge zu dem Magier hinüber, während
das andere Auge sich einfach nicht von diesem verführerischen Spielzeug
trennen konnte.
Vielleicht konnte man damit zaubern? Und Webolo befreien?
Suchend sah er sich um und als er das Fass entdeckte, das gemächlich
um die Beete rollte, stürmte er an Magier Reigami vorbei und hetzte
dem wie am Spieß brüllenden und im Fass festsitzenden Webolo
hinterher.
"Habt Geduld, Knappe ... Eure Rettung naht", rief er und klopfte
dabei auf des Magiers Hut herum.
Doch nichts passierte, das Fass rollte weiter und gewann zusehends
an Geschwindigkeit. Ritter Canerio vernahm Reigamis boshaftes Lachen, fuhr
aber unbeirrt damit fort, den Hut zu drücken und zu kneten, heimlich
auf ein Wunder hoffend, denn die Schreie seines im Fass eingeschlossenen
Knappen trieben ihm schon fast die Tränen in die Augen.
Aber wie zuvor zeigte der Hut oder vielmehr das Fass keinerlei Reaktion
auf Canerio’s Zauberkünste.
Abrupt bremste der Ritter, drehte sich auf der Hacke um und stierte
den Magier aus weit aufgerissenen Augen an.
"Duuuuuuuuuuuuuuu ... befrei meinen Kappen jetzt sofort aus dem
Fass, oder ..."
Der Magier lächelte nachsichtig und ging auf Canerio zu. "Oder?"
fragte er gelangweilt. "Was wollt Ihr tun ... mich vielleicht in eine Maus
verwandeln?" Seine letzten Worte gingen in schallendem Gelächter unter.
Canerio verzog mit keiner Miene das Gesicht, sondern führte
in aller Seelenruhe den Hut in die Nähe seines Mundes und öffnete
diesen ein kleines Stück.
"Oder ... ich fresse Euren Hut."
"Meinen Hut? Oh nein, das wagt Ihr nicht ... das nicht ..."
"Och, ich schluckte schon schlimmeres ..." Canerio zuckte ungerührt
mit seinen mageren Schultern, schluckte einmal und riss seinen Mund weit
auf.
"Neiiiiiiiiin, haltet ein, sofort!" Der Magier wurde leichenblass
und lief auf Ritter Canerio zu, die Hände beschwichtigend von sich
gestreckt.
"Wartet, wartet ... gewiss gibt es noch eine andere Möglichkeit,
lasst mich überlegen."
"Ach, überlegen?"
"Ja, wie ich sagte. Ähem, also was haltet Ihr von einem kleinen
Tausch? Euren Knappen gegen meinen Hut? Hm?"
Der Ritter runzelte die Stirn und überlegte. Ein verlockendes
Angebot machte ihm der Magier da.
"Nun gut, so sei es ..." Canerio war gerade im Begriff, den Hut
dem Magier zu überreichen, dessen Hände sich bereits gierig dem
begehrten Stück entgegen streckten, als ihm etwas einfiel.
"Ha, dachte ich es mir doch, Ihr wolltet mich hinters Licht führen!
Los, zuerst meinen Knappen!"
Reigami seufzte schwer. "Ihr Narr, ohne meinen Hut geht das nicht."
"Nicht? Hm ... gebt mir Euer Wort!"
Der Magier versprach wonach der Ritter verlangte und versprach sich
selbst, dieses unmögliche Duo sofort aus seinem Garten zu zaubern,
sobald er seinem Versprechen Folge geleistet hatte.
Zögerlich reichte Canerio den Hut herüber.
Vorsicht nahm ihn Reigami entgegen, besah ihn aufrichtig besorgt
von allen Seiten und tippte dann einmal sanft mit seinem Zeigefinger dagegen.
Das Fass stoppte, der Deckel kippte zur Seite und ein völlig aufgelöster
Webolo rollte zur Hälfte heraus.
Moordrache, der erneut den Turm überflog, sah nach unten und
fühlte sich dem Wahnsinn ein Stück näher kommen. Canerio
spielte mit dem Hut des Magiers und Webolo schien sich klammheimlich in
einem Fass verstecken zu wollen.
Wütend entschloss er sich zur Landung. Zischend zog er die
Luft ein, so laut, daß für einen Moment alle in ihren Bewegungen
innehielten und erstaunt zu ihm herüber sahen. Sein Kopf schoss herunter
und bremste kurz vor Magier Reigami, seine gewaltigen Pranken schoben sich
ins Erdreich und schufen kleine Hügel als sie sich wieder zusammen
zogen und langsam, ganz langsam legte er seinen Kopf ein wenig schief und
verdrehte dabei die Augen.
"Gib uns sofort dieses Wurzkraut, du Magier, du", begann er leise
zu sprechen, "oder ich röste auf der Stelle dich, deinen Turm, deine
Nachkommen und alles was dazu gehört, damit wir uns verstehen. Ich
will einfach von hier fort, verstehst du das? Ich will zu meiner wunderschönen
Liebsten, zu meiner einzigsten und ich will es so schnell wie möglich,
aber ständig kommt was dazwischen, also schwing dich jetzt gefälligst
und rück dieses Kraut raaaaaaaaaaaaussss!"
Das letzte Wort knallte dem Magier mit solch einer ohrenbetäubenden
Lautstärke um die Ohren, daß er erschrocken beide Hände
auf die Ohren schlug und in die Knie ging. Ihm stockte der Atem. Entsetzt
starrte er in das verzerrte Gesicht des Drachen, in dessen Augen sich der
blanke Irrsinn spiegelte, Irrsinn, der nicht zu kontrollieren war, und
aus dessen Nasenlöchern bereits kleine Qualmwolken ihren Weg nach
draußen suchten. Er war ein guter Magier, er war der beste aller
Magier ... und er wusste wo seinen Grenzen waren. Dieses Trio da,
woher auch immer es zu kommen schien und was immer es auch wollte ,war
wohl eine davon.
"Da ...", stammelte Reigami völlig erschöpft und zeigte
auf ein unscheinbares Kraut, das entlang des kleinen Pfades vor sich hin
wucherte.
"Was? Das? Da?" Webolo’s Stimme war nur ein Hauch, dennoch klang
sie so laut wie noch nie zuvor.
"Ja ... das da. Es ist das wertvollste, das man sich denken kann,
ein Kraut voller geheimer Kräfte, die noch nicht einmal ich alle erforscht
habe. Und genau deswegen wächst es hier am Rand, unauffällig
und unscheinbar ... der sicherste Platz, den man sich denken kann."
Verständnislos schüttelte Webolo seinen Kopf. Er wollte
gerade etwas erwidern, als ein Fremder in den kleinen Garten gelaufen kam.
Er war gekleidet wie ein Bote und sah ziemlich erregt und erschöpft
aus.
"Helft uns ... die Plattladine ... sie sind zurück. Zu Hilfe..."
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