Trio Infernale von Sylvia und Cancelot
Die reale Drachental-Satire
Duell der Meister

"Schwarz?" Irritiert sah Ritter Canerio Webolo an, der mit weit geöffnetem Mund da stand und auf dessen Gesichtshaut sich das Farbspiel des Drachen wiederholte.
"Ja, schwarz." Morholt trat neben ihn und in seinem Gesicht war ein nachdenklicher Ausdruck zu erkennen.
Khisi schüttelte sich missmutig und blickte Morholt beleidigt an.
"Alchimist, wenn Ihr fertig seid damit, mich anzustarren, würdet Ihr mir dann freundlicherweise verraten wie weit Ihr seid mit Euren Forschungen, um diesen Zustand zu beenden??"
"Ähmm ... gewiß doch, Khisanth, gewiß."
Mit flehendem Blick drehte sich Morholt zum Moordrachen, der etwas abseits stand und Mühe hatte, sich zwischen einem Ausdruck blanken Entsetzens und purer Schadenfreude zu entscheiden.
"Hehe ... hm, ja, in der Tat, äußerst bedauerlich ... und Ihr glaubt, dagegen hilft dieses Möhrenkraut?" fragte er.
"Nicht Möhrenkraut ... Goldmöhrenwurz. Und ich glaube nicht, daß es hilft, ich weiß es. Und leider ist es die einzigste Möglichkeit, Khisi von seinem farbprächtigen Leuchten zu erlösen. Deshalb bitte ich Euch inständig ... helft uns."
"Warum wart Ihr nicht schon selbst dort, um dieses Kraut zu holen? Oder eure beiden Freundinnen?"
Sylveria trat neben den Moordrachen und legte sanft ihre Hand auf seine Schulter.
"Das würde nicht gehen, selbst wenn wir es wollten. Reigami ist um ein vielfaches mächtiger als wir ... er hat seinen Turm sowie seine umliegenden Gärten gegen Magie jeder Art abgeschirmt. Würden wir oder Morholt dort erscheinen, wäre er sofort gewarnt. Ihr müsst wissen, Goldmöhrenwurz ist für jeden Magier oder Alchimisten so etwas wie für euch Menschen pures Gold."
"Ohjemine ..." 
Webolo machte ein ängstliches Gesicht. "Sicher läßt er es bewachen und verwandelt uns in Kürbisköpfe oder gesalzene Heringe, in hässliche Putzlappen oder sogar ..."
"In Drachenfutter?" Moordrache sah Webolo, dessen Phantasie mal wieder galoppieren ging , streng an. Beleidigt drehte Webolo sich um. 
"Pfff ... oller Angeberdrache", schmollte er.
Morholt lachte. "Nun seid nicht beleidigt, kleiner Freund. Wenn ihr meinen Anweisungen folgt und kurz nach Anbruch der Dunkelheit dort angekommen seid, wird euch nichts geschehen."
"Nichts?" fragte Moordrache skeptisch.
"Nunja ... ähm ... also ich meine, nichts, was ihr nicht bewältigen könntet, ja ... so meinte ich das."
Ritter Canerio sah abwartend und fragend zugleich in die kleine Runde. "Nun?"
Moordrache verdrehte die Augen und Webolo war bereits zur Hälfte wieder unter seinem Sombrero verschwunden, Morholt seufzte tief und selbst die beiden Hexen hatten keine Antwort parat.
"Fein, wenn also niemand was dagegen hat, können wir uns ja auf den Weg machen", stellte er grinsend fest.

*

Der Weg stellte sich als nicht allzu beschwerlich heraus und schon kurze Zeit später gelangten sie vor den Turm des Magiers. Er war von eher unauffälliger Bauweise, und wenn auch sehr hoch, so gab es an ihm jedoch keine nennenswerten Verzierungen oder Schnörkeleien, bis auf einen steinernen Drachen, der über der Eingangstür angebracht war und schützend seine Schwingen darüber ausbreitete.
Canerio sah sich um. Rechts und links des Turms gab es nichts außer dichtem Buschwerk, das sich auf beiden Seiten bis fast zum Waldrand hinzog und somit schützend verbarg, was sich hinter dem Turm befand. Auch schien es nirgends einen weiteren Einlass zu geben als jenen im Turm.
"Hm ..." Canerio stemmte die Hände in die Hüften.
"Hm ... hm" 
Webolo kratzte sich nachdenklich am Kinn und legte seine Stirn in Falten, als wäre er damit beschäftigt auszurechen, wie lange sie wohl bräuchten, um sich durch die dichten Büsche zu kämpfen, die ihnen so unbarmherzig den Weg versperrten.
"Vielleicht ist er gerade weg, ich sehe nirgends ein Licht brennen", flüsterte Webolo tonlos.
"Ja", knurrte der Moordrache, "vielleicht ..."
"Hätten wir doch Seile mitgenommen!" entfuhr es Canerio unwirsch.
"Seile?" 
"Seile? Natürlich Seile! Um auf den Turm zu klettern und auf der anderen Seite wieder hinunter, dummer Drache! Wie wollen wir sonst erfahren, was sich hinter dem Turm verbirgt?" Er schlug mit der flachen Hand gegen seine Stirn, um seiner Fassungslosigkeit ob dieser blöden Frage etwas mehr Nachdruck zu verleihen und sah den Drachen herablassend an.
"Hi ... hi ... Hohohahhaahaahhaaahiiii ..." 
Moordrache brach in tosendes Gelächter aus, warf sich zur Seite und rollte sich auf dem Rücken hin und her. Die Erde erzitterte und Webolo klammerte sich eilig am Ritter fest, dessen Rüstung aufgrund der heftigen Erschütterung zu scheppern begann.
"Oooh, was tut Ihr ... was tut Ihr ... so seid doch leise ... psst, psst ..." 
Dem Ritter stand die Panik ins Gesicht geschrieben, er schüttelte Webolo von sich ab und rannte um den Moordrachen herum, bemüht ihn bei seinem fröhlichen Treiben aufzuhalten.
Webolo begann zu kreischen, als er sah wie der Oberkörper des Drachen herum schwenkte und den Ritter fast unter sich begrub.
"Aufhören, sofort aufhööööööören!" brüllte er lauthals.
Moordrache richtete sich schweratmend wieder auf, noch immer ein breites Grinsen im Gesicht.
"Was sollte das eben, hä? Was gab’s denn da zu lachen?" 
Canerio warf den Kopf in den Nacken, stampfte unwillig mit dem Fuß auf und stemmte in gewohnter Weise die Hände in die Hüften. Fehlen ja nur noch die Kastagnetten, dachte Moordrache fröhlich und wäre beinahe wieder in Gelächter ausgebrochen, aber das noch immer in der Dunkelheit weiß leuchtende Gesicht Webolos brachte ihn zum Schweigen.
"Steigt auf", knurrte er mit einem unterdrückten Grinsen und legte sich ganz flach auf die Erde.
"Ahh ...." machte Webolo, "natürlich ..." und hopste, schon wieder alle Sorgen vergessen, auf den Rücken des Drachen.

Nur ein kleiner Hopser für einen Drachen, aber ein großer Flug für Ritter und Knappe
© by Sylvia

Zwei, drei Flügelschläge später standen sie in dem kleinen Garten, der sich hinter dem Turm befand. Moordrache sah sich kurz um und sagte dann: "Sucht ihr das Kraut, ich werde solange ein paar Runden über dem Turm ziehen, ist ein bißchen eng hier ..."
Magier Reigamis Garten verschlug Canerio die Sprache. Er war ein Traum, ein lebendig gewordener Traum aus Farben und Formen, eine Sinfonie der Sinne, ein rauschendes Fest aus Blättern und Blüten in nie gesehener Form. Er erkannte eine "Magnolia Desperato", deren dornenbesetzte Kelche sich im gleichmäßigen Takt öffneten und wieder schlossen, eine "Hydra Wasserkopf", die jenen köstlichen süßen Nektar produzierte, aus dem man neben allen möglichen Liebestränken auch Bonbons und Pralines herstellen konnte. Vorsichtig umlief er mehrere kleine Beete, in denen der Magier wohl Schall-Pflänzchen aufzog. Neugierig sahen sie ihm hinterher und wedelten aufgeregt mit ihren kleinen Stängelchen, an denen erster zarter Blattwuchs zu erkennen war. Ihr hohes Pfeifen und Wispern begleitete ihn bis zu den hohen Mauern, die das Ende des kleinen Gartens markierten und deren einziger Durchlass, ein großes schmiedeeisernes Tor,verriegelt und verrammelt war wie eine Kerkertür.
Ob sich dahinter das Goldmöhrenkraut befand? Er spähte zwischen den eisernen Stäben hindurch. Ein schmaler Pfad, gesäumt durch allerlei Unkraut, führte zu einem kleinen freien Platz in der Mitte des kleinen Gartens, der sich hinter dem Tor erstreckte. Auf der freien Fläche befand sich ein kleiner Brunnen, sonst konnte er im Dunkel jedoch nichts weiter erkennen.
"Hab ich euch endlich erwischt, gemeines Gesindel. Aber das werdet ihr mir bitter bereuen!"
"Was?" Webolo zuckte zusammen. Wer sprach denn da mit ihm? Und dazu noch in so einem unhöflichen Ton!
Wuusch ... machte es und neben Webolo raste ein blauer Feuerball in die Erde, gefolgt von einem weiteren, größeren, der ihn beinahe zu Boden schleuderte.
"Hey ... Ihr hättet mich beinahe getroffen!" kreischte Webolo erbost. Wütend bückte er sich, griff sich einen losen Erdballen, der durch den Einschlag aus dem Erdreich herausgesprengt worden war und warf in die Richtung, aus der die Stimme erklungen war.
Vorsichtig, mit laut pochendem Herzen, bewegte er sich langsam und auf Zehenspitzen weiter. 
"Oh ... nur beinahe?" ertönte die Stimme wieder. "Na, das tut mir jetzt fast leid! Doch wartet, vielleicht hab ich ja jetzt etwas mehr Glück!"
Es tat einen lauten Knall und plötzlich stand, in kleine blaue Blitze gehüllt, Magier Reigami vor ihm. Er war sehr groß, und der spitze Hut, den er trug, ließ ihn noch größer erscheinen. Mit einem teuflischen Grinsen beugte er sich zu Webolo hinab, fasste ihn am Kragen und zog ihn zu sich heran.
"Na, wer hat dich denn losgeschickt, du Würmchen? Du bist doch sicherlich nicht alleine hier, oder?" fragte er freundlich, während er sich aufmerksam nach allen Seiten umsah.
"Meister ... Meeeeeeister", fiepte Webolo ängstlich. Der Typ war ihm nicht ganz geheuer. Wie der ihn schon ansah, direkt unheimlich war das.
"Aha ... dachte ich es mir doch. Wollen doch mal sehen, ob dein Meister herbei eilt, um dich zu beschützen!" bemerkte Reigami trocken.
Er zog den vor Angst schlotternden Webolo hoch und tippte einmal mit dem Finger an seinen Hut, was bewirkte, daß plötzlich ein geräumiges Fass angerollt kam. Gehorsam stoppte es vor dem Magier und Webolo schwante Schreckliches.
"Ohhh nein ... tut das nicht, ich warne Euch ... mein Meister wird Euch in Stücke reißen ..."
"Oh doch, das tu ich!" 
Das Fass öffnete sich wie durch Geisterhand und völlig ungerührt stopfte der Magier Webolo dort hinein und verschloss es wieder.

Reigami, Webolo und das Fass...
© by Sylvia

Webolo tobte, fluchte und schrie, doch zu spät, polternd setzte sich das Fass in Bewegung.
Ritter Canerio, der noch immer vor dem Tor stand und mühsam versuchte im Dunkeln etwas zu erkennen, hörte die Hilferufe seines treuen Knappen und rannte kurzentschlossen los.
Als er sah, was Reigami sich da heraus genommen hatte, wurde er schrecklich wütend. So ein jämmerlicher Feigling, nimmt es nur mit den Kleinsten auf!
"Na, warte ... dir werd ich’s zeigen!" knurrte er. Er griff nach einer der Harken, die herumlagen und stürmte auf Reigami zu.
"Hier, nimm das, du mickriger Zauberer und hol sofort meinen Knappen da wieder raus, aber dalli!" Unerschrocken klopfte er kräftig auf des Magiers Haupt und plättete dabei dessen Hut.
"Ihr wagt es ...", knurrte Reigami erzürnt und versuchte, einem neuen Schlag auszuweichen, doch der Ritter geriet regelrecht in Rage und klopfte und schlug wie wild um sich. 
Reigami wurde das zu bunt. "Herrgott", dachte er verzweifelt, "warum muss mir das immer passieren?" 
Er versuchte seinen Hut vor den Attacken des Ritters zu schützen, konnte jedoch nicht rechzeitig ausweichen und mit Schwung fegte ihm Canerio den ohnehin schon völlig verbeulten Zauberhut vom Kopf.
"Mein Hut, mein Hut ...!" brüllte Reigami auf und fasste sich erschrocken dorthin, wo jetzt etwas sehr wichtiges fehlte.
"Ha, ohne ihn seid ihr wohl hilflos, wie?" Pure Schadenfreude stand Canerio ins Gesicht geschrieben und flugs schnappte er sich den spitzen Hut des Magiers.
"Gebt ihn sofort wieder her!" forderte Reigami, doch Canerio schüttelte verneinend mit dem Kopf.
"Niemals!" 
"Ihr Wurm, er hat für Euch keinen Nutzen, also gebt ihn her ... oder muss ich Euch erst Beine machen?" Des Magiers Stimme bekam einen gefährlich klingenden Unterton.
Doch der Ritter hatte den Magier schon längst wieder vergessen und fummelte statt dessen an dem spitzen schönen Hut herum. "Hm, wie macht man das bloß?" murmelte er, während er versuchte, das gute Stück wenigsten wieder etwas in seine ursprüngliche Größe zu ziehen, doch der Hut stellte sich als äußerst widerspenstig heraus. Er schob und zerrte was das Zeug hielt, doch der Hut wollte nicht in seine ursprüngliche Form zurück. Zuerst verärgert, dann mit wachsender Belustigung stellte er jedoch fest, daß der Hut an einigen Stellen regelrecht kitzelig zu sein schien. Drückte er dort, hob sich die Spitze empor, um gleich wieder zu verschwinden, drehte er den Hut nach links, begann der schmale Rand sich wellenartig zu bewegen. An einigen Stellen vibrierte es sogar , wenn er darüber strich.
"In der Tat ... seeehr interessant", flüsterte er verträumt und probierte weitere Stellen aus.
Der Magier schüttelte resignierend mit dem Kopf. Was tat dieses rostige Ding denn da?
"Seid Ihr hergekommen, um mit meinem Hut zu spielen?" fragte er entnervt.
"Wie meinen? Hut? Ähh ..." Erschrocken blickte der Ritter auf.
"Oh, ich hätte es mir denken können ... Ihr habt diesen Hut verzaubert! Damit er mich in die Irre führt, nicht wahr? Ha, aber so leicht lass ich mich nicht täuschen, seid gewiss!"
Canerio schielte mit einem Auge zu dem Magier hinüber, während das andere Auge sich einfach nicht von diesem verführerischen Spielzeug trennen konnte.
Vielleicht konnte man damit zaubern? Und Webolo befreien?
Suchend sah er sich um und als er das Fass entdeckte, das gemächlich um die Beete rollte, stürmte er an Magier Reigami vorbei und hetzte dem wie am Spieß brüllenden und im Fass festsitzenden Webolo hinterher.
"Habt Geduld, Knappe ... Eure Rettung naht", rief er und klopfte dabei auf des Magiers Hut herum.
Doch nichts passierte, das Fass rollte weiter und gewann zusehends an Geschwindigkeit. Ritter Canerio vernahm Reigamis boshaftes Lachen, fuhr aber unbeirrt damit fort, den Hut zu drücken und zu kneten, heimlich auf ein Wunder hoffend, denn die Schreie seines im Fass eingeschlossenen Knappen trieben ihm schon fast die Tränen in die Augen.
Aber wie zuvor zeigte der Hut oder vielmehr das Fass keinerlei Reaktion auf Canerio’s Zauberkünste.
Abrupt bremste der Ritter, drehte sich auf der Hacke um und stierte den Magier aus weit aufgerissenen Augen an.
"Duuuuuuuuuuuuuuu ... befrei meinen Kappen jetzt sofort aus dem Fass, oder ..."
Der Magier lächelte nachsichtig und ging auf Canerio zu. "Oder?" fragte er gelangweilt. "Was wollt Ihr tun ... mich vielleicht in eine Maus verwandeln?" Seine letzten Worte gingen in schallendem Gelächter unter.
Canerio verzog mit keiner Miene das Gesicht, sondern führte in aller Seelenruhe den Hut in die Nähe seines Mundes und öffnete diesen ein kleines Stück.
"Oder ... ich fresse Euren Hut."
"Meinen Hut? Oh nein, das wagt Ihr nicht ... das nicht ..."
"Och, ich schluckte schon schlimmeres ..." Canerio zuckte ungerührt mit seinen mageren Schultern, schluckte einmal und riss seinen Mund weit auf.
"Neiiiiiiiiin, haltet ein, sofort!" Der Magier wurde leichenblass und lief auf Ritter Canerio zu, die Hände beschwichtigend von sich gestreckt.
"Wartet, wartet ... gewiss gibt es noch eine andere Möglichkeit, lasst mich überlegen."
"Ach, überlegen?"
"Ja, wie ich sagte. Ähem, also was haltet Ihr von einem kleinen Tausch? Euren Knappen gegen meinen Hut? Hm?"
Der Ritter runzelte die Stirn und überlegte. Ein verlockendes Angebot machte ihm der Magier da.
"Nun gut, so sei es ..." Canerio war gerade im Begriff, den Hut dem Magier zu überreichen, dessen Hände sich bereits gierig dem begehrten Stück entgegen streckten, als ihm etwas einfiel.
"Ha, dachte ich es mir doch, Ihr wolltet mich hinters Licht führen! Los, zuerst meinen Knappen!"
Reigami seufzte schwer. "Ihr Narr, ohne meinen Hut geht das nicht."
"Nicht? Hm ... gebt mir Euer Wort!"
Der Magier versprach wonach der Ritter verlangte und versprach sich selbst, dieses unmögliche Duo sofort aus seinem Garten zu zaubern, sobald er seinem Versprechen Folge geleistet hatte.
Zögerlich reichte Canerio den Hut herüber.
Vorsicht nahm ihn Reigami entgegen, besah ihn aufrichtig besorgt von allen Seiten und tippte dann einmal sanft mit seinem Zeigefinger dagegen. Das Fass stoppte, der Deckel kippte zur Seite und ein völlig aufgelöster Webolo rollte zur Hälfte heraus.

Moordrache, der erneut den Turm überflog, sah nach unten und fühlte sich dem Wahnsinn ein Stück näher kommen. Canerio spielte mit dem Hut des Magiers und Webolo schien sich klammheimlich in einem Fass verstecken zu wollen.
Wütend entschloss er sich zur Landung. Zischend zog er die Luft ein, so laut, daß für einen Moment alle in ihren Bewegungen innehielten und erstaunt zu ihm herüber sahen. Sein Kopf schoss herunter und bremste kurz vor Magier Reigami, seine gewaltigen Pranken schoben sich ins Erdreich und schufen kleine Hügel als sie sich wieder zusammen zogen und langsam, ganz langsam legte er seinen Kopf ein wenig schief und verdrehte dabei die Augen.
"Gib uns sofort dieses Wurzkraut, du Magier, du", begann er leise zu sprechen, "oder ich röste auf der Stelle dich, deinen Turm, deine Nachkommen und alles was dazu gehört, damit wir uns verstehen. Ich will einfach von hier fort, verstehst du das? Ich will zu meiner wunderschönen Liebsten, zu meiner einzigsten und ich will es so schnell wie möglich, aber ständig kommt was dazwischen, also schwing dich jetzt gefälligst und rück dieses Kraut raaaaaaaaaaaaussss!"
Das letzte Wort knallte dem Magier mit solch einer ohrenbetäubenden Lautstärke um die Ohren, daß er erschrocken beide Hände auf die Ohren schlug und in die Knie ging. Ihm stockte der Atem. Entsetzt starrte er in das verzerrte Gesicht des Drachen, in dessen Augen sich der blanke Irrsinn spiegelte, Irrsinn, der nicht zu kontrollieren war, und aus dessen Nasenlöchern bereits kleine Qualmwolken ihren Weg nach draußen suchten. Er war ein guter Magier, er war der beste aller Magier ...  und er wusste wo seinen Grenzen waren. Dieses Trio da, woher auch immer es zu kommen schien und was immer es auch wollte ,war wohl eine davon.
"Da ...", stammelte Reigami völlig erschöpft und zeigte auf ein unscheinbares Kraut, das entlang des kleinen Pfades vor sich hin wucherte.
"Was? Das? Da?" Webolo’s Stimme war nur ein Hauch, dennoch klang sie so laut wie noch nie zuvor.
"Ja ... das da. Es ist das wertvollste, das man sich denken kann, ein Kraut voller geheimer Kräfte, die noch nicht einmal ich alle erforscht habe. Und genau deswegen wächst es hier am Rand, unauffällig und unscheinbar ... der sicherste Platz, den man sich denken kann."
Verständnislos schüttelte Webolo seinen Kopf. Er wollte gerade etwas erwidern, als ein Fremder in den kleinen Garten gelaufen kam. Er war gekleidet wie ein Bote und sah ziemlich erregt und erschöpft aus.
"Helft uns ... die Plattladine ... sie sind zurück. Zu Hilfe..."
 

© by Cancelot
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Und schon geht's zum 9. Kapitel: Im Garten des Magiers
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Denkt bitte daran: auch diese Geschichte nimmt am Drachentaler-Wettbewerb teil.
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