Dumpf waberten grauschwarze Nebelschwaden
umher, während von irgendwo ganz tief unten das Dröhnen
gleichmäßiger Trommelschläge heraufdrang. Bumm! Bumm! Bumm!
Traurig klangen die Schläge, ganz so, als würde in der Tiefe
Abschied genommen von jemandem oder etwas. So ging es eine Ewigkeit.
Doch nun, fast unmerklich, veränderte
sich die Szenerie. Der dunkle Nebel verdichtete sich an einigen Stellen,
an anderen schien er sich in gänzliche Schwärze aufzulösen.
Die Trommelschläge wurden ungleichmäßiger und begannen
teilweise auszusetzen. Bumm! Bumbum! Stille! Bumm!
Immer stärker verdichtete
sich der Nebel, nahm Gestalt an, vielmehr Gestalten, die sich aus ihm zu
lösen schienen. Knochige Hände an fleischlosen Armen ragten aus
den Schwaden und griffen um sich, zunächst noch ziellos. Allmählich
jedoch wurden die Bewegungen zielgerichteter und koordinierter. Hände
und Arme sammelten sich um einen imaginären Mittelpunkt, der eben
noch völlig schwarz gewesen war. Sie schienen dort in gewisser Weise
zu verschmelzen. Immer mehr bleiche Knochen kamen zusammen, und die Schwärze
verwandelte sich über alle Grautöne hinweg allmählich in
Weiß. Weiß wurde zu Licht. Die Trommeln erstarben. Das Licht
kam näher. Immer näher. Wärme. Endlich! Ein warmer Ort.
Doch nein! Das Licht entfernte sich.
Floh immer schneller. Ein unendlich kühler Hauch setzte ein. Es wurde
dunkel und still. Friede.
Bumm! Bumm! Überlaut dröhnten
plötzlich die Trommeln los. Weitere Geräusche waren zu vernehmen.
Stimmen - teilweise irgendwie seltsam vertraut. Die Schwärze begann
löchrig zu werden. Überall schossen kleine Lichtstrahlen hervor,
brannten sich gleichsam durch die Dunkelheit. Rasend schnell verbrannte
die Finsternis, bis nur noch gleißendes Licht zu sehen war. Und wieder
diese Stimmen.
***
"Ich spüre, daß er lebt.
Frag mich nicht warum, Armahran!"
"Vielleicht, weil sein Herz wieder
schlägt?"
"Ich meinte, frag mich nicht, wie
ich das gemacht habe!"
"DU? DU warst das? Gut, er war
uns schon völlig über die Klinge gesprungen. Aber das Grasnarben-Ritual
ist doch wohl MEINE Idee gewesen, Gréjhem." Armáran klopfte
sich entrüstet etwas Erde vom Ärmel. Wenn es um seine Druidenehre
ging, klappte es nicht immer so recht mit der hohen Góghan-Schule
der Selbstbeherrschung.
"Wie gesagt, ich weiß auch
nicht wie ich das gemacht habe, Armahran. Aber Du mußt mir vertrauen!
Ich habe diese Hände gesehen. Gut, sonst sehe ich nicht sehr viel,
aber diese Hände waren da. Punkt! Und ich blies sie fort! Einfach
fort!"
"Na, darüber reden wir noch."
Offenbar war dieser Gréjhem doch noch verwirrter von seinem Weltenwechsel,
als Armáran geglaubt hatte. Aber seltsam war es schon, daß
das Grasnarben-Ritual diesmal tatsächlich geklappt hatte. ‚Vielleicht
habe ich gerade eine Glückssträhne’, dachte er bei sich.
Doch nun war es Zeit, sich um den
Schwerverletzten zu kümmern. Nicht daß er Wargrov nicht des
öfteren die Pest an den Hals gewünscht hätte. Aber es war
eben so: Als Druide hatte man gewisse Verpflichtungen. Und eine dieser
ungeschriebenen Regeln hieß, Verletzten zu helfen, auch wenn es sich
um solch unangenehme Subjekte wie Érochs Hauptmann handelte. Und
man konnte nie wissen, ob jemand wie Wargrov einem nicht noch nützlich
sein konnte, gerade in diesem geschwächten Zustand.
"Wargrov! Hey, Wargrov!" Armáran
rüttelte sanft den Kopf des Kämpfers.
Nun fiel auch Graham mit ein. "Wach
auf! Los, wach auf, Wahgroff! ... Hey, Moment! DAS ist der Typ, auf den
wir hier warten?" Graham schaltete schnell.
"Natürlich ist er das?? Oh!
Hmm, aber er scheint tatsächlich zu sich zu kommen. Ich schlage vor,
Du kümmerst Dich um den Hauptmann und gibst ihm etwas Wasser aus Deiner
Flasche. Ich baue derweil eine Trage, das dürfte Dir im Augenblick
wohl noch etwas schwerfallen. Wir sollten ihn dann zu einer alten Freundin
von mir bringen, die ganz in der Nähe wohnt. Hier an der Furt können
wir ihm nur wenig helfen. Vor allem diese Pfeilwunde macht mir große
Sorgen."
Schnell war Armáran mit seinem
Messer in den Wald losgezogen. Geübte Griffe schnitten Äste,
prüften diese auf ihre Tauglichkeit, schälten junge Rinde von
Zweigen und verwendeten diese zum Zusammenbinden der Äste. Die Sonne
war nur eine Baumkrone weitergewandert, als der Druide mit der Trage fertig
war. Sorgenvoll lief er mit dem Gestell zurück zur Furt. Hoffentlich
war er schnell genug gewesen. Der Zustand von Wargrov war mehr als bedenklich
gewesen. Zur provisorischen Verarztung der Pfeilwunde pflückte Armáran
unterwegs pflugs noch etwas Kannenkraut.
Schließlich sah er die Furt.
Und die beiden Gestalten, die nebeneinander saßen, wobei die größere
der kleineren auf die Schultern klopfte. Er traute seinen Augen kaum. Der
eben noch dem Tode nahe Hauptmann saß fröhlich neben dem ebenfalls
gutgelaunten Gréjhem.
"Wargrov?? Aber wie... Du warst
doch ... Du lagst doch gerade noch... Halt, keine ruckartigen Bewegungen.
Und laß mich in Farkáns Namen Deine Wunde behandeln." Doch
seltsam. Als Armáran sich die ehemals verletzte Schulter besah,
war dort keine Spur einer Wunde mehr zu erkennen.
"Hey, fummel nicht an mir rum,
alter Mann! Das kitzelt." Wargrov protestierte nicht wirklich, wie an seinem
fröhlichen Tonfall zu hören war.
Der Druide wandte sich seinem seltsamen
Begleiter zu. "Was ist geschehen, Gréjhem?"
"Also, ich hab ihm einfach etwas
Wasser aus meiner Flasche gegeben, wie Du es gesagt hast. Und ehe ich mich
versah, bekam sein Gesicht plötzlich Farbe. Und dann kam er auch schon
auf die Beine, schaute noch etwas verwirrt und fing mit diesem penetranten
‚Danke, danke, Du hast mir das Leben gerettet, ich stehe in Deiner Schuld’-Gerede
an. Hey, ist schon gut, Wargrov, bist´n prima Kumpel. War nicht so
gemeint."
Der Hauptmann strahlte übers
ganze Gesicht. "Armáran, wenn das Dein neuer Schüler sein sollte,
dann hast Du einen verdammt guten Fang gemacht. Ihr habt mir das Leben
gerettet. Ich stehe in Eurer Schuld."
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